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und Polizeispion T e ch e n bestach die Tiener des General- adjutanten v. G c r l a ch, öffnete dessen Schreibtisch, schrieb die Briefschaften ab und lieferte diese Abschriften an den M i n i st e r v. I! a n t e u f f e l. In der Verteidigungs­schrift des Geheimrats Seysfert, der nach der Entdeckung mit den Vorgängen in Verbindung gebracht wurde, beißt es: »>.. Inzwischen hatte mir Decken erzählt, dieselben Papiere, die er dem Herrn v. Manteuffcl vorgelegt, mit dessen Zustim- mung auch dem Generaldirektor v. Hinckddey mitgeteilt zu haben. Er zeigte Briefe eines der Vertrauten des Herrn v. Hinckeldey, des Geh. Rats Friedrichs, die darüber, daß solche vertraulichen Mitteilungen zwischen Tcchcn und- Herrn v. Hinckeldey statt- fanden, nicht wohl zweifeln ließen; er gab die Geldbelohnungeu an, die ihm von Herrn v. Hinckeldey' gemacht und für- fernere Mitteilungen in Aussicht gestellt waren. Er erzählte von seiner Unterhaltung mit dem Generalpolizeidirektor Tpecialia, die nichts weniger als Erfindungen oder Lüge sein konnten.,. Ich wußte. daß der Techen im Solde dcS Herrn v. Manteurscl sein Wesen trieb.." seiffert teilte dem Prinzen von Preußen mit, daß sich unter den bei Gcrlach abgeschriebenen Briefen solche mit den schmählichsten Verleumdungen gegen den Prinzen befanden. Tieser Diebstahl von Aktenstücken, der für politische Zwecke reichlich ausgenutzt wurde, währte ein ganzes Zcihr. Auch Bismarck hatte, wie man weiß, unter der Spionage feiner eigenen Klassengenossen sehr zu leiden, was man in seinen Briefen aus den fünfziger Jahren nachlesen mag, wo er sich über die P o st sp i o n e und Briefdiebstähle hin- reichend empört. Wir reden in diesem Zusammenhang gar nicht erst von der Spionage und Spitzelei gegen die Arbeiter- klaffe von den Anfängen ihrer Organisation an, über das Sozialistengesetz hinweg bis auf die jetzigen Tage. Diese Tinge sind unseren Lesern zu genau in eigener Erinnerung, aber eS verlohnte sich gegenüber dem Geheuchel der bürger­lichen Presse, wenigstens aus denjenigen Kreisen ein paar ge. schichtliche Beispiele in Erinnerung zu bringen, die sich immer so wild gebärden, wenn ein paar ausgestoßene und durch das wirtschaftliche Elend äußerlich und innerlich herabgekommene und vollkommen aufgeriebene Menschenkinder, bestochen und verleitet durch baS Geld der militärischen Behörden, ihr Vaterland verraten; ein Vaterland übrigens, das ihnen für dieses große Wort niemals einen Inhalt gegeben hatte. Mus öer schwedischen Wahl- bewegung. sV o n unserem nach Schweden entsandten Korrespondenten.) Boden, 3t. März. Hier in der Nähe der schwcdisch-sinnischcn Grenze liegt eine Festung zur Abwehr einer russischen Invasion, und die Fürsprecher deS schwedischen Militarismus nennen stolz die Festung das Ardianopel des Nordens. Allein man kann über die strategische Bedeutung dieser Festung sehr geteilter Meinung sein. Tie An- lagen und die Bewaffnung sind zweifellos die modernsten, und da , sich um ein« Gebirgsgürtelsestung handelt, ist, anzunehmen, daß eine feindliche Jnvasionsarmee viel Blut vergießen müßte, um dieser Anlagen Herr zu werden. Aber schon die Entstehungs- Geschichte dieser Festung ist typisch für die Schlendrianpolitik dieses Landes. Der Oesterreicher würde sagen: Ganz wie bei unS! Im Jahre 1882 erteilte der König dem Ehef de« GeneralstabeS den Auftrag, eine Untersuchung der befestigten Verteidigung Schwedens zu machen. Und dieser General setzt sich aus die Bahn, bereist da« Land und fünf Jahre später fordert er die Befestigung Bodens. Und erst jetzt entdecken die Militaristen die Gefährdung dieser Gegend, die Zeitungen bearbeiten die öffentliche Meinung, und 18S6 war man so weit, daß man den Reichstag angehen konnte. Der lehnte ab, und so wurde nach der berühmten Methode eine Kom­mission eingesetzt. Jetzt wurde die Notwendigkeit der Befestigung selbstverständlich nachgewiesen, eineVorrats-, Operations- und Sperrfeftung" sollte errichtet werden für 8,7 Millionen Kronen. Der Reichstag bewilligte, wie konnte er sich auch einer Kommission tonSachverständigen" und Parlamentariern entgegenstellen. Die Festung wurde gebaut und kostete über lg Millionen. Um den SUichStaz zu beruhigen, strich man von den 1v zwei Millionen ab, die man einfach bis auf weiteres nicht verbaute! So hatte man dem AuyhandelsbcdürfniL der Reichstagskommissioncn Rechnung getragen. Die Kalkulation erwies sich als richtig? Wie die Entdeckung der Notwendigkeit dieser Befestigung, so auch ihre strategische Bedeutung. Die setzt voraus, daß Rußland Teile Schwedens annektieren will und zu diesem Zwecke über Finn- land seine Armeen nach Nordschweden dirigiert. Tie Idee ist zwar sehr lächerlich, aber sie bekommt eine etwas sachlichere Unterlage durch die inzivischen erfundene Hypothese: Rußland wolle den nor- wegischen Hafen Rarvik oben am Polarmcer als eisfreien Zugang zum Atlantischen Ozean, annektieren. Und bei dieser Gelegenheit würde der erzereiche nordschwedischc Bezirk mit annektiert Werdern Auf die Verwendbarkeit Narviks als Hafen für den genannten Zweck werden wir in einem späteren Briefe zurückkommen. Aber daß Rußland ausgerechnet hier oben in Boden, wo jetzt noch am 81. März über W Grad Kälte herrschen und der Schnee metertief liegt, eine Jnvasionsarmee durch schwedische Bcsestigungswcrke fest- legen lassen würde, das kann man nur dann den Russen zutrauen, wenn man sie für komlette Idioten hält. Es ist auch bezeichnend, daß hier oben im Grenzgebiet kein Mensch die jetzige Russenfurcht in den südlicheren Teilen Schwedens teilt. Man macht vielmehr Witze und hält die lieben Landöleute in den wärmeren Landes- teilen für nicht ganz klar im Kopf, soweit sie von der russischen Invasion reden. Ganz besonders pikant ist folgende Episode, die hier von Sven Hedin erzählt wird. Dieser größie Rufer im Kampfe um vermehrte Rüstungen hat ja auch die Mär verbreitet. '�nß Rußland ganz Finnland mit Kosaken belege, um über die Grenze zu marschieren, und schließlich wuchs sich dieser Weiber- klatsch zu dem Gerücht aus, eS ständen bereits 48 000 Kosaken oben bei Torneo bereit, Schweden zu überfallen. Ter mutige Sven hegab sich schleunigst nach Torneo und nach langem Suchen fand er-inen russischen Unteroffizier. Diesen befragte er nun. wie viele Kosaken da wären: Keine. Ueberhaupt kein Militär als dieser eine Unteroffizier.Ja, aber Ihr wollt doch große� Kasernen hier bauen."TaS ist richtig, da liegen gerade die Steine an- ce fahren."_.�DaS ist ja nicht viel, wie groß soll daS werden?" Es soll ein HauS werden für em Kommando von 40 Mann, und d«S ist doch für diese Hund-g-gend viel?" Der Vorhang fällt! Sonst hat Boden keine Bedeutung für diese Gegend. Industrie fehlt ganz bis aus einige staatliche Werkstätten für den Eisenbahn - betriebe Tie ungeheuerliche Temperatur während des fast acht Monate dauernden Winters wirkt aus das Eisenbahnmatcrial sehr zurück und die Räder beispielsweise haben oft bereits nach wenigen Wochen Sprünge. Tie Erschütterung der Wagen wird durch den fcstgefrorenen Bahndamm stärker als sonst. Im übrigen lebt die Bevölkerung(3000 Seelen ohne das Militär) von Festungsvauten und Handel mit dem lappländischen Hinterland. Auch Viehzucht wird hier betrieben. Tie sozial- demokratische Bewegung ist hier sehr stark. Bei den ÄreiStagswahlen am 25. erhielten unsere Genossen in Boden mit Landgebiet 5500 Stimmen, das sind 1500 Stimmen mehr als vor vier Jahren. Die Konservativen stagnieren mit ungefähr 2500 Stimmen, während die Liberalen einen Zuwachs um rund 1000 auf 4450 Stimmen hatten. Tie Stimmung für die Reichstagswahlen am kommenden Sonntag ist auch hier die allerbeste. Tie inzwischen noch bekannt gewordenen Ergebnisse der KreiStagswahlcn im ganzen Lande bestätigen das erste Bild: An der Gesamtfiruation wird nichts von Belang geändert. Gewinne hat von allen Parteien nur unsere Partei einheimsen können und ihre Stimmenzahl ist teils geradezu enorm gestiegen. 150, 200, 300 Proz. Stimmenzunahme der Sozialdemokratie, so lauten die Berichte aus den einzelnen Orten. Und überall hört man bei unseren Genossen nur Worte des Dantes gegenüber dem König, der ihnen- diese prächtige Situation schuf. politische Ueberflcht. Deutsches Kriegsmaterial für Ruhlaud. In einer Zeit, in der von bürgerlichen Presseorganen hüben und drüben in russisch-deutschcr Verstimmung gemacht wird, halten es die deutschen Rüstungsfirmen für angebracht, ihre Erzeugnisse und Erfahrungen dem russischen Staate zur Verfügung zu stellen. Krupp wollte sich an den russischen Putilaw-Werken für Kriegsmaterialien beteiligen und mußte nur zurücktreten, weil die französische Regierung ihren Einfluß dagegen aufbot. Kurz darauf tat�K r u p p sich aber mit der österreichischen Kanonenfirma S k o d a� und dem französischen Waffenfabrikanten Schneider- Creuzot zu- sammen, um eine andere den Putilow-Werken nahestehende Rüstungssabrik zu unterstützen. Und jetzt kommt wieder die Meldung, daß die D e u t s ch e n Waffen- u n d M u n i- tionssabriken(Berlin ) gemeinsam mit dem Stahl- werk Becker A.-G. in Willich bei Krefeld , das ebenfalls Kriegsmaterial herstellt, einer russischen FirmaPara Bellum"(in Petersburg ) durch Hergäbe ihrer Patente und Fabrikationsniethoden unterstützen will. Die deutschen Firmen beeilen sich also, dem Lande, das angeblich für einen Krieg gegen Deutschland rüstet, noch Waffen zu liefern. Tie Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken sind bekaimtlich einer der Hauptlieferanten des deutschen Militärfiskus. Noch vor einigen Monaten beeilte sich die bürgerliche Presse, mit- zuteilen, daß die Verhandlungen in der durch die Krupp- Skandale insLeben" gerufene Reichstagskonunission zur Prüfung der Kriegslieferungen die völlige moralische Intakt- hcit und den ziveifelSfreien Patriotismus dieser Firma fest- gestellt hätte. Gerade in jenen Tagen zogen denn auch die Kurse derWaffen"-Aktien an. Nun stellt diese Firma, die durch ihrenFigaro-Brief" bereits höchst unrühmlich be- kannt ist, mit großer Bereitwilligkeit auch Rußland die gleichen Waffen zur Verfügung, die zum Schutze Teutschlands dienen sollen. Gerade in diesen Tagen haben dieDeutschen Waffen" den Beschluß gefaßt, ihr Aktienkapital um-Millio- nen Mark zu erhöhen. Von deutschen Aktionären aufgebrachtes Kapital wird also dazu dienen. Rußlands Waffenrüstung zu stärken. Und da wage noch einer, den Patriotismus dieser Firma und ihrer Aktionäre zu bezweifeln! Wohnungsnot und Geburtenrückgang. Die Reichsregierung fordert 25 Millionen Mark, um für die im Reichsdienst beschäftigten Angestellten und Aifoiter die Wohn- gelcgenhcit zu bessern. Das ist ein Tropfen auf einen heißen Stein gegenüber der herrschenden Wohnungsnot und der großen Zahl der in Betracht kommenden Personen. Ter Verband Deutscher Militär- Handwerker und-arbeitcr(Sitz Elberfeld ), eine der gutgesinnten. sich zur christlichnationalen Arbeiterbewegung rechnende Organi- sationen, hat eine Denkschrift über die soziale Lage der von ihm vertretenen Arbeiterschichten herausgegeben, worin auch die Ergeh- nisse einer Umfrage über die Wohnungsverhältnisse veröffentlicht sind. Im ganzen sind 21 Orte mit Betrieben der Militärverwaltung angeführt, von denen einige wiedergegeben seien. Dan zig: 2 Zimmer und Küche 30 10 M., 3 Zimmer und Küche bis 60 M. den Monat. Die WohnungSverhältnisie sind die denkbar schlechtesten, die Anzahl der Wohnungen ist ungenügend. Bei Nachfrage ist das erste: Wieviel Kinder haben Sie? Bei 2 Kinder hält es schon schwer, eine W o h- n u n g zu bekommen. Graudenz : 2 Zimmer und Küche 235 M.. in Vororten 8 Zimmer und Küche 350 M. Der größte Teil der Arbeiter wohnt in den Vororten, weil die Wohnungen in der Stadt bei dem niedrt- gen Lohn zu teuer sind. Kinderreiche Familien bekam- men in der Stadt kaum Wohnung. Münster : 2 Zimmer und Küche 250300 M.. 3 Zimmer und Küche 300 360 M. Anzahl ungenügend und Beschaffenheit mangelhaft. Kinderreiche Familien sind nicht gern gesehen. Siegbürg: 2 Zimmer und Küche 300400 M., 3 Zimmer und Küche 40Q500 M. Großer Wohnungsmangel, die meisten Wohnungen sind feucht. Kinderreiche Familien crhal- t e n sehr schwer und dann nur in alten Häusern Unterkommen. Trier 2 Zimmer und Küche jährlich 324 M. Wohnungs- verhältnisse schlecht, zum größten Teil alte und feuchte Wohnungen. Infolge der Garnisonvermehrung besteht erheblicher Wohnungs- mangcl. Kinderreiche Familien will niemand auf- nehmen. Ulm : 2 Zimmer und Küche 200 300 M., 3 Zimmer und Küche 300 100 M. Nach Arbeiterwohnungen herrscht eine rege Nachfrage. Kinderreiche Familien können nur schwer Wohnungen bekommen. Das ist eine kleine Auewahl, die keineswegs die übelsten Ber - hältniffe herausgreift. Ueberall wird geklagt über die geringe Zahl oder über die schlechte Beschaffenheit der Wohnungen oder über beides zusammen. Und fast ohne Ausnahme findet sich der Hin- weis auf die Schwierigkeiten, die die kinderreiche Familie bei der Erlangung einer guten Wohnung zu bestehen hat. Und dann wundert man sich, wenn unter solchen Umständen die Arbeiter anfangen, sich den bcneh enden Verhältnissen anzupassen und nicht mehr Kinder in die Welt setzen, als sie epnähren und unterbringen können! Unter den in der genannten Tcnkschrist in bazug auf ihre Wohnungsverhältnisse untersuchten Orten befindet sich eine be- trächtliche Zahl stramm katholischer Städte: Koblenz , Fulda , Lippstadt , Münster , Paderborn , Sicgdurg. Trier , Ulm , Wesel usw. Und aus allen wird berichtet von der Abneigung der dortigen Hausbesitzer, gewiß durchweg wackere Zcntrumsleute, kinderreiche Familien als Mieter aufzunehmen. Auch Metz , die Stadt de? letzten Katholikentages, befindet sich darunter. Hier wetterte im vergangenen Herbst Pater Bonaventura mit der vollen Kraft seiner Lunge gegen das große Laster der Zeit: die Beschränkung der Geburten. Seine Rede scheint wenig gefruchtet zu haben, denn aus Metz meidet die genannte Denkschrift: ..Wohnungsverhältnisse im allgemeinen sehr schlecht. An Arbeiterwohnungen mangelt es. Einer kinderreichen Familie werden sehr große Schwierigkeiten gc- macht. Bei der Wohnungssuche ist überall die erste Frage nach der Kinderzahl. Sind mehrere Kinder vorhanden, hat der Ver- mieter immer eine SluSrcdc: entweder ist dann die Wohnung zu klein oder er verlangt, um abzuschrecken, einen Mietpreis, bei dessen Höbe schon gern auf die Wohnung verzichtet wird." . Was alles die frommen Hausbesitzer in Metz und anderswo nicht abhält, tüchtig auf die Sozialdemokratie zu schimpfen, die, wie an allem Hebel, so auch an dem Geburtenrückgang, diesem schlimmen Vergehen wider Gottes Gebot, schuld ist. Der Liberalismus für den Lcbensmittelwucher. In der Berliner Ortsgruppe des H a n s a b u n d e S sprach Ende März Dr. Pachnicke über die deutschen Handelsverträge. Die Ausführungen dieses linksliberalen Politikers klangen dahin aus. daß an den bestehenden Handelsverträgen, die bekanntlich 1S17 ab­laufen, nichts geändert werden dürfe. DaS heißt also, daß sich auch der sogenannte Liberalismus ohne Borbehalt für den hochgradigen Lebensmittelwucher der Junker ins Zeug legt. Interessant sind die Argumente, die Dr. Pachnicke für diese volksfeindliche Haltung inS Feld führt. Man müsse die alten Handelsverträge unverändert weiterlaufen lassen, damit das Volk vor dem lückenlosen Zolltarif der Junker geschützt werde. Ferner sei es verfehlt, angesichts der schweren Kämpfe und Krisen im Innern deS Staates neue Zollkämpfe zu entfachen; das würde unser Wirtschaftsleben aufs schwerste gefährden. Mit dieser feigen aber bequemen Taktik geben also die Liberalen jeden Widerstand gegen den junkerlichen Fleisch- und Brotwucher auf. Der Liberalismus fürchtet jeden Kampf, weil er dabei immer nur verliert, niemals aber etwaS gewinnt. Deshalb rief Dr. Pachnicke immer wieder in den Saal: Ruhe! Ruhe! Ruhe! Und als drittes Argument für die Beibehaltung deS Zolltarifs führte er die drohenden Zollkriege mit dem Auslande an. Besonders Rußland sei in derartigen Fragen ein bösartiger Gegner; mit einem Schlage könne es uns seine Wanderarbeiter vorenthalten, wodurch die deutsche Landwirtschaft in ihrem Lebensnerv getroffen werde. Auch diese Liebeserklärung für die Junker noch!__ Der betrügerische Patriot darf Unteroffizier bleiben! Vor das Kriegsgericht der 8. Division in Halle o. S. wurde dieser Tage der Sohn eines Gutsbesitzers zitiert. Ter miltäriiche Ankläger halte die'Absicht, ihn aus dem Range eines Unteroffiziers der Landwehr zu stoßen, weil er sich durch Betrüge» reien derEhre" unwürdig gezeigt haben sollte, dem Heere in .seinem>, bevorzugten" Teil anzugehören. Hilliger so hieß der Herr Unteroffizier der Landwehr, der in der Landwirtschaft tätig gewesen war und einmal keine Stellung hatte, bediente sich gefälschter Zeugnisse, die er selbst angefertigt und mit dem Namen von Rittmeistern, Amtmännern usw. versehen hatte. In einem anderen Betrugssalle stellte sich der Agrarier alö königlich. prcußi- scher Domänenpächter" vor und nannte sich selbstAmtmann ". An seiner Zahlungsfähigkeit Zweifel hegende Menschen beruhigie er mit Telegrammen von Halleschen Bürgern, die ihm zur Pach- tung der Domäne gratulierten. Auch diese Telegramme waren gefälscht gewesen! Wegen dieser frechen Betrügereien hafte die Strafkammer in Torgau dem Herrn Unteroffizier der Landwehr mehrere Monate Gefängnis aufgebrummt. Auch wegen schwerer Körperverletzung hatte er schon längere Zeit hinter schwedischen Gardinen gesessen. Außerdem schwebt am Amtsgericht Halle gegen H. ein Verfahren wegen weiterer Schwindeleien. Trotz alledem wurde dem Angeklagten die Berechtigung zum Tragen des betreßten vornehmsten Rockes vom Kriegsgericht nicht aberkannt. Freilich wußte der Angeschuldigte seinen militärischen �Richterit gewaltig mit patriotischen Gefühlen und dito Taten zu imponieren. Er erzählte mit feierlicher Betonung, daß sein Groß- vater 1813 den Befrcrungskricg gegen Napoleon mitmachte, daß sein Vater gar in drei Feldzügen vor dem feindlichc.i ge­standen hätte und jetzt unter besonderer Betonung die Pointe! daß er selbst Mitglied in drei Krieger- und Militär- vereinen wäre! Ter kriegerische Stammbaum und seine un­zweifelhaft hochpatriotische Gesinnung retteten den Betrüger. Na, die geschmicrten Kreaturen dcS Brandt behielten ja sogar ihren OfsizierSrang! DieInnere Kolonisation" in der Praxis. Aus Dramfeld(Südhamiover) wird gemeldet: Angesichts der unlängst stcillgefundenen Beratung des Grund- teilungSgeietzeS im Reichstage sei auch einmal daraus hingewiesen. wie dieInnere Kolonisation" praktisch doch ganz anders geHand» habt wird, als man in der Theorie dorüber denkt und schreibt. Bis zum Jahre 1873 lagen vor Dramfeld etwa 100 Morgen der lgl. Klosterkammer gehöriges sogenanntes ScheffelzinSland, wovon man bei der hiesigen Gemeindeverkoppelung etwa 70 Morgen, die sogenannteHufe", hart an die Grenze des Klostergutes Mariengarten legte, um es nach Ablauf der Pacht- zeit mit dem Klostergule Mariengarten zu vereinigen, die anderen restlichen 3t) Morgen sind teilweise verkauft, teilweise der Feldmark Deiderode zugeteilt worden, um nachher ebenfalls mit dem Kloster- gute Mariengarleil vereinigt zu werden. Da nun daS Vorwerk Wetenborn". das 500 Morgen umfaßt und früher an einen Pächter allein verpachtet war, und ferner ein rund 200 Morgen Land enthaltender Hof in Dahlenrode, der stüher ebenfalls einen besonderen Pächter batte, auch dem Klostergute Marien- garten zugeteilt wurden, so erfuhr das Älostergut Marien- garten hierdurch einen LänderzuivachS von 800 Morgen, waS natürlich den Ortschaften Dramfeld, Deiderode und Dahlenrode verloren ging. Da durch diese Maßnahmen die Kleinbauern und die Arbeiter in den genannten Gemeinden stark geschädigt wurden. so wurde man bei dein königlichen Klosteramte in Güttingen vor- stellig und bat. doch das Land den Bauern und Arbeitern in Erb- pacht zu überlassen. Da« wurde aber von dem königlichen Kloster- amr in Göltingen mit der Begründung abgelehnt: Die Arbeiter dürften nicht so viel Land haben, sonst mähte» sie nicht sür die Großgrundbesitzer und täten für die Großen keine Arbeit Infolge dieser Maßnahme sind aus Dramfeld und Umgegend etwa 40 Familien in die Städte verzogen und Dramfeld, Deiderode. Dahlenrode und Mariengarten haben dafür eine russisch-polnüche. rulhenische und galizischc Arbeiterbevölkerung von fast 100 Personen erhallen, so daß man glauben könnte, man befände sich hier in den Gefilden von Lstelbieu oder Mecklenburg .