Nr. 28.
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Vorwärts
11. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Sonnabend, den 3. Februar 1894.
Ein ,, dummer" Streich?„ revolutionäres" Wesen gezeigt hat wir meinen den
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Die Herren Unabhängigen und Anarchisten werfen der Sozialdemokratie bekanntlich vor, daß sie, sei es aus persön- Wohlgemerkt, wir behaupten nicht, daß die„ Unablicher Feigheit oder aus spießbürgerlicher Rechnungsträgerei, hängigen" und" Anarchisten" in Zürich den Zug gegen den Gebrauch revolutionärer Mittel verschmähe und die das Haus des italienischen Konsuls vorbereitet und in - das könnte für eine Denunziation Arbeiter vom Gebrauch solcher Mittel abhalte, wodurch der Szene gesetzt haben
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Sieg der Revolution verzögert werde. Es fällt uns nicht gelten, obgleich jene Herren ja ihrer eigenen Redeweise ein, dieſem tausendmal widerlegten Vorwurf die Ehre einer nach Feiglinge wären, wenn sie nicht bei der Sache mittausend und ersten Widerlegung zu theil werden zu lassen. gewirkt hätten. Indeß eins steht fest: jener Krawall war Unsere Leser wissen, daß er auf einer kindischen Ver- eine revolutionäre That" im Sinne der UnDeffentliche wechselung von Zweck und Mittel, Macht und Gewalt a bhängigen und Anarchisten. alles genau beruht. Wenn Mary die Gewalt als Geburtshelferin der Manifestation, Prügelei mit der Polizei politischen und sozialen Umgestaltung bezeichnet hat, so hat nach dem Rezept, das man uns" Feiglingen" so oft vor er damit nicht gesagt und nicht sagen können, die Augen gehalten hat.
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daß die Gewalt als solche ein revolutionärer Faktor Und wo ist die Revolution? Hat das Rezept fei. Wenn ich einen Reaktionär, der mit ge- fich bewährt?
schwungenen Säbel auf mich losstürmt, mit meinem Stocke zu Nun, die Revolution ist nicht da; und wie das Boden schlage, so ist mein Stock doch nicht revolutionär- ebenso Rezept sich bewährt hat, das lehrt uns ein Blick in die wenig wie der zur Bethätigung der Gewalt noch viel ge- schweizerische Presse.
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Der Weizen der Reaktion blüht, das schweizer Asylrecht ist auf lange Jahre hinaus vernichtet, und die revolutionäre Sache der Arbeit hat schwer in der öffentlichen Meinung gelitten.
eignetere Eäbel des reaktionären Gegners. War der Koch- Riesiger Jubel in den Zeitungen der Reaktio= topf Vaillant's etwa revolutionär? Wie furchtbar revo- äre! Und einstimmige Verurtheilung der" That" durch lutionär müßte da erst der preußische Kriegsminister sein, sämmtliche demokratischen und Arbeiter der über Millionen von Sprenggeschossen verfügt jebes blätter der Schweiz . hundertmal mörderischer als der Vaillant'sche Rochtopf. Und wäre es revolutionär, wenn wir in der Straße ein paar Dutzend Polizisten zu Boden schlügen, um uns zehn Minuten später von herzueilenden Polizisten und Soldaten niederhauen und niederschießen zu lassen? Das wäre nicht revolutionär, es wäre verrückt und machte niemandem Spaß als unseren Feinden, die sich ins Fäustchen lachen würden.
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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Aber diejenigen, die als Wortführer die Konsequenzen ihrer Reden und Anträge mehr oder minder zu bedenken verpflichtet waren, hätten sich sagen müssen: 1. eine solche Demonstration bringt uns nothwendig mit der öffentlichen Gewalt in Konflikt, weil die Schweiz völkerrechtlich verpflichtet ist, die Vertreter der ausländischen Regierungen vor jeder Unbill zu schützen; 2. sie ist eine Thorheit, weil den italienischen Konsul in Zürich doch keinerlei Verantwort lichkeit treffen kann für die Zustände in Italien ; 8. fie ist ein bewußter oder unbewußter Verrath an der Sache des arbeitenden Wolfes, weil sie eine schändliche Institution der politischen Polizei und überhaupt aller reaktionären Be strebungen stärkt. Eine Revolte hungernder und unwissender Arbeiter, wie es der Berner Krawall war, hat, so wenig wir ihn vom Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit aus gutheißen tönnen, unsere volle menschliche Sympathie; für solche Demonstrationen aber, wie die vom letzten Sonntag in Zürich , mangelt sie uns, wenn auch selbstredend die Polizeibüffelei unseren scharfen Zadel herausfordert. Doch den Kultus der revotutionären Phrasen und der zwedlosen Demonstrationen dürfte nach gerade jeder in die Rumpeltammer werfen, dem es wirklich um die Förderung der Arbeitersache zu thun ist, und nicht um die Stärkung der internationalen, polizeiSpigelnden Reaktion.
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Unser Schweizer Korrespondent schreibt uns über den Züricher Krawall":
Sehr richtig und sehr mild geurtheilt." Dummer Streich", gewiß richtig von den„ Dummen ", die gedankenlos mitgelaufen sind und nur an eine„ Dummheit" gedacht haben. Allein, sollten denn Alle dumm" gewesen sein? Das ist uns doch unwahrscheinlich. Und waren GeEinige„ Unabhängige" spielen natürlich die harmlosen scheidte dabei, die sich die Folgen überlegt haben, Lämmer, und schieben alle Schuld auf die Polizei, die freilich dann haben sie feinen dummen Streich gemacht, sondern wohl nicht mit Sammetpfötchen zugegriffen hat was einen gescheidten, einen sehr gescheidten Streich übrigens beiläufig bemerkt für die anarchistischen Bramarbasse für die internationale Reaktion. Ja, wenn wir mit Gewalt" die Revolution machen" sehr wenig schmeichelhaft gewesen wäre. In Baseler könnten! Aber das geht eben nicht; nur ein Simpel oder Vorwärts" geht unser Freund Wullschleger mit diesen ganz Unwissender glaubt es noch. Und jeder Ver- unabhängigen" Polizeiheulern scharf ins Gericht. Er such der sogenannten" Anarchisten" oder" Unab- schreibt: hängigen", durch Propaganda der That" die Revolution" zu machen", hat je nach den Umständen zu lächerlichem oder blutigem- in jedem Fall gleichgründlichen Fiasko geführt, so daß die revolutionären Arbeiter aller Länder von dem Trugschein des Anarchismus, der nichts ist als ein vom Sumpf der Bourgeois- Gesellschaft ausgehauchtes Jerlicht, sich längst abgewandt haben. Nur hier und da rumort der anarchistische Poltergeist noch, und finden sich Gruppen von rückständigen Leuten, wie z. B. unsere Unabhängigen", die noch an das alte Gespenst glauben, oder wenigstens zu glauben vorgeben. Was wir von diesen Unabhängigen" und verwandten unsicheren Kantonisten halten, das haben wir schon so oft gesagt, daß eine Wiederholung vom Uebel wäre. Wir wollen auch nicht wiederholen, was wir über die neuesten Thaten" des Anarchismus" gesagt. Wir
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Feuilleton.
Nachdruck verboten.]
Helene.
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( Alle Rechte vorbehalten [ 33
Roman in zwei Bänden von Minna Kautsky . Konrad war der Nothwendigkeit enthoben, darauf zu antworten. Minister Lermina und Vizesekretär Dr. Mende tamen mit dem Hausherrn die Terrasse herauf.
Exzellenz wollte dem franken Bruder seines Gastgebers einen kurzen Besuch machen.
Als ihm Konrad vorgestellt wurde, schoben sich seine Brauen ein wenig in die Höhe, als wüßte er, wer das sei, dann grüßte er talt und höflich.
Wir glauben auch, daß bei taktvollem, besonnenem Auftreten der Polizei die Demonstration einen wesentlich fried licheren Verlauf genommen hätte. In dieser Beziehung gab die St. Galler Polizei beim Militärmusik- Krawall ein gutes Beispiel. An Taft hat es leider die Polizei in Zürich bei solchen Anlässen man denke nur an den Schlosserstreit bis jetzt fast immer fehlen lassen.
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Die schweizerischen Behörden haben Glück. Mit Ausnahme der in Chaux- de- Fonds zu je 4 Monaten Gefängniß und 1000 Franken Buße verurtheilten 5 Anarchisten wäre die jüngste Aktion der politischen Polizei resultatlos verlaufen, wenn nicht am Sonntag in Zürich der Italiener- Krawall, wie die bezüglichen Vorgänge geheißen werden, vorgekommen wäre. Der Vorwärts" hat darüber bereits telegraphisch berichtet, indeß ist der Vorgang Leider können, trotz der polizeilichen Tölpelhaftigkeit, die von den Agenturen start aufgebauscht worden. Wie ein im Manifestanten auch von unserem Standpunkte aus nicht von Hause des italienischen Konsulats wohnender Kaufmann der über jeder Schuld freigesprochen werden. Die Demonstration an den Vorfall wegen seiner polizeilichen Folgen sehr vergnügten sich war, daß wir's offen heraussagen, ein dummer Neuen Züricher 3tg." berichtet, zählte der Demonstrationszug Streich. Wir erheben wahrlich keine Vorwürfe gegen die nicht 500, sondern nur 60 Theilnehmer, ein Beweis dafür, daß den zirka armen italienischen Arbeiter, die in gerechter Entrüstung über von 300 Versammlungsbesuchern mit der Demonstration einverstanden die traurige Lage ihrer Brüder und Schwestern in der Heimath kleinerer Theil und die Schandwirthschaft der Crispi und Genossen durch ihr war. Ferner verhielt sich nach demselben Berichte südländisch- hiziges Temperament zu einer nußlosen Demon- die Gruppe vor dem Konsulat im ganzen recht harmlos stration sich hinreißen ließen. und zog dann zum Theil singend weiter. Erst nach einer Weile
" Gott sei Dank, die Papiere wären enorm gefunten." Und er wischte wieder über die Stirn, auf der die hellen Tropfen standen.
Lermina zuckte vornehm die Achseln.
Rußland besitzt fabelhafte Hilfsmittel und mit oder ohne Skobeleff wird es die Armee Osman Pascha's gefangen nehmen oder vernichten. In jedem Falle wird es seine Mission zu erfüllen wissen."
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Und die wäre?" fragte Mar.
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nur
ein
friede wäre damit bedroht es wäre ein schreckliches Unglück!" " Vielleicht das größte, das uns treffen könnte," versette Lermina mit Bestimmtheit. Das monarchische System, hat in Rußland noch immer eine feste Stüße, dort ist der Hort der Legitimität."
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" Leider steht es finanziell sehr schlecht," flagte Geb hart." Der Kredit wankt, ich versichere Sie, der Rubel Die geknechteten, christlichen Bulgaren von dem türkischen sinkt, und wenn die Russen Schläge bekommen, dann Joch zu befreien," antwortete der Minister. Dann wandte ist die Katastrophe da, Dann wandte ist die Katastrophe da, dann haben wir die UmIch bitte Sie... Das möchte ich nicht mehr er sich lächelnd an den jüngeren Gebhard: Das muß wohl wälzung... Ich bitte Sie. auch Ihre Sympathien verdienen?"
Meine Sympathien, Exzellenz?" fragte dieser erstaunt, Man tam sogleich auf den Krieg und die Vorgänge nicht im Geringsten, da ich an diese völkerbefreiende vor Plewna zu sprechen; es war das Thema, das Alle Mission Rußlands nicht glaube. Wie könnte ein interessirte. Die letzten Telegramme berichteten von despotischer Staat, der jede freiheitliche Regung bei seinem wiederholten und mörderischen Angriffen der Russen auf eigenen Volke so grausam unterdrückt, einem anderen die Griviza. Die braven Jungen sangen, als man sie gegen Freiheit bringen?" den Feind trieb," erzählte Max. Aber was nügen heutzutage Muth und Tapferkeit dem Soldaten! Bei unserer verbesserten Kriegstechnik werden sie reihenweise hingemäht, -16 000 Mann in zwei Attaquen daß es gerade auch Menschenleiber sein müssen! Man könnte ebenso gut auf Popanze schießen," fügte er bitter hinzu.
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Es wurde so schlimm, weil man General Skobeleff im Stiche gelaffen hatte," versetzte Lermina trocken, die erbetene Hilfe blieb aus."
Was es da unten will, ist Konstantinopel ," bemerkte Konrad, der bisher ruhig und scheinbar theilnahmslos beiseite gestanden, nun kurz und bestimmt.
Lermina's altes Gesicht ging in die Länge und als er sich nach dem Sprecher umwandte, sah er ungemein vornehm und abweisend aus.
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erleben."
Konrad lächelte. Sie sind ein robuster Mann, Herr Gebhart, ich denke, Sie werden noch lange darüber hinaus sich Ihres Lebens erfreuen."
Und Sie sind ein Spaßvogel, Herr Ebner; das heilige Rußland scheint Sie sehr heiter zu stimmen."
Und doch ist es ein gar melancholisches Land," seufzte Max, auf's Aeußerste ausgesogen, hat es jetzt die schweren Lasten dieses Krieges zu tragen, aber für die Soldaten, die Blut und Leben dahin geben, ist nicht ges sorgt."
" Ihre Verpflegung soll ganz unzureichend sein," sagte
Gebhart. Armeelieferungen, das kennt man ja, find immer schlecht, aber die für Bulgarien sollen unter der Kanone sein." Es fehlt auch an Aerzten, au Pflegerinnen, sogar an Verbandsmaterial," bemerkte Konrad in seiner ruhigen positiven Weise. Und nun geht ein Hilfeschrei durch das Land. Tausende und Abertausende von Verwundeten find ohne Obdach, ohne ärztliche Hilfe und Pflege und die Privathilfe muß angerufen werden, sollen sie nicht elend verderben."
Die hohe Politik der Kabinete entzieht sich der Diskussion, meine Herren; es giebt Dinge, die von Laien und Fernstehenden niemals richtig beurtheilt werden können." " Was ich in diesen Tagen gelitten habe, tönnen Sie Das ist die Geschichte vom beschränkten Unterthanensich nicht vorstellen, meine Herren," versicherte der wohl- verstand," bemerkte Konrad mit einem feinen Lächeln. beleibte Hausherr, indem er mit seinem Tuche die feuchte Exzellenz sah ihn starr an mit schier vernichtendem Stirne wischte, da er leicht transpirirte. Auf der Börse Blick. Aber ehe er noch etwas erwidern konnte, hatte war das Gerücht verbreitet, Stobeleff sei verwundet man sich die kleine tugelige Gestalt des Bankiers dazwischen geschoben. hat ihn sogar todt gesagt, denken sie nur." Aber ich bitte ich denke wir Alle können eine Niederlage Rußlands nicht wünschen der Völkers versezte Lermina.
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Es ist widerrufen worden," beruhigte Vizesekretär Mende.
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Diese Hilfe ist eine freiwillige und gern geleistete,"