Nr. 35.
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Vorwürts
11. Jahrg.
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Dick
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Sonntag, den 11. Februar 1894.
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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Mächte. Oder meint etwa jemand ernstlich, daß Deutsch -| System persönlicher Ausbeutung einlenkte in die kapitaWas kann den Welf- land gegen Spanien zu Felde gezogen wäre wegen der Ka- listische Produktionsweise, je mehr die Besitzenden als Klasse rolinen, die Vereinigten Staaten gegen Großbritannien der Arbeiterklasse gegenübertraten und untereinander in engere frieden sichern? wegen der Behringsmeer- Fischereien? Produktionsgemeinschaften geriethen, bis schließlich für die Wenn schöne Reden und wohlwollende Worte den Aus- Oder man nehme einmal die allerneueste Gegenwart: herrschenden kapitalistischen Klassen jedes einzelnen Staates bruch eines Krieges verhüten könnten, so brauchten wir um Kurz hintereinander zweimal sind englische und französische die Interessengemeinschaft stark genug war, um ihr alle die Erhaltung des Friedens nicht zu bangen. Kein Fürst, Truppen im Hinterlande der Guineafüfte in richtigen Ge- Binnenkriege und Einzelfehden gefährlich zu machen, wurden der nicht bei feierlichen Gelegenheiten-die Hand auf fechten an einander gerathen. Es hat Todte und Ver- für die Interessengemeinschaft nur noch die sogenannten die ordengeschmückte Seite seines Uniformrockes gepreßt wundete auf beiden Seiten gegeben: Doch mag die Schuld Nationalkriege unter Umständen wünschenswerth und eruns versicherte, er hege den innigsten Wunsch, jein, auf welcher Seite immer, mag der Kampf angezettelt sprießlich. Die Kriege wurden seltener, aber jeder einzelne den Frieden zu erhalten, kein Wässerlein könne er trüben, sein in noch so frivoler Weise, hält irgend jemand es Krieg vernichtender und zerstörender. Es handelte sich nicht habe aber leider nur am Unterlauf des Stromes zu ge- für möglich, daß daraus ein Krieg zwischen England mehr wie bei der Ritterfehde darum, den Raubkonkur bieten und könne nicht dafür bürgen, daß nicht irgend ein und Frankreich entbrennen könnte, daß wegen dieser renten auf der benachbarten Burg in den Sand zu strecken, räubiges Lamm am Oberlauf die Wässer trübe; dann Sofa" Balgereien englische und französische Flotten oder den Krämern der benachbarten Stadt die Pfeffersäcke würden ja allerdings Ehre und Interesse der Monarchie sich Schlachten liefern würden auf allen Ozeanen? abzujagen; es handelte sich um die Konkurrenz ganzer gebieten, zu den Waffen zu greifen und für die Es wird dazu nicht kommen, ebensowenig wie es Kriege Nationalstaaten unter einander, es handelte sich um die bedrohte nationale Ehre bis auf den letzten Bluts gab wegen der Karolinen und wegen der Seehunde der Vernichtung des gegnerischen Handels und Gewerbes, um tropfen zu kämpfen, keinen Fuß breit Landes Behringssee; es würde dazu nicht kommen, auch wenn die die Eroberung gegnerischen Gebietes. aufzugeben, feinen Stein von den Festungen, und sollten Welt nie etwas gehört hätte von Friedensgesellschaften, Die wachsende Interessengemeinschaft der einzelnen arch Millionen gedrillter Landestinder auf der Strecke Friedenskongressen und Friedensbanketten. Länder unter einander, selbst unter dem Bann der fapibleiben. Die schönsten Friedensversicherungen aus FürstenDieser Tage haben die Friedensfreunde in Berlin talistischen Wirthschaftsordnung ist hart am Wert, auch diese mund und doch ewige Kriegsbefürchtungen! Beständig das wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben. Der freisinnige Nationaltriege in Mißachtung zu bringen. Nur von Rußland Gefühl, daß es im nächsten Augenblick losgehen kann! So Parlamentsprediger Neßler hat eine salbungsvolle Einleitung und kleineren Barbarenstaaten, wie die Geschichte des war es immer, so ist es heute noch und so wird es gesprochen und dann sind allerhand ganz vernünftige Gedanken serbisch - bulgarischen Konfliktes lehrt, kann man der Kriege bleiben,- so lange noch die bestehende Staats- und von den folgenden Rednern gesprochen worden. Schade aus solchen Ursachen noch gewärtig fein; aber unleugbar Gesellschaftsordnung Vorbedingungen für Kriege schafft. nur, daß sich alle diese Erörterungen an der Oberfläche ist es, daß die russische Gewaltherrschaft im Bunde mit Daß der Krieg ein recht böses Ding ist, daß das Friedens- der Frage bewegten. Nur zur Bekämpfung der Symptome der neugebackenen russischen Kapitalistenklasse auch bedürfniß allgemein vorwaltet im Bolte, dessen sind sie des Kriegsfiebers haben sie gute Rathschläge beigebracht, an zu solchen Eroberungs- und Merkantilkriegen noch im alle gewiß, die begeisterten Friedensfreunde, die den die Ursachen haben sie nicht gedacht. Fast die sämmtlichen Kriegs- stande ist und deshalb den Frieden Europas dauernd Frieden für alle Ewigkeit, die Ewigkeit, die bescheideneren bescheideneren für männer der heutigen Zeit haben in wohlwollenden Friedens bedroht. Doch auch in anderen europäischen Staaten einige Jahre, zu sichern gedenken, durch schöne Reden auf gedanken geschwelgt. Nicht nur aus den Kundgebungen des wirken, ganz abgesehen von der Kriegsschwärmerei der Friedenskongreffen und Festbanketten. Gegen die gute Ab- Feldmarschalls Moltke lassen sich Aussprüche zusammentlauben, Lieutenants und Professoren noch immer wirthschaftliche sicht dieser Leute haben wir nichts einzuwenden. Immerhin die an Friedensfreundlichkeit den Worten des Predigers Ursachen auf den Krieg hin. Das ist vor allem die Uebernüßen sie der Friedenssache, der sie sich gewidmet haben, Neßler die Waage halten. Rabiate Kriegsschwärmer findet produktion, jenes unvermeidliche Ergebniß der kapitalistischen etwas, obschon nicht viel, und sicher bei weitem nicht so man außer unter den Lieutenants nur unter den deutschen Produktionsweise, die in deren Anfängen periodische Absatzviel, als sie selber glauben. Der Nutzen ihres Wirkens Professoren, von Professor Leo in Halle, der den Krieg für frisen erzeugte und uns jetzt mit einer dauernden zu von um das strophulöse Gesindel beglücken scheint. Fabrikanten besteht darin, daß allmälig durch die beständigere nothwendig erklärte, etwas weiterem Erörterung der Friedensfrage auch solchen Leuten der aus der Welt zu schaffen, ohne sich dessen bewußt zu Blick machen keinen Hehl daraus, daß so Blick für die Gefahren unserer Zivilisation geschärft wird, sein, daß das strophulöse Gesindel, Geschichtsprofessoren ein frischer fröhlicher Krieg, der die Produktion ins denen der Flitterglanz des Militarismus die Augen ge- eingeschlossen, hübsch zu Hause bleibt bis auf Professor Stocken bringt und die angesammelten Vorräthe vertilgt, blendet hat. Sie nüßen, indem sie beständig für inter - Treitschke in Berlin , dem das Kriegshandwerk allein für gar nicht so übel wäre für die Großindustrie. Dieses Benationale Schiedsgerichte eintreten, und nicht unmöglich ist eine des Mannes würdige Beschäftigung gilt, woraus sich mußtsein verschmilzt dann mit den Resten merkantilistischen es, daß einige der Schiedsgerichte, durch die innerhalb des denn sattsam erklärt, daß er selbst in seiner Bedienten Konkurrenzneides mit Kolonial- und Gebietsbegehrlichkeit letzten Jahrzehnts internationale Streitigkeiten beglichen haftigkeit so viel unwürdiges Zeug zusammengeschrieben hat. zu jenem Nationalhaß, der in den zivilisirtesten Ländern wurden, dieser Agitation der Friedensfreunde zu danken Wollte man ein Plebiszit veranstalten darüber, wie von Zeit zu Beit seine Orgien feiert, und wenn er im sind. Wohl verstanden, es ist ihnen zu danken, die Leute vom Kriege denken die Stimmen, die ihn für Nachbarlande gleichartigen Zündstoff findet, immer wieder daß die die Beilegung der Streitigkeiten durch die ein Uebel erklären, würden die weitaus überwiegende Mehr einen großen Nationalfrieg entzünden kann. Form eines Schiedsgerichts erfolgte, nichts aber heit haben. Wenn trotzdem die Kriegsgefahr fortbesteht, so weist darauf hin, daß ohne Schiedsgerichte die liegt das daran, daß die inneren Verhältnisse der heutigen Streitigkeiten überhaupt nicht beigelegt wären. Im Gegen- Staaten sie fortwährend von neuem erzeugen. theil, alles, was bisher schiedsgerichtlich erledigt wurde, Die europäischen Staaten sind Klassenstaaten, hervor selbst die wichtigsten dieser Fragen, waren Streitigkeiten gegangen aus dem System wirthschaftlicher Ausbeutung der untergeordneter Art. Sie wären auch so friedlich erledigt arbeitenden durch die herrschenden Klassen. So lange dieses worden auf diese oder jene Weise, nach fürzeren oder längeren Ausbeutungssystem mehr ein individuelles war, wimmelte Verhandlungen mit oder ohne die Betheiligung dritter es von kleinen Fehden und kleinen Kriegen. Je mehr das
Feuilleton. Helene.
Nachdruck verboten.]
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Roman in zwei Bänden von Minna Kautsky .
Fast ein Jahr war vergangen. Lazar Doduloff, voll Sorge und Unruhe um das Schicksal seiner jungen Braut Natalie, war damals nach Petersburg gekommen, und hatte das Leben eines Illegalen wieder aufgenommen.
Er besuchte Tania, und selbst ein Untröstlicher suchte er sie zu trösten.
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Adern und ließ sie gesunden. Die Zeit der Wiederaufnahme des Prozesses war nicht vorherzusehen, sie wollte daher nicht länger in Unthätigkeit verharren und einem nuglosen Grame sich hingeben; sie wollte arbeiten, handeln, der Sache, für die ihr Gatte so grausam duldete und litt, mit Leib und Seele sich weihen.
Aber sie mußte aus Petersburg fort, hier erstickte sie. Der orientalische Krieg war ausgebrochen. Viele ihrer Kollegen folgten dem Rufe als Aerzte, auch Dodukoff wollte hinab, und rieth ihr ein Gleiches zu thun.
Sie hatte noch keine Brüfungen gemacht, aber sie konnte als Pflegerin eintreten und sie meldete sich dafür.
Judeß hatte sich in dem Schicksal Natalien's eine unerwartete Veränderung vollzogen, die Lazar Dodukoff von seinem Vorhaben abbrachte und ihn mit neuen Hoffnungen erfüllte.
Wenn es deshalb ernst ist mit der Friedensfreundschaft, wer nicht blos die Symptome, sondern die Ursachen des Krieges bekämpfen will, der muß reine Bahu machen mit der kapitalistischen Produktionsweise und den Gewaltherrschaften, die aus ihr erwachsen sind. Das ist der Prüfstein für die Aufrichtigkeit der Friedensfreunde.
Die Mehrzahl der Kranken war gereinigt und frisch verbunden. Sie lagen ruhig und wohlgebettet, und nur selten war ein Mechzen vernehmbar.
Einige der Kranken waren so weit, daß sie sich im Bette aufsehen und sich waschen und kämmen konnten, aber sie besannen sich lange und bekreuzten sich wiederholt, ehe sie die Hände ins Wasser steckten.
Auch das Hemd zu wechseln, schien ihnen nicht angenehm, aber ein unzufriedener Blick der Schwestern machte fie fügsam.
Ein Trupp englischer Ladies war angekommen. In aufdringlicher Wichtigmacherei wollten sie die Barackenhofpitäler des rothen Kreuzes besuchen und die Soldaten beschenken.
Es hieß, der Prozeß sei nahe bevorstehend, und sie Die Oberin hatte sie nicht vorgelassen, aber sie schickten warteten in heißer Ungeduld auf die Aufnahme desselben. Blumen und kleine Farbendruckbildchen mit Bibelsprüchen Von mehr als tausend Menschen, die in den letzten Natalie wurde nach einjähriger Untersuchungshaft, die versehen in alle Säle, und Gräfin Petrowna war es nun, die zwei Jahren wegen vermeintlicher Betheiligung an der ihre Gesundheit arg erschüttert hatte, provisorisch frei ge- fich darüber herstürzte und alle Verwundeten damit betheilte. revolutionären Propaganda verhaftet worden waren, wagte lassen und gegen Kaution ihres Oheims in die Krim ge- Diese freuten sich wie die Kinder und spielten damit man einstweilen nur 193 vor Gericht zu stellen. Karzow und schickt, wo derselbe liegende Güter besaß. Dort sollte sie wie solche, und die warmherzige Theilnahme, die ihnen von Kolomin waren darunter. internirt werden und unter polizeilicher Aufsicht bleiben, außen tam, erweckte ihre Zuversicht und neue Hoffnungen bis ihr Prozeß, der besonders geführt wurde, ihre Anwesen für die Zukunft. heit in Petersburg nöthig machte.
Dieser schwarzbärtige Rosake da, dem das Bein über
Alle erkannten nach dieser Maßregel, daß dieser selbst dem Knie abgenommen war, lachte, als ihm Petrowna ein auf ungemessene 3eit hinausgefchoben sei, aber Dodukoff Veilchensträußlein überreichte, und als fie ihn so von der gründete darauf seinen Plan. Er begab sich in die Krim , Seite mitleidig ansah, schüttelte er seinen großen hübschen mit dem festen tollkühnen Entschluß, die Geliebte zu befreien. Kopf und meinte, wie um sie zu trösten:
Die Verhandlungen ergaben, daß der größte Theil der Angeklagten gerechter Weise nicht verurtheilt werden konnte, und der Senat selbst suchte in der Form eines Gnadengesuches ihre Freisprechung zu erwirken. Aber Alexander II , annullirte dieses Gesuch und der Prozeß wurde vertagt, bis ein hinlänglich belastendes Material zusammengefunden Durch die Oberlichtfenster des großen Krankensaals, werden konnte. der hundert Betten faßte, schien die Sonne eines klaren Tania, die während der Verhandlungen vor Angst und Wintermorgens und beleuchtete die Morgentoilette der Wer Aufregung fast verging, riß diefer Aft brutaler Gewalt aus wundeten. ihren Schnierzen empor.
Die Empörung trieb ihr das Blut rascher durch die
Der Saal war ausgekehrt, die Betten gemacht, weiß glänzte das Linnen und alles war sauber und rein.
" Es steht nicht so schlimm, Schwesterchent, ich will mir schon noch durch helfen durchs Leben. Unsere Bauern sind gut und neugierig sind sie auch. Komm ich nach Haus, will ich ein Wirthshaus eröffnen, dann werden sie zu mir tommen, um meinen Schnaps zu trinken, meine Lieder zu hören und meinen Beinstummel zu sehen," er klopfte auf seine Schiene, als liebkose er einen Freund.