Einzelbild herunterladen
 

Nr. 24.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich as Big. frei in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Deiterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingert. in der Boft Zeitungs- Breisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Ja

Vorwärts

11. Jahrg.

11

Inferttons- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Big., für Vereins- und Beriammlungs Anzeigen 20 Pfg Fnferare für die nächite Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Erpedition abgegeben werden. Die Erpedition ift an Wochen­tagen bis 7 lbr Abends, an Sonn­und Fefttagen bis 9 Uhr Wor mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt I, 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner  

Bolksblatt.

ledo da

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Dienstag, den 30. Januar 1894.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Mehrzahl der Landwirthe direkt verhindert, auf die der Vorstand bestimmt aus seiner Mitte einen Als ein Meisterstück beabsichtigte forporative Organisation des landwirthschaft ersten und zweiten Vorſizenden. Die Mitglieder der zur Wahrung und Förderung der Interessen des land lichen Berufsstandes" einen Einfluß auszuüben. Der Landwirthschaftskammer werden auf sechs Jahre gewählt, wirthschaftlichen Großbetriebes und als eine Prachtleistung Kleinbesiz zählt also ganz und gar nicht mit. Etwas am Ende eines jeden Jahres scheiden die Vertreter eines einer dekretirfrohen, verknöcherten Bureaukratie erweist sich anders ist die Sache beim Mittelbesitz. Aber auch der ist Sechstels der Wahlbezirke aus, tönnen aber von den Wahl­der Entwurf eines Gesetzes über die Landwirthschafts- gefesselt an Händen und Füßen. Wer zur Landwirthschafts- männern sofort wiedergewählt werden. Erwägt man weiter, kammern, der dem preußischen Abgeordnetenhaus vor einigen fammer wählen will, muß mindestens 25 Jahre alt sein, daß der Landrath über eventuelle Einwendungen gegen die Tagen zugegangen ist. und Kammerrath kann nur der werden, der das 30. Lebens- Wahllisten entscheidet, daß die Kammermitglieder ihr Amt Es ist eine offenkundige Thatsache, daß in den bis- jahr überschritten. Vergleicht man diese Bestimmungen mit unentgeltlich versehen müssen, daß jede Landwirthschafts­herigen landwirthschaftlichen Zentralvereinen allein die Groß- denjenigen, welche bei einer Reichstagswahl gelten, fammer ein Mitglied, welches nach ihrem Urtheile durch grundbefizer im Verein mit den Großpächtern und einigen, so muß man unbedingt zu dem Schlusse kommen, seine Handlungsweise die öffentliche Achtung verloren hat", höheren Forstbeamten etwas zu sagen hatten und infolge daß es viel schwieriger ist, über den Ankauf eines ausschließen kann, so wird man mit Bestimmtheit dessen alles das, was für ihren Säckel gut war, als all- Buchtbullen zu befinden, als im Reichstage über Militaris- voraussagen können, wer in den Landwirthschaftskammern gemeine Forderung der gesammten Landwirthschaft hin- mus, Handelsverträge, allgemeine Kultur- und Geistesfragen fizen und das große Wort führen wird.

"

stellten und nach außen vertraten. Mit der Einführung zu sprechen und zu stimmen. Der Landwirth fängt beim Ob die Landwirthschaftskammern der Landwirthschaft von Landwirthschaftskammern wird den Zentralvereinen Gespann an und gefcheidt wird er erst mit 30 Jahren", etwas nützen werden, wollen wir heute dahin gestellt fein der Existenzgrund entzogen; und werden Liese Kammern konstatirt der Mann hinter dem grünen Tisch, und vielleicht lassen; daß sie sich aber, wenn sie so in die Erscheinung auf eine auch nur halbwegs freiheitliche, die Gleich weiß er es, denn er ist ja selbst eine altpreußische Tradition. treten, wie die Regierung es will, zu reinen Junker­berechtigung aller Berufsgenossen betonende und fest- Die Wahl zur Landwirthschaftskammer ist eine in- parlamenten auswachsen müssen, glauben wir bewiesen zu setzende Weise eingerichtet, dann ist es mit der Vor- direkte. Jede Gemeinde wählt einen Wahlmann und alle haben. Im Landtage die Landräthe, in den Landwirth­herrschaft der Junker und der erdrückenden politischen Wahlmänner eines Wahlkreises der nach der Vorlage schaftskammern die Junker, nein, ein schöneres Paar hätten Uebermacht der Großgrundbesitzer ihren eigenen Berufs immer mit dem betreffenden Landkreis zusammenfällt die Krähen auch nicht zusammentragen können. genossen gegenüber vorbei, und das Bratenlassen wirth- wählen mindestens zwei Mitglieder zur Kammer. Der Zum Schlusse noch eine Bemerkung. Wie die Regie­schaftlicher Extrawürste wird beinahe zu einem Ding der Kammerrath, der nun herauskommt, ist auf diese Weise rung in einer dem Entwurfe beigegebenen Begründung an­Unmöglichkeit. Das haben die witterungssicheren Junker schon dreimal gesiebt, aber das genügt noch lange nicht. deutet und die Agrarier allsogleich mit vor Freude ganz auch sogleich eingesehen und gefürchtet, und deshalb haben In den Gemeinden tönnte ja ab und zu noch ein kleiner heiseren Stimmen in alle Winde schrieen, sollen unter Mit­ihre Zentral- Vereine im Vorhinein die Errichtung von hindurchschlüpfen und die Kleinen, das weiß man ja, sind wirkung der neuen Kammern die ländlichen Hypotheken­Landwirthschaftskammern abgelehnt. Welche Welche angenehm meistens widerborstig. Dagegen hat man sich auf folgende schulden in unfündbare Amortisations- Rentenschulden um enttäuschte Augen mögen die Herren gemacht haben, Art geholfen. Alle Wahlberechtigten einer Gemeinde gewandelt werden. In der Begründung" wird die Hypo­als ihnen ber vorliegende Regierungsentwurf zu wählen einen Wahlmann; aber die Stimmen sind nicht thefarbelastung des ländlichen Grundbesizes in Preußen auf gestellt wurde! Und hätten sie auch einen tausend gleichwerthig. Je mehr einer Grundsteuer- Reinertrag 102-11/ 2 Williarden Mark geschätzt. Und für ein der­Goldthaler großen Kardorff- Preis ausgeschrieben, es nachweisen kann, desto mehr gilt seine Stimme; sie tann artiges Gesez, das eine so ungeheure Geldbewegung zur wäre keine Arbeit eingelaufen, die ihre Unersetzlichkeit bis zu einem Drittheil des Stimmenwerthes der ganzen Folge haben muß, hat man, für Entwurf, Begründung schärfer bewiesen, ihre Vorrechte besser begründet, ihnen Gemeinde steigen. Findet sich noch eine andere ebenso und Erläuterung des Entwurfs, 24 halbe Druckseiten mehr Vortheile und saftigere Annehmlichkeiten zugewandt vollwerthige Stimme in der Gemeinde, so bestinimen die zwei übrig! In der That, leichter gestalten kann man sich das hätte, als es der Entwurf der Regierung gethan, einer Stimmen den Wahlmann. Und die anderen Bauern? Gesezm achen nicht. So trifft's der Bruder Barthel auch. Regierung, gegen deren erstes Mitglied fie Tag für Tag Nun, die können den Mund auf- oder zumachen, es bleibt mit Spieß, Stangen und Hebebäumen ausziehen. fich gleich.

Als zu Anfang des Jahrhunderts die Erbunterthänig- Aus den Gemeinden kommen also Großbauern, aus Politische Leberlicht.

Berlin  , den 29. Januar.

feit der Bauern aufgehoben werden sollte, gab die damalige den selbständigen Gutsbezirken können nur die Gutseigen­Regierung dem Geschrei der ostelbischen Gutsbesitzer Gehör thümer fomnien, da nur sie hier das Wahlrecht be­und schloß alle diejenigen, deren Hof nicht ein Gespann von sigen. Die verschiedenen Wahlmänner eines Wahl- Der Reichstag beschäftigte sich heute mit der Finanz­Bugvieh erforderte, von den Wohlthaten des Gesetzes aus. kreises versammeln sich unter Vorsitz des Landrathes, reform- Vorlage der Regierung. Staatssekretär Posadowsky  Dieselbe Geistesrichtung und Zuvorkommenheit, die damals um die Wahl der Mitglieder der Landwirthschaftskammer begründete, so gut er fonnte, die Vorlage. Die Rede mit ein paar Federstrichen tausend und abertausend Klein- vorzunehmen. Ein jeder Wahlbezirk des Kammergebietes machte, wie alle von ihm bisher gehaltenen, sehr wenig befizer auf Gnade und Ungnade der Handvoll Junker aus- muß wenigstens zwei Kammerräthe wählen, und einer von Eindruck im Hause. Nach ihm ergriff der Zentrums­geliefert, tommt in dem vorliegenden Landwirthschafts- diesen muß ein Großgrundbesitzer oder Rittergutsbesitzer Abgeordnete Lieber das Wort, der in einer nur durch ihre fammern- Entwurf zur Wiedererscheinung und bestimmt, daß in fein. Die Stimmen gelten auch hier nicht gleichviel, fie Länge ausgezeichnete Erklärung die Ablehnung der Vorlage den Stadt- und Landgemeinden nur diejenigen wahlberechtigt werden wie in den Gemeinden nach dem vertretenen Grund- seitens seiner Fraktion begründete. Die Erklärung gipfelte sind, deren Bachtung oder Grundbesig wenigstens den Um- steuer- Reinertrag gewogen. Hat sich die Landwirthschafts- im Wesentlichen darin, daß in Anbetracht der überaus fang einer die Haltung von Zugvieh zur Bewirthschaftung tammer konstituirt, so wählt sie alle drei Jahre schlechten wirthschaftlichen Verhältnisse die von der Regie­erfordernden Ackernahrung hat. Damit ist die übergroße einen zum mindesten fünfköpfigen Vorstand und rung vorgeschlagene Finanzreform unannehmbar sei und

Feuilleton. Helene.

Nachdruck verboten.]

[ Alle Rechte vorbehalten. [ 29

Roman in zwei Bänden von Minna Kautsky  . Was ist das?"

" Frau Gebhart sammelt schon wieder Unterschriften." " Wofür?"

Für Errichtung einer Frauenuniversität, bitte, wollen Sie nicht Ihre werthen Namen darunter sehen?"

Er tauchte mit komischer Wichtigkeit die Feder in die Dinte und hielt sie dem Bizesekretär zuerst entgegen. Dieser prallte zurück.

Fällt mir garnicht ein, was, es ist für uns ohnedies so schwer, Karrière zu machen, da sollen wir uns noch Ron­Turrentinnen züchten?"

"

Meine Verehrten, Ihr ereifert Euch für ein Nichts," stohlene Huldigung darbringend, die ihr indeß nicht ent­fagte Schultes mit einem ironischen Lächeln. Ihr werdet gehen konnte und sollte. doch nicht glauben, daß solche Petitionen Beachtung finden? Ihr könnt diese getrost unterschreiben. Wir werden doch unserer liebenswürdigen Hausfrau nicht den Spaß verderben und er ist wirklich sehr harmlos."

Und alle lachten und unterschrieben.... Das Souper   war heute besonders fein und der Cham­pagner versetzte alle in eine fröhliche Stimmung.

Betty trant viel und lachte noch mehr. Sie saß neben dem Hausherrn, dem sie in neckischer Weise den Hof machte. Er ftrahlte vor Entzücken. Seine Frau hatte ihn mit Liebenswürdigkeiten nicht verwöhnt, aber es gab noch andere, die ihn weit schlechter behandelten.

Helene saß neben Exzellenz Lermina und war ebenfalls sehr aufgeräumt. Sie hatte das Wunder zu stande gebracht, diese vertrocknete Mumie zu beleben, und da er unter­haltend sein konnte, sobald ihn jemand unterhielt, gestaltete sich die Konversation immer lebhafter. Ja, er reizte sie ab­" Wozu sind denn solche Sachen?" meinte Lippert, fichtlich, weil sie schöner wurde, wenn ihre Augen blitten sind die Mädchen hübsch, dann werden sie immer ein und ihre Wangen sich rötheten und ihr ganzer Körper jenen Unterkommen finden, dann lassen wir sie nicht ver- feuchten Duft ausströmte, der wie Blumenduft seine welfen hungern-" Sinne fizzelte.

,, Auch wenn sie garnichts verstehen," ergänzte ein Anderer.

Höchstens die ,, ars amandi", versetzte der Elegant. Das genügt," meckerte der Vize, der Einzige, der den Wit verstanden hatte.

" Das genügt vollkommen," sagte Lippert, der sich setzen mußte, da seine Beine zu zittern begannen und die Augen­lider ihm wieder zufielen.

Auch Donner, ihr Nachbar zur Linken, bot all seinen Wit auf, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und wenn sie dann lachte, blickte er triumphirend um sich. Morre, der ihr gegenüber saß, beobachtete diese Manöver schweigend.

Die Tafel wurde bald aufgehoben, da man noch ein Tänzchen zu machen gedachte.

Während der Vorbereitungen dafür zerstreute sich die Gesellschaft in die anstoßenden Gemächer, die glänzend er­leuchtet waren.

Die Hausfrau hatte Helene am Arme genommen, um ihr zu sagen, wie schön sie neulich am Balle des Ministers gewesen sei und wie bewundert.

Morre, der Helene nicht aus den Augen ließ, trat

zu ihnen.

Da ist wieder Einer, der mir ein tête- à- tête mit Ihnen mißgönut," scherzte Sidonie, wahrhaftig, Sie haben im Handumdrehen diesen Saulus zum Paulus ge­macht."

Sie wurde in dem Augenblick abberufen und die Beiden blieben allein.

Alsbald nahm das stolze Gesicht Morre's einen zärtlich flehenden Ausdruck an.

Können Sie mir verzeihen?" fragte er leise. Sie sah ihn mit großen Augen an.

" Ich wundere mich, daß Sie in mir die Erinnerung an etwas erwecken wollen, das ich längst vergessen habe und das so wenig schmeichelhaft für Sie ist." Aber nur um so pikanter erschien sie ihm. Eine so scharfe Entgegnung hatte er nicht( erwartet. Sein Roman mit ihr hatte das für ihn angenehmste Intermezzo erfahren, jetzt wollte er ihn zu Ende spielen. Er wußte in seine Züge den Ausdruck eines wirklichen Schmerzes und ein Beben in seine Stimme zu legen. Glauben Sie mir, gnädige Frau, ich kenne die Größe Und wieder ließ er sie in ernster, respektvoller Be meiner Schuld und büße dafür mein Leben lang," und wunderung zu ihr hinüber schweifen, eine stumme, ver- leiser noch, mit einem leidenschaftlicheren Timbre: ich

"

" Ist denn wirklich kein Mann so häßlich und keiner so alt, daß er nicht glaubt, ein reizendes Weib erobern zu tönnen," dachte er. Da meint jeder von ihnen, er bringe " Daß wir aber Denen, die uns sonst nicht gefallen, ihr Blut in Wallung und laffe ihren Geist höher auf­noch besondere Vorrechte schaffen sollen, das ist ein Non- sprühen, und doch ist es meine Nähe und meine Augen find's, die diese Wirkung hervorbringen."

seus," rief der Vize.

Recht hat er- wir unterschreiben nicht

von uns!" riefen sie alle.

-OOOO

- Reiner

"