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Nr. 26.

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Grscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel: jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Big. frei in's Haus. Einzelne Numme: 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags Beilage, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuzs band: Deutschland u. Deiterreichs Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Boit Zeitungs: Breis iste für 1894 unter Nr. 6919.

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Vorwärts

11. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Bfg., für Vereins- und Beriammlungs Anzeigen 20 Big Snierate für die nächite Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in De: Expedition abgegeben werden. Die Ervedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt I. 1508. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Abonnements- Einladung.

Wir ersuchen alle unsere Freunde und Genossen, nach Kräften für die Erweiterung unseres Abonnentenkreises zum 1. Februar thätig zu sein. Es ist das eine Partei pflicht. Die Hauptstärke einer Partei liegt in ihrer Presse je mehr Leser ein Blatt hat, desto größere Macht hat es, und wer dem Partei Organ neue Leser zuführt, stärkt sonach die Partei.

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Wir haben, unterstützt von der Partei, in letter Zeit unseren Juhalt bedeutend erweitert und auch dem Feuilleton erhöhte Aufmerksamkeit zugewandt.

Der Roman

Helene"

von Minna Kautsky , welchen wir jetzt veröffentlichen, reiht sich den besten Schöpfungen der modernen Romanliteratur an. Unter solchen Umständen haben wir ein doppeltes Recht, auf die Unterstützung der Genossen zu rechnen, und die Verbreitung des Vorwärts" von ihnen als eine Pflicht heischen zu können.

Mit dem 1. Februar eröffnen wir ein neues Abonnement

auf den

Vorwärts" Berliner Volksblatt

mit der illustrirten Sonntags- Beilage

Die Neue Welt".

Für Berlin nehmen sämmtliche Beitungsspediteure, sowie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen entgegen zum monatlichen Preise von

1 Mark 10 Pfennige frei ins Haus, wöchentlich 28 Pfennige.

Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonnements zum Preise von

Donnerstag, den 1. Februar 1894.

Wie es gemacht wird.

Dem Reichstage find dieser Tage zwei Berichte der Wahl­prüfungs- Kommission zugegangen, die über zwei Typen der Wahlmache guten Aufschluß geben, über die amtliche und über die großkapitalistische Wahlmache.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

seine helle Freude haben. Er ist der getreue Schildknappe erröthend, den Spuren Posadowsky's . Er ist ihrer Meinung und hat immer dasselbe sagen wollen, nur daß ihm die Re­gierungsvertreter öfters zuvorgekommen sind. Solche Herrlich­feiten eines steuerpolitischen Gleichklangs zwischen Regierung und Konservativen wirken um so erfreulicher, je erbitterter die handelspolitische Fehde augenblicklich tobt.

des Finanzministers Dr. Miquel und folgt, aber gar nicht

Zu den strebsamsten Neulingen der Rechten gehört der Abgeordnete für den 7. Wahlkreis des Regierungsbezirkes Was also kann Herrn Gescher geschehen? Verläßt er Düsseldorf ( Mörs- Reès), ein Landrath Gescher zu Wesel , den Reichstag auf dem Wege, der sich für rechtswidrig Er­der sich im Reichstags- Handbuche noch als" fatholisch- wählte gebührt, so wird er gewiß nicht klagen dürfen. Für konservativ" bezeichnete und hinzufügte: wahrscheinlich der Talente dieser Art ist doch ein weiches Bett leicht und gern konservativen Fraktion angeschlossen". Thatsächlich ist denn gemacht. Der Landrath zu Wesel ist wirklich zu schade für auch der schneidige Landrath in die allein seiner würdige bie ledergepolsterten Sessel des Reichstags.... Fraktion der Junker oder um im Stile von Manteuffel Die Wahlprüfungs- Kommission hebt in ihrem Bericht zu reden, der verhungernden Landwirthe" einzutreten. Es vor allem Eines hervor, das zwar nicht neu und nicht ist vielleicht nicht ohne Interesse für unsere Lefer, zu er selten ist, nicht zu oft jedoch in solcher Sinnenfälligkeit uns fahren, daß vor Herrn Gescher von den Gesinnungstüchtigen vor Augen tritt, eine amtliche Wahlbeeinflussung, wie sie des Kreises ursprünglich der Romen als Kandidat in gröblicher nicht gedacht werden kann. Ein Amtsgenosse des Aussicht genommen war, eine Kandidatur, die jedoch unter Landraths Gescher, der Landrath von Mörs, ein Dr. dem Hohn und Spott der öffentlichen Meinung zu Schanden Saniel, hat im Ueberschwange kollegialer Nächstenliebe das geworden ist. Menschenmögliche geleistet. Er erließ am 9. Juni 1893 folgendes Rundschreiben an sämmtliche Bürgermeister des Kreises Mörs :

Herr Gescher , dessen Wahl auf recht eigenartige Weise u ftande kam, hat das Zentrum, zu dessen sichersten Sigen Mörs- Rees bisher gehört hat, geschlagen. Von Anfang an aber schwebte das drohende Gespenst der Ungiltigkeitserklä rung über dem gardelieutenantsmäßig gescheitelten Blond­haar des schnurrigbärtigen Patentfuchses der Konservativen. Ein gewandter Mann, der sich geschickt zu empfehlen ver­steht, saugt auch aus Giftblumen Honig und rettet aus den Trümmern eines etwa zusammenbrechenden Mandats die schönsten Hoffnungen und besten Aussichten für eine rosige Zukunft. Als erster Redner der Junkerschaft zur Tabak­Fabrikatsteuer debütirte Herr Gescher , und seine Rede war in der That ein Meisterstück der Staatsmannschaft, die darin besteht, ohne den blassen Echein einer bescheidenen, sich nie zum Widerstand aufraffenden Selbständigkeit auf­zugeben, stets der Ansicht der Regierung zu sein und sich in den Versicherungen der löblichsten Ergebenheit zu er­Wunder, daß Rein Vielgewandte, daß der nachdem das schwere Werk vollbracht war, am Bundesrathstische mit unserem eleganten Reichsschatz­sekretär, der das Entzücken zwar nicht der Finanzpolitiker, wohl aber der Leserinnen jedes Modejournals sein muß, die wärmsten Händedrücke tauschte. Dem Verdienste seine Krone!

2,20 Mark für die Monate Februar und März entgegen.( Eingetragen in der Post- Beitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.) Wir ersuchen unsere Postabonnenten höflichst, schöpfen. das Abonnement rechtzeitig aufzugeben, damit die regelmäßige Zustellung des Blattes teine Unterbrechung erleidet.

Neu hinzutretenden Abonnenten wird der bisher erschienene Theil des Romans

Helene"

von Minna Kautsky

auf Verlangen gratis nachgeliefert.

Wer gar die Thätigkeit des Erwählten und wie Er wählten! von Mörs- Rees in der Stempelsteuer- Kommission, wohin ihn seine Leute verständnißfroh entfendet hatten, mit wohlwollender Sachlichkeit verfolgte, muß an diesem Bolts­

Die Redaktion und Expedition des ,, Vorwärts" Berliner Volksblatt. vertreter- die Reichsboten find ja wohl Volksvertreter-

Feuilleton. Helene.

Nachdruck verboten.]

( Alle Rechte vorbehalten

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Regung in ihm aufstieg, war sie es wieder, die sie zurückwies.

So waren sie auf dem Punkte angekommen, wo sie in einer beständigen Reizbarkeit lebten, und Groll und Miß­verständnisse sich erhöhten, wo das Unrecht des Einen zum Triumphe des Anderen wurde, wo die gegenseitige Achtung schwand und Aerger und Erbitterung sich bis zum Hasse steigerten.

Roman in zwei Bänden von Minna Kautsky . Er schien es nicht zu wissen, daß die Abhängigkeit des Und doch dachten sie nicht an Trennung. modernen Weibes von ihrem Gebieter noch ebenso groß Sie lebten miteinander fort, Tag für Tag, unter dem ist, als sie jemals gewesen und daß ihm heute weit moralischen Zwang eines Herkommens, das sie demorali­raffinirtere Mittel zu Gebote stehen, um sie zu beugen. firte, sie schlecht machte und das zu brechen keines den Unbewußt machte er davon Gebrauch, indem er seinen Muth hatte. Geldsack fest zuhielt.

Damit war ihr Alles versagt, was sie geistig und ge­müthlich erfrischen und erfreuen konnte, denn sie vermochte sich keinen Wunsch zu erfüllen, ohne vorher bei ihm zu betteln, und so wurde ihr ihre ökonomische Abhängigkeit nicht täuschen. täglich fühlbarer.

" Die Neuwahlen zum Reichstage stehen dicht bevor und ist, wie Sie wissen, der Herr Landrath Gescher zu Wesel als Kandidat der nationalen Partei einstimmig aufgestellt.- In­folge dieser Kandidatur ist unter den jezigen Verhältnissen be­gründete Hoffnung vorhanden, diesmal einen Vertreter der re gierungsfreundlichen Anschauung in den Reichstag zu senden, welches um so mehr geboten erscheint, da das Reich durch die Nichtannahme der Militärvorlage unabsehbaren Verwicklungen entgegensteuern wird, welche zum Ruin des Vaterlandes füh= ren tönnen. Geboten ist es daher für jeden deutschen Mann, fein ganzes Können einzusetzen, um das Unheil von unserem Vaterlande abzuwenden. Meine dringende Bitte geht nun dahin, daß Euer Wohlgeboren dafür Sorge tragen und überall durch Bildung geeigneter Komitees dahin wirken wollen, daß sämmtliche nationalgesinnte Wähler am Tage der Wahl ihren Wahlzettel in die Wahlurne werfen. Nur auf diese Weise fann der Sieg errungen worden. Da vor sechs Jahren unser Kandidat Baumann nur mit 185 Stimmen unterlegen ist, so ersehen Sie, daß es auf jede einzelne Stimme ankommt, und werden wir, wenn die Komitees ihre Schuldigkeit thuen, be­stimmt siegen. Nach geschehener Wahl bitte ich sofort Tele­gramm über das Resultat mir zuzusenden."

Der amtliche Wahlapparat arbeitete offenbar mit Hoch­druck. Auch die bekanntlich unpolitischen" Kriegervereine wurden für den Hurrah- Kandidaten mobil gemacht, ein Aufruf an die Mitglieder der Kriegervereine des Wahl­freises Mörs- Rees wurde von dem Vorsitzenden des nieder­rheinischen Kriegerverbandes in Wesel erlassen, ein Aufruf, der blutrünstig mit Rosacken und Franzosen drohte. In

die wohl geeignet waren, die Sinnlichkeit eines jungen Weibes

zu erregen.

Gern hätte er sie vor der drohenden Gefahr gewarnt, aber ihr Benehmen ermunterte ihn nicht dazu. Nichtsdestoweniger wollte er über sie wachen, als ihr treuester Freund.

Wie lange noch?"

Er lehute sich in den Sessel zurück und schloß die Augen.

Und er sah sich selbst als einen talten Mann unbeweg lich daliegen, mit den gefalteten, wächsernen Händen, die Todtenstarre im Antlitz.

Sein Leben war erloschen... Der Gedanke hatte nichts Schreckhaftes für ihn, der an tein Jenseits glaubte mit der persönlichen Fortdauer von menschlichen Freuden und Leiden, der aber den ewigen Zusammenhang der Welt erfaßt hatte, und den großen Entwickelungsprozeß der Menschheit, der unbeirrt weiter schreitet, zu immer höheren Formen.

Und gab es denn nicht so viele Andere, die auch mit einander lebten und nicht glücklicher waren als sie? Anderen gegenüber heuchelten Beide ein leidlich gutes Einvernehmen, aber Max ließ sich über ihr Verhältniß Ohne jemals eine Indiskretion begangen zu haben, war Gegen die Eltern benahm er sich schlecht. Er machte er Mitwisser ihrer Geheimnisse geworden, die sie vor ein- Und muß nicht jeder seinen Theil dazu beitragen, bes den Vater, dessen Gesinnungen er zu verdächtigen begann, ander verbargen. Er kannte ebenso die Liebschaften Hart- wußt oder unbewußt? Keiner hat ganz umsonst gelebt. für die radikalen Aeußerungen verantwortlich, die Helene manns, der eine Oliva aushielt, wie die Weltanschauung Und er lächelte und öffnete die guten blauen Augen, hier und da entschlüpften und untersagte ihre Besuche im von Helenens Vater, die seine Tochter unbewußt theilte. in denen es hell aufleuchtete, in der heißen, innigen, Elternhause. Was sie liebte, dem mißtraute er, er quälte Wie kein Anderer errieth er, daß es zwischen den Gatten, Schnsucht des letzten Wunsches:" Könnte ich doch, ehe fie abfichtlich, um sie damit zur Liebe zurückzuführen. die einen Bund für's Leben geschlossen hatten, nichts Gemein- ich von hinnen gehe, Helene, dieses süßeste Wesen, ers Wie Petruchio übte er seine Macht mit jenem tyran- sames mehr gab und daß Gefühle und Gedanken sich in retten, könnte ich etwas zur Festigung unserer Partei beis nischen naiven Egoismus, der, da ihn niemand darin zu ihnen zu einem immer feindseligeren Gegensatz entwickeln tragen!" beschränken suchte, sich völlig in seinem Rechte glaubt. Aber würden. das moderne Weib hat Nerven, und Helene lernte sie ihm Und wenn Hartmann, der gesellschaftlich und öko­fühlbar zu machen. Frauennerven! nomisch frei und unabhängig war, sich diesem Zusammen­leben zu entziehen und anderweitig zu entschädigen wußte, so würde ihr Herz immer mehr vereinsamen und die Hingabe an einen anderen Mann nur ihr Verderben be­

Erich wußte, was das zu bedeuten habe, er hatte schon darunter zu leiden gehabt; bei seiner legitimen Frau wollte er sich Nerven ernstlich verbeten haben. Aber es schien, als ob er diesen pathologischen Bu- siegeln. ständen gegenüber auch hier den Kürzeren ziehen würde, In den folgenden Tagen beobachtete May mit wachsender und dieser Gedanke erschreckte ihn. Bangigkeit die einschmeichelnde Vertraulichkeit Morre's, der Helene schien indeß wirklich zu leiden, ihr Aussehen mit Hartmann's zugleich nach St. Agath gekommen war, bezeugte es, aber wenn dann einmal eine großmüthige und seine raschen flammenden Blicke, die er Helene zuwarf,

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Es war ein heißer, sonniger Nachmittag. In Helenen's Zimmer, das nach Osten lag, standen die Fenster offen. Es war angenehm fühl daselbst. Sie saß am Fenster und hatte zu ihrem weißen Lawn tennis- Anzug eben das Mütchen vollendet.

Der buschige Knopf aus geschnittener Wolle war noch daran zu nähen. Ihre Hände hatten Nadel und Zwirn ergriffen, jetzt ließ sie sie wieder sinken und ihr müder Blick sah über den