iv-Scn kann, dauert doch die Feststellung der Rangordnung der Gewählten ziemlich lange. Tie Listen sind ungebunden und die sienderungen allgemein ziemlich zahlreich. Tie Teilnahme au der Stockholmer Wahl am 29. März war für schwedische Verhältnisie zwar ungewöhnlich-, der gestrige Wahl- lag aber drausien im Lande bat die Tröckbolmer Wahl noch weit üveriroffen. Werden doch schon heute«achmiiiag aus den verschiedensten Laitdebteilen Wahlbeteiligungen Isis zu 80 Proz. ge- n-eldct. DaS ist in einem Lande, in dem bis vor drei Jahren noch eine Wahlbeteiliguiia von 00 Proz. als sehr stark angesehen wurde, bemerkenswert. Tie volitische Anteilnahme der Bevölte- rung ist durch die jehigc Krise lebhaft wie nie zuvor geworden, und d ist anzunehmen, dag sie bis auf weiteres vorhalten wird. Tie politischen Organisationen aller Parteien haben große Fort- schritte gemacht, insbesondere lwt unsere Partei durch die Wahl- t?wegung in Bezirken Fuß gesaßt, in welchen sie bisher nie eine Versammlung hat abhalten können. Eine Enttäuschung hat uns allerdings die Stockholmer Wahl gebracht. Unwahr ist, daß wir, loch die Scherlpresse meldete, hier Pvei Mandate verloren haben; denn in Stockholm I haben wir die bisherigen vier Mandate.gehalten. Tas fünfte, das wir hier zu erringen hosstcu, gehörte dem Landtreis, dem ein großer Ort. Präunskhrka, durch Eingemeindung nach Stockholm entrissen wurde, ohne daß dadurch die Mandarszahl in Stockholm l ver- g-ößert wurde. Da der bisherige Abgeordnete in jenem Ort wohnte, wurde er nun auf die Kandidatenliste des Stadtkreises übernommen und eine etlvaS stärkere Wahlbeteiligung der Ar- Keiter hätte einen Sieg bringen können. Zu den Wahlen im Kerbst sind neue Wählerlisten aufzustellen, und es ist zu er- warten, daß die jetzt gestrichenen Arbeiterwähler ihre Steuern bis dahin zahlen, so daß nicht so viele die Wahlberechtigung verlieren können. Enttäuschen muß aber dos Ergebnis in Stockholm II. Hier haben, wie allgemein erklärt wird, viele Arbeiterwähler ihre Wahl- � Pflicht versäumt und in internen Kreisen herrscht die Ausfassung, daß sowohl der liberale als der sozialdemokratische MandatSver- tust durch die Alkoholfrage mit beeinflußt wurde. Tie sozialdemo- kratisch« Liste enthielt vier Kandidaten, die der Anti-Alkoholbe- ivcgung angehören. Tie in diesem Kreise vorhandenen zahlreichen Brauereiarbeiter sollen nach dieser Ausfassung, die noch nachge- prüft werden dürfte, nicht getoähli haben. Diese Arbeiter sind vielmehr dem alten sozialdemokratischen Veteranen August Palm gefolgt, der in seinem Abstinentenblatt„Appell an die gesunde Vernunft" die Parole ausgab, keine„Abstinenzsanatiker" zu wählen. Mit der einfachen Verurteilung dieses Prinzipienver-, stotzeS ist die Dache nicht abgetan. Man kann zu der Palm- Bewegung stehen wie man will, daß sie eine folgerichtige Reaktion gegen die geradezu hahnebüchenen heuchlerischen Gesetzesbcstim- mungen ist, kann ihr nicht abgesprochen werden. In Stockholm muß jetzt der Arbeiter, der SchnapS kaufen will, einen Brannt- weinpaß mitbringen, der ihn zur Entnahme von zwölf Litern im Quartal berechtigt. Der Bourgeois unterliegt zwar der gleichen Bestimmung, aber er kauft seinen Branntwein zum teureren Preis« im Weinhandel oder läßt sich größere Quanten von außer- i itb senden. Wer Geld hat, kann hier Branntwein kaufen, so viel er will, trotz aller Restriktion. Tie Abstinenten wollen diese Restriktion durch Reichsgesetz aus das ganze Land ausdehnen und die Liberalen stehen dieser Forderung unterstützend gegen- über. Auch die Sozialdemokratie ist durch Programm für diese sanatische Altion verpflichtet. Di« Reaktion hat schon eingesetzt. und wenn eS sich bewahrheitet, daß die Brauereiarbeiter in Stock- Holm l! diesmal nicht gewählt und daß die sonst liberal wahlenden Angestellten der Brauereien zu den Konservativen gegangen sind. dann kann man sich eine Vorstellung davon machen, welche Kämpfe f.rH entstehen werden, wenn da« RestriktionSgesetz einmal geschaffen sein wird. Draußen im Lande freilich zieht daS Abitinenzprogramm einstweilen noch Wähler. Aber der schwedische Volkscharatter schwankt nun einmal zwischen den Extremen, und wenn die Absti- nenz den Süss„überwunden" haben wird, ist die ReaktionSbewe- gung de« alten Palm wahrscheinlich berufen, den Gegenstoß zu führen. Man hat blSher über sie gelächelt und den Alten von der lustigen Seite nehmen wollen; doch die Tatsache besteht, daß der „Appell an die gesunde Vernunft" diesmal unserer Partei ein Mandat entrissen hat. Das ist bedauerlich, aber et ist vielleicht leider nur der Ansang. In KarlSkrona bat die Rechte uns ebenfalls ein Mandat ent- rissen. ES ist vielleicht zu früh, ein Urteil darüber abzugeben. Zur Orientierung de« deutschen Leser« diene aber, daß KarlSkrona ein schwedisches Kiel ist, die zweit« große Marinestation de« Landes. Und da die Konservatiben emen großen Ausbau der Flotte wollen, dazu die Werft in KarlSkrona für den Bau von Panzerschissen aus- zubauen versprachen, darf angenommen iverden, daß lokale Gesichts- punkte für den Wahlausgang entscheidend waren. Trösten kann un« darüber der glänzende Aufmarsch unserer Genossen in Goten- bürg, dem schwedischen.Hamburg . Diese größte schwedische Hasen- stadt, deren Entwickelung wahrscheinlich in wenigen Dezennien die Hauptstadt überflügeln wird, war eigentümlicherweise immer ein Schmerzenskind der Sozialdemokratie. Weder die gewerkschaftliche, noch die politische Organisation wollten so recht vorwärtskommen, und als bei der letzten Wahl zwei Mandate statt vorher ein« erobert wurden, war die Freude groß- Diesmal hat sich die sozialdemo- kratische Wählerzahl mehr als verdoppelt, und die Meldung von de« Eroberung des dritten Mandats wird stündlich erwartet. Daß da» mittelschwedische Jndustrierevier gut sozialdemokratisch gewählt haben wird, nimmt man hier allgemein an. Aber auch die Konservativen haben große Anstrengungen gemacht. Die bi» jetzt festgestellten Kreistagswahlergebnisse vom 2ö. März zeigen einen sozialdemokratischen Gewinn von 2t Mandaten gegen einen konservativen Gewinn von 7 Mandaten. Die Liberalen ver- oren 17 Mandate. Die übrigen sieben sind neu hinzugekommene Mandate, die wir meisten« geHoll haben. Hat die ReichStagSwahl im Lande gehalten, was diese ÄreiStagSwqhlen versprechen, dann werden wir einen Mandatsgewinn haben trotz der anfänglichen zwei Verluste. Im liberalen Lager ist alle« in Spannung. Für diese Partei ist die Abstimmung in den Landbezirien entscheidend. Noch läßt sich nicht übersehen, wie die Landbevölkerung gestimmt hat; aber es liegt daß Gefühl in der Luft, daß große Aenderungen nicht ein- treten werden. Wahrscheinlich werden die drei Parteien in un- gesähr gleicher Stärke in die neue Kammer kommen, was dann aus Kosten der Liberalen geschehen ist. d. h. jede dieser Parteien wird an die achtzig Mandate haben. „Halt— oder ich schieße!" In einer Lokalnotiz aus Neukölln berichtete der„Vorwärts" am Sonntag, wie ein Schutzmann dort jugendliche Arbeiter beob- achtet, die nachts Versammlungsplakate ankleben und wie er dann „zur Festnahme der Täter schreitet". Sie ist ihm nicht gelungen. Bezeichnend ist schon, daß der Polizeibeamte eine ihm al« gesetz- widrig erscheinende Tat nicht durch Warnung zu verhindern trachtet, sondern sie ruhig geschehen läßt, um dgnn Revanche zu l üben und da«„berletzie Rechtsgut" durch Verhaftung und Anzeige wiederherzustellen. Aber noch viel bezeichnender ist, was in dem Bericht weiter erzählt wird: als der letzte der Delinquenten davon- rennt, droht ihm der Schutzmann, zu schießen» wenn er nicht stehen bleibe, und nur, weil der Polizist die Pistole nicht rasch genug losbekam, gelang dem Jugendlichen die Flucht. Run ist es nicht recht glaubhaft, daß ein Schutzmann der Herren v. Jagow oder Becherer— so heißt wohl der Polizeigewaltige von Neukölln— die Pistole nicht rechtzeitig losbekäme. Dafür ist schon gesorgt, und der Polizist, der darin fehlte, würde seines Amtes gewiß alsbald für unwürdig erklärt. Eher kann man vielleicht annehmen, daß der Schutzmann sich noch rechtzeitig besann und deshalb seine Drohung nicht wahrmachte. Aber diese Drohung selbst ist es. die einige Worte erfordert! „Ich schieße!" Selbst nach dem Schießerlaß Traugoit v. Jagows hat der Slchutzmanu erst zu schießen, wenn er sonst in Gefahr käme, niedergeschlagen zu werden, und selbst die preußischen Instruktionen gestatten der Polizei den Wasfengebrauch nur, um Widerstand zu brechen, um das größere Hebel einer straflosen Auflehnung gegen die angeblich doch im Interesse der Allgemeinheit erlassenen Gefetze zu hindern. Was geschah hier? Ein junger Mensch hatte einen Zettel angeklebt, höchstens also ein mit ein paar Mark Strafe be- drohte» Lrdnuugsdelitt begangen, und als er deshalb„festgestellt" werden soll, läuft er davon. Und da entsteht in dem Gehirn eines „S i ch e rh e i t S veamten", eines nach Ausbildung und Probezeit als bewährt und geeignet auf die Straße gestellten Polizisten der Gedanke, dem flüchtenden Zettelankleber eiize Kugel nachzuschicken, ihn also, statt mit ö Mark Geldstrafe, mit dem Tod oder lebenslänglichem Siechtum zu ftrafen— ohne Richterspruch, aus eigener schutzmännischer Machtvollkommenheit. und dieser Gedanke entsteht auf einer Grotzstadtstraße, wo das Geschoß der Trehsepistole unter Umständen harmlose Passanten, Schlafende in ihrer Wohnung treffen und töten kann? Man fragt sich, wie so etwas möglich ist, wie ein solch wahnsinniger Gedanke in dem Hirn eines doch oftmals auf seine Verantwortung hingewiesenen Beamten entstehen kann! Tas mag einmal an dem künstlich großgezogenen Autoritätsgcsühl des Schutzmannes liegen, der ja dazu angehalten wird, in den ihn erhaltenden Bürgern, namentlich in einem Arbeiterviertel, nur die Objekte zu sehen, denen gegenüber er den Staat, die Man- archie, die Gesellschaftsordnung aufrechtzuerhalten hat— zum anderen liegt es ida wir ja sehr gut wissen, daß sicher viele Polizei- beamte längst erkannt haben, daß sie ausgebeutet und unterdrückt werden im Interesse der Volksfeinde, die auch ihre Feinde find und die sich ihrer nur als Werkzeuge bedienen» daran, daß die Schutzleute durch die ewige Kommcmdiererci, durch die massenhaften Verordnungen und Erlasse, namentlich durch die Aufputschung gegen die proletarische Jugendbewegung, als der größten Gefahr, die es überhaupt gebe, ganz wirr gemacht werden, und nun aus Angst vor Strafe, vor Spitzeln in den eigenen Reihen, geneigt werden, recht forsch loszugehen. Hat sich einer aber einmal dazu eutschloffen— was soll ihn dann noch hemmen? Wenn der da draußen geschossen und getroffen hätte und nicht an Ort und Stelle von„einwandfreien" Zeugen— also womöglich von seinen eigenen Kameraden!?— erkannt und „festgestellt" worden wäre, wer weiß, ob er dann jemals bekannt geworden wäre. Wir kennen das ja von den Fällen Herrmann in Berlin und Biewaldt in Breslau ? Und wäre er selbst er- kannt: wer weiß, ob die Staatsanwaltschaft einen Anlaß zum Ein- schreiten gefunden hätte; es gibt doch für von Amis wegen Bewaff- nete die schöne Forstnersche Putativnotwehr, und so ein Schutzmann konnte ja befürchten, daß er von dem jugendlichen Zettelankleber massakriert werden könnte... Und schließlich, würde er selbst angeklagt, so gibt es ja auch noch einen Kon- f l i k i, der zugunsten des Schießers und zur Bekräftigung des VersafsungSgrundsatzes, daß niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden dürfe, hätte erhoben werden können! Denn: vor dem Gesetz find alle Staatsbürger gleich und gegen Sozialdemokraten ist daher alles erlaubt. Bei solchen Rechtszuständen ist es noch ein hohes Ehrenzeugnis für die Masse der Polizeibeamten, daß trotz hoher Anspornung unv Duldung nicht weit mehr noch an Polizeiwillkür in unserem führen- den Kulturstaate passiert. An den Verwaltern des Rechts, an den BerordnungSgewaltigen liegt es wahrhaftig nicht. politische Uebersicht. Nationalliberale Selbstkritik. Deutschland demokratisiert sich mehr und mehr. Dr. Richard Bahr , ein nationalliberaler Publizist, der die Masse verabsckieut, sieht einen neuen Beweis dafür in dem Schwinden der Auto- rität der politischen Führer. Auf die nationalliberale Partei weist er als auf das ihm am nächsten liegende Beispiel hin. und wenn man sich so Herrn Basser- mann betrachtet, wird man dem spöttischen Kritiker nicht ganz unrecht geben können. Am wertvollsten aber ist der Einblick, den er, der Kenner, uns in daZ innere Leben der national- liberalen Partei tun läßt, wenn er sich über die.Herren Vertreter" mokiert, die„breit und gewichtig bei schmalem Dünnbier vor sich hin schmauchten", al« ihnen Herr Bassermann vor zwei Jahren auf dem Parteitag in Berlin versicherte, daß sie und nicht die Führer die Politik machten. Noch hübscher ist daS Bild. daS er von dem Zustandekommen nationalliberaler Proteste in der Provinz entwirft: „Sobald irgend ein Beschluß, eine Abstimmung, eine taktische Maßnahme denen„draußen im Lande" nicht gsfallsn, bricht der Sturm loS. Dann regnet es wochenlang entrüstete Resolutionen, und eS gibt zwischen Pilllallen und Kusstein kein Wirtshaus und kein„Beuel ", in dem nicht irgend ein aus Berus oder Neigung ewig Aufgeregter mit Hilfe von zwei oder drei Gesinnungsgenossen eine„Prolestversamm- . l u n g" abhielte. Natürlich ist das alles Unsinn. Schon weil diese Protestler in Wirklichleit gar keine Wähler sind..." Herr Bahr findet eS bedenklich, daß die Führer sich solchem Unsinn beugten. Wir erinnern unö nicht ob eS ihm auch bedenklich erschienen ist, als die nationalliberale ReichStagSfraktion, Basier- mann an der Spitze, vor den Protesten, die sich gegen die Wahl Scheidemanns in das ReichStagSpräsidium erhoben, ins Mauseloch kroch. Doch tmo dem auch sei, die Schilderung des Zustandekommen» solcher Entrüstungslundgebungen ist jedenfalls werlvoll, und sie dient zur CharalteristU der leitenden Männer des Nationalliheralisniu«. Die kennen natürlich die In- szenesetzung des Rummels genau so gut wie der. der hier aus der Schul« plaudert, aber in ihrer schlotternden Angst bringen sie doch nicht den Mut auf, einmal bei der liberalen Stange zu bleiben, denn sie wissen, daß bei den Schichten, aus deren Stimmen und auf deren Geldschränke sie sich stützen, zu viel Liberalismus immer noch wesentlich bedenklicher ist, als zu wenig. Zur Breslauer Z�ürstbischofSwahl. Breslau , 7. April. Ueber die heute nachmittag durch das Dom« kapitel stattfindenden Repräsentationswahlen für den Breslauer Fürstbischofsposten wird dem Hirsch'schen Telegraphenbureau von informierter Seite folgende« mitgeteilt: i' Unter den Domherren haben bereits seit einiger Zeit mehrfach Vorbesprechungen über die Wahl stattgefunden, die dazu geführt haben, daß nur solche Kandidaten anfgesiellt werden sollen, die da? Vertrauen der Regierung lvie des Heiligen Stuhls im gleichen Maße besitzen. Für die aufzustellende Liste kommen etwa 8 bi« 10 Personen in Frage, darunter die Bischöfe Dr. Bertram- Hildes» heim und Schmitz-Fulda. sowie der LreSlauer Domherr Dr. Johanne« Steinmann, der Direktor de« fürstbischöflichen theologischen Konvikts, der als früherer Gebeimsekretär de« Kardinals Kopp über gute Be- ziehmigen zu den weltlichen und geistlichen Behörden verfügt. Dagegen dürste von der Kandidatur deS Bischofs Schulte von Paderborn Abstand genommen werden, trotzdem sich die Regierung ursprünglich für seine Wahl beim Domkapitel eingesetzt hat, denn die Bestätigung Dr. Schuttes durch den Heiligen Stuhl erscheint höchst unwahrswein» lich. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird die engere Wahl zwischen dem Bischof von Hildesheim Dr. Bertram und dem Fuldaer Bischof entscheiden, von denen der letztere erst bor kurzer Zeit in Rom weilte.__ Ter mihverstaudcue Herr v. Liebert. Tic„Chemnitzer BolkSstimme" brachte kürzlich die Schilderung eines originellen Cisenbahnerlebnisses des in Borna -Pegau durchgerasselten Rcichsverbands-Generalissinius. Es wurde da erzählt: „Empört über den Ausgang der Hauvtwahl benutzte der Herr General, der eine glatte Wahl im ersten Wahlgang als Lohn seiner Bemühungen sicher erhofft hatte, eine Eisenbahnfahrt nach Borna dazu, um einem befreundeten Gutsbesitzer im Coups sein Herz also auszuschülten:„Er sei jetzt jedem einzelnen Beamten nachgekrochen und habe ihnen die schmutzigen Hände gedrückt; zu den Kerlen auf den Postämtern sei er persönlich gelaufen. um sie zu fragen, wieviel Gehalt sie noch wollten. Und jetzt wähle dieser ganze Plebs doch nationalliberal. Die werde man überhaupt nie satt be- kommen können. Na, möchten die Nationalliberalen mit diesem Demokratenzeug glücklich werden." AIS sich der Koloinalheld o. D. also Lust gemacht hatte, erhob sich im Nebenabteil ein Herr, der sich als— Herr Landtagsabgeordneter N i tz s ch k c. der durchgefallene nationalliberale Kandidat, vorstellte, um die Bitte auszusprechen. daS Gespräch nickt weiter sortzusühren, da doch zu viele Zeugen anwesend seien. DaS Gesicht des Generals mag sich jeder vorstellen. Nun hat Herr v. Liebert das Abenteuer in folgender harmlosen Weise darzustellen versucht: Ich fuhr am 17. März, dem Tage der Hauptwahl(nicht nach- her!) von Leipzig nach Borna in einem Eisenbahnabteil mit dem Kaminerherrn v. Streit- Medewitzsch und einem Herrn aus Borna . Wir unterhielten uns über die Wahl, und Herr v. Streit, der durch seine Jovialität, aber auch durch seine kräfftige Ausdruckswoise bekannt ist, äußerte ein- oder zweimal:„Die Liberalen sind ja doch Demokraten!" Als die Rede aus die Postbeamten kam, erzählte ich, daß ich 1909 in der Besoldungskommission für die Postosjistenten und Postsckaff'ner mich bemüht habe, ihnen das gewünschte Höchstgehalt zu be- schaffen, daß es damals aber leider nicht möglich gewesen sei. Dafür sei ich dann bei der Wahl 1912 von den Postbeamten durch ein Flugblatt und in öffentlichen Versammlungen angegriffen worden. Inzwischen habe der Reichstag die betreffenden Forde- rungen bewilligt, und ich hätte die Freude gehabt, an jedem Post» ichalter, wo ich die Frage an einen Beamten gericktet hätte, ob sie nun zufriedengestellt feien, eine befriedigte Antwort zu er- halten. Dabei ist nicht das geringste kränkende Wort über einen Beamten von mir geäußert worden, eS lag gar keine Veranlassung dazu vor. Nach etwa einer Viertelstunde trat plötzlich Herr N i tz s ch k e auS dem Nebenanteil an uns heran und sagte, er habe das Ge- sprach gehört und sich Aufzeicknungen gemacht. Wie er dies weiter verbreitet hat, ist mir nicht bekannt. Man sieht nur aus der Wiedergabe in der„Chemnitzer Bolksstimme", welche Geitali solches von Mnnd zu Mund herumgetragene Gerede schließ» lich annimmt. Ich habe für obige Darstellung der Tatsachen zwei Zeugen, die an dem Gespräch selb st teilnahmen. Herr Mtzschke hat bei dem Rattern des Zuges die Einzelheiten wohl kaum hören können; jedenfalls hat er nicht einmal die Stimmen der Sprechenden zu unterscheiden vermocht. Die Beurteilung der Handlungsweise, ein Gespräch eine Viertelstunde lang(von Leipzig bis Gaschwitz) zu belauschen und dann e r st hervorzutreten, muß ich dem Publikum überlassen. Sehr glücklich scheint uns diese Tarstellung des Herrn Liebert nicht zu sein. Denn wenn der nationalliberale Kan- didat N i tz s ch k e von dem angeblich so harmlosen Gespräch nichts hätte hören können, wie hätte er dann Herrn v. Liebert und seinen Getreuen eine solche Szene machen können! Vielleicht nimmt nunmehr auch Herr Nitzschke selbst daS Wort! Ter Skandal vor der Wohnung des Zaberner Bürger« meisters. Vor einiger Zeit hatten mehrere Unteroffiziere deS 132. Infanterie- Regiments, die dem Zaberner Wacklommaudo angehören, vor dem Hause des Zaberner Bürgermeisters einen nächtlichen Spektakel voll- führt. Wie der„Elsässer" mitteilt, haben sich diese Unteroffiziere jetzt beim Bürgermeister entschuldigt mit der Angabe, sie seien an- getrunken gewesen und jede Beleidigung habe ihnen fern gelegen. Zur Frage der Arbeitsloseuverficheruug. In Posen hatte die Arbeiterschaft mtter einer enorme» Arbeits- lossgkcit zu leiden. Die Arbeiterorganisationen wandten sich um Hilfe an den Magistrat, forderten Notstandsarbeiten. Einführung der Arbeitslosenversicherung. Die Antwort des Magistrats lautet:„Der Magistrat ist der Auffassung, daß die Arbeitslosigkeit zurzeit für überwunden gelten kann und daß die Stadt von der Einführung einer Arbeitslosenversickcrung zurzeit absehen müsse, solange nicht eine Unterlage durck Reichs- oder Staatsgesetzgebung geschaffen sei. Deshalb und weil ein.« besondere Notlage nicht besteht, nimmt der Magistrat davon Abstand, eine Vorlage zu machen. Er sieht da« Normale in der Selbsthilfe der Arbeiter." In derselben Sitzung wurden aber 12 000 M. für festliche Ver- anstoltungen bewilligt. Ferner wurde beschloffen, die Einkommen von über 420 M. zur Steuer heranzuziehen. Im Würzburger Gemeindekollegium haben die sozialdemo- kratischen Vertreter mit dem Hinweis darauf, daß der bayerische Staat einen Betrag ausgeworfen hat. aus dem solchen Gemeinden. die die Arbeitslosenversicherung einführen, Zuschüsse gegeben werden sollen, den Antrag gestellt. 10 000 M. zu diesem Zwecke zu bewilligen. Während nun Zentrumsvertreter sich mehr oder weniger bedingt für den Antrag erklärten, wurde dieser von Liberalen bekämpft. Einer dieser Herren fand sogar den traurigen Mut, zu erklären, wer Arbeit wolle, der bekomme sie auch. Die Liberalen waren es auch, die zuletzt einen Beschluß durchsetzten, wonach vorläufig von der Weiterberatung der Frage abzusehen sei, d. h. man sucht die Sach« 1 zu verschleppen, um sie schließlich ganz abzumurksen.
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