Der Streit der Krauereiarbeiter in H o f a. d. S> ist nach drei- tägiger Dauer beendet. Al« die Unternehmer die Einigkeit der Ar- beiter sahen, wünschte» sie selbst Verhandlungen, die nach mehreren Stunden zu einem Ergebnis fiihrten. Die Arbeiter erlangen die Ab- schaffung der Sonntagsarbeit, die der wichtigste Differenzpunkt war, Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit auf O'A. Stunden und Lohnerhöhung. Alle Streikenden werden wieder eingestellt, die Arbeits- willigen entlassen. Der Schneiderstreik in Saarbrücken ist nicht, wie irrtümlich be- richtet, beendet, sondern wird weitergeführt. Eine mehr als merk- würdige Rolle spielen bei diesem Streik die Christlichen . Sie haben die von den Unlernebmern angebotenen höheren Löhne abgelehnt. Die Unternehmer erklärten darauf, dost sie nach zwei Tarisen nicht entlohnen könnten und zogen ihre ursprünglich gemachten Zugestand- nisie zurück. Später kam cS abermals zu einem Einigungsvorschlag zwischen den Leitungen der beiden Organisationen. Dieser Vorschlag wurde aber von den Unternehmern in einer Abstimmung abgelehnt. Sie verlangten die bedingungslose Wiederausnahme der Arbeit. Die Unternehmer init den Christlichen im Bunde, versuchen nun. die freie Gewerkschaft der Schneider in Saarbrücken aus dem Tarif- vertrag auszuschalten.— Das Verhältnis zwischen der christlichen Organisation und den freien Gewerkschaften ivar bisher ein ertrag- licheS; die Christlichen haben durch ihr Verhalten in Saarbrücken jetzt soviel Hast gesät, hast diese Einigkeit unter den Arbeitern bei der Lohnbewegung vollständig in die Brüche gegangen ist.— Es wird ersucht, besonders darauf zu achten, daß Streikarbeit nicht in anderen Städten angefertigt wird. Ms Industrie und Handel. Rußland und die Baumwollfrage. Rußland ist auf dem besten Wege, seine Textilindustrie vollkoinineu unabhängig vom amerikanischen Baunuvollmarkte zu machen, ja selbst ein Baumwollausfuhrland zu werden. Es ist in der glücklichen Lage, in Transtaütasien und in seinen zcntralasiatischen Besitzungen genug geeignetes Land mit günstigem Klima zur Ver- sügung zu haben. Ictzr schon kommt von dort mehr als die Hälfte der Baumwolle, die die russische Textilindustrie verarbeitet, lölll wurde» 10,4 Millionen Pud«zu Kilogramm) eingeführt und lL Millionen in Rußland erzeugt. Seitdem hat sich dieses Ver- hältnis noch verbessert. Allein in Turkestan tragen heute über lillOOOo Hektar Baumwolle. Tic Kultivierung iveitercr großer Steppenländereien mit vorzüglichem Boden ist nur eine der Be- wäfferung. Nun hat die Regierung einen gewaltigen Vorstoß unter- nommen und der Diniia einen Gesetzentwurf vorgelegt, der TOOMilli- onen Rubel(gut l'/i Milliarden Markl) für die Erschließung und Bewässerung der riesigen Steppe Golodnaja(Hungersteppe) in der zentralasiatischen Provinz Samarkand fordert. Tort sollen etwa S Millionen Hektar nutzbar gemacht und mit russischen Bauern besiedelt werden, die sich hauptsächlich dem Baumivollbou widmen sollen. Die Annahme der Vorlage ist gesichert. Nach ihrer Ver- wirklichung ist Rußland aller Sorgen um die Deckung seines Baum- wollbedarss, selbst bei weiterer Ausdehnung der Industrie, ledig. Wenn es dann noch in T r a n s k a u k a s i e n, wo mehr als eine Million Hektar geeigneten Landes zur Verfügung stehen, diesen Anbau fördern wollte, so würde es ein« erhebliche Bedeutung auch für den europäischen Baumwollmarkt gewiiznen. Bereits ist hier die Anforderung von rund 10% Millionen Rubeln zur Bewäfferung von LZ ZOO Hektar, wovon 33 000 für Baumwollbau in Betracht kommen, vom Ministerräte beschlossen. Dazu kommt, daß auch in dem unterjochten Nordpersren reiche Möglichkeiten in dieser Richtung liegen. Die bereits bestehenden nordpersischen Baumwoll» kulturen sind durch die russische Eisenbahn- und Straßenbaupolitii völlig aus Rußland angewiesen und tatsächlich in russischen Händen. Von rund 20 Millionen Kilo, die die persische BaumwollauSfuhr 1012 ausmachte, gingen 28 Millionen nach Rußland , fast der sechste Teil der eingeführten fremden Baumwolle. Steigerung des Stahlverbrauchs. Der Versand des StahlwerkS- verbandeS an �.-Produkten(Halbzeug, Sisenbahnmaterial und Form- eisen) betrug im Monat März 549 000 Tonnen gegen 480 900 Tonnen im Februar diese« JahreS. Die Steigerung ist eine Folge der all- jährlich im Frühjahr eintretenden Belebung des EijengeschäftS. Gegen den März 1013 war der Versand von Halbzeug und Eisen- bahnmaterial etwas geringer, der von Formeisen etwas größer.— Auch der Versand des Walzdrahtverbandes ist gegen die Bonnonate gestiegen(März: 43 850 Tonnen: Januar: SS 870 Tonnen). Kanada -? Ausfuhrhandel. Die Ausstlhr kanadischer Erzeugnisse auS Kanada bewertete sich 1912/13 auf 355.8 Millionen Dollar- Groß- britannien nebst seinen Kolonien nimmt mehr als die Hälfte der kanadischen EigenauSfubr auf; erheblich mehr als ein Drittel geht nach den Vereinigten Staaten von Amerika , und in den verbleibenden geringen Rest der Ausfuhr, nämlich etwa 7 Proz. oder llu teilt sich die übrige Welt. Die Zunahme der Gesamtauöfuhr beruht in der Hauptsache auf der Zunahme der GetreideauSsuhr. Zugenommen hat serner die Ausfuhr von Mineral- und Forstproduklen sowie von gewerblichen Fabrikaten. Die Ausfuhr von Schlachtvieh hat weiter abgenommen: Butter wird überhaupt kaum mehr ausgeführt. Zu- rückgegangen ist auch die Ausfuhr von Speck und Käse. Australiens Mineralienausbeute stieg von 191l gegen 1912 dem Werte nach von 24.6 auf 26.3 Millionen Psuud Sterling oder um 6,3 Proz. Australien , wo noch ungeheure Länderstrecken der Er« forschung harren, ist bei seinem anerkannten Mineralienreichtum hin- sichtlich seiner Mmenindustrie einer gegenwärtig noch unübersehbaren Entwicklung fähig. Gegenwärtig sollen etwa 6 Millionen Pfund deutsches oder englisch -deulsches Kapital in australischen Bergbau- betrieben angelegt sein: doch sind diese Schätzungen unzuverlässig. Jugendbewegung. Die allwissende Polizei. Genosse S o n n c m a n n hielt in den letzten Tagen eine Reihe unpolitischer Vorträge für Jugendliche im Rheinlande. In Gummers- bach bekam der Genosse Wachendorf auf da? Ersuche» um die poli- zeiliche Erlaubnis zum Verteilen und Ankleben von VersammlungS- cinladungen diese weiShcitSvolle Antwort: Gummersbach . 26. März 1914. Tic beantragie Erlaubnis zun, öffentlichen Anschlag von Flugblättern über die am Sonntag, den 29. d. MtS., stattfindende Jugendversammlung wird nicht erteilt. Es handelt sich hier zweifellos wiederum um eine politische Versammlung, an der Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht teilnehmen dürfen. Die Versammlung ist zudem hier nicht polizeilich an- gemeldet, auch nicht in den maßgebenden Blättern ver- öffentlicht worden. Bezugnehmend auf die bezüglichen VerHand- lungen über die kürzlich bei Scheuernimm abgehaltene Versammlung mache ich Sie auf die ev. strafbare Verfolgung aufmerksam. I. V.: Souderinann. Als die Beriammlung trotzdem stattfand, wurden die Jugend- lichen aus dem Saal gewiesen,»och ehe der Redner ein Wort ge- sprachen hatte, ja noch ehe die Versammlung überhaupt eröffnet war. Es wird also allgemein Praxis, daß die Polizei eine Arbeiterjugend- versaminlung, die übrigens gar nicht vomJugend- a u S s ch u ß einberufen war, für politisch erklärt, ohne die Art des Vortrags zu kennen. Gummersbach ist eine„liberal" verwaltete Stadt. Zur Geschichte der Arbeitrrjugendbewegung in der Schweiz . Die schweizerische Jugendorganisation gehört zu den ältesten in der Internationale. Wenn man absieht von den um die Mitte der neuziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Bern und Luzern bestandenen Gruppen, so daß das Geburtsjahr der schweizerischen Jugendbewegung das Jahr 1900 und die Geburtsstätte Autzersihl- Zürich. 1906 gab e» in Äußersihl, Alststetten, Wiblingen Jugendsektionen, die sich zu Ende des Jahres zu einem Verbände zu- sammenschlossen. Im Jahre 1910 zählte der Verband 11 Sektionen mit zirka 350 bis 400 Mitgliedern, 1912 bereits 20 Sektionen mit 493 Mitgliedern. Heute, 1914, gehören dem Verbände. 43 Sektionen und Gruppen mit 1300 Mitgliedern an. Davon entfallen auf den Kanton Zürich und den Kanton Solothurn je 13 Vereine, die weiteren 19 Bereine verteilen sich auf die gesamte übrige Schweiz . Im Jahre 1010 gehörten dem Verbände außerdem noch 14 Arbeiter- vereine als Kollektivmitglieder an, heute ist ihre Zähl auf 80 ge- stiegen. Im Jahre 1910 erschien die erste Nummer der Jugend- zeitung unter dem Namen„Ter Skorpion", später wurde daraus der„Jungbursck" und die heutige„Freie�Jugend". Jahrelang betrug die durchschnittliche Auflage 2000. Sie erschien unregelmäßig, mitunter nur in 5 Nummern im Jahre. Heute erscheint die Zeitung jeden Monat in einer Auflage von 5000 Exemplaren. Seit 1010 gehören der Jugendorganisation auch jugendliche weibliche Mitglieder an. Ihre Zahl beträgt gegenwärtig rund 200. Im weiteren unterstützen noch zirka 1500 Genossen in der Schweiz als Passivmitgliedcr die einzelnen Sektionen. Soziales. Zum Zahnersatz bei der Landesversicherungsanstalt Berlin . Die zuletzt am-t. d. M. von uns niedriger gehängte Bummelei bei der Landesversicherungsanstalt geht»veiter. Uns liegt folgendes vom 6. April datiertes schreiben der Landesversicherungsanstalt vor: Ihrem Antrage auf Gebißbewilligung können wir zurzeit nicht entsprechen, da unser zahnärztliches Jnstilut für längere Zeit mit Aufträgen voll beschäftigt ist. Wir stellen Ihnen anheun, Ihren Antrag nach Ablauf von 4 Monaten zu erneuern. Wann endlich wird die Landesversicherungsanstalt Bor- kehrungen gegen ihre Unfähigkeit treffen, zahnärztliche Hilfe schnell und zu einer Zeit,»vo sie noch einen Zweck hat, zu leisten?_ Aus de« JmmugSschiedsgericht. Ein Tischler klagte gegen den Tischlermeister Porth aus Zahlung eines Akkordbetrages in Höbe von 173 M. Der Beklagte hatte eines Tages zu seinen sämtlichen Arbeiter» gesagt:.Ihr seid alle miteinander Lumpen und Spitzbuben!" Aus diesem Grunde und um Lohndifferenzen zu schlichten wurde der ArbeiterauSschuß zum Chef geschickt. Letzterer nahm die Be- leidigungen jedoch nicht zurück, sondern sagte:»DaS müßt Ihr Euch schon gefallen lassenl" Darauf kam eS zur Arbeits- einstellung. DaS Gericht hat den Anspruch zurückgewiesen. Be- gründend wurde ausgeführt, eine persönliche Beleidigung liege nicht vor. Bei einem zweiten Kläger beurteilte das Schiedsgericht die Sachlage anders, weil dieser Kläger vor der Lösung deS Arbeit»- verhälwisteS an den Beklagten mit der Aufforderung herangetreten war, die beleidigenden Worte zurückzunehmen. DaS erste Urteil ist ein auffallende» Fehlurteil. Ebenso wie jede» einzelne Mitglied de» Jnnung»schied«gericht« getroffen würde. wenn es ähnlich wie die Arbeucr apostrophiert wäre, ist auch jeder einzelne Arbeiter durch die grobe Beleidigung getroffen. Grobe Be- leidigung berechtigt ohne weiteres zum sofortigen verlassen der Arbeit. Die Berufungsinstanz dürft« den Schiedsspruch kaum aufrecht- erhalten._ Ein Fairikantenkongreß zur Bekämpfung deS BleiwcißverbotS. Man meldet uns aus Brüssel : Gestern versammelten sich hier Vertreter der Bleiwcißindustrie au» Amerika , England, Holland . Frankreich , Belgien . Deutschland zu einer Beratung, um einen Kampf gegen daS im Januar 1915 in Frankreich in Kraft tretende Blei- weißverbot und gegen da» in Aussicht stehende Bleiweißverbot Belgiens zu organifiereit.(Die Kammerkommissionen haben sich be- reitS im günstigen Sinne für ein Verbot entschieden.) Wie dies die Herren machen wollen, ist vor der Hand nicht be- kannt geworden. Jedoch hat man erfahren, daß eine Ab- ordnung von Mitgliedern de» Zenttalverbandc« der Maler und Anstreicher die durch Arbeiten mit Bleiweiß krank oder zu Krüppeln und jedenfalls arbeitsunfähig geworden sind, ab- gewiesen worden ist. Es waren da Blinde. Gichtkranke, Ge- lähmte, lauter Opfer ihres Berufs. Vielleicht wurden sie vom Komitee aus jener nicht seltenen sentimentalen Kapitalistenregung abgewiesen, die auch einmal einen Roisckild zu der Weisung ver- anlaßt haben soll, einen Bittsteller hinau»zulversen..weil er ihm daS Herz zerbreche." Nach dem HinauSwur» der Abordnung der Krüppel hoben die Herren wohl ruhig beraten können, wie man gegen die BleiweißverbotSbewegung international ankämpfen könne, um den Profit zu retten. Gerichtszeitung. Ter Mann mit der„wertvollen" Schlipsnadel. Wie bedenklich es ist, bei Strafverfahren das Wieder- erkennen eines Angeklagten durch mehrere Per- sonen zum Schaden des Angeklagten zu verwerten, zeigte eine gestern vor der 4. Strafkammer deS Landgerichts I geführte Verhandlung gegen den Ingenieur Albert Müller wegen Betruges. Im Spätiommer 1908 verübte hier in Berlin ein Schwindler gegen eine Reihe von Personen einen Gaunerstreich. In Äondito- rcien, Weinwirtschasten und derartigen Lokalen trat damals wieder. holt ein elegant und sehr sicher auftretender Herr an die BüffetierS oder Toilettenpächtcr heran und gab an, daß er durch eine unvor-, hcrgcsehcne Zahlung in eine kleine Verlegenheit geraten sei und bäte, ihm bis zum nächsten Tage den Betrag von 20 bi» 30 M. zu leihen. Als Pfand bot er eine anscheinend sehr kostbare Nadel an. die er aus seinem Schlips herauszog, und man gab ihm dann auch gegen dieses Unterpfand die erbetene Summe. Ter feine Herr ließ sich aber dann nicht wieder sehen, und wenn die Hinein. gefallenen die Nadel, die ihnen so wertvoll erschienen war, taxieren ließen, ergab sich, daß sie einen Wert vo» höchstens 45 Pf. hatte und zioeifelloS von einem Gauner als Massenartikel bezogen war- den war. Denn bei der Kriminalpolizei waren kurz hintereinander mehrfach Anzeigen von Personen eingegangen, die in der geschil - dcrtcn Art betrogen worden waren. Der Mann mit der Schlips- nodcl sollte nun der Angeklagte sein, der nach 5 Jahren fest- genommen worden ist. In einem früheren Termin hatten vier Zeugen den Angeklagten mit der größten Bestimmtheit als den Täter wiedererkannt. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Alsberg, setzte aber durch, zu einem neuen Termin die Wirtin, bei der der Angeklagte in Brüssel wohnte, als Zeugin dafür zu laden, daß Müller zu der kritischen Zeit, wo er in Berlin mit der Schlips- nadel operiert haben soll. Brüssel überhaupt nicht verlassen hatte. Tie vier Belastungszeugen blieben auch im gestrigen Termin mit großer Besümmtheit dabei, daß der Angeklagte der Betrüger sei. Nun ergab sich ober aus den Bekundungen der Frau Pomba in Verbindung mit einer Reihe von Dokumenten. Korrespondenzen. Postkarten, Rechnungsquittungen usw., die die Zeugin mitgebracht hatte, daß der Angeklagte ganz unmöglich zu den in Frage kommen- den Zeiten in Berlin gewesen sein kann. Dieser sorgfältigst nach- geprüfte Beweis war fo schlagend« daß der Staatsanwalt selbst die Anklage fallen ließ. Der Verteidiger hielt die bloße Freisprechung nicht für genügend, sondern beantragte, auch die Kosten der Ver- tcidigung der Staatskasse zur Last zu legen und schließlich dem Angeklagten eine Entschädigung für schuldlos erlittene Unter- suchungshaft zuzusprechen. Das Gericht entsprach diesem Antrage: es sprach den An- getlagtcn frei, legt« dir Kosten und die ihm erwachsene» notwcndi- gen Auslagen der Staatskasse auf und billigte ihm auch den Au- spruch aus Entschädigung zu._ Verurteilung de»„Vorwärts". Tie Firma Hosfmann u. Co. in Posen fühlte sich durch eine Notiz im„Vorwärts" vom 7. Ilovembcr v. I. über die Art der Beteiligung der Finna bei einer Submission beleidigt. Das Schöffengericht in Posen verurteilte, wie uns telegrapbisch mitgeteilt wird, daraus gestern unseren verantwortlichen Redakteur, Genossen Wiclepp, zu 300 M. Geldstrafe. Zum Streikpoftenrecht. Im Oktober v. I. brach in der Etuifabrik von Eichhorn, Friedrichsgracht, au« Anlaß von Lohndifferenzen ein Streik au». Als eineS Abends eine Frau Gaede aus der Eich- hornschen Fabrik kam. trat Schatz an Frau Gaede, von der er wußte, daß sie Mitglied des Verbandes der Buch- binder und Buchbmderinnen war, heran und unterhielt sich über den Streik in ruhiger Weise. Da tauchte der Mann der Frau Gaede. ein VerficherungSbeamter auf. Er forderte Schatz auf, seine Frau nicht weiter zu behelligen. Schatz erwiderte: Er habe Frau Gaede nicht behelligt, er finde e§ aber nicht schön, daß Frau Gaede in einer Fabrik arbeite, in der gestreikt werde. Der Ehemann Gaede winkte einem Schutzmann und ließ die Personalien deS Schatz fest- stellen. Die Eheleute Gaede stellten dann gegen Schatz Straf- antrag. In der Verhandlung vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte beschworen die Eheleute Gaede: Schatz habe Frau Gaede an die Häuser gedrängt, fortwährend aus fie eingeredet und schließlich ge- sagt:.Schämen Sie sich. Slreikarbeit zu verrichten!" Der An« geklagte wurde daraus wegen tätlicher und wörtlicher Beleidigung, iit Tateinheit mit Verletzung deS§ 153 der Gewerbeordnung, zu einem Monat Gefängnis verurteilt. In der gestrigen Berufungsverhandlung hielt das Goedesche Ehepaar seine Bekundungen ausrecht. Drei ein- wandfreie Zeugen bekundeten dagegen: Sie seien neben dem Angeklagten und Frau Gaede gegangen, sie können mit positiver Bestimmtheit versichern, daß Schatz Frau Gaede in keiner Weise, weder wörtlich noch tätlich, beleidigt habe. Frau Gaede habe auch dem Angeklagten ganz sreimlltig Rede und Antwort gestanden: die Sachlage habe sich erst geändert, als der Ehemann Gaede hinzukam. Der Verteidiger Rechtsanwalt SSolfgang Heine beantragie die Freisprechung de» Angeklagten. Zum mindesten sei die Strafe eme außergewöhnlich hohe, die sich m keiner Weise rechtfertigen lasse. Nach nur kurzer Beratung des Gerichts verkündete der Vorsitzende. LandgreichtSrat Göbel folgendes Urteil: Der Gerichtshof hat auf Grund der übereinslimmenden und ganz bestimmten Bekundungen der Eheleute Gaede die Ueberzeugung gewonnen, daß der Angeklagte den Versuch unternommen hat. Frau Gaede zur Teilnahme am Streik zu bewegen rmd daß. da Frau Gaede die» ablebnte. der Angeklagte Frau Gaede wörtlich und tätlich beleidigt hat. Die drei Entlastungszeugen haben vielleicht dem Bor- gange nicht volle Auknerlsamkeit geschenkt. Die vom ersten Richter erkannt« Strafe rechtfertigt sich durch den Umstand, daß e» Pflicht der Gerichte ist. Arbeitswillige besonders zn schützen. Der Gerichts- Hof hat daher die Berufung verworfen, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt und der Frau Gaede die Be- fugnis der llrteilsveröffentltchung auf Kosten deS Angeklagten zuge- sprachen._ Urteil in dem Wncherprozeß Holzapfel und Genossen. In dem großen Wucherprozeß Holzapfel und Genossen, der seit dem 23. März die 1. Strafkammer de« Landgerichts I unter Borsitz de» Geheimen Justizrats Lampe beschäftigte, wurde gestern nach- mittag das Urteil verkündet. ES wurden verurteilt: Wegen Wucher» der Privatier Wilhelm Holzapfel und der Rentier Gustav Adolpb aus Steglitz zu je 4 Monaten Gefängnis, 360 M. Geldstrafe und 1 Jahr Ehrverlust; der Agent Heinrich Hinrichs zu 9 M»no«cn Gefängnis, 506 M. Geldstraf« und 3 Jahren Ehrverlust: wegen Beihilfe zum Wucher: der Kaufmann Jakob Bein zu 8 M»naten Gefängnis, 366 M. Geldstrafe und 2 Jahren Ehrverlust, der Agent Karl Kruschwiy zu 2 Monaten 3 Wochen Gefängnis, 166 M. Geld- strafe« der Htipothekeninakler Georg Schumann zu 3 Wochen(?)c- fängnis und 50 M. Geldstrafe zusätzlich, der Agent Karl Gräser zu 2 Monaten Gefängnis und 100 M. Geldstrafe. Ter Agent Josef Rosenblatt wurde freigesprochen. Der Gutsherr auf der Wildmrsuchc. | Wenn ein Gutsherr sein Jagdland von Wilderern heimgesucht glaubt, ist rasch genug der Schießprügel schußbereit. Bei einer Wilderersuche, die der Ctzutshm von Görsdorf(Kreis BeeSkow- Storkow )« der Amtsvorsteher Paschke, am 30. Dezember 1913 ver- anstaltete, wurde durch leichtfertiges Nmgrhen mit der Schußwaffe ein Menschenleben vernichtet. Sein Inspektor Götz, ein junger Mann von noch nicht ganz 19 Jahren, den er den vermeintlichen Wilderern nachgejagt hatte, mußte sich gestern vor dem Landgericht Frankfurt a. O. wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Gutsbesitzer Paschke hatte auf die Meldung, daß zwei Wilderer in seiner Forst gesehen worden seien, zusammen mit dem Inspektor Götz sich auf die Suche begeben, nachdem er selber sich mit seiner Jagdflinte bewaffnet und dem jungen Menschen eine Browning- Pistole in die Hand gedrückt hatte. Weil Götz noch nie in seincni Leben eine solche Waffe benutzt hatte, wußte er nicht, wie er mit ihr umgehen sollte. Aber Paschke instruierte ihn in aller Eile über Sicherung und Entficherung und gab ihm Order, zu schießen, wenn er angegriffen werde. Als dann Götz, seinem beleibteren Herrn vorancilend, in der schneebedeckten Forst die beiden Berdächtigen erblickte, sie aber sogleich wieder aus den Augen verloren hatte, trieb Gutsbesitzer Paschke ihn von neuem an, sie zu stellen. Dienst- eifrig und aufgeregt nahm Götz die Berfolgung wieder auf— unv das Ende war, daß einer der beiden Flüchtlinge, von einer Kugel aus Götzen? Pistole getroffen, zusammenbrach. Bestürzt kam Götz zu Pasche zurück und meldete, wa» geschehen war. Während Götz heimeilte, um einen Wagen zu holen, ging Paschke zu dem nieder- geschossenen„Wilderer" und fand einen Sterbenden. Nachher lief ihm der andere„Wilderer" in die Hände, der entflohen war, aber zurückkebrtc, um nach seinem sterbenden Freund zu sehen. Jetzt ergab sich, daß e» sich um ein paar ganz ungefährliche Kaninchen- fänger handelte, die keine Waffen bei sich hatten und nur mit Frettchen(wenn auch unerlaubterwcise) hatten jagen wollen. Der Erschossene war ein Arbeiter vädke au» Berlin , sein Begleiter ein gleichfalls in Berlin wohnender Arbeiter Kurzmann. Bor Gericht behauptete der Angeklagte Götz, die Flüchtlinge hätten, als er sie verfolgte, sich nach ihm umgewendet, so daß er ich bedroht geglaubt habe. Bei dem Versuch, zur Abwehr eines etwaigen Angriffs die Waffe zu entsichern, sei die Pistole lvS - gegangen. Demgegenüber bekundete Kurzmann, daß er und Gädke geflohen seien, ohne sich umzuwenden. Götz habe immerfort ge- rufen:„Halt! Stehe» bleibcnl Hände hoch!"— und plötzlich habe dann ein Schuß gekracht, worauf Gädke sofort zusammen-
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