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Nr. 133.

31. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner   Volksblatt.

Gewerkschaftliches.

Ein liberaler Gewerkschaftspolitiker.

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Sonntag, 17. Mai 1914.

Deutsches Reich  .

Der Fabrikarbeiterverband im Jahre 1913. schont geblieben. Doch haben sich im Berichtsjahre gegenüber dem Auch dieser Verband ist von den Folgen der Krise nicht ver= Jahre 1912 die Mitgliederjahl und die Finanzen nicht wesentlich verändert. Am Schluß des Jahres 1913 zählte der Verband 181 353 ( im Jahre 1912: 181 273) männliche und 26 031( 26 324) weibliche, zusammen 207 384( 207 597) Mitglieder. Die Mitgliederzahl war also am Jahresschluß nur um 213 niedriger als 1912. Im Krisenjahr insofern hat er also das Krisenjahr 1913 besser überwunden. 1908 hatte der Verband einen Verlust von über 3000 Mitgliedern, Die Einnahmen der Hauptkasse inklusive Kassenbestand be­Mart. Den Einnahmen stehen 3 825 239 M. Ausgaben gegenüber. Davon entfallen auf Erwerbslosenunterstübung 1532 368 M., auf Streif- und Gemaßregeltenunterstüßung 857 052 M. Die Gesamt­ausgaben für Unterstützungen betragen 2515 012 M. Der Kassen­bestand der Hauptkasse war am Ende des vierten Quartals 3 860 523 Mark. Die Lokaltassen hatten einen Bestand von 1025 295 M., so daß das Verbandsvermögen am Jahresschluß 4 885 818 M. betrug.

liche Mission glänzend erfüllt, und wenn es dem Allgemeinen in einer Nacht für 900 M. Schaden angerichtet haben. Darum auch Verband der Bankbeamten gelänge, die Bankbeamtenbewegung die Sehnsucht der Antreiber, ihre alten Leute wieder zu haben. auch mir in annähernd solchem Maße umzuformen, so wäre Die Streikenden sind selbstverständlich sofort zum Frieden unseres Erachtens damit den gesamten Privatangestellten ein bereit; aber nur, wenn ihre Forderungen anerkannt werden, wenn ungleich größerer Dienst erwiesen als durch hundert jener die Lehrlingszüchterei, die Lohndrückeret und Verlängerung der Zu den Paradefiguren linksliberaler Angestelltenpolitik kleinen Erfolge", als welche Dr. Potthoff jeden Fortschritt Arbeitszeit aufhört. Sonst wird der Kampf mit ungeschwächten gehört seit Jahren der frühere Reichstagsabgeordnete in den Arbeiterverhältnissen des Bankgewerbes für den alten Kräften fortgeführt. Dr. Heinz Potthoff  . Ebenso wie Naumann und Fürstenberg- Verein reklamieren möchte. Um das wirken der Flesch dient er der Fortschrittlichen Volkspartei   gelegentlich gewerkschaftlichen Verbände in möglichst ungünstigem Lichte Drganisierte gesperrt: Hauptrestaurant Eierhaus 3"( Inhaber Achtung! Gastwirtsgehilfen! Nachstehende Lokale sind für als soziales Feigenblatt. Wenn die liberalen Arbeiter und erscheinen zu lassen, schiebt er bei dem alten Bankbeamten- st a mm I a), Stehbierhalle am Paradiesgarten"( Inhaber an Angestellten ihren begreiflichen Unmut über die unsoziale verein das ganze erste Jahrzehnt seiner Entwickelung( in dem ber g), in Treptow  , Lofal von Göz, Friedrichstraße 207, Restaurant Politik ihrer Partei allzu heftig äußern, lautet der letzte er es allerdings auch nur auf 4000 Mitglieder gebracht bat) Bum Belterhaus"( Inhaber Porte), Neue Schönhauser Straße 4/5, und überzeugendste Einwand der kleinen wie der großen einfach beiseite, während er bei dem neuen Verband wach in Berlin  . Agitatoren immer::... und dann haben wir auch noch Dr. kaum zweijährigem Bestehen schon die Erfolglosigkeit seines Botthoff! Das zieht allemal, denn in diesen Kreisen, wo die Strebens feststellen möchte. Dabei nimmt er selbst an, daß Organisation ab. Die Inhaber dieser Lokale lehnen jede Vereinbarung mit der bescheidenste Sympathie mit der sozialen Reform schon einen der neue Verband jetzt bereits annähernd so viele Mitglieder hohen Seltenheitswert repräsentiert, gilt jeder Mensch, der zählt wie der alte nach 10jährigem Bestehen! Verband der Gastwirtsgehilfen. Berlin   I. fich gewissermaßen berufsmäßig mit Sozialpolitik beschäftigt, Achtung, Musiker! Das Lokal Kastanienwäldchen", Juhaber als ein Mirakel, dem unbedingte Verehrung gebührt. Dar- wollte, hätte er den 25 000 Mitgliedern, die der Fürstenberg­Wenn Potthoff einen ehrlichen Vergleich aufmachen Ballschmieder, Gesundbrunnen  , ist für Musiker gesperrt. über hinaus genießt Dr. Botthoff noch den besonderen Ruhm, Verein in zwanzig Jahren und ohne Konkurrenz der" Angestelltenpolitiker zu sein. Die gewerkschaftlichen Angestelltenverbände denken bier- Bund der technisch- industriellen Beamten in zehn Jahren, geworben hat, die 24 000 gegenüberstellen müssen, die der über jedoch völlig anders. Sie erkennen in Dr. Botthoff vor also in der halben Zeit und gegen zwei Konkurrenz­allem den unverbesserlichen Optimisten, der verbände gesammelt hat! und selbst das wäre noch eine trotz verstandesmäßig richtiger Erkenntnis unserer sozialen unvollkommene Gegenüberstellung, denn- und hier liegt der Not alle zufünftige Entwickelung durch eine rosenfarbene größte Denkfehler Botthoffs- jedes überzeugte kampfbereite Brille sieht und es deshalb niemals fertig bringt, die not- Mitglied einer gewerkschaftlichen Organisation hat für den wendigen praktischen Konsequenzen aus seinen theoretischen sozialen Fortschritt im ganzen einen zehnfach höheren Wert Folgerungen zu ziehen. Er bejaht aus voller Ueberzeugung als das richtungslose und kapitalsfromme Mitglied eines den Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit; aber Harmonieverbandes. Wer die Arbeit der Berufsvereine nur nach der Art des Ueberästheten Sombart verabscheut er an äußerlichen Tageserfolgen messen will und nicht die ge- laufen sich auf 7685 762 M. Davon sind Reineinnahmen 4 534 784 die Auseinandersetzung der Interessenten durch Kampf. Er waltigen aufrüttelnden und erzieherischen Wirkungen der anerkennt das gewerkschaftliche Organisationsprinzip und ist radikalen Organisationen allen anderen Leistungen voran­doch peinlich berührt, wenn die Angestellten davon Gebrauch stellt, beweist damit höchstens, daß er zum Urteil nicht be­machen. Er ist im Prinzip für einheitliches Recht und ein- rufen ist. Heitliche Versicherung; aber wenn die entscheidende Stunde fomunt, hält er den Propagandisten der Absonderung und der Zersplitterung die Steigbügel. Durch all dies hat Potthoff sich bei den Vertretern der Achtung, Schleifer! Bei der Firma Karl Lindström A.-G., radifalen Angestelltenbewegung beinahe um jeden Kredit Sprechmaschinenfabrik, Große Frankfurter   Str. 137, haben die gebracht und es war deshalb ziemlich auffällig, daß der sonst Schleifer wegen Lohndifferenzen die Arbeit niedergelegt. Arbeits­Doch gut gewerkschaftliche Bund der technisch- industriellen Beangebote der Firma sind zurückzuweisen. amten gelegentlich seines zehnjährigen Bestehens gerade diesen Deutscher   Metallarbeiterverband. Verwaltungsstelle Berlin  . ewig schwankenden Politiker mit der Dekoration der Jubi­läumsausgabe seiner Zeitung betraut hat. Der Dant dafür Die Käufer von Goldacker unter polizeilichem Schuh! ist ihm gestern durch das Berliner, Tageblatt" abgestattet Der Streik in den beiden Berliner   Großbäckereien Gold worden, indem Dr. Botthoff das zwanzigjährige Bestehen des ader, Brunnenstr. 129/130, sowie Weidner( Firma Hanke alten reaktionären Bankbeamtenvereins zum Anlaß nimmt, u. Co.) gibt auch der Polizei Gelegenheit, ihren Eifer im Dienst am die von dem Bund( und dem nach gleichen Prinzipien des Profits zu betätigen. arbeitenden Allgemeinen Verband der Bankbeamten") ver- Vor allen Geschäften Goldackers sieht man die bekannten Ge­tretene gewerkschaftliche Taftik gründlich st stalten vom Alexanderplatz  . Wenn die Herren an einem Tage herabzusehen und überhaupt das radikale Organisa- etwas zurückhaltend sind, so sind sie sicher den anderen Tag um so tionsprinzip als verfehlt hinzustellen. eifriger. Die uniformierten Beamten scheinen zurückgezogen und Dabei fommt es ihm auf eine Handvoll Ungenauigkeiten durch nichtuniformierte ersetzt zu sein. Gifrig wird besonders auf und auf eine grundsätzliche Schiefheit der Darstellung nicht die Zettel verteiler gefahndet, die eventuell noch immer in Beim Vergleich der Mitgliederzahl z. B. rechmet er dem der Nähe der Geschäfte stehen könnten. Fast täglich sieht man das Technikerverband mehrere Tausend studierende Mitglieder an, Privatautomobil Golbackers vor dem Polizeipräsidium, und zwar dem Bund aber nicht, und wenn er meint, daß der alte Tech- an der Seite der Grunerstraße, halten. Meist ist dann am folgen nikerverband, den der Bund in seinem überquellenden Kraft- den Tage ein viel regerer Eifer der Polizeiorgane zu bemerken. gefühl in zwei Jahren habe erledigen wollen, heute noch lebt, Wie sich das kaufende Publikum mit diesem Polizeischuß ab­so ist das eine offenbare Unrichtigkeit. Denn dieser alte, findet, ist schließlich jedes Sache. Interessant aber ist der Eifer von Potthoff selbst als Harmonieverband" qualifi- der Polizei.

an.

Berlin   und Umgegend.

Lohnbewegungen, Streifs und Aussperrungen hatte der Vers band 622 zu verzeichnen, an denen 851 Betriebe mit 56 543 Personen beteiligt waren. 499 Bewegungen, das sind 80 Proz., konnten ohne Arbeitseinstellung erledigt werden. Angriffstreifs waren 75, AH­wehrstreifs 27 und Aussperrungen 21 zu verzeichnen. Von den Bewegungen überhaupt konnten 568 oder 91,23 Proz. mit Erfolg wurde erreicht: für 8442 Beteiligte eine Arbeitszeitverkürzung von beendet werden. Bei den Lohnbewegungen ohne Arbeitseinstellung 19 943 Stunden pro Woche und für 36 167 Beteiligte eine wöchent liche Lohnerhöhung von 55 460 m. Einschließlich der Erfolge hei Streifs und Aussperrungen beträgt der errungene Vorteil: für 9382 Beteiligte eine Arbeitszeitverkürzung von 22 099 Stunden und 51 Lohnbewegungen verliefen erfolglos, drei waren am Jahresschluß für 39 570 Beteiligte eine Lohnerhöhung von 60 607 m. wöchentlich. noch nicht beendet. Außer den angeführten Erfolgen wurden für 465 Beteiligte Lohnkürzungen in Höhe von 1271 M. die Woche ab­gewehrt. Die Kosten für alle Lohnbewegungen betrugen für Haupt- und Lokaltassen zusammen 842 719 M. Die Zahl der abe geschlossenen Tarifverträge hat sich für das Berichtsjahr erhöht. Am 31. Dezember 1913 waren vorhanden: 465 Tarifverträge; diese er­faßten 789 Betriebe mit 42 000 Beschäftigten.

Jahr 1913 zufrieden sein. Die Errungenschaften sind gerade mit Der Fabritarbeiterverband tann mit seinen Erfolgen für, das Rücksicht auf die Krise um so höher zu bewerten. Im 1. Quartal 1914 ist der Verband auch mit seiner Mitgliederzahl im gewohnten Tempo vorwärts gekommen.

zierte Technikerverband ist tatsächlich seit einigen Jahren Recht unangenehme Erfahrungen macht Goldacker anscheinend Hoesch in Dortmund   ausgebrochen. 90 Mann sind am Donnerstag Ein Streik der Drahtzieher ist auf dem Eisen- und Stahlwerk erledigt". In dieser Beziehung hat der Bund seine geschicht- auch mit seinen Arbeitswilligen! Es wird erzählt, daß dieselben ausständig geworden. Die Ursache liegt in Lohnminderungen,

Kleines Feuilleton.

Um die Sozialdemokratie ihrer berufenen Gesangertüchtiger zu berauben, ver bot Kultus- und Unterrichtsminister Dr. Böhm den Voltsschullehrern, denen es der frühere Minister aus Gründen der Sozialistenbekämpfung gestattet hatte, das Dirigieren der Gesang­bereine freier Arbeiterschaften. Das kam den roten Arbeitern im badischen Lande ganz böhmisch vor. Wo soll nun fünftig der Arbeiterfänger zur Ausbildung seiner Stimmbänder in die Schule gehen?

dachtsmoment zu gelten. Was den höchst sonderbaren, in Preußen-| einem allzu lockeren Vergnügen gram ist? Seien wir ihm ruhig Deutschland   allerdings manchmal verständlichen Rückschluß zuläßt, gram, wenn es nicht anders sein kann, und halten wir seine daß, je echter und je häufiger jemand beglaubigt, geprüft und Brettelfünfte für einen leichtsinnigen Sündenfall der Kunst. Wie Befähigung und Reformideen bei ihm zu erwarten sind. ordnungsgemäß abgestempelt ist, um so weniger Intelligenz, besondere sollten wir dann diesen Sündenfall mit Namen nennen? Wie müßte sein strahlendes Symbol und wie seine lockende Verführun heißen? Eva! Eva!

Sphären- Musikalisches. Während der Kultusdebatte im Rondell der badischen Volkskammer tat sich der Minister für das muster­ländische Unterrichtswesen viel zugute auf seine Förderung des Ge- Das Gnu- Kabarett. Die literarische Gruppe, die sich vor drei fanges durch dessen Schutz gegen die gemeingefährlichen Lieder der Jahren mit dem Namen des buckligen Wiederfäuers Gnu verzierte, Sozialdemokratie. Böhm ist der musikalisch flingende Name des hat am Donnerstag im Meistersaal ihren einzigen Sommerabend" neuen Herrn, der dem Sprichworte nicht allgemein beipflichtet: wo gegeben, auf dem Heinrich Mann  ( durch Resi Langer  ), man singt, da laß dich ruhig nieder; böse Menschen haben keine Hafenclever, May Hermann- Neisse  , Franz Vallentin, Franz Jung   und Walter Lieder. Kurt Hiller   zu Worte tamen. Die meisten dieser jungen Talente leiden an einer allzu engen persönlichen Umgrenzung. Sie über­treiben den künstlerischen Egoismus bis ins Abgeschmacte. Sie ver­frümeln sich so gänzlich in die eigene, meist doch nicht gerade welten­tiefe Seele, daß sie die ganze große, weite und bunte Welt um sich herum nur noch wie in einem kleinen Zerrspiegel sehen. Sie wollen alle dummen Vorurteile boshaft umstürzen, aber ihre protestlerischen Pfeile können höchstens die Tassen in ihrem Stammcafé zertrümmern; sie suchen den Sinn des Lebens durch nervöse Stimmungen zu ergründen, ohne Die erste Antwort auf diese Frage erteilte ein Hirte, der in die tiefen Glückseligkeiten und die folossalen Verbrechen dieses Lebens Baden seine Herde weidet. Am lezten Montag verteilte der Erz rücksichtslos zu durchdenken. Wo immer sich ein junges Talent aus bischof Dr. Nörber von Freiburg   in der internationalen den geistreichelnden persönlichen Anklagen heraus zu einer Kultur­Bäderstadt Baden- Baden  , wo ihm vom katholischen Kirchengesang- tritit erhebt( wie das etwa dem jungen Mann mit dem merk­verein ein Ständchen im Pfarrhause dargebracht wurde. Der Erz- würdigen Pseudonym Klabund  " in seinem soeben bei E. Reiß, bischof erfreute die zäzilianischen Sänger mit einer Danfrede. Nach Berlin  , erschienenen Bändchen von Grotesten, betitelt Klabunds dein Zentrumsblatt" Badische Volksztg." vom 13. Mai sagte der Sarussel" gelingt), da strömt Anschauung und Wiz reicher und Erzbischof zu dem Sängerchor: Es sei eigentlich selbstverständlich, fräftiger als in den zigarettenräucherigen Zigeunerulfen eines Kurt daß jedermann, der eine schöne Stimme befißt, dieselbe für die Ehre Hiller. Gottes in der Kirche zur Verfügung stellt, nicht so selbstverständlich

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und darum großer Anerkennung wert sei der unausgesetzte Besuchstaben von drei, vier Worten ein neues Wort bilden, um damit eine Eva. Wir sind keine Freunde der Sitte, die aus den Anfangsbuch­der Proben. Sicherlich aber werde ein treuer und braver Kirchensänger im Himmel für sein Ausstellung, ein Industrieprodukt oder etwas anderes zu bezeichnen. irdisches Singen einen besonderen Lohn Die wenigen Fälle, in denen sich in der Tat ein Wort von musikali­balten. Ueberall in der hl. Schrift, wo vom Himmel die Rede schem Reiz ergab, werden durch einen Wust von Unsinn aufgewogen. fei, geschähe auch des Gesanges Erwähnung. Die vielen christlichen Ohne Rücksicht auf die Gesetze der Sprache, ohne Rücksicht auf das Sänger werden nach ihrem Einzug in den Himmel mit den deutsche Ohr und die deutsche Zunge wurden die Anfangsbuchstaben Gesängen der Engel sich vereinigen. Die vielen zu scheußlichen Klumpen zusammengeballt und mit riesengroßen Dirigenten aber, deren in der hl. Schrift keine besondere Er- Lettern wurde die sprachliche Schande in die Welt hinausgeschrien, wähnung geschehe, dürften wohl dann einem Erzengel Der ursprüngliche Sinn der Sache( der Gewinn eines einpräg= die Leitung ihrer Chöre anvertrauen." Se. Grzellenz samen Wortes) ging vollständig verloren und ein eben so dummer erteilte hierauf den Anwesenden den hohenpriesterlichen Segen. wie schlechter Brauch blieb zurück. Ist diese Auffassung richtig, so verlieren die Dirigenten der Kirchenchöre im Himmel ihre Beschäftigung. Die Leiter der roten Arbeitervereine haben aber feine Konkurrenz der Erzengel zu be­fürchten.

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Humor und Satire. Das teutsche Wanderlied. Das Wandern ist des Vogels" Lust, Das Wandern!

Doch muß das Wandern völkisch" sein, Total borniert und rasserein,

Sonst geh' ich in den Bund nicht' nein Zum Wandern!

Wir gröhlen festlich Juden raus!" Beim Wandern!

Hat wo ein Jüngling schwarzes Haar, So liegt für uns der Fall schon klar: Er ist' ne völkische Gefahr Beim Wandern!

Wie blinkt der Wald! Wie blitt der See Beim Wandern!

Die Sonne streut ihr Gold umher Doch tät' sie das gewiß nicht mehr, Wenn mant uns wer mosaisch wär' Beim Wandern!

Drum bleibt das Wandern unsre Luft, Das Wandern!

Doch wer mit wvill, muß alldeutsch schrei'n: Wir woll'n borniert und rasserein Idiotisch patriotisch sein

Beim Wa- an- dern!

Notizen.

Knap.

Kreuziget ibn! Das Reichsgericht beschert dem Ban". Häuptling Alfred Kerr   die Wiederholung seines Sittlichkeits­prozesses in Sachen Klabund  . Es hat das freisprechende Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht Berlin   II zurüd verwiesen. Nicht Kerrs Urteil allein entscheide, auch die Wirkung auf den Leser sei von Belang. Kerr soll sein Eintreten für den jungen Dichter Klabund   durchaus am Kreuze bereuen. veranstaltet Mittwoch, den 20. Mai, abends 8 Uhr, in der Brauerci -Musitchronit. Der Gefangverein Kreuzberger   Harmonie Friedrichshain   ein Vokal- und Sinfonie- Konzert unter Mitwirkung des Blüthner  - Orchesters. Beethovens Sinfonie I in C- dur wird auf geführt. Einlaßtarte 30 Pf.

Mitunter aber kann selbst dieser Brauch so lustig wirken, daß man seine Entstehung begreift. Reizender hat der Zufall nie ge­scherzt, als da er aus den Anfangsbuchstaben der Ersten Varieté­Ausstellung" die lodende Parole" Eva" formte. Ist es nicht, als ob plötzlich von allen Masten bunte Wimpel wehten? Als schiene Der Epilog auf Köslin  . Ein Regierungspräsidium erläßt zur die Sonne mit einem fröhlichen Lachen auf die Ausstellung her­zeit an die ihm nachgeordneten Behörden folgendes dienstliche Rund- nieder? Als würde der grate Alltag von einem holden Tag der schreiben: Rosen und der Freude abgelöst? Als weiche die strenge männliche es ist eine strenge zweifelsfreie Nachprüfung der Personal Arbeit dem heiteren Schmuck des Namens Eva"? alten, insbesondere der Schul- und Dienstzeugnisse, Berechtigungs- wird immer mit der paradisischen Eva im Bunde sein und darum Das Varieté scheine, Qualifikationsurkunden usw. aller in den letzten zehn Jahren macht es sich so hübsch, daß sie so völlig ungerufen und unerwartet Dreiafter, ist betitelt Die Nadel". Sternheim   hat es gemein Ein neues Lustspiel von Karl Sternheim  , ein dort eingetretenen Beamten sämtlicher Dienstgrade vorzunehmen und aus drei toten Wörtern als Schutzpatronin emporstieg. Wenn es sam mit Ernst Kamnißer verfaßt. darüber in kürzester Frist Bericht zu erstatten. Vornehmlich ist streng sich ums Varieté handelt, kann nicht einmal eine Konferenz von geger solche jüngere Beamte in dieser Hinsicht vorzugehen, die sich nüchternen Kapitalisten einen ernsthaften geschäflichen Namen er- amerikanischer Paläontologe will im Süden des Staates Tennessee  Ein botanischer Garten aus der Urzeit. Ein durch besondere Befähigung, Intelligenz, Begabung, Reorganisations- finden, ohne daß die holde Eva lächelnd unter ſie tritt. bestrebungen und Reformideen in auffälliger Weise bemerkbar ein reichhaltiges Lager fossiler Blumen entdeckt haben. Es sind, so Erste Varieté- Ausstellung." Kann man überhaupt prosaischer heißt es, über zweihundertundfünfzig Arten, so daß man geradezu machen ust." sein? Der geschäftlichen Prosa aber entsteigt plötzlich die Muse von einem botanischen Garten sprechen kann. Eine unbekannte, Demnach scheint eine besonders auffällige Begabung und eine selber und lächelt heiter in die Welt. hervorragende Intelligenz von vornherein als erschwerendes Ver­zudem wundervoll erhaltene Pflanze soll eine gewisse Aehnlichkeit Oder ist unter meinen Lesern jemand, der bem Baricté als mit den Mimosen haben.

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