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deutsches Reich. Schießende hintzegarüiften. In Braunschweig streiken seit dem 1. April etwas über hundert Kutscher, Güterbegleiter und andere Arbeiter der Speditionsfirma Louis F r i ck e. Die Firma hat von Essen a. R. mehrere Transporte Hintzegardisten erhalten, die alle mit Revolvern und dicken Knüppeln ausgerüstet sind. Am letzten Sonntag übte sich die Garde auf dem Frickeschen Platze lebhaft im Revolverschießen, ohne dafi die Polizei dagegen einschritt. Aus den angrenzenden Wohnungen liefen leb- hafte Klagen über die gefährliche Schiesierei ein. Doch die Streik- brecher suchen ihre Revolver auch prallisch in Anwendung zubringen. Schon am Montag schoß ein Streikbrecher auf belebter Straße au andere Wagenführer, als er von diesen nur angeredet wurde. Er flüchtete darauf und wurde auf Veranlassung der Streikleitung fest- genommen. Schon nach zwei Stunden konnte man den Mann jedoch wieder auf der Straße sehen. Am Mittwochabend kam eS jedoch zu einer ganz gefährlichen Schießerei. Als ein Mann kein Strei- kender an einem Fuhrwerk vorbeiging, das von einem Streik- brecher geführt wurde, sprang dieser plötzlich vom Wagen und schoß ohne weiteres auf den Mann, angeblich, weil er nach dem Pferde gelvorfen haben soll. Auf den Schuß stürzten sofort etwa zwanzig mit Revolvern bewaffnete Streikbrecher aus dem Frickeschen Grundstück hervor und gaben an die vierzig scharfe R e v o l v e r s ch ü ss e auf die Straßenpassanten ab. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Die Garde scheint auch der Meinung zu sein: Wir Streikrecher können einen totschlagen, uns passiert doch nichts. Die Klempner- und Jnstallatcurgchilfen in Braunschwcig sind, 120 Mann stark, ausständig. Die Unternehmer haben seit dem 2. Februar die.Kündigung des Tarifvertrages zum 1. April in Händen. Sie haben aber noch nicht Zeit gehabt, sich mit den Ge- Hilfen zu einigen, die einen Stundenlohn von öö Pf. für vollwertige, von SO Pf. für Junggesellen und einen Lohnausschlag von 3 Pf. auf die bestehenden Löhne für das Jahr 1914 und von 2 Pf. für 1915 fordern. Die Innung lehnt den Verband als Vertrags- kontrahenteit ab und will nur 2 Pf. für 1914 und 1 Pf. für 1915 bewilligen. Außerdem will sie den Zuschlag für Sonntagsarbeit herabmindern._ Busland. Ein holländischer Protest gegen die Ausweisung siid- afrikanischer Arbeiterführer. Seit einigen Tagen hält sich der Genosse Hessel P o u t S m a, einer der von der Burenregierung aus Südafrika ausgewiesenen Arbeiterführer, in Holland auf, um in einer Reihe von Versamm- lungen die den Buren stammverwandte holländische Bevölkerung gegen die Brutalität der Burenregierung aufzurufen. In einer Be- sprechung, die PoutSma mit Redakteuren unseres Amsterdamer Parteiblattes hatte, sprach er die Erwartung aus. daß bei den Wahlen für das südafrikanische Parlament, die spätestens im Früh- jähr 1915 stattzufinden haben, der jetzigen Regierung Botha-SmuiS gewaltig aufs Haupt geschlagen werde. Die Siege der Arbeiter- Partei bei den letzten Provinzialwahlen in Transvaal seien dafür eine Gewähr. Er fPoutsma) werde persönlich dem Minister Smuts im Wahlkreise Pretoria -West gcgenübertreten, und er sei sicher, daß er ihn verdrängen werde. Diese Aussicht sei wohl auch der Grund, weshalb Smuts ihn habe ausweisen lassen, er fürchte ihn als poli- tischen Gegner. Die gewaltige Erregung der englischen Arbeiter habe ihren Eindruck bei der Regierung Südafrikas auch nicht ver» fehlt, und die Protestaktion iip stammverwandten Holland werde sicher auch in dieser Richtung wirken. Poutsma empfindet seine AuS- Weisung durch die Burenregierung auch um deswillen als besonders gemein, als er im Kriege gegen die Engländer den Buren große Dienste erwiesen habe, wie die Generale Herzog und De Wet ihm wiederholt mit bewegten Worten brieflich bezeugt hätten. Er glaube, daß die Abhängigkeit vom Minenkapital die Bnrenregierung auf den Weg dieser niedrigen Kampsesweise gebracht habe. * Am Karfreitag fand in Amsterdam ein von 3000 Per- sonen besuchtes Meeting statt, das sich mit der füd- afrikanischen Reaktion beschäftigte. Für die holländischen Gewerkschaften sprach Henri Polak , für die sozialdemokratische Partei BandergoeS, und als Vertreter der Generalkommission der deutschen Gewerkschaften war Adolf Cohen erschienen, der in seiner Ansprache eine Parallele zwischen der preußischen Reaktion und der englischen Freiheit zog, einer Freiheit, die freilich jetzt in Südafrika auf das rufsische Niveau herabgesunken sei. Die Lehre müsse daraus gezogen werden, daß nur vom Sozialismus und der internationalen Organisation die Befreiung der Arbeiterklasse zu erwarten sei. Poutsma, der verbannte südafrikanische Arbeiterführer, schilderte in überaus fesselnder Weise das Erwachen der südasrtkanischen Arbeiter. Er sprach die Erwartung aus, daß bei fortdauerndem Prolest der freiung so, heilsames Versehen) und die Geretteten finden sich vor dem sich mystisch öffnenden und schließenden Tore wieder. Die Stimmung hält an. So endigte dieses höchst moralische Stück, das jeden jungen Mann vor chinesischen Abenteuern warnen sollte. Und die wirk- same Aufführung unterstützte diesen Eindruck. Da war die zier­liche chinesisch trippelnde und allerliebst zwitschernde O r s k a(als Rang Ping), da legte Meinhard die ganze Verschloflenheit und Verschlagenheit des Orientalen in Wus starre und doch bewegte Züge. Helene Fehdmer ließ uns die Angst der um ihren Sohn kämpfenden Mutter voll mitempfinden. In keinem Theater hätte dieses Kinostück besicr gespielt werden können. r. Notizen. Der eiserne Moloch' vor dem Staats- anwalt. Da in Berlin die Unsitllichkeitsschnüffler Triumphe über Reproduktionen künstlerischer Bildwerke und selbst über wächserne Schaupuppen feiern, wollen auch die Mucker im gemütlichen Sachsen eine Freude haben. Als Objekt haben sie sich den großen Lemonnier herausgesucht, der selbst in dem klerikalen Belgien eines Denkmals siir würdig gefunden worden ist. DasSächs. Volksblatt" in Zwickau hatte unlängst seinen Roman. Der eiserne Moloch" ab- gedruckt. FlugS waren nach Unrat schnüffelnde Nasen dabei, um die prächtige künstlerische Form zu zerstören und die kraffe sexuelle Materie herauszuschälen. Diese brachten sie dann dem Staats- anwalt. Bühnenchronik. Der bisherige Direktor der Neuen Freien Volksbühne, Licho, übernimmt am 1. September die Leitung des Dresdener Albert-Theaters. Karl Chun , Professor der Zoologie in Leipzig und als Tiefseeforscher auch in weiteren Kreisen bekannt, ist in Leipzig im 62. Lebensjahre gestorben. Chun hat die erste deutsche Tiefsee- cxpedition geleitet, die 1898 und 1899 auf der.Valdivia" unter- nommen wurde. Nachdem die große englische.Challenger"-Expedi- tion die Wichtigkeit solcher Expeditionen für die gesamten Natur» Wissenschaften erwiesen halte sHaeckel hat diesen Teil der Funde in seinem großen Radiolarienwerke behandelt), gelang es der.Valdivia". Expedition, besonders deren verbesserte Fangmethode, unser Wissen vom Leben deS Meeres, besonders des liefen, vielseitig zu bereichern. Chun selbst hat in einer wirklich populären und auch gut ge- schriebenen Darstellung<Aus den Tiefen des Weltmeers) darüber berichtet. Eine Reihe fachwissenschastlicher Arbeiten zeugen sür Chuns Bedeutung als Forscher. Der 11 Uhr-Theaterschluß. Jagow hatte der Neuen Freien Volksbühne bekanntgegeben, daß sie ihre Thealervorstellungen nicht über die um 11 Uhr eintretende allgemeine Polizeistunde au?- dehnen dürfe. Die Saalbesitzer protestieren nun gegen diese An- ordnmig, da sie geeignet sei. die privaten Theatervorstellungen zu beschneiden und dadurch in Mißkredit zu bringen. In diesem Sinne europäischen Arbeiter die Burenregierung einlenken und die Rückkehr der Verbannten gestatten werde. Uneinigkeit unter den italienischen Eisenbahner« organisationen. Rom , den 8. April 1911. sEig. Ber.) Heute, wo die Eisenbahner vielleicht am Vorabend eines Riesen- kampfeS stehen, tritt deutlich zutage, wie unheilvoll es ist, daß die seit langem angestrebte Einigung der Organisationen nicht zustande gekommen ist. Das Eisenbahnersyndikat ist mit den Zugeständnisicn der Regierung nicht zufrieden, während die Föderation der Eisen- bahner gewillt ist, sich vorläufig mit einer Abschlagszahlung an Zu- geständnissen zu begnügen. Es liegt auf der Hand, daß diese Un- einigkeit zwischen den beiden Organisationen, von denen das Syndikat über 50 000 und die Föderation gegen 30 000 Mitglieder zählt, die Kampfstellung des Personals in empfindlicher Weise schwächt. Wie soll die Regierung im Ernst einen Gegner fürchten, der im Bruder- zwist einen Teil seiner Kräfte verpufft? Heute greifen die beiden Organisationen einander in heftigster Weise an. Das Syndikat, das unter syndikalistischem Einfluß steht, will von Verhandlungen über- Haupt nichts wissen, während die Föderation bereits Unterhandlungen mit dem Arbeitsminister aufgenommen hat. wobei ihr ein sozia- listtscher und reformistischer Abgeordneter zur Seite standen. Die Gfterkonferenzen öer sozialistischen Parteien Großbritanniens . London , 9. April 1914. Die Parteitage derJndepcndent Labour Party"(I. L. P.) und derBritish Socialist Party"(B. S. P.) sind in diesem Jahre von ganz besonderem Interesse. Die I. L. P. wird zu Ostern in B r a d f o r d, der Stadt, in der vor 21 Jahren ihre Wiege stand, ihre Grotzjährigkeitskonferenz abhalten. Die B. S. P. hält ihren Parteitag zur gleichen Zeit in L o n d o n ab und wird sich hier mit der Frage der bevorstehenden sozialistischen Einigung befassen. Die Tagesordnungen der beiden Konferenzen haben vieles gemein, was ein neuer Beweis ist, daß die Spaltung im sozialistischen Lager nicht gerechtfertigt werden kann. In der Tagesordnung der I. L. P. steht an prominenter Stelle die Frage der Verstaatlichung von Grund und Boden. Die Haupt- sächliche Resolution zu diesem Punkt schlägt vor, ein Landsteuer zu erheben, deren Ertrag vom Staate zum Rückkauf des Landes ver- wendet werden soll. Zu einer den Rüstungswahnfinn verurteilen- den Resolution ist ein Amendement gestellt worden, in dem die parlamentarische Fraktion aufgefordert wird, ihren Einfluß im Parlament geltend zu machen, damit der Bau von Kriegsschiffen aus den Händen der privaten Firmen genommen und den Staats- werften übertragen wird. Eine Anzahl Resolutionen richten sich gegen die Politik der Arbeiterpartei, der die sieben Parlaments- Mitglieder der I. L. P. angehören. Ein Antrag protestiert da­gegen, daß die Parlamentarier Regierungsvorlagen ihre unbe- dingte Unterstützung zuteil werden lassen, was die Partei draußen im Lande schädige. Ein anderer fordert die Fraktion auf, gegen das Budget zu stimmen, wenn es der Arbeiterklasse nicht eine wesentliche Erleichterung in Gestalt einer Herabsetzung der Finanzzölle auf Lebensmittel bringe. Auch die sogenannte Brad- forder Taktik erscheint wieder auf der Tagesordnung. Der sie be- handelnde Antrag fordert die Abschaffung der Kabinettsherrschaft und die Erweiterung der Macht des Parlaments, und um dieses Ziel näher zu bringen, soll die Arbeiterpartei im Parlament alle Fragen ohne Rücksicht auf da? Schicksal des Kabinetts und ledig- lich nach ihrem sachlichen Werte behandeln. Zur Frage der sozia- listischen Einigung ist folgende Resolution gestellt worden:Diese Konferenz heißt die auf der in London im Dezember 1913 mit dem Internationalen Bureau abgehaltenen Konferenz gemachten Vor- schlüge in bezug auf die sozialistische Einigung gut und glaubt, daß eine derartige Einigung den Fortschritt der britischen soziali- stischen Bewegung fördern wird." Dazu ist ein Amendement ge- stellt worden, in dem die Verschmelzung aller sozialistischen Orga- nisationen verlangt wird. In dem Berichte, den die sieben Parlamentsmitglieder der I. L. P.(Clynes, Keir Hardie , Jowett, MacDonald, Parker, Richardson und Snowden) der Konferenz unterbreiten werden, heißt es, daß der Tätigkeit der I. L. P. im Parlament infolge der eigenartigen parlamentarischen Lage, die durch das Parlaments- gefetz und das Verlangen, die Homerule aus dem Wege zu schaffen, entstanden sei, Hindernisse in den Weg gestellt worden seien. Das Parlamentsgesetz, nach dem das Vetorecht der LordS in bezug auf ein Gesetz erst nach drei Sessionen überwunden werden kann, führe zu einer großen Zeitversck Wendung; die jetzige Lage könne dauernd nicht ertragen werden. Ein Passus, der als Entgegnung auf die Kritiker der Arbeiterparte: in den Reihen der I. L. P. auf- zufassen ist, lautet:Wir erkennen die Vorteile, die der Arbeiter- scbaft im allgemeinen durch ein derartiges Bündnis von Gewerk- schaftern und Sozialisten, wie wir es in der Arbeiterpartei haben, soll der Polizeipräsident um Aufhebung seiner Verfügung gebeten werden. sSelbstverständlich ist die polizeiliche Verfügung au« purer Menschenliebe erfolgt, um den Mitgliedern der Volksbühnen zum rechtzeitigen Schlaf zu verhelfen.) Parlifal in der Kirche. In Magdeburg wurde der 1. und 3. Akt des Parsikal in der St. JohanniSsirche als Konzen aufgeführt. DaS Mirakel" im Zirkus Busch. DaS Deutsche Theater wird VollmoellerS.Mirakel" mit der Musik von Humper- dinck vom 1. bis 4. Mai im ZirkuS Busch aufführen. Humo< und Satire* D i e Konkurrenz. Ein gewisser Herr Berliner Fiel den Russen.auf den Kopp. Als Spion verdächtig schien er. Also sagte man ihmStopp"! Stopp mal etwa? den Propeller, So acht Wochen au verflucht!- Auch in Deutschland geht's nicht schneller, Wenn man etwasuntersucht". Außerdem wird hier im Osten Demichen stets auf's Haupt gespuckt. Russenfreundschaft muß was kosten Und man weiß, was Bethmann schluckt/ Hierzu schwiegen mit dem Munde Dallwitz, Zedlitz, Heydebrand. Aber hört I Jetzt wird'ne Kunde Gänzlich andrer Art bekannt! Rußlands edle Junkersprossen Stimmen a» ein garstig Lied: Ihren deutschen Artgenosseu Neiden sie den Kornprofit. Denn sie sagen, grob und fachlich: Selber wuchern nur macht voll, Und sie setzen, kurz und sachlich, Ihrerseits nun einen Zoll. Wie gepiekt von'ner Tarantel Wird da Preußens Junker toll, Stemmt dienationale" Hantel Ein Protist jetzt- jeder Zoll! Knax. erwachsen, an; aber wir häbcn nie die Tatsache äußer Achk ge» lassen, daß wir als Sozialisten, wenn wir die Vorteile der Unter- stützung durch unsere gewerkschaftlichen Bundesgenossen erhalten wollen, einen Teil unserer unabhängigen Handlungsweise als Mit- glieder der I. L. P. opfern müssen. Beständig haben wir Fälle beraten, wo die Ansichten der Arbeiterpartei und der I. L. P., wie sie in den Resolutionen der Koiifcxcnzeu der beiden Oragnisatio- neu zum Ausdruck kommen, von einander abweichen oder mit- einander in Konflikt geraten, und die der Arbeiterpartei schuldigen Loyalität verpflichtet zur Preisgabe der Resolution der I. L. P. Diese Differenz führt manchmal wie bei dem Pluralwähler- und dem Versichcrungsgesetz zur Uneinigkeit unter uns selbst. Es ist eine schwierige Lage, die vielleicht dem jetzigen Stadium der EntWickelung einer parlamentarischen Arbeiterpartei innewohnt, aber es würde gut sein, wenn die Konferenz in der Sondersitzung, in der die parlamentarische Taktik beraten werden soll, dieser An- gelegenheit einige Aufmerksamkeit schenken werden." Auf der Londoner Konferenz der B. S. P. wird die Haupt- frage die von dem Internationalen Bureau eingeleitete soziali- stische Einigung sein. Die von der Einigungskonfcrenz im Dezem- ber des letzten Jahres angenommenen Vorschläge machen die Bildung eines aus den Vertretern der B. S. P., der I. L. P. und der Fabischen Gesellschaft bestehenden gemeinschaftlichen soziali- stischen Rats von dem Beitritt der B. S. P. zur Arbeiterpartei abhängig, der die beiden anderen Organisationen schon angehören. Um diesen Punkt wird der Kampf toben. Ter Vorstand schreibt in seinem Bericht:Nachdem wir die Vorschläge sehr sorgfältig erwogen hatten, empfahlen wir sie Ihnen in einem am 5. Februar herausgegebenen Manifest, das von einem Aufruf des Jnter- nationalen Sozialistischen Bureaus begleitet war, zur Annahme. Tie damit verbundenen Fragen find von so großer Wichtigkeit, daß wir es nur für recht erachteten, daß jedem Mitgliede der Partei Gelegenheit gegeben werde, seiner oder ihrer Meinung darüber Ausdruck zu verleihen. Wir haben deshalb Anstalten getroffen, daß die ganze Angelegenheit auf der Jahreskonferenz hinlänglich beraten wird, und daß die Partei nach der Konferenz durch ein Referendum der Mitglieder auf besonders anberaumten Mitglied- schaftsversammlungen die Entscheidung fällt." lieber die jetzige Lage der B. S. P. gibt der Vorstandsbericht an, daß sich im vergangenen Jahre die Zahl der Ortsgruppen ver- ringert habe. Teilweise sei dies auf Verschmelzung von Orts- gruppen zu größeren Organisationen zurückzuführen und teilweise daraus, daß die Partei Mitglieder verloren habe, die sich ihr bei ihrer Gründung(1911) begeistert anschlössen, ohne eine klare Auf- fassung und Praxis zu haben; diese letzteren, die sich in ihren Hoffnungen getäuscht sahen und nicht bereit waren, sich mit der beständigen Arbeit und den organisierten und disziplinierten An- strengungen, die der Aufbau einer sozialissischen Partei erfordert, abzufinden, seien schon nach einigen Monaten ausgeschieden. Er fährt dann fort:Man darf auch nicht vergessen, daß die Partei seit ihrer Bildung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten zu rechnen gehabt hat. Die beständig gute Geschäftslage und die kleine Erhöhung des Geldlohns, die in vielen Industrien zu ver- zeichnen ist, haben vielen Arbeitern ein Vorurteil gegen die orga- nisierte politische Aktion als die wichtigste Waffe eingeflößt, wäh- rend andere von dem betrügerischen Staatskollektivismus und der von der liberalen Partei eingeführten korrupten Bureaukratie irre- geführt worden sind. UeberdieS hat die B. S. P., obwohl sie eine revolutionäre Partei ist, gemeinschaftlich mit den sozialistischen politischen Parteien in der ganzen Welt in ihrem Wirken unter der Reaktion gegen den extremen Parlamentarismus gelitten. Tiefe Reaktion hat in diesem Lande einen Antrieb erhalten durch daS Versagen der parlamentarischen Arbeiterfraktion, und die Herab» Würdigung der politischen Aktion durch einige hervorragende Mit- glieder der B. S. P. zur Zeit ihrer Gründung hat in derselben Richtung gewirkt. Deshalb ist auch nicht bei Gemeinderatswahlen und in lokalen Angelegenheiten die Tätigkeit entfaltet worden, die zweifellos dazu beiträgt, die Ortsgruppen zu einem organisierten Ganzen zusammenzufügen, ihnen die Arbeit zu verrichten gibt und öffentliches Interesse an ihrer Arbeit erweckt." Heute jedoch, schreibt der Vorstand, steht die B. S. P. fester gefügt da als zu irgendeiner anderen Zeit in ihrer Geschichte. Soziales. Das gewissenlose Zechrnkapital. Auf der PhönixzecheHolstein" im Dortmunder Revier ivnr am 20. Oktober 1913 der Arbeiter Klapp auf gräßliche Art umS Leben gekommen. Er wurde von einer Grubenlokomotive an die Wand gedrückt und sein Kopf hierbei zu einer unkenntlichen Masse zerquetscht. Ter Unfall wäre nicht passiert, wenn die Lokomotive nicht ein falsches Gleis befahren hätte. Ein strafbares Verschulden lag also vor; eS mußte auch gesühnt werden. Tiefer Tage stand der schuldige Sünder vor der Strafkammer in Twrtmund. Es war ein Ik�jähriger Knabe, namens Johann Stork. Ter junge Mensch ist von der ZecheHolstein" als Lokomotivführer beschäftigt worden, und hat an dem fraglichen Tage die Unglücks- Maschine irrtümlich auf dem falschen Gleise laufen lassen. DaS Gericht nahm an, der Knabe hätte seinen Irrtum erkennen und die Maschine durch Abstellen dcS Dampfes zum Stehen bringen müssen. Er wurde der fahrlässigen Tötung schuldig befunden und zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt! Wer in Wirklichkeit aus die Anklagebank und ins Gefängnis gehörte, mag uns die Bergpolizeiverordnung für den LberbergamtS. bezirk Dortmund verraten. Tie sagt im Z 262; Jugendliche Arbeiter dürfen beim Rangieren und sonstigen Bewegen der Eisenbahnwagen nicht verwandt werden." Der§ 266 sagt im Absatz 2 über die Angestellten auf Zechen- bahnen: Die Stationsvorsteher, Bahnmeister. Lokomotivführer und Zugführer müssen mindestens 21 Jahre alt und mit einem Dienst- abzeichen versehen sein." Im Absatz 4 heißt eS: Die oben bezeichneten Personen müssen dem zuständigen Revierbeamten namhaft gemacht werden und nach dessen An- Weisung entweder ihm oder der Eisenbahnbehörde ihre Befähi- gung nachweisen." Alle diese Vorschriften sind von ber Zechenverwaltung übe» treten worden und zwar tn geradezu verbrecherischer Leichtfertig- feit. Denn man kann doch nicht annehmen, daß die Kgl. Berg- behörde eS gutgeheißen hat, daß ein 16jähriger Bursche als Loko» motivführer angestellt wurde. Hätte sie eS dennoch getan, dann gehörte auch sie und zwar als die Hauptschuldige auf die Anklagebank. Es wirft ohnedies schon ein recht sonderbares Licht auf unsere Bergaufsichtsbehörde, daß solche haarsträubenden Sachen vom Grubenkopital überhaupt riskiert werden! Was wird nun dessen Vertretern in diesem Falle geschehen; werden sie unter An- klage gestellt und verurteilt werden als die einzigen und wahren Urheber des gräßlichen Unfalles? Das ist kaum anzunehmen. Die Dortmunder Strafkammer hat die Schuld auf den jugendlichen Stork geladen, und dabei wird eS wohl bleiben. Unsere Richter erkennen im Namen deS König», daß ein jugendlicher Bergarbeiter unter 18 Jahren seinem Ber- bände nicht beitreten darf. Aber Lokomotivführer darf er schon mit 16 Jahren sein. Tie Grohkapitalisten werden sich die Hände reiben; beide Urteile sind für sie von großem Nutzen. Sie ver- hinoern den Bergarbeiierverband a» Maßregeln zum Schutze tat Jugend und liefern unsere Arbeiterjugend der unbeschränlten Mch» deutung in die Arme. Nationale Jugendsürsorget