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1. Beilage zumVorwärts" Berliner  Nr. 31. Mittwoch» den Februar 1894. 11. Jahrg. VorlAmenksvevichte. Deutscher   Reichstag  . 1894. 1 U h r. Bötticher. von wird fortgesetzt. Die des Innern steht bei Staats- korrekt, ob eine 42. Sitzung vom 6. Februar Am Tische des Bnndesraths: von Marschall. Die zweite Berathung des Etats Diskussion über den Etat des Reichsamts dem AusgabekapitelReichskommissariate" zunächst Aus wanderungswesen". Abg. Bebel(Soz.): Ich möchte die Aufmerksamkeit der ver- bündeten Regierungen auf gewisse Transporte richten, welche dem Reichskommissar zur Ueberwachung des Auswanderungs  - weseus entgangen zu sein scheinen, obwohl diese Transporte hauptsächlich von Hamburg   aus erfolgen und der Kommissar seinen Sitz in Hamburg   hat. Es handelt sich um die Transporte von Mädchen, welche zu Lust- zwecken von Hamburg   aus nach allen Ländern der Erde versandt werden. Es sind nicht nur deutsche Mädchen, die in Frage kommen, sondern auch zahlreiche österreichische und ungarische. Unter den letzteren befinden sich viele Jüdinnen, welche in Hamburg   in der christlichen Lehre unterrichtet und christlich getauft werden, um dann nach Rußland  , wohin den Juden bekanntlich der Eintritt verboten ist, versandt werden zu können, und zwar zu demselben Zweck. Es hat sich gezeigt, daß in Hamburg   den Mädchen, mit welchen dieser schmähliche Handel getrieben wird, Rechtsschutz zu erlaugen unmöglich ist, denn auf die Beschwerde eines dieser Mädchen ist vom Staatsanwalt und Ober- Staatsanwalt abweichender Bescheid ergangen. Das betreffende beschwerdeführende Mädchen befand sich in einem der Häuser, welche ojfiziell als Herbergen bezeichnet werden, aber thatsächlich öffentliche Häuser sind, wie sie in Hamburg   trotz des Rcichsverbots immer noch geduldet werden. Was hat die Reichs- regierung in dieser Richtung gelhan, oder gedenkt sie zu thun, um diesen Handel mit weißen Menschen zu verhindern? Staatssekretär v. Bötticher: Der Vorfall ist für mich vollständig neu. In Hamburg   besteht ein Verbot der öffentlichen täuser infolge einer Anregung des Bundesraths. Ob die olizei entgegen diesem Verbote die öffentlichen Jjäuser duldet, weiß ich nicht. Tie Verfügungen der auwaltschaft sind nach Lage der Gesetzgebung aber die Anregung wird benutzt werden, um zu prüfen, Aenderuug in der Gesetzgebung angezeigt erscheint. Abg. Bebel: Ich kann nur dringend wünschen, daß diese Anregung in der in Aussicht gestellten Weise baldigst benutzt wird. In Hamburg   sind freilich in neuester Zeit die öffentlichen Häuser verboten, aber offiziös bestehen sie unter der Duldung und dem Mitwiffen der Polizei ruhig fort, ein Zustand, den man wohl in dem entferntesten Winkel der Monarchie, nicht aber in Hamburg  , wo der Polizeidirektor ein Mitglied des Senats ist, für möglich halten sollte. Es ist die höchste Zeit, daß diesem öffentlichen Skandal in Hamburg   ein Ende bereitet wird. Staatssekretär von Bötticher: Bei Gelegenheit der Vor- bereitung der lex Heinze hat uns der Hamburger Senat   mit gctheilt, daß die.öffentlichen Häuser in Hamburg   aufgehoben seien; ich habe also nach dieser Richtung keine Veranlassung zu irgend welchem Vorgehen. Ter Vortrag des Abg. Bebel bewerft zunächst nur wiederum die Richtigkeit unserer stets wiederholten Aufforderung, das Material zu Beschwerden der Zeutralinstanz zugehen zu lassen. Abg. Bebel: Ich habe der letzteren durchaus keinen Vorwurf machen wollen. Erwähnen will ich nun aber, daß in Hamburg   hohe im Staatsregiment sitzende Per­sonen Besitzer von Häusern sind, in welchen dieses schmähliche Gewerbe betrieben wird. Auch in tliel, Lübeck  , Königsberg und Bremen   bestehen solche öffentliche» Häuser noch heute im Widerspruch mit den klaren Bestimmungen des Reichsgesetze' Abg. Hasse(ntl.): Wir hören, daß das Reichskommissariat einer Dreitheilung unterzogen werden soll, man will an die Stelle eines Kommissars deren drei setzen, die für das Weser  -, Elb- und Odergebiel eingesetzt werden sollen und mehr Auswand an Kosten nicht erfordern würden. Diese Organisations- änderung legt die Frage wieder nahe, ob denn das Auswan- derungsgesetz wieder vorgelegt werden wird. Die Vorlage von Ende 1392 litt ja an vielen Mängeln, der Erlaß eines solchen Gesetzes würde aber doch einen großen Fortschritt bedeuten Besonders verdienstlich wäre die Bestimmung, welche das Aus- wandern nach gewissen Ländern verbietet, um den auswandernden Deutschen   vor Schaven zu beivahren. Ich würde für eine Aus kunft namentlich darüber dankbar sein, ob man von der beabsich- tigten Belästigung der Auswanderer durch polizeiliche Maßregeln wieder zurückgekommen ist. Der Hinweis aus die Nothwendigkeit solcher Bestimmung wegen der Luft der ländlichen Arbeiter zum Kontraktbruch ist nicht stichhaltig; immer würde sie in Wider- spruch zur Rechtsverfassung und zu den Grundrechten der deutschen   Institutionen stehen, und der Erfolg würde stets der entgegengesetzte sein. Ob im Auslande Konsuln oder besondere Agenten angestellt werden sollen zur Beobachtung des Auswande- rungswesens, ist eme Frage zweiten Ranges, es kommt hauptsächlich auf die größeren Vollmachten an, die man den betreffenden Personen einräumen muß, wenn ihre Thätigkeit für das Reich ersprießlich sein soll, dazu fordern namentlich die neuesten Erfahrungen, die unsere deutschen   Auswanderer in Brasilien   und Argentinien   ge- macht haben, dringend aus. In Curityba in Südbrasilien haben wir das traurige Schauspiel, daß man die deutschen   Ein- gewanderten zum Eintritt in die Miliz gezwungen hat, während es dem italienischen Konsul gelungen ist, seine Landsleute von dieser Verpflichtung zu befreien. Infolge dessen herrscht unter den dortigen Deutschen   helle Entrüstung gegen den deutschen  Konsul. Bei einer eventuellen Steuervorlage des Gesetzes müßten auch die Bestimmungen, welche den großen Rhederei-Ge- sellschaften fast ein Monopol gewähren, gründlich revidirl werden. Die baldige Wiedervorlegung des Entwurfs ist dringend er- wünscht. Tie individuelle Freiheit des Auswanderers muß darin gewahrt, die Fürsorge für den Auswanderer muß räumlich weiter erstreckt und in den überseeischen Gebieten intensiver gestaltet werden; außerdem muß endlich an eine wirkliche, dem Vaterland zum Nutzen gereichende Verwendung unseres jährlichen Be- völkerungsüberschusses in geschlossener Weise, sei es in Europa  , sei es in den überseeischen Welitheilen, gegangen werden. Staatssekretär v. Bötticher: Das Gesetz wird jetzt dem Reichslage nicht wieder vorgelegt werden, weil die Session mit außerordentlich schweren Aufgaben belastet ist. Abg. Hiipedeu(61.) bejürwortet eine größere Fürsorge von Reichswegen für die deutschen   Seeleute in fremden Häfen; unsere seefahrende deutsche Jugend unterliege in den fremden Häfen den schwersten Versuchungen, die ihnen das Geld aus der Tasche ziehen und sie wirthschastlich und sittlich ruiniren. Redner weist hin auf das Wesen der Heuerbaase und Schlasbaase, die die jungen Leute auf das schamloseste ausbeuten. Staatssekretär v. Bötticher: Die Fürsorge für unsere See- leute im Auslände liegt der Regierung schon jetzt am Herzen. Es befindet sich im Etat des Auswärtigen Amts   eine Position für die Heimschaffung hilfsbedürftiger Seeleute aus dem Aus- lande. Der Anregung zur weiteren Unterstützung sind wir bc> reits zuvorgekommen, in dem jährlich aus dem allerhöchsten Dispositionsfonds auf Antrag des Zentralausschusses für innere Mission Mittel für die S e e m a n n s m i s s i o n bewilligt wer- den. Es sind bisher immer 6000 M. gewesen, den Dänen mit ihren 4000 Kronen sind wir also über. Abg. Förster-Neustettin(Antisemit) ist verwundert, daß das von dem Abg. Bebel erwähnte Material der Regierung noch nicht genauer bekannt gewesen ist. und daß auch der Senat der Stadt Hamburg   angeblich von gar nichts weih. Es handle sich doch um ganz offenbare Dinge, um den Mädchenhandel, der in Oesterreich-Ungarn, in Deutschland  und Rußland   im Schwange ist, ein Handel mit weißem Menschen- fleisch, die schlimmsten Ausartungen des Menschenhandels. Zu- fällig seien zahlreiche Personen, die diesen.schimpflichen Handel trieben, jüdischen Glaubens. Die Zeitungen berichten doch sehr häufig von Verlockungen und gewaltsamen Entführungen armer Mädchen durch diese europäischen   Sklavenhalter. Selten können die Unglücklichen zurück, sie seien in den Freudenhäusern in Konstantin opel, Bombay u. f. w. lebendig begraben. Den Zeitungsnachrichten müßten doch die polizeilichen Nachforschungen von Amtswegen auf dem Fuße nachfolgen; das könne von den verbündeten Regierungen verlangt werden. Tie Forderungen für Auswanderungswesen werden bewilligt. Bei der PositionK o m i s s i o n für A r b e i t e r st a t i st i k" spricht Abg. Bebel die Erwartung aus, daß der Bundesrath Beschränkungen der Normalarbeitszeit auf grund der Gewerbe- Ordnung bei den Bäckern und Müllern und sonstigen Arbeitern in der Lebensmittelbranche anordnen wird, über welche die Kom- Mission Erhebungen angestellt hat. Er fordert weiter die Aus- dehnung der Untersuchungen auf die Lokale, in welchen die be- treffenden Arbeite» betrieben werden. Seine frühere Privat- Enquete über die Zustände im Bäckereigewerbe habe Thatsachen ans Licht gebracht, welche das Publikum mit wahrein Ekel er- füllen mußten vor den Zuständen in den Arbeitsstätten, wo die täglichen Lebensmittel hergestellt werden. Die seitdem von den Bäckern und anderen ebenfalls angestellten Untersuchungen hätten seine damaligen Feststellungen nur bestätigt; es müsse aber darauf gedrungen werden, daß von Amts- und Polizeiwegen diese Zustände untersucht und die Mißstände beseitigt werden. Empörend sei vor allem der Zustand, daß Arbeits-, Schlaf- und Wohnraum in einem Räume vereinigt sind. Die Untersuchungen der 5kommission seien demnächst auszudehnen auf die Fleischerei «nd die Brauerei, wo die Arbeitszeit ebenfalls eine ganz unge- bührlich lange sei. Wie in dieser Beziehung, so verfahren auch bezüglich des Verkehrsgewerbes die Behörden und die Gewerbe- inspektoren nicht mit der nöthigen Umsicht. Den Kutschern auf den Pferdebahnen werde bei eine: übermenschlich langen Arbeits- zeit zngemuthet, ununterbrochen zu stehen; bis jetzt habe die Ber  - liner Polizei in dieser Richtung nichts zur Abhilfe gethan. Auch in Wäschereien betrage vielfach die tägliche Arbeitszeit 16 bis 18 Stunden, die Löhne ständen dazu im umgekehrten Verhält- nisse. Redner wiederholt die Bitte um regelmäßige Ueberweisung der Drucksachen der Komnnssionen an die sämmilichen Mitglieder des Reichstages; 100 Exemplare genügten nicht. Staatssekretär v. Bötticher: Ueber die Räthlichkeit der Ausdehnung der Untersuchungen über die Arbeitszeit wird der Bundesralh zu befinden haben. Die Untersuchung der Arbeits- und Wohnräume wird durch statistische Erhebungen allein nicht durchgeführt werden können; es gehört dazu die Mitwirkung der Polizei, und von Reichswege» wird eine allgemeine Regelung kaum zu ermöglichen sein. Die unleugbar vorhandenen Uebelstände müssen lokal- oder einzelstaatlich erforscht werden, wie ja dazu erfreu- liche Anfänge in einzelnen Staaten bereits vorhanden sind In der Kommission ist ein Antrag des württembergischen Mit- gliedes auf Untersuchung der Arbeits- und Wohnräume der im Bäckereigewerbe beschäftigten Personen zurückgezogen worden, nach- dem sich der Gewerberath Wörri-Hofer dagegen ausgesprochen hatte. Die Arbeitszeit im Verkehrsgewerbe anlangend habe ich mitzu- theilen, daß der preußische Handelsminister sich mit den bezüg- lichen Mißständen bereits befaßt und daß zweckentsprechende Maßregeln sicherlich werden ergriffen werden. Von Uebelstäuden in der Wäscherei haben wir bisher nichts gehört. Den Wunsch auf Ausfolgung der Drucksachen der Kommission in größerer Zahl an die Reichstags-Mitglieder will ich gern erwägen, aber es ist doch Thatsache. daß die 100 Exemplare, die wir liefern, weitaus uicht abgehoben werden.(Widerspruch.) Abg. Bebel: Ich habe das Eingreifen der Reichs-Gesetz gebung' bezüglich der Arbeits- und Wohnräume gar nicht ver- langt. Ich habe nichts weiter gewünscht, als die Anweisung der Polizeibehörde durch ihre Zentral-Regieruugen, von Anits wegen eine Untersuchung der betreffenden Räume vorzunehmen, auf grund deren dann Abhilfe durch die Landesbehörde bewirkt werden würde. Wenn die Backstube zugleich als Gesinde- und Schlafkanimer benutzt wird, so muß doch offenbar von Polizei- wegen gegen diesen gesetzwidrigen Zustand eingeschritten werden; wenn sie Kenntniß davon erlangt hat, so muß sie dagegen einschreiten, denn die Macht hat sie dazu. Es scheint ihr aber bis jetzt die Kenntniß vielfach zu fehlen; daß die Wäschereien bis spät in die Nacht hinein, bis 10, 11 Uhr Abends und länger arbeiten müssen, kann jeder sehen, der in Berlin   durch die Straßen geht und einen Blick in diese Waschanstalten wirst. Beim Kapitelstatistisches Amt" plädirt Abg Schoenlauk(Soz.) für die Einrichtung wirklicher Arbeits enqueten, in welchen das Parlament eine Rolle zu spielen hat, Enqueten, wie sie England besitzt und wie sie für die Politik dieses Landes die außerordentlichste Bedeutung erlangt haben. Dort kenne man das kontradiktorische Verfahren, bei uns vernehme man blos die Arbeitgeber; dort seien sie öffentlich, hier geheim. Die deutschen   Enqueten seien nur eine ganz kümmerliche Stück- arbeit mit bedingtem Werthe. Das statistische Amt sei durchaus nicht befähigt wirkliche Sozialstatistik zu treiben, seiner ganzen Organi- sation nach. Herr v. Scheel könne zwar eine solche Statistik machen, aber er allein und mit den geringen Mitteln könne es thatsächlich nicht. Redner wünscht nach dem Vorgange des Statistikers Georg v. Mayer eine bessere Bevölkerungsstatistik, für welche die summarischen Tabellenwerke nicht ausreichten, fragt nach den Gründen, weshalb seit 12 Jahren keine neue Berufs- und Gewerbestatistik veranstaltet sei, da man sich doch nichk länger mit den durchaus veralteten Zahlen von 1882 begnügen könne und fordert größere Fühlung der Landesstalistik mit der Rcichsstatistik wenigstens be- züglich der allgemeinen Finanz- und der Unterrichtsstatistik. Die Landesstatistik würde dadurch nicht gefährdet werden, sie würde vielmehr einen neuen Nimbus erhalten, während sie jetzt namentlich in Bayern   den Krebsgang geht; die Reichsstatistit aber würde an Ueberstchtlichkeit sehr gewinnen. Abg. Dr. Hasse(ntl.) unterstützt diese Anregungen in jeder Beziehung. Das Maß der Verpflichtung der einzelnen Länder zu statistischen Aufnahmen der Bevölkerungsverhältnisse sei viel zu klein;»das Reich stelle hier gar zu geringe Anforderungen. Eine materielle Zentralistrung brauche deshalb nicht einzutreten. Da schon 1895 eine Volkszählung wieder bevorstände, sei es dringend erwünscht, wenn die Reichsinstanz den Kreis der obli» gatorischen Leistungen der Einzelstaaten erweiterte. Ebenso bringend sei die Wiederholung der Berufs-' und Gewerbestatistik. Staatssekretär von Bötticher: Unsere Enqueten sind des- halb nicht mangelhafter, weil sie nicht nach englischen, Muster stattfinde», auch nicht deshalb, weil sie unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfinden; für die Ermittelung der Wahrheit. der realen Verhältnisse ist die Oeffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit gleichgiltig. Die vorgebrachten Wünsche, welche eine Erweiterung der Reichsstatistik wollen, gehen über die Grenze hinaus, welche die Verfassung für die Materien zieht, welche der Reichsgesctz- gebung unterliegen und für welche auch die Statistik Reichssache sein sollte. Mit den gewünschteulVerallgemeinerungen muß doch immer auch ein Reichszweck verfolgt und erreicht werden. Unter diesem Gesichtspunkte werden die Anregungen in der ge- dachten Richtung zu prüfen sein. Ueber eine anderweite Berufs- und Gewerksstatistik haben wir auch schon Berathungen ge- pflogen, dieselbe wird zweckmäßig mit der nächsten Volkszählung zu verbinden sein. Die Neigung, statistische Aufnahmen zu er- weitern, ist im Lande erschrecklich gering. Es wird trotzdem bei der neuen Aufnahme der Berussstatistik der Fragebogen eine Er- Weiterung zu erfahren haben. Abg. Schoenlank: Die Statistiker und die Nationalökonomen aller Parteien find über die Muftergiltigk�it der englischen Enqueten einig. Eine parlamentarische Enquete unterscheidet sich von einer deutschen   amtlichen Enquete, wie das öffent- liche von dem geheimen Militär- Strafverfahren. Eine Enquete ohne kontradiktorisches Verfahren ist ein Unsinn. Wenn in einer deutschen   Enquete Herr v. Stumm und seine Arbeiter zu- sammensitzen, so wird der Arbeiter des Herrn v. Stumm mit seiner Meinung nicht herauskommen.(Lebhafter Widerspruch des Abg. v. Stumm). Herr v. Stumm herrscht in seinem Königreich Neunkirchen   so unbeschränkt, daß daran gar kein Zweifel ist; jeder Unbefangene muß wünschen, daß Herr von Stumm und seine Arbeiter nicht vor einem und demselben Forum stehen. Die schlechteste Form der Statistik ist die mit Fragebogen arbeitende: die beabsichtigte Ausdehnung dieser Form der Auf- nähme können wir daher nicht gutheißen. Die Bevölkerungs- statistik wünsche ich allerdings zentralisirt; bisher muß sich das Reichsamt mit den von den Landcsbehördcn ermittelten Ergebnisse des von ihren verarbeiteten Urmalerials begnügen. Daß in Deutschland   eine gewisse Zahlenscheu herrscht, erklärt sich doch ganz einfach daraus, daß sich zwischen Regierung nnd Volk eine Mandarinen-Bureaukratenwirthschast eingedrängt hat, die dem Volk alle Lust zu eigener Arbeit benimmt; schaffen Sie diese weg, dann werden Sie nicht nur eine bessere Stcitistik, sondern auch bessere soziale und politische Zustände haben. Abg. Hasse glaubt auch nicht, daß die Bevölkerung durch die statistischen Aufnahmen sich belästigt fühlt oder später fühlen werde. Bei der Position für die Bureaubeamten des statistischen Amtes verlangt Abg. Förster-Neustettin(Antis.) ein gleich- mäßigeres Aufrücken der Beamten in den Dienstaltersstufen durch die gesammten Verwaltungsressorts. Die Ausgaben für das statistische Amt werden genehmigt. Beim KapitelNormal-Aichungskommission" lenkt Abg Lenzmann(freis. Vp.) die Aufmerksamkeit des Hauses auf die bei dieser Behörde, wie beim Gesundheits- und Reichs- Versicherungsamt, sowie bei der physikalisch-technischen Reichs- anstalt angestellten technischen Hilfsarbeiter, die trotz ihres Charakters als höhere Beamte äs furo und de facto nach wie vor als Subalternbeamte behandelt werden. Bei der letzten Kaisers Geburtstagsfeier habe man ihnen nur gestattet, die Feier im Berein mit den andern Subalternbeamten, den Sekretären und Kaiizlisten, zu begehen. Die Betreffenden feien durchweg akademisch gebildet und verdienten eine Rangerhöhung unbedingt. Staatssekretär v. Bötticher: In der Anerkennung der Leistungen dieser Hilfsarbeiter stimme ich mit dem Vorredner überein. Aber ich kann den Grund zu einer berechtigten Empfindlichkeit der Herren nicht entdecken. Abg. Singer(Soz.): Die Frage beschäftigt die Budget- Kommission schon lange. Die Ausführungen des Herrn Lenz- mann erinnerten doch recht lebhaft an das chinesische Parlament; es machte fast den Eindruck, als ob es sich darum handelte, für einen Beaniten einen Knopf mehr zu bewilligen. Die Etats- ausstellung kann doch nicht dazu benutzt werden, einen Unter- schied in der Wcrthschätzung und sozialen Stellung der einzelnen Beamten zu statuiren. Solche Velleitäten noch durch den Reichs- tag zu begünstigen, würde dem demokratischen Gefühl der Gleichheit diametral entgegenstehen. Abg. Hammacher tritt für die Forderung der technischen Hilfsarbeiter ein. Staatssekretär v. Bötticher: Daß höhere und mittlere Beamten im Etat in demselben Titel zusammenstehen, ist kein Unikum. Abg. Förster- Neustettin tritt den Ausführungen des Abg. Hammacher bei. Redner verweist darauf, daß die Trigonometer schon nach 15, die hier in Frage stehenden technischen Hilfs- arbeiter erst nach 21 Dienstjahren das Höchstgehalt erreichen. Direktor im Reichsschatzamt Aschenborn entgegnet, daß diese Differenz in den verschiedenen Altersgraden der beiden Kategorien bei der festen Anstellung und in der verschiedenen Art der amt- lichen Funktionen begründet ist. Abg. Lenzmann: Der Schwerpunkt der Demokratie liege darin, das Rechte an jeder Stelle schaffen zu wollen. Da im Deutschen   Reiche verschiedene Stände vorhanden seien, müsse er es für ein Unglück erachten, wenn jemand nicht in die richtige Stelle einrangirt wird. Staatssekretär v. Bötticher: Die in Rede stehenden Be- amten unterscheiden sich ausdrücklich durch einen höheren Wohnungsgeldzuschuß von den mittleren Beamten. Abg. Möller(natl.) bedauert, daß die von dem Abg. Hain- macher und ihm in der Budgetkommisston gegebene Anregung, diesen Beamten eine äußerlich bessere Stellung im Etat anzu- weisen, nicht durchgedrungen sei. Er habe hauptsächlich dabei im Auge gehabt, den Nachwuchs für diese wichtige Stelle in genügendem Maße zu interessiren. Der Titel wird bewilligt. Beim KapitelGesundheitsamt" bemerkt Abg. Prinz zu Carolath  (ntl.): Im vorigen Jahre sind zwei Petitionen betreffend die Zulassung der Frauen zum medi- ziniscben Studium dem Reichskanzler überwiesen worden und es wurde gleichzeitig eine Resolution vorgeschlagen, welche die Er- theilung der Approbation als Arzt an Frauen betraf. Von dem Schicksal der Petitionen haben wir seitdem nichts mehr gehört. Freilich ist der Zeitpunkt zur erneuten Besprechung dieser Frage nicht sehr glücklich gewählt; wenn schon die vorhandenen studirten Aerzte schwer unler der Roth der Zeit zu leiden haben, sollte man den Stand nicht noch mehr mit den weiblichen Aerzten belasten. Aber andererseits ist diesen Bestre- bungen in der letzten Zeit so viel Theilnahme und Förderung geworden, daß es nicht unangebracht er- scheint, heute darauf zurück zu kommen. Namentlich auf konservativer Seite ist eine vollständige Wandlung der An- schauungen eingetreten. Seit November 1893 find hier in Berlin  Gymnastalkurse für Frauen eingerichtet; sie werden aus Privat- mittel» unterhalten, da man von Reichswegen nichts dafür thun zu können erklärte und uns an die Einzellandtage verwies, wo bisher direkt noch nichts geschehen ist. In Baden hat man einen anderen Weg eingeschlagen. Es nützt aber alles nichts, wenn nicht das Reich nachher die Ausübung der ärztlichen Praxis den Frauen gestattet. Deshalb sollte der Bundesrath jener Resolution oder vielmehr dem Verlangen derselben sich wohlwollend gegenüber stellen und rechtzeitig eingreifen, damit