2. Beilage zum ,, Vorwärts" Berliner Volksblatt.
Ur. 26.
Dezember.
Unterm neuen Kurs.
Donnerstag, den 1. Februar 1894.
Soziale Ueberlicht.
Achtung, Bauarbeiter! Die Versammlung des Verbandes 1. Dresden . Genosse Gottlieb Knöfel, Redakteur der der Bauarbeiter( Zahlstelle Berlin ) findet am Sonntag, den " Sächsischen Arbeiter Zeitung", wegen Fabrikanten- Be- 4. Februar wegen der öffentlichen Versammlung nicht statt. Teidigung 100 M. Geldstrafe. Unsere nächste Mitgliederversammlung ist am 11. februar.
Derfelbe wegen Beleidigung eines Schuhmanns in Frei" berg 300 M. Geldstrafe.
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Genosse Senf wegen summens der Marseillaise ge legentlich des Besuchs einer Tanzmusik 3 M. Geldstrafe. 5. Mainz . Wegen Beleidigung eines Schuhmanns Genosse Sprenger 30 M. Geldstrafe. Der Antrag lautete auf 100 M. Geldstrafe.
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Berlin . Genosse Glocke als verantwortlicher Verleger der Broschüre Der Zeitgeist" 100 m. Delikt Aufreizung zu Gewaltthätigkeiten.
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R. Krüger.
11. Jahrg.
der Arbeitskraft bei denjenigen Arbeiterkategorien, die infolge ihrer besonders ungünstigen, gewerblichen Verhältnisse noch schlecht organisirt sind, wie dies bei den Bäckern, Konditoren, Schlächtern, Müllern, Kellnern, Seeleuten u. f. w. zutrifft. Hier Stellesuchenden sind in seine Hände gegeben, er vermittelt eine ist der Agent, der Kommissionär der Herr der Situation; die Stellung nur gegen hohes Entgelt, und wie sehr diese Herren bei ihrer Arbeit" gelernt haben, mit vollendeter Virtuosität immer knapp das Zuchthaus zu streifen, ist von uns ebenfalls schon öfter beleuchtet worden.
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Achtung, Kürschner! Bei der Firma S. Wachtel, Ham burg, haben die Kollegen am 27. d. M. die Arbeit niedergelegt. Der Grund hierzu war die schlechte Behandlung seitens eines In fast noch höherem Maße, als oben erwähnte Arbeiterneuen Werkführers. Derselbe beabsichtigte auch, die Löhne zu schichten, haben nun die Dienstboten durch die Gesindereduziren. Kollegen, zeigt Eure Solidarität. Der Zuzug ist vermietherinnen" zu leiden. Wie überall, so mußte, um jene streng fernzuhalten. Verhältnisse näher kennen zu lernen, der erste Anstoß von seiten vorwärts schleichendedeutsche Sozialreform hat hierzu noch keine der organisirten Arbeiter tommen; die in schneckenartigem Gang Zeit gefunden.
Dem Sprechsaale des" Hamburger Echo" entnehmen wir folgendes„ Gingesandt":
M.
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Chemnitz . Vier Monate der Genosse Langer wegen Beleidigung des Polizeidirektors. 6. Greiz . Wegen Beleidigung eines Pfarrers wurde Genosse Trognih zu drei, und Genosse Schenderlein zu vier Monaten Gefängniß verurtheilt. Wie uwahrheiten verbreitet werden. In der NothstandsUnsere Genossen vom Frankfurter Gewerkschafts8. Magdeburg : Genosse Karl 3ähle aus Fermersleben debatte, die kürzlich im Reichstage stattfand, erklärte Herr Minister tartell hatten sich denn die löbliche Aufgabe gestellt, die Verund Druckereibesitzer Arnold zu je 100 m. wegen Her- v. Boetticher, Bezug nehmend auf Hamburg , u. a., daß im Jahre hältnisse der Dienstboten bezüglich der Stellenvermittelung durch stellung und Verbreitung eines eine Boykottaufforderung 1892 bei der Epidemie, durch welche große Arbeitslosigkeit hervorge Aufnahme einer Statistik festzustellen. Es wurden zu diesem rufen, die Arbeiter lieber Unterstübungen annahmen, als Arbeiten, Zwecke in der letzten Woche des Dezember 1893 und der ersten enthaltenen Flugblattes. Dortmund . Genosse Schröder hatte gegen eine ihm die bei der Baggerei und beim Kanalbau nothwendig waren. Wir des Januar 1894 Fragebogen an Dienstmädchen ausgegeben. vom Landgericht Essen zuerkannte Zusatzstrafe von 2 Mo- aber können beweisen, daß Arbeitskräfte stets genug vorhanden, leider Sechszig derselben sind ausgefüllt zurückgegeben worden. Zum vom Landgericht Essen zuerkannte Zusatzstrafe von 2 Moaber naten Gefängniß Revision eingelegt. Dieselbe wurde ver- aber Arbeitsgelegenheit fehlte. Der Beweis ist leicht zu erbringen. Beweise, daß die Erhebungen, obgleich sie nur auf eine geringe naten Gefängniß Revision eingelegt. Dieselbe wurde ver- Ende September 1892, als im großen Nothstandskomitee über die Bahl sich erstrecken, doch alle Rangfiufen" der Dienstmädchen worfen. 11. Wurzen . Wegen Beleidigung des Stadtraths Dr. Krippen- großen Unterstützungen" gesprochen wurde, muß wohl gefagt umfaßten, wird der Lohn, den die Befragten empfingen, angegeben. worden sein, daß Mangel an Arbeitskräften sei, denn im Komitee Von den 52 Mädchen, die hierüber berichteten, erhielten dorf Genosse Diehl 2 Monate Gefängniß. einen Monatslohn von unter 20 m.( eine erhielt von St. Georg- Nordertheil erschien der Kommissar vom 35 Exekutivkomitee, Herr Isaacsohn( Ein eifriges Vorstands 8 M., 7 erhielten 12 M.), 17 einen solchen von 20 m. mitglied des reattionär- liberalen Reichstags- Wahlvereins in und darüber, worunter zwei, die 30 m. erhielten. 12. Altenburg . Der Redakteur des„ Wähler" für Altenburg , Hamburg . Anmerk. der Red. des Vorwärts".) voll sittlicher Von diesen 60 Dienstmädchen machten 10 teine oder ungenügende Genosse Rappler, wegen Beleidigung eines Baudirektors, Entrüstung und verlangte, daß die Unterſtüßungen eingeschränkt Angaben über gewerbsmäßig betriebene Privat- StellenverGenosse Rappler, wegen Beleidigung eines Baudirektors, würden, da die Arbeitslosigkeit bei Weitem nicht groß, im Gegen- mittelungs- Bureaus, so daß also 50 brauchbare Auskünfte übrig 6 Wochen Gefängniß. Liebenwalde . Von der Anklage des Hausfriedensbruchs theil, Arbeit genug vorhanden sei, jedoch keine Arbeiter zu be blieben. Dieselben beziehen sich auf 28 Frankfurter StellenverGenosse Schröder freigesprochen. Es handelte sich uni kommen wären. Im Augenblick konnte Unterzeichneter auf die mittelungs- Bureaus, also auf mehr als die Hälfte derjenigen, die eine widerrechtliche Ausweisung aus dem Wahllokal bei Ausführungen des Herrn Jsaadsohn nicht eingehen, da die Ge- im Abresbuch als solche angegeben sind( 50). der Reichstagswahl. Schröder erhielt auch Reise- und dem Herrn, stellte denselben zur Rede und verlangte als Romitee- Serrschaften in dem Vermiethungskomtor zahlen müssen, legenheit fehlte. Am nächsten Morgen jedoch ging ich sofort zu Ueber die Gebühren und das Einschreibegeld, welches die Versäumnißkosten erstattet. 14. Halle. Die gegen die Genossen Jähnig zc. erkannten mitglied Auskunft, wo die großen Arbeitsgelegenheiten wären. tonnten die Mädchen naturgemäß sehr wenig Auskunft ertheilen. Strafen in Höhe von drei Wochen, 14 Tagen und zwei- Herr Isaacksohn erklärte, daß Herr Hansen von der Firma Das Einschreibegeld beträgt in der Regel 30-50 Pfennige. In mal je 8 Tage werden rechtskräftig. Die gegen das Urtheil Hansen u. Studt größere Erdarbeiten bei der Grünen Brücke 43 Fällen wurde von der Herrschaft an Vermittelungsgebühren vornehmen ließe und dieser sowohl, wie der Pottmeister vom bezahlt: 1 m. bis 16 M., in der Hauptsache 3 M. und mehr. eingelegte Revision wurde verworfen. 15. Planen. Zwei Genossen, die wegen Verbreitens von städtischen Kanalbau in der Billstraße keine Arbeiter bekommen Bei den Vermittelungsanstalten der gemeinnüßigen Vereine tönnten. Um mich von der Wahrheit zu überzeugen, ging brauchen die Herrschaften nur 2-3 M. zu bezahlen. Was das Flugblättern während der Dauer des Gottesdienstes von zur bezeichneten Arbeitsstelle. dem Schöffengericht in Pausa in eine Geldstrafe von je ich sofort Ich nahm Einschreibegeld der Dienstboten anlangt, fo lagen mit den die Aussicht führenden Beamten Rücksprache darüber 32 Angaben vor, aus welchen zu ersehen, daß 25 Pf. bis 3 M. genommen waren, wurden in der Berufungsinstanz und sah, daß der eine mit zwei bis drei 1 M., in den meisten Fällen 50 Pf. und darüber bezahlt werden freigesprochen. Erfurt . Gleicherweise wurde Genosse Hülle von der Mann arbeitete und das war der Pottmeister des Herrn muß. Selbst die gemeinnützigen Anstalten zum Wohle der Hansen, der die großen Arbeiten" verrichten ließ. Beide Pott dienenden Klasse" lassen sich von 20 bis 50 Pf. von den Anflage, groben Unfug verübt zu haben, freigesprochen. 18. Halle. Genosse Krüger, Redakteur des„ Boltsblattes", meisier erklärten mir, daß Angebote von Arbeitern Mädchen zahlen; nur eine„ Das Marthahaus" erhebt nichts. wegen Beleidigung des Bürgermeisters in Echfenditz 30 m. übergenug vorhanden wären, leider aber aus Die Vermittlungsgebühren, welche Dienstboten bei den Bureaus Bochum . Von der Anklage des Widerstandes gegen die angel an Arbeit nicht berücksichtigt werden zahlen müssen, sind freilich noch viel höher und werden in 65 VerStaatsgewalt wurde Genosse Landwehr freigesprochen, tönnten. Trotzdem dies sofort im" Hamburger Echo" flar mittlungsfällen angegeben. Es mußten nämlich gezahlt werden: und Genosse Hate wegen desselben Delifts zu 2 Monaten gestellt und die Umwahrheit der erwähnten Behauptung in zahl in 2 Fällen 1,50 M., in 19 Fällen 2 M., in 2 Fällen 2,50 M., reichen Versammlungen festgenagelt wurde, scheint das Märchen, in 26 Fällen 3 M., in 3 Fällen 4 M., in 8 Fällen 5 M., in Gefängniß verurtheilt. Ebendaselbst wurde Genosse König von der Anklage, daß der Arbeiter nicht arbeiten wolle und sich lieber unterstützen 2 Fällen 6 M., in 1 Fall 8 M. und in 3 Fällen 10 M., also groben Unfug verübt zu haben, freigesprochen. Derselbe laffe, immer weiter verbreitet zu sein, und zwar mit solchem Erin 42 von 65 Fällen nicht weniger als 3 M. und mehr. Manchhatte in einer Versammlung ein Hoch auf die internationale folge, daß es bis zu dem Herrn Minister von Bötticher ge- mal wird auch noch Fahrgeld erwähnt, was der Stellenvermitt langen konnte, der mit einer selchen Unwahrheit, die er natür- lerin für Bemühungen vergütet werden mußte. 20. Leipzig . Das Landgericht bestätigte das auf 2 Monate lich für wahr hält, nun auftritt und von höchster Stelle aus erDie gemeinnütigen Anstalten nehmen weit geringere Beträge Gefängniß lautende Urtheil gegen den Genossen Diehl lärt: es giebt feinen Nothſtand. Hier in Hamburg waren von den Mädchen: das Heimathhaus 1 M., der Verein zum Die Strafthat beſteht in einer Beleidigung des Grafen bis jetzt noch für alle Arbeiten mehr Arbeiter als nöthig vor: Wohl der dienenden Klasse höchstens 3 M. bei hohem Lohn, das Carl Bröck in. Marthahaus verlangt gar feine bestimmte Gebühr.- Dienstboten und städtische Arbeits Vermittelung. Nun kommt noch hinzu, daß die Mädchen da und dort auch Zwischen den sogenannten Arbeitgeber( richtiger: Käufer noch Logis bei der Stellenvermittlerin nehmen müssen. Ans der Arbeitskraft) und den Besitzer und Verkäufer der Arbeitskraft, dem vorliegenden Material lassen sich 11 Fälle feststellen, in den Arbeitnehmer, haben sich eine Unmenge jener Para- denen Dienstboten bei Vermittlern logirten. Das Nachte 21. Kiel. Wegen Beleidigung durch die Presse war Genosse siten eingeschoben, deren lichtscheues Treiben an dieser Stelle lager, bei welchem meist zwei Mädchen in einem Bett schlafen Ströbel von dem Schöffengericht zu einem Monat schon des Desteren einer absprechenden Kritik unterzogen wurde.( das Bett war stellenweise nicht einmal überzogen), oder bei dem Gefängniß verurtheilt. Die Berufungsinstanz erkannte Am stärksten sind diese Stellenvermittler, Kommissionäre, Agenten ein Sopha das Bett vertreten muß, fostet zwischen 30 und 50 Pf. auf 100 m. in jenen Berufen vertreten, deren Angehörige entweder noch gar mit Frühstück, oder 1 M. mit Frühstück und Mittag, Mittag Reichenbach. Ein Genosse wegen Beleidigung eines feine, oder doch nur eine schwache Organisation besigen. Die allein 60 Pfg., mit Abendbrot 70 Pfg., sodaß bei ganzer Rost Polizeibeamten 20 M. fortgeschrittenen Elemente der Arbeiterschaft, die eigentlichen auch hier meist diejenigen Beträge überschritten werden dürften, 28. Raffel. Genosse Huhn war von dem Schöffengericht Industrie- Arbeiter, haben wohl meist, je nach der Ausdehnung welche die gemeinnüßigen Anstalten für die gleichen Leistungen wegen Verübung groben Unfugs, Boykottverhängung, zu ihrer Macht, einen mehr oder weniger gut funktionirenden nehmen.( 80 Pig., 1 M., 1,50 M.) 14 Tagen Gefängniß verurtheilt. Das Landgericht erkannte Arbeitsnachweis; auch haben hier oftmals die Fabri Diesen Untersuchungen, die, obgleich sie auf Vollständigkeit auf eine Geldstrafe von 100 M. fanten einen eigenen Nachweis errichtet. In solchen keineswegs Anspruch erheben können, doch geeignet sind, ein Insgesammt wurde erkannt auf 1083 m. Geld und Fällen bilden dann die beiderseitigen Arbeitsnachweise grelles Schlaglicht auf das gewerbsmäßige Stellenvermittelungs22 Monate 2 Tage Gefängnisstrafe. gewissermaßen das Kampfesobjekt zwischen beiden Organisationen. wesen zu werfen, ist dann noch ein Ueberblick über die Inserate, Unter viel schlimmeren Umständen vollzieht sich die Vermittelung soweit sie die Vermittelung betreffen, beigefügt. Aus diesem ist
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Sozialdemokratie ausgebracht.
Könnerit.
Magdeburg . Genosse Rosenberger wegen Verübung groben Unfugs 100 m. Es handelte sich um Verbreitung von Flugblättern, die eine Boykotterklärung enthielten.
handen.
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" Ja, natürlich!" erwiderte der Polizeidirektor, während sich
Wie John Neve verhaftet wurde. sein Geficht einen Augenblick erhellte. Plöglich verfinfierten fich
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IV.
Polizeikommissar Möhlig erzählt weiter:
Reuß tam zu uns zurück, worauf ich den Dornerer*) nach dem Kaffeehaus schickte, um dem Gespräche zwischen Beutert und Neve zuzuhören. Er setzte sich an den nächsten Tisch und hörte jedes Wort.( Also sah Peukert den Dornerer abermals in unmittelbarer Nähe, ohne Neve zu warnen!) Ich observirte inzwischen das Kaffeehaus, und als Neve es verließ, folgte ich ihm mit Dornerer, der das Lokal sogleich hinter Neve verlassen hatte. Sobald letzterer auf der Straße war, begann er im Laufschritt nach Hause zu rennen, von uns so diskret gefolgt, als die Umstände erlaubten. Wir sahen ihn ein Haus in der Nue du Pont d'Avroi Nr. 96 betreten, und bezogen unsererseits in der Nähe einen Observations posten. Nach einer guten Weile verließen mehrere Personen, darunter ein Frauenzimmer, das Haus, begleitet von Neve, der noch ein paar Minuten mit ihnen plauderte und ihnen dann Gute Nacht" wünschte.
Und so gewissenhaft berichtete Herr Möhlig, daß er, wie eines wichtigen Faktums, sogar des Umstandes erwähnte, daß Neve, bevor er wieder sein Haus betrat, ein paar Augenblicke gegen eine Wand stand und
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Es war im ganzen Haus nur ein Fenster erleuchtet," fuhr der Berichterstatter fort. Eine Viertelstunde nachdem sich Neve zurückgezogen hatte, wurde es plöglich ausgelöscht und alles war finster.( Es war nach 1 Uhr Nachts.) Kein Zweifel, das Fenster war Neve's Fenster, und wir hatten seinen Aufenthalt eutdeckt."
Herr Möhlig schwieg. Da zog, nach einer Pause von einigen Sekunden, Herr Krüger einen Briefumschlag aus der Tasche, entnahm demselben einige 4 oder 5 gänzlich verschieden aussehende Photographien, und rangirte dieselben auf meinem Schreibtisch. Welcher ist der Neve von heute?" fragte er. Unverzüglich deutete Herr Möhlig auf eines der Bilder. „ Der ist's.
Die Photographien waren sämmtlich Neve's. „ Und jetzt sind wir sehr müde," fuhr Hr. Möhlig fort, besonders der arme Dornerer Die scheußliche Nacht mit ihrem eifigen Wind.... Er liegt jetzt im Hotel und schläft, er hat einen Ruhetag verdient....
gemeint.
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Herr M. fagte:„ Den D."( oder T.). Offenbar Dornerer
feine Büge; es fiel ihm wohl ein, daß Neve's Haus unbewacht stand, während Hr. Möhlig hier saß, Dornerer aber im Hotel schlief. Und mit einem strengen Zug um den Mund fragte er: ,, Sind Sie aber auch sicher, daß uns Neve nicht mehr aus kommt?" Ganz sicher," antwortete der Aachener Kommissär. " Daß wir ihn haben?"
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,, Natürlich haben wir ihn!"
Herr Krüger lehnte sich in seinem Fauteuil zurück und durchdrang den Sprecher der letzten Worte mit den Augen. Als er aber fab, daß das Gesicht desselben in diesem Augenblick nur Zuversicht und Gewißheit ausdrückte, erhellten sich seine Züge wieder, und in der gedehnten Weise, die ihm eigen ist, sprach er die merkwürdigen Worte:
Wir müssen ihn haben, verstehen Sie wohl? Wir müssen, foste es, was es wolle! Von oben will man ihn haben, von hoch oben. Wenn wir ihn nicht friegen, können wir uns auf eine derbe Nase von höchster Stelle(!) gejaßt machen." Herr Möhlig riß die Augen bei diesen Worten groß auf Ein Ausdruck höchsten Erstaunens überzog sein Gesicht." Oh," sagte er dann, oh wir haben ihn jetzt. Man muß eine ständige leberwachung etabliren, und bei der ersten Gelegen heit nehmen wir ihn fest."
" Jawohl", fuhr der Polizeidirektor fort, jawohl. Und wenn wir ihn haben, fest und sicher, dann kommt er uns nicht mehr aus: Diesmal geht's ihm an den Kragen." Herr Möhlig riß die Augen noch weiter auf, und ich dazu. Denn die letzten Worte waren mit solcher Ueberzeugung und dezidirter Stimme gesprochen, daß an ihrer buchstäblichen Bedeutung fein Zweisel mehr bestehen fonnte. Herr Krüger blickte abwechselnd auf seine beiden Zuhörer, sichtbar amüjirt durch die Wirkung seiner Worte.
„ Ja... aber was hat er denn eigentlich angestellt?" riskirte endlich Herr Möhlig die Frage.
Da erhob sich Herr Krüger von seinem Siße und spielte seinen letzten Trumpf aus. Mit einem furzen kaum hörbaren Lachen erwiderte er dem Frager:" Das ist meine Sache". Dann verabschiedete er sich von mir, nachdem er mir versprochen hatte, mich am folgenden Tage wieder zu besuchen, und ging, begleitet von Herrn Möhlig.
Soweit der Augen- und Ohrenzeuge Trautner.
Der Streich war also gelungen. Am 2. Januar 1887 war Neve's Aufenthaltsort der deutschen Polizei verrathen worden und schon am 21. Februar befand sich Neve in den Händen der deutschen Polizei. An diesem Tage wurde Neve und mit ihm sein Freund Groß beim Verlassen des Restaurants Phénix in Lüttich auf offener Straße verhaftet und auf Weifung des obersten Polizeichess Gautier in Brüssel im Gefängniß St. Leonard untergebracht. Die belgische Polizei hatte es mit ihrem Judasdienst sehr eilig; unter Beiseitesetzung aller sonst üblichen Formalitäten und im offenen Widerspruch mit der bisberigen Praxis, die den Vagabunden"- denn als solche wurden Neve und Groß verhaftet bei der Ausweisung die Wahl der Grenze freistellt, wurden Neve und Groß schon am folgenden Tag als lästige Vagabunden" per Schub an die deutsche Grenze nach Herbesthal gebracht, wo selbstverständlich die Polizei ihrer harrte. Groß mußte später als naturalisirter Belgier auf Reklamation seiner Regierung wieder freigegeben werden, Neve aber wurde am 10. Oftober 1887 vom Reichsgerichte wegen hochverrätherischer Unternehmungen( Verbreitung Der Freiheit"," Autonomie" und des„ Rebell" und Versendung von Explosivstoffen) zu 15 Jahren Zuchthaus verurtheilt.
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Eechs Tage nach Schluß der geheimen Gerichtsverhandlung, die von manchen ihm bisher räthselhaften Vorgängen und Be ziehungen den Schleier gezogen haben mag, schreibt Neve aus dem Zuchthaus in Halle in einem Briefe, worin er über seine in Belgien und London noch lagernden Habseligkeiten Verfügung trifft, u. a. folgendes:
Als Wme. Arch. mich in Lüttich besuchte, sagte sie mir, daß man der Künstler truppe, die für wohlthätige Zwecke so viel geleistet hat, eine öffentliche dankbare Anerkennung veranstalten wolle. Ist dies noch nicht ge= fchehen, so thut dasselbe auch in meinem Namen, da speziell der Dirigent, den ich, wie Du weißt, persön= lich tenne, es zehufach verdient hat." Wir begehen teine Judiskretion, wenn wir diese anscheinend unverfänglich lautende Stelle in ihren beabsichtigten Sinn übersehen. Dieser Brief ist durch die Hände der Zuchthausdirektion gegangen und trägt das Visum des Buchthauszensors; er wurde auch in der von Club Autonomie" inszenirten Untersuchungskomödie als Belastungsmaterial gegen Neuß und Peutert vorgelegt, aber die einzige Folge war: Das Neve von dieser Stunde an jeder feruere Briefwechsel mit dem Adreffaten verboten wurde.