Nr. 82. 31. MlMg. 3. Ifilme des Jontärts" Kcrlim PpIWIä prtsfoj, 21. W-n 1911. Reichstag . 239. Sitzung. Montag, den 23. März 1914. nachmittags 2 Uhr. Am BundeSratstische: Dr. Lisco, Kraetke. Kühn. Auf der Tagesordnung steht zunächst der Gesetzentwurf betr. die Verlegung der deutsch -russischen Landesgrenz vom Memelstrom bis zum Pissekflutz. Das Gesetz wird in_ erster und zweiter Lesung ohne Debatte angenommen. Ebenso in dritter Beratung das Gesetz über die Folgen der Verhinderung Wechsel- und scheck rechtlicher Handlungen ini Ausland. Es folgt die zweite Beratung ües Etatnotgesetzes. Die Abg. Beck(natl.) und Erzberger ($■) beantragen. die sich aus dem vermehrten Verkehrsbedürfnis ergebenden neuen Beamtenstellen im Po st etat schon in diesem Gesetz zu bewilligen. Abg. Beck snatl.) weist darauf hin, dah die Entscheidung in den anderen Beamten� fragen durch diese Bewilligung nicht beeinflußt Wersen solle. Der Antrag und das Etatnotgesetz werden angenommen. Der Reichsschuldenkommission wird für ihren Be- richt vom 8. März 1913 Entlastung erteilt. Ohne Debatte erledigt werden Re chnung en über den Etat von Kiautschou für 1905, 1996 und 1997, eine Rechnung der Oberrechnungskammer für 1919 sowie Rechnungen über dre Etats einiger Kolonien für 1998. Es folgt die zweite Beratung des Nachtragsetats für 1913 betreffend den Erwerb öes Erunüftücks Viktoriaftr. 34 für öie Militärverwaltung. Die Kommission beantragt die Bewilligung der als erste Rate teforderten 2S99 999 M., unter Uebernahme des Titels auS dem ltilitäretat in den Etat des Reichsschatzamts, mit der Hinzufügung, daß die Zweckbestimmung des Grundstücks späterer Beschluß- fassung, zu der die Zustimmung deS Reichstags einzuholen ist, vor- behalten bleibt, und daß die Verwaltung im übrigen ermächtigt ist, das Grundstück zu veräußern, falls mindestens der Selbstkosten� preis erlöst wird. Ferner beantragt die Kommission dazu drei Resolutionen. Erstens soll die Frage des Regreßanspruches des Reichs als- bald geprüft und dem Reichstag darüber berichtet werden, ferner sollen Tauschgeschäfte über Grundstücke in Zukunft etats- rechtlich ebenso behandelt werden wie Kaufgeschäfte und drittens wird der Reichskanzler um beschleunigte Vorlegung eines Reichs wivtschaftsgesetzes ersucht. Abg. Stückle»(Soz.): Durch die Vorlage soll eine Angelegenheit zum Abschluß ge bracht werden, die seit Jahr und Tag sehr viel Staub aufgewirbelt hat. Es handelt sich hier um einen Verstoß gegen das Budgetrecht des Reichstags, um den Versuch einer BerfassungSverletzung. Dem Reichstag wird eine Rechnung präsentiert, die weit über 6 Millionen hinausgeht, die aufgestellt wurde von einem Schiedst gericht, von besten Zusammensetzung der Reichstag keine Kennt« nis hatte. Die Kommission hat sich dahin entschieden, daß der Reichstag in den sauren Apfel beißen und für den Betrag auf' kommen müsse. Der Kriegsminister meinte in der Kommission, damit, daß dem Reichstag diese Vorlage zugehe, sei um ?n d e m n i t ä t gebeten. Danach scheint er eine sehr v e r- chleierte Auffassung von dem Begriff Indemnität zu haben. Wenn die Regierung das wollte, mußte sie im vorigen Jahre bereits er- klären, wir sehen ein, daß wir gegen die Verfastung verstoßen haben, und bitten um Indemnität . Jetzt, nachdem dös Schieds' gericht den Mililärfiskus verurteilt hat. dem Reichstag erklären, er solle die annähernd ö Millionen bezahlen, damit suche man zugleich um Indemnität nach, das heißt denn doch, dem Reichstag allzuviel zumuten.(Sehr wahp! bei den Sozialdemokraten.) Nein, Indemnität ist nicht nachgesucht worden, der Reichstag ist vor eine vollendete Tatsache gestellt worden. Ich behaupte, daß die Militärverwaltung mit voller Absicht darauf hinzielte, das Budgetrecht des LieichStages bei dem großen Geschäft, das da gemacht werden sollte, vollkommen auszuschalten. Deshalb muß der Reichstag mit aller Schärfe dies Vorgehen verurteilen, damit die Herren von der Militärverwaltung einsehen lernen, daß die Bestimmungen der Berfassung nicht allem für uns, sondern auch für sie gelten, damit nicht ein zweites Mal versucht wird. den Reichstag zunächst in der Weise zu hinter- gehen, und dann vor eine vollendete sehr unangenehme Tatsache zu stellen.(Präsident Kaempf rügt den Ausdruck„hinter- gehen'.) Ich werde versuchen, die Handlungsweise der Militär- Verwaltung mit den mildesten Ausdrücken zu charakterisieren, möchte aber betonen, daß eine solche Angelegenheit den Reichstag noch nie- malS beschäftigt hat.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es dreht sich bekanntlich um den Neubau eines Gebäudes für das Militärkabinett. Bereits 1992 wurde vom Reichstag der Bau eines solchen Gebäudes Ecke Prinz-Albrecht- und Königgrätzer Straße ab- gelehnt im Hinblick auf die schlechten Finanzen des Reichs. Die sind inzwischen nicht besser geworden, sondern vor allem durch die Schuld deS Militarismus noch schlechter. Der Chef des Militärkabinetts Frhr. v. L y n ck e r drängt aber seit langem darauf, daß ein eigenes Gebäude für das Militärkabinett und vor allem für ihn eine luxuriöse Dien st Wohnung hergestellt werde. Ich bin überzeugt, daß gerade dieser letztere Wunsch die treibende Kraft bei der ganzen Frage gewesen ist. Wir haben wiederholt betont, daß wir die ganze' Einrichtung des Mililarkabinetts verurteilen, daß wir in ihm eine militärische Nebenregierung sehen. Aus einer Schreibhilfe für den Kaiser, die eS eigentlich sein sollte, ist eine Instanz geworden, die auf dem Umwege über den Kaiser dem Kriegsministerium Aufträge erteilt. Der KriegSminisler v. Heeringen bestritt, daß ihm vom Militärkabinett ein Auftrag erteilt werden könne. Direkt gewiß nicht, aber die beiden Herren sind ja zum Vortrag beim Kaiser zugelassen, und was der Chef des Militär kabinetrs wünscht, geht dem Kriegsminister als Be'ehl deS Kaisers wieder zu. Als Verwaltungsbehörde sollte aber das Militärkabinett dem Kriegsminister unterstellt sein. Seine Wirkung vermögen wir zahlen- mäßig am besten an der Hand des PensionSeiats zu erfassen, der bekanntlich beständig gewalrig in die Höhe geht. Für die Wirk- samkeit des Militärkabinelts ist der K r i e g s m i n i st e r ver- antwortlich, obwohl er nicht den mindesten Einfluß darauf hat. Das Mililärkabinett stellt eine militärische Nebenregierung dar, und zwar eine unverantwortliche und ist die festeste Stütze des persönlichen Regiments. Daß der Kriegsminister für Dinge verantwortlich ist, aus die er keinen Einfluß hat. ist ganz un- haltbar, und es ist bezeichnend, daß sich immer noch Herren finden, die bereit sind, in solchem Fall die Verantwortung zu übernehmen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Räume des Militärkabinetts sind unzureichend geworden. >m einfachsten wäre es, dem Chef des Militärkabinetts den Wohuungsgeldzuschuß zu geben— er beträgt 15 333 M., und dafür ist wohl auch für einen preußischen General eine würdige Wohnung zu bekommen. Dann würden genügend Räume frei werden. Das Militärkabinett braucht aber gar nicht in der teuren Gegend der Behrenstratze zu stehen, es könnte ganz gut auf dem Tempel- hofer Felde errichtet werden, wo auch das Bezirkskommando erbaut ist. Ins Bezirkskommando müssen jährlich Zehntausende Berliner Bürger gehen: die Offiziere, die dem Militärkabinett unter- stellt sind, haben persönlich dort sehr wenig zu tun, und die blauen Briefe, die von dort versandt werden, kommen in ganz gleicher Weise an, ob sie im Tempelhofer Felde oder in der Behrenstraße aufgegeben werden.(Sehr richtig!) Aber der Chef des Militärkabinetts wünschte ein luxuriöses Dienstgebäude in der teuren Viktoriastraße mit einer Dien st Wohnung von 16 Zimmern und einem Festsaal. Da möchte ich doch fragen, ob das mit der so viel gerühmten militärischen Einfachheit in Einklang steht.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Die Militärverwaltung wußte, daß sie ein solches Gebäude auf geradem Wege nicht bekommen würde, und deshalb suchte sie es auf sebr bedenklichen Umwegen zu erreichen.(Präs. K a e m p f ersucht den Redner, die parlamentarisch zulässigen Grenzen nicht zu überschreiten.) Als rettender Engel erschien eines Tages im Kriegsministeriuin ein Herr v. Winterfeldt, dersich als Bankdirektor vorstellte. Mit ihm wurde verabredet, daß man gegen die Grundstücke in der Behren- und Königgrätzer Straße die Villa in der Viktoriastraße und das daneben befindliche Grundstück mit einem zu errichtenden Militärdienstgebäude und dann noch das Grundstück Wilhelmstr. 78 eintauschen wollte. Der Herr v. Winter- feldt besaß damals gar nichts, aber hinter ihm stand die Dresdner Bank, die das nötige Geld gegen 6 Proz. Zinsen und monat- liche Provision zur Verfügung stellte. In der Viktoriastraße ist ein dreistöckiges Gebäude errichtet, und der Reichstag dann vor die vollendete Tatsache gestellt worden. Das ganze kühne Gebäude brach aber zusammen, als der preußische Landtag das Grundstück haben wollte, das die Militärverwaltung dem Herrn v. Winterfeldt ver- sprochen hatte, und es brach völlig zusammen, als die Sache an den Reichstag kam. Der Staatssekretär Kühn erklärte damals, das Budgetrecht des Reichstags sei gewahrt, denn allen Abmachungen sei hinzugefügt worden„vorbehalilich der Zustimmung des Reichstags" Der Staatssekretär Kühn hatte also keine Kenntnis von dem was im Kriegsministerium vorging. Bei der Verhandlung im Reichstag erklärte auch der Kriegsminister v. Heeringen, bestimmte Zusicherungen hätte man Herrn v. Winterfeldt machen müssen, doch sei das Reich in keiner Weise gebunden.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Jetzt aber zeigt sich, daß bindende Ab- machungen mit Herrn v. Winterfeldt und seinen Hintermännern getroffen waren.(Hört! hört!) Die Kommission lehnte die Sache damals ab und im Plenum wurde die Forderung seitens der Regierung zurückgezogen. Damit schien die Sache für uns erledigt. Herr v. Winterfeldt hat aber den Militärfiskus verklagt und sich mit ihnr geeinigt, die Sache einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Von diesem Schieds gericht hatte der Reichstag keine Kenntnis; allerdings hatte der Staatssekretär Kühn in seiner langen Rede vom 2. Dezember darau hingewiesen und zugleich gesagt, daß das Verfahren vor dem Schiedsgericht noch schwebe; aber dieser Passus seiner Rede war nicht beachtet worden. Das Schiedsgericht hat nun entschieden, daß das Reich an die Dresdner Bank einschließlich Zinsen etwa S'/z Millionen Mark zu zahlen habe, oder das Grundstück in der Viktoriastraße übernehnien müsse zum Preise von rund fün; Millionen Mark. Das Reich ist danach mindestens um 2 bis 2,/a Millionen Mark geschädigt. Das Schiedsgericht hat festgestellt, daß man im Kriegsmini st erium den Plan hatte, die Angelegenheit außeretatsmäßig durchzuführen (Hört! hört I bei den Sozialdemokraten), indem ein Unternehmer au einem ihm gehörigen Gelände unter Aufsicht deS Ministeriums ein Gebäude errichten und dieses gegen ein anderes Grundstück dem Ministerium übergeben sollte. Dazu hielten die Herren sich für be- rechtigt. Die Resolution der Budgetkommission erklärt das Gegen- teil. Der frühere Kriegsminister v. Heeringen sagte, der Chef des Militärkabinetts habe bei der ganzen Sache nicht mitgeredet. Das Schiedsgericht aber stellt fest, daß das Grundstück Biktoriastr. 34 nach dem Vorschlag des Chefs des Militärkabinetts in Aussicht genommen wurde.(Hört! hört! b. d. Soz.) Im Jahre 1911 fing die Sache an, ohne daß dem Reichstag von dem Millionenprojekt Mitteilung genracht ivurde. Im Kriegs- Ministerium sind die Baupläne ausgearbeitet worden, die Bauausführung ist von einem Beamten des Kriegs- Ministeriums überwacht worden, und da will man sagen, das Kriegsministerium habe sich nicht gebunden. In dem Prozeß machte das Kriegsministerium den Einwand, bindende Abmachungen seien mit Herrn v. Winterfeldt nicht getroffen worden, denn notariell sei gar nichts abgemacht worden. Dabei hatte Herr v. Winterfeldt einen Brief aus dem Kriegsmini st erium erhalten, worin be- merkt war:„Wenn das Kriegsministerium Ihnen einen solchen Brief schickt, so ist das mindestens so sicher, wie eine notarielle Be- glanbignng". Und dann beruft man sich nachher darauf, es sei nichts notariell abgemacht worden.(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Einen parlamentarischen Ausdruck für ein solches Vorgehen gibt es nicht. Im kaufmännischen Leben würde das eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben bedeuten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn der Kriegsminister damals ausführte, ein Unternehmer wäre bereit, auf eigene« Risiko den Bau herzustellen, so möchte ich wirklich wissen, wie es mit der geistigen Beschaffenheit eines Bauunternehmers ans- ehen müßte, der ein Grundstück kauft, dort ein Dienstgebäude für das Militärkabinett baut und einrichtet, und wenn alles fertig ist, dem Kriegsministerium erklärt: Nun hitte, erwägt einmal, ob Ihr mir das abnehmen wollt!(Heiterkeit.) Gegenüber der Erklärung des KriegSministerS in der Kommission. daß er trotz alledem, was vorgegangen sei, das Gebäude für das Militärkabinett reklamierte, hat die Kommission das Gebäude dem Reichsschatzamt überwiesen, mit dem Auftrage, es, wenn mög- lich, zum S e l b st k o st e n p r e i s e zu verkaufen. Daraus geht klar hervor, daß die Mehrheit der Kommission und wohl auch die große Mehrheit des Reichstages nicht damit einverstanden ist, daß ein solches Gebäude für das'Militärkabinett errichtet wird. Den Resolutionen der Kommission stimmen wir zu. Es muß festgestellt werden, welche Beamren mit ihrem Vermögen für die Millionen, um die das Reich benachteiligt ist, haftbar gemacht werden können. Die Schuldigen find zwar alle vom Schauplatz ihrer Tätigkeit ver- chwunden. Aber sie sind doch da, und man kann sie ver- antwortlich machen. Auch muß die Frage geprüft werden, ob denn der Reichskanzler von den Dingen gar nichts gewußt hat, und ob er nicht auch regreßpflichtig gemacht werden kann. Dringend notwendig ist es ferner, daß die Rechte der Ver- waltung in dem verlangten Reichswirrschaftsgeietz genau abgegrenzt werden. Hat doch Staatssekretär Kühn in der Kommission den Standpunkt vertreten, daß bei Tauschgeschäften der Reichstag nicht gefragt zu werden braucht. Dogegen wurde in der Kommission allgemein protestiert. Wenn bisher in dieser Beziehung eine gewisse Handlungsfreiheit gelassen wurde, so bezieht sich das natürlich nur auf kleine Objekte, aber daran hat niemand gedacht, daß ein Staats- sekretär auf den Gedanken kommen könnte, daß er Millionenobjekte vertauschen dürfte, ohne den Reichstag zu fragen. In der Kom- Mission wurde bemerkt: Da könnte man ja einen schönen Tages auch den Reichstag vertauschen gegen irgend ri» anderes Gebäude! (Heiterkeit.) ES niuß also festgelegt werden, daß die Regierung kein Recht hat, Tauschgeschäfte zu machen, bei denen die Vermögens- übstanz des Reiches erheblich beeinträchtigt werden kann. Die ganze Angelegenheit ist wieder einmal ein Ausfluß de» Macht« willens des Militarismus, der hier versucht, da» Budget- recht des Reichstages auszuschalten, sich über die Verfassung hinweg- zusetzen. Das zeigt, wohin die Fahrt geht, und nur ein ge- schlossener Widerstand des Reichstages kann das deutsche Volk vor größerem Schaden bewahren.(Lebhafter Beifall bei den Sozial- demokraten.) � Abg. Schiffer(natl.): Die Ausführungen über die Befugnisse des Chefs des Militär- kabinetts gehörten kaum zur Sache. Sie waren auch nicht nötig. denn der ganze Reichstag dürste sich darüber einig sein, daß das anfängliche Vorgehen der Militärverwaltung mit dem Budgetrecht des Reichstages nicht in Einklang zu bringen ist. Das hat der jetzige Kriegsminister auch in der Kommission ohne weiteres zugegeben. Die jetzige moralische und finanzielle� Zwangs- läge des Reichstages ist in der Tat sehr mißlich. Das Vertrauen, das wir der Regierung entgegenbringen mästen, ist hier auf eine schwere Probe gestellt worden. Diese Beeinträchtigung des Vertrauens zwischen Regierung und Reichstag ist für mich das schlimmste an der Sache. Der Beschluß der Kominission bildet ja nun einen einigermaßen erträglichen Aus- weg. Ebenso stimmen wir den Resolutionen zu. Hineingeleuchtet werden muß auch in die Art, wie Herr v. Winterfeldt in das Kriegsministerium eingeführt worden ist.(Bravo I) Abg. Gotheiu(Vp.): Sämtlich Parteien sind einig darin, daß die Vorgänge, die zu dem Tauschgeschäft geführt haben, das Etatsrecht des Reichs- tags verletzen. Selbst das Schiedsgericht hat festgestellt, daß im Kriegsministerium der Plan vorlag, die Sache„außeretatsmäßig" zu erledigen. Gegen die Erledigung der Sacke durch ein Schieds- gericht haben wir nichts einzuwenden. Der Fiskus ist dabei auch noch recht gut gefahren. Für uns ist aber wichtiger als die Frage, ob ein größerer oder kleinerer Verlust für das Reich entsteht, die Frage der Verletzung unseres Budgetrechts. Setzt das Militär« kabinett seinen Willen schließlich doch durch, so wird es wieder heißen, der Reichstag kann doch nnr schöne Reden halten. Das wird durch den Beschluß der Budgetkommission vermieden. Die Resolutionen der Kommission bitte ich ebenfalls anzunehmen. Allerdings gebe ich mich keinen großen Erwartungen hin über das, was bei den Regretzansprüchen herauskommen wird, schon weil ich hoffe, daß das Reich schließlich überhaupt ohne Verlust davonkommen wird. Freilich wäre die Erziehung derer, die sich so leicht über das Etatsrecht des Reickstags hinwegsetzen, durch Maßnahmen, die ihr eigenes Portemonnaie treffen, sehr wirksam— das Portemonnaie gehört ja zu den empfindlichsten Körperteilen.(Heiterkeit.) Die Forderung der Kommission nach einem Wirtschaftsgesetz ist ein alter Ladenhüter, den ich hier vor 39 Jahren schon vorgefunden habe. Mit einer Resolution werden wir es nicht erreichen.(Sehr wahr! links.) Trotzdem stimmen wir natürlich der Resolution zu.(Beifall bei der Volks- Partei.) Reichsschatzsekretär Kühn: Irgend eine absichtliche Verletzung des Budgetrechts des Reichs- tages ist nicht vorgekommen. Reine Tauschgeschäfte, die glatt auf« gehen, halten wir für z u l ä s s i g, bei größerem Umfang sind wir freilich der Meinung, dem Reichstage solle Mitteilung gemacht werden, was leicht geschehen kann, indem man ein Tauschgeschäft in zwei Kaufgeschäfte auflöst. In der Verlvaltung bestand einige Zeit hindurch die Ansicht, eS handele sich auch hier um ein reines Tauschgeschäft. Von dieser Ansicht kam die Reichsleitung zurück bereits zu einer Zeit, als in der Oeffentlichkeit noch gar nichts von der Sache bekannt war. Diese Tatsache gibt wohl die Gewähr, daß auch in Zukunft so verfahren wird, und daß zu einem Mißtrauen kein Anlaß vorliegt. Abg. Ledebour(Soz.): Auf die Befugnisse des Militärkabinetts mußte eingegangen werden, da ja letzten Endes das Militärkabinett der Schuldige an der Verletzung des Budgetrechts ist. Wenn nach der Vermutung des Abg. G o t h e i n letzten Endes das Reich keinen Schaden erleiden wird, so bleiben doch die Kosten des Verfahrens vor dem Schieds- gericht mit etwa 39 999 M., die ebenfalls unter die Regreßpflicht fallen. Deshalb ist es nötig, diese Regreßpflicht mit allen Konsequenzen in Anspruch zu nehmen; wir kriegen von den Regreß- Pflichtigen 39 999 Mark eher als 3 Millionen Mark, und die Lehre, die den Betreffenden erteilt wird, ist dieselbe.(Sehr wahr!) Der Kriegsminister hat ja auch in der Budgetkommission gesagt: Unter meiner Verwaltung kommt so etwas nicht vor! Ein gebrannter Kriegsminister scheut eben das Feuer. Die Auffassung des Schatz- sekretärs Kühn, daß bei reinen Tauschgesckäften der Reichstag nicht gefragt zu werden braucht, könnte dazu führen, daß z. B. auch das Reichstagsgebäude gegen ein anderes Grundstück eingetauscht wird, ohne daß dem Reichstag Kenntnis gegeben wird. Wir niüssen also verlangen, daß für alle Tauschgeschäste die Genehmigung des Reichstagrs nachgesucht wird. Das muß sich der Reichstag erzwinge». Die Resolution, der wir ja auch zustimmen werden, wird wenig nützen. Die Regierung wird nachher einfach erklären, das lasse sich nicht durchführen. Dann sitzen wir mit unseren Talenten da. Nur durch Ausnutzung seines Budgetrechts, indem er an geeigneter Stelle be- stimmre Bedingungen stellt, kamt der Reichstag wirklich etwas er- reichen.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Ein völliges Ver- trauen zwischen Bundesrat und Reichstag kann nie vorhanden sein, denn es handelt sich hier um den Kampf um die Macht, in dem der Reichstag bisher immer den Kürzeren gezogen hat, weil er seine bisherigen Machtbefugnisse nie ausgenutzt hat. Die einzige Möglich- keit zu einer endgültigen Lösung solcher Fragen ist die Her- tellung des wahren KonstitutionalrSmuS, unter dem der Reichstag allein über solche Dinge zu bestimmen hat, und die Regierung nur das ausstihrendc Organ ist.(Beifall bei deu Sozialdemokraten.) Abg. Dave(Vp.): Die Erklärung des Staatssekretärs entbehrte auch für mich der genügenden Klarheit. Es muß festgelegt werden, daß Tausch- geschäste ebenso zu behandeln sind wie Kaufgeschäfte. Der Tausch .st eine unvollkommene Form des Güterumsatzes, seine Anwendung im Privatleben nennt man unter Umständen Schiebung.(Sehr gut! links.) ReichsschatzfekretSr Küh»: Ich habe nur gesagt:.grundsätzlich hat die Regienmg da» Recht, reine Tauschgeschäfte ohne Zustimmung deS Reichstags zu machen. Ich habe aber weiter hervorgehoben, daß trotzdem die Finanzverwalrung i n d e r R e g e l die Zustimmung deS Reichstags ei solchen Geschäften eingeholt hat, und einhole» wird." Kriegsminister v. Falkeuhayn: Die Vertreter des Kriegsministeriums, die hier angegriffe» worden sind, haben allerdings, indem sie die erwähnten Ver« pflichtungen eingingen, und die Militärverwaltung sowie die Volsvertretung banden, etwas getan, toas sie bei einem Geschäft wie dem vorliegenden, das kein reines Tauschgeschäft war, meiner Ansicht nach nicht tun durften. Aber man soll die Sache doch nicht so hart ansehen, denn sie haben jedenfalls ge- glaubt, ein vorzügliches Geschäft für das Reich zu machen, und auch etzt ist es noch ein wenigstens erträgliches. Der Chef des Militär- kabinetts hat bei der Sache mir soviel mitgewirkt wie jeder Bau- Herr bei einem Vau mitwirkt, der für ih» rejp. sei« Behörde au «- geführt vir».
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