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Nr. 31. Ho

Grscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel: jährita 3,50 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Ginzeine Nummer 5 fg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage, Neue Selt" 10 Pig. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter freuz­band: Deutschland   u. Defterreic Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Ginger:. in der Post- Zeitungs- Breisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die: fünfgespaltene Petitzeile oder deren, Raum 40 Bfg., für Vereins- und Versammlungs Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächite Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in Der Erpedition abgegeben werden. Die Ervebition ift an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Feittagen bis 9 1hr Vor­mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt I. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner  

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Der russische Handelsvertrag

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Mittwoch, den 7. Februar 1894.

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

und Bismarck   in Bewegung, um den Handelsvertrag und 10 Jahre abgeschlossen werden. Es ist selbstverständlich, Caprivi zum Scheitern zu bringen. Und wenn die konser- daß die Diskussion über diesen Vertrag alle anderen vative Partei all ihre Minen rücksichtslos springen läßt Fragen auf Wochen hinaus in den Hintergrund drängen und bis auf den letzten Mann gegen den Vertrag wird, war doch seit Monaten über die wichtigsten ist zum Abschluß gelangt und der kritische Moment" für stimmt, so ist dessen Verwerfung so gut wie sicher. Und sozialen Probleme, über die ungeheure Noth und die von Reichskanzler und Reichstag   steht nun unmittelbar bevor. die Verwerfung des russischen Handelsvertrags heißt Auf- Woche zu Woche steigende Arbeitslosigkeit nicht im ent­ferntesten so viel die Rede als über den deutsch   russischen Das Steuerbouquet mit sammt dem famosen lösung des Reichstags. Finanz- Automaten des Herrn Miquel ist fang- und lang einer Auflösung des Reichstags aussehen? Bird, kann die konservative Partei sich der Gefahr Handelsvertrag. Und dies ist begreiflich, handelt es sich los in die Leichenkammer der Begräbnißkommission geschafft doch bei diesem Vertrage um wichtige ökonomische Interessen Da giebt es keinen Zweifeln ein! der besitzenden Klassen. Diese ökonomischen Interessen worden, die uns die schöne aber ach so schnöde ver­Die Auflösung des Reichstags wäre die Vernichtung sind heute das treibende Moment für unsere innere und kannte! Leiche" aus Pietät noch einmal zeigen wird, um sie konservativen Reichstagsfraktion. Die konservative äußere Politik. Deutschland   ermäßigt den Schutzoll für dann endgiltig dem Auge der verblendeten und undankbaren Sterblichen zu entziehen. Dieser Stein des Anstoßes, von Partei ist weder in Preußen noch im übrigen Deutschland   landwirthschaftliche Produkte, wofür Rußland   seine Industrie­dem man dachte, daß er zu langen und heftigen Debatten, eine felbständige Macht mit Ausnahme einer Handvoll zölle ermäßigt. Der deutsch  - russische Handelsvertrag kann vielleicht zur Auflösung des Reichstages führen utopistischer Querköpfe, die nicht zählen, ist das, was sich dadurch, daß er die Interessensolidarität der industriellen ist in aller Gemüthsruhe aus werde, heut konservative Partei nennt Regierungspartei, und agrarischen Kapitalbesitzer sprengt und damit die größte dem Wege die von der Regierung abhängt, mit der Regierung stark, That, die Bismarck   für die besigenden Klassen geleistet hat, geräumt worden er ist besorgt und auf­daß er die eine reattionäre Masse der herrschenden Klassen gehoben" und macht Niemand mehr Kopfschmerzen, nicht gegen die Regierung absolut ohnmächtig ist. Das wissen die Herren Konservativen sehr wohl. Sie schuf, beseitigen. Solche Gegensäge werden bei dem hoch­einmal dem Herrn Miquel, der viel zu vernünftig ist, um denken auch nicht an einen Kampf gegen die Regierung. gesteigerten Klaffengegensaße zwischen deutscher Bourgeoisie nicht die Weisheit des Kindersprüchleins zu verstehen und was wir schon früher sagten: sie kämpfen um die und Proletariat und bei den Fortschritten unserer Partei

zu üben:

rerum

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Glücklich ist, wer vergißt,

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Regiernng.

Noch bis vor kurzem glaubten sie Caprivi isoliren und einen der Ihrigen an seine Stelle schieben zu können. Es scheint nicht gelungen zu sein.

in Stadt und Land die Haltung der besigenden Klassen gegenüber den Forderungen der Sozialdemokratie nicht um Haaresbreite ändern, fie können aber innerhalb der be­fizenden Klassen zu Aenderungen der politischen Macht­verhältnisse und damit der Parteien führen, vor allem können sie zersetzend auf die nationalliberale und freikonservative Partei wirken, in denen Schlot- und Grubenbarone neben Vertretern der agrarischen Jutereffen sizen. Für die Stellung Caprivi's ist der Erfolg oder Mißerfolg des Vertrags­abschlusses entscheidend, für unser politisches Verhältniß zu Rußland   und damit für die Erhaltung des Friedens ist es bedeutungsvoll. Aber nicht nur deswegen, sondern auch aus rein ökonomischem Interesse ist die Arbeiterklasse an dem neuen handelspolitischen Vertragsverhältniß mit Rußland  erheblich mit interessirt. Um die Bedeutung der Aende­rungen klar zu legen, ist es nothwendig, die wichtigsten Be­ftimmungen wiederzugeben. Dieselben sind in bezug auf unsere Ausfuhr nach dem Wolff'schen Telegraphen- Bureau

Was nicht mehr zu ändern ist. Bu ändern ist's nicht mehr und mit Ausnahme der Kardorff, Stumm und einiger anderen melancholisch­Entweder über den Stock oder über die Klinge! weltschmerzlichen Inwohner des reaktionären Wolkenkukuts heim zerbricht im ganzen Deutschen   Reichstag   kein Mensch so bezeichneten wir schon vor Wochen das Dilemma, in sich den Kopf und noch weniger das Herz um die unglück- welchem die Konservativen sind, wenn ihre Palast- und liche Militärvorlage, die so übereilt beschlossen worden, sonstigen Intriguen gegen Caprivi mißglücken. Sie werden über den Stock springen- so sicher daß man die Hauptsache vergaß: nämlich den nervus ein richtiger Schildbürgerstreich, der aber Caprivi bei der Abstimmung noch am Ruder ist, nichts Tragisches hat. Der Militarismus hat seine Saug- müssen wir als vorsichtige Leute hinzufügen, denn wir arme in den Einzelstaaten so gut wie im Reich; wenn leben nicht in Verhältnissen, die von heute auf morgen eine alles versagt, dann füllt er sich mit Matrikularbeiträgen feste Schlußfolgerung gestatten. Wir leben auf politischem sind die Zeiten etwa Gebiet in den Tag hinein, wie unsere kapitalistische Gesell­den nimmersatten Magen, und- vorbei, wo es hieß: wir nehmen das Geld wo wir es schaft auf ökonomischem Gebiet: wir leben in den Tag finden? Ist das System, das so sprach, nicht noch heute hinein, und von der Hand in den Mund. Wir wissen am Ruder? Also der Militarismus denkt vorläufig noch nicht, ob Herr von Caprivi in acht Tagen noch im nicht aus Sterben, und weder der Reichstag noch die Amt ist. Und er selber weiß es nicht diese Ungewißheit Reichsregierung denkt daran, die Deckungsfrage zu einer ist das Charaktermal der gegenwärtigen Lage- beschämend die folgenden: und entmuthigend für die Vertheidiger der herrschenden Kraftprobe und Kabinetsfrage zu machen. Nur eine Klippe bedroht noch das sonst auf ziemlich" Ordnung der Dinge", und für uns Sozialdemokraten geglätteter Fluth dahingleitende Reichstagsschifflein, und die schönste Bestätigung unserer Anschauungen und Hoff­das ist der russische Handelsvertrag, über den wir weiter unten Näheres mittheilen.

nungen.

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Für den Pud) in Rubeln 2) Gold³): Kartoffelmehl, Stärke, Dextrin, Gemüse bedeutend herabgefeht resp. zollfrei; Hopfen -3,50( 10,00); Saffian, Glaçé, Chevreau, Chagrin, Leder mit ein­gepreßten Mustern jeder Art, lacirtes, kleines- 12( 15); Bisamfelle 6,60( 18,00); Fuchsfelle- 12( 18); Lederhandschuhe- 2,55( 3 per

1) 1 Bud 16,38 Kilogramm.

2) 1 Rubel nach heutigem Kurse.

3) Die oben angeführten Zahlen, welche nicht eingeklammert

Eine Verwerfung des Handelsvertrags kann die Reichs- Schon heute Mittag, wohl damit die Börse ihre Speku­regierung nicht ruhig hinnehmen: ihre Stellung nach Junen lationen danach einrichten kann? veröffentlichte das und nach Außen 3 wingt sie gebieterisch, in diesem Falle Wolff'sche Telegraphenbureau die die deutsche Ausfuhr be­den Reichstag aufzulösen. Nun hat aber die konservative treffenden Hauptbestimmungen des deutsch  - russischen Handels- find, bedeuten den neu vereinbarten Zollfab, diejenigen in der Partei dem russischen Handelsvertrag Krieg auf Leben und vertrages, und erst am Abend erschien im Reichs- Anzeiger" Klammer den Zollfaz des allgemeinen russischen Bolltarifes Tod angekündigt. Seit Monaten setzt sie Himmel, Hölle der offizielle Text derselben. Der Vertrag soll für von 1891.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Helene.

"

Rußland   war genöthigt, immer neue Verstärkungen heran- Es war gelungen, Deman Pascha die Zufuhr abzu­zuziehen, da es aber keine strategisch angelegten Bahnen schneiden, und seine Verbindung mit dem Balkan   war unter­[ Alle Rechte vorbehalten besaß und die Verkehrsverhältnisse Bulgariens   die elemen- brochen. tarften waren, langten sie stets verspätet an. So konnten sie nur nach und nach in die Aktion treten. Sie vermochten keinen entscheidenden Streich zu führen und mußten sich begnügen, die Gegner zu ermüden.

Roman in zwei Bänden von Minna Kautsky  . Zweiter Band. I.

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Schon waren in Bulgarien   mehr als zwanzig blutige Echlachten geschlagen worden.

Aber Rußland   hat viele Kinder, und es schien nicht, als ob es die Absicht hätte, dieselben zu schonen.

Auf dem Kriegsschauplatze aber wuchs die Verwirrung von Tag zu Tag, und steigerte sich zu völliger Rathlosigkeit. Der Krieg in diesem halb zivilisirten Lande gestaltete Die Konzentration einer großen Armee in einem sich immer eigenartiger, unähnlich allen, die man bisher armen, entblößten Lande, die ungeheure, fich immer stei­geführt, und die Kämpfe um Plewna waren so heiß und gernde Anzahl der Kranken und Verwundeten brachten eine mörderisch, wie in keinem anderen europäischen   Kriege Summe von Elend mit sich, das schier nicht mehr ertragen vorher. werden konnte. Plewna, die freundliche, friedliche Stadt, in die sich Es fehlte an Allem und die Lage der Soldaten war Osman Pascha   mit seiner Armee von Helden geworfen eine troftlose geworden, der der unbeholfene und unverläß­hatte, war zu einem gewaltigen Bollwert geworden, das liche Apparat der russischen Militärverwaltung ohnmächtig uneinnehmbar schien. gegenüberstand.

Hunger und Krankheiten wütheten in der Stadt und Osman Pascha   vermochte sich nicht länger zu halten.

Der Telegraph vermittelte diese Nachricht der ganzen russisch  - rumänischen Armee. Osman Pascha   versuchte indeß noch einen letzten, verzweifelten Ausfall. Montag, den 10. Dezember 1877, um sieben Uhr früh, war er in aller Stille aufgebrochen.

Er hatte mit seinen Truppen die alte Brücke bei Wid übersetzt und griff die nördlich- russische Position an, die am hohen linken Thalrande, in der Richtung von Gornji Netropolje aufgestellt war.

Der geniale Feldherr hatte den Punkt gut gewählt. Es war der schwächste der Bernirungsarmee. Die Möglichkeit, hier durchzubrechen und den sie verfolgenden Ruffen zu entkommen, war da, aber ein Deserteur hatte den Plan an General Skobeleff verrathen, der noch Zeit fand, seine Maßnahmen zu treffen.

Unter den Augen der angreifenden Russen selbst waren Aber schon hatte sich die Privathilfe organisirt. Und Der Aufeinanderprall war furchtbar. Die Türken diese Verschanzungen entstanden, gegen welche die russischen wenn man jene mit der schweren Artillerie vergleichen und vort am Türken in die Flanke fielen, war ihr Schicksal entschieden. und bulgarischen Jünglinge erbarmungslos getrieben wurden, konnte, so war diese die leichte Kavallerie zu nennen, die fochten wie die Löwen, aber sie begegneten dem tapfersten um von dem Feuer der türkischen Batterien zu Tausenden sich überall Bahn zu brechen wußte, und rechtzeitig am Widerstand, und als die herbeieilenden Rumänen den dahin gestreckt zu werden. Plage war.

Die Schluchten von Grivica waren mit Leichen gefüllt, die grünen Hügel mit Blut getränkt: Achthundert in zehn Minuten," lautete ein Telegramm, das die Welt durchflog, um ihr die Wirkungen der neuen, verbesserten Waffen, der Peabody, Martini- und Snider Gewehre, mit denen die Türken zumeist bewaffnet waren, zu verkünden.

Darauf hatten sich die Russen nicht vorgesehen. Die Regie­rung hatte den Feldzug gegen die Türken in übermüthigem Selbstbewußtsein den Truppen als einen Spaziergang be­zeichnet, der ihnen nur Siege und Beute bescheeren würde; das goldene Horn sollte ihr Ziel sein, und nun belagerten sie Plewna jeit fünf Monaten, ohne seinen Widerstand gebrochen zu haben.

Sie besaß reichliche Mittel; die Intelligenz stellte sich Osman Pascha   selbst ward verwundet und gefangen ihr zur Verfügung, und sie arbeitete flink, in selbstloser, genommen. Die Türken streckten die Waffen und ergaben sich auf Gnade und Ungnade. aufopfernder Weise. Man ließ sie gewähren. Die Armeeverwaltung wußte Armes Plewna, die Vernichtung in jeder Gestalt hatte nur zu gut, daß man nur durch die Mithilfe des rothen hier ihre Orgien gefeiert, und man athmete den Pesthauch Kreuzes im stande war, einem Zustande der Verzweiflung der Verwesung. vorzubeugen, der Gefahren in sich schloß, die alles in Frage stellen konnten.

Aber sie fühlte dunkel, daß damit eine neue Macht geschaffen war, die, ohne es zu wollen, in einen Gegensatz der Militärverwaltung selbst trat.

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Der Fall von Plewna schien nahe bevor zu stehen.

Aber Zar Alexander konnte als Sieger in Plewna ein­ziehen, und er geruhte, in der von Hunger verseuchten Stadt seinen Lunch zu nehmen.

Von hier aus ließ er den heldenhaften Entschluß ver­künden: Der Krieg ist noch nicht zu Ende."

Ten nächsten Tag war er nach Petersburg   abgereift.