Absicht geäußert zu haben, wird die Frage seines baldigenRücktritts in der ganzen politischen Welt—> soweit sie dabei intcrcssirt ist,— eifrig besprochen. Und es nnterliegtanch keinem Zweifel, daß der Rücktritt bald erfolgenwird mit oder ohne Absicht. Die liberale Partei—das heißt die eigene Partei des Herrn Gladstone richtet sichschon darauf ein, oder versucht es wenigstens. Ter Ersatzrst noch nicht gefunden. Und wird auch ebensowenig ge-funden werden, wie von der deutschen Zcntrumspartei einErsatz für Windthorst— und wesentlich aus denselbenGründen. Denn die„liberale" Partei Englands befindetsich cbcilso auf dem Aussterbe-Etat wie unser Zentrum.—Ter Achtstundentag in England. Nachdem kürzlichder� Minister Asquith wieder eine Reihe von Produktions-zweigen der chemischen Industrie als aesundheitsschädlich,und deshalb neben Vorschriften über die Produktionsmethodeauch solchen über Arbeitszeit:c. unterworfen erklärt hat,hat die„Vereinigte Kali- Gesellschaft", die die große Mehr-heit der englischen Kaliwerke eignet, in einer Reihe von De-partcmcnts den Achtstundentag einzuführen beschlossen. Sokommt eine Industrie nach der anderen an die Reihe, und die„Ausnahmen" werden allmälig so zahlreich, daß die Bewegung,den Achtstundentag zur Regel zu machen, schließlich unwider-stehlich wird.—Belohnung wegen Tapferkeit haben von GeneralM o rr a, dem sizilianifchen Standrechtshelden, dreiSoldaten erhalten. Die„Tapferkeit" bestand darin, daß sieeinige der halbverhungerten„Rebellen" nebst etlichen des-gleichen halbverhungerten Frauen und Kindern todtgeschossenhaben. In welchem Zustand sich die Opfer dieser„Tapferen"befunden haben, das kann man ungefähr aus nachstehenderSchilderung des— nicht sozialistischen— ProfessorsKaden ersehen, der in Sizilien lange gelebt hat und Landund Leute genau kennt, und jetzt von dort an die—— kammerfortschrittliche, d. h. halbkonservative„DresdenerZeitung" schreibt:„Bor dem„Haus" eine Mistpfütze, hinter dem„Haus" eine Düngergrube, drinnen eine komplizirteSchweinerei. Dieses„Drinnen" besteht aus einem einzigenRaum ohne Fenster, ohne Rauchfang, der einzige Weg umLuft und Licht zuzuführen eine thürähnliche Oeffnung. Das„Drinnen" ist Wohn-, Eß- und Schlafzimmer, Küche,Keller— Alles für Menschen und Thiere.— Unbeschreiblicher Stank und Schmutz.— Abgerackert und todtmüdeist der arme Furchenknecht oder Frohnsklave Abends spät,immer ein paar Stunden später als das gleichermaßen ab-gerackerte, von der Hundstagssonne zergeißelte Weib, nach„Hause" gekommen, kaum kräftig genug, das bischen Abend-sutter, Grünkraut oder Kürbisstücke in schlechtem Oel ge-braten, zu verschlucken. Tann werden die Kinder ins„Bett" getrieben, während Mann und Frau noch eineZeitlang in die verglimmenden Kohlen stieren. Suchen siedann ihr Lager auf, so werden die Kinder einfach ansFußende hinabgcschoben.An der schlaffen Brust widerwillig genährt, kaum gereinigt, nie gewaschen, als eine vom Herrgott auserlegteLast angesehen, als ein übersiüssiges Freßmaul bis zu demTage, wo er die Hacke schwingen lernt oder als Prügel-junge irgend einem brigantenhaften Hirten oder dem Besitzereiner Schwefelgrube übergeben wird,— so wächst derStammhalter der Familie heran. Eine Schule kennen dieKinder nicht, und es ist gräßlich zu sehen, was Unwissen-heit und Aberglaube Jahr für Jahr da im stände sind,anzustellen.Und so bilden sich diese armen weltabgelegenen Menschenihre anarchistischen Begriffe von Freiheit und stehen damitauf der Stufe eines deutschen Bauern aus dem IL. Jahr-hundert, der sich mit Weib und Kind für Adel, Geistlichkeitund Fürsten abgeschunden hatte im Dreck und in derArmnth.--Dieser unglückliche Sklave hofft auf den Tag derRache und wartet. Und wer nicht warten kann, der trittaus der Gesellschaft aus, verschafft sich eine Flinte und wirdB r i g a n t. Alle Brigantcn ohne Ausnahme, die seitzwei Jahren Sizilien unsicher machen, sind aus dem Bauern-stände hervorgegangen."Und an solchen abgerackerten, halbverhungertenMännern, Weibern und Kindern— denn es wurden fastso viel Weiber und Kinder wie Männer todtgeschossen—haben die Helden des Standrechtshelden Morra sich die„Belohnung für Tapferkeit" verdient!—Italienisches. Auf den italienischen Börsen sind,wie telegraphisch gemeldet wird, offizielle Aufsichtsbureauseröffnet worden, um etwaige falsche Nachrichten zudementiren und deren Verbreiter zur Rechenschaft zuziehen. Der italienischen Regierung dürste es dabei mehrum die Unterdrückung unangenehmer Wahrheiten alsfalscher Gerüchte zu thun sein.—Aus Spanien wird gemeldet: Infolge der Aus-deynung, welche das Räuberunwesen in der Mancha nimmt,ist eine allgemeine Absuchung der Berge um Toledo an-ordnet worden.— Wegen der wachsenden Roth in derProvinz Cadix verlangt der Gouverneur die Ausführunggroßer Arbeiten, um der Bevölkerung Beschäftigung zugeben.In Italien nennt man ofsiziös die Aufständigen„An-archisten", in Spanien„Räuber". Das ändert wenig ander Thatsache, daß die Unzufriedenheit des Volkes in Spa-tuen wie in Italien einen Höhepunkt erreicht hat, der beider Anlage der Spanier und Italiener nothwendigerweisezu Aufständen führen muß.—Serbische StaatSfinanzen. Nach amtlichen Fest-stellungen belaufen sich die Steuerrückstände aus demvorigen Jahre auf 28 Millionen Franks. Der Finanz-minister erhielt von der Pariser Ottomanbank einen Vor-schuß von 600000 Franks gegen Sicherstellung.—Vsvlanrenksrifrszes.In der Sitzung der Budgetkowmission am Freitagwurde die Verhandlung über den Etat der Schutzgebiete fort-9'sctzt und zu Ende geführt. Abg. Dr. Hammacher tadelt dasVerholten des Vizegottvertteurs Leist, der zum mindesten sehr un-geschickt verfahren sei. Er verlangt ausreichende militärischeHilfe, um die Kolonie zu sichern. Die Prügelstrafe feiein zivilisatorisches Erziehungsmittel, da?inannicht entbehren könne, auch nicht gegen dieFrauen. Er fragt an, wie die Verhandlungen mit Frankreichständen wegen Abgrenzung des Hinterlandes von Kamerun.Geh. Rath K a y s e r giebt über diese Frage nur bedingt Auskunft. Di« beiderseitigen Unterhändler hätten sich dasWort gegeben, bis zur endgiltigen Erledigung derVerhandlungen Stillschweigen zu beobachten. Des weiterenpolemisirt er gegen die am Tage zuvor gemachtenAusführungen des Abgeordneten Bebel und dessen Be-hauptung, daß die Dahomehleute sich in einem Sklavereiverhältnißbefänden. Er verliest zur Rechtfertigung des Reichsamts desAeußeren die Weisungen. die bezüglich der Dahomehleuteim Jahre 1891 dem Gouverneur zugegangen seien. BonSklaverei könne nicht mehr gesprochen werden. Abg. Prinzv. Arenberg: Die Vorgänge in Kamerun seien unentschuldbar,aber auch er sei der Meinung, daß man bei dem Kulturgrad derSchwarzen ohne Prügelstrafe nicht auskomme, nur müssesie mit Maß angewandt werden. Er fragt an, was denneigentlich Leist für ein Mann sei. Geh. Rath K a y s e r antwortet,Leist sei früher Asseffor gewesen und befand sich in einemAlter, daß er in Deutschland Regierungsrath sein würde. Erbabe ein Jahr in der Kolonial-Abtheilung des AuswärtigenAmtes gearbeitet und befinde sich seit 1891 in Kamerun. Abg.Bebel erklärt, er gebe zu, daß wenn die in dem Bericht desAuswärtigen Amts ergangenen Weisungen befolgt wordenwären, der Aufstand wohl nicht ausgebrochen wäre. Um soschärfer müßten die Vorgänge verurtheilt werden. Er weist ander Hand des Leist'schen Berichts nach, daß nicht nur Leist,sondern auch der Gouverneur zur Verantwortung gezogenwerden muß. Die Mißwirthschaft erstrecke sich schon auf Jahre.Die Dabomebleute seien wie Sklaven behandelt worden, darüberbestehe kein Zweifel, und daß sie die ungerechte Behandlung, dieman ihnen im Vergleich zu andern Eingeborenen habe zu Theilwerden lassen, empfanden und zur Empörung griffen, zeige, daßsie moralisch weit höher ständen, als man sie schätze. Macht- undschutzlos wie sie waren, von den ersten Beamten mißhandelt,sei die Empörung ihr Recht gewesen. Redner wendet sichdann in scharfer Weise gegen die Ausführungen der AbgeordnetenDr. Hammacher und des Prinzen v. Arenberg, die die Prügel-strafe im Interesse der„Zivilisation" siir nölhig hielten. Erfrage, was ivohl aus den Missionen würde, wenn diese zu solchen„zivilisatorischen Maßnahmen" griffen. Gestern habe Geh. RathKayser die Lohnvorenthaltung bei den Dahomehleute damit ent-schuldigt, daß, wenn diese Geld bekämen, sie dieses für Frauenanwendeten. Darauf antworte er, Redner: Das käme abernickt blos in Afrika vor, sondern auch bei uns in Deutschland(Heiterkeit), nur sei das in Afrika nach Sitte und Religiongerechtfertigt, da dort die Polygamie herrsche. Ihm sei auchlieber, die Dahomehleute verwendeten ihr Geld bei Frauen alsfür Branntwein, der weit koruumpirender wirke. Diezivilisatorischen Erfolge der Europäer in Afrika beständen darin,daß heute kein Reisender mehr es wagen dürfe, gestützt auf sichselbst Afrika zu durchqueren, wie dies seiner Zeit Livingstoneund anderen möglich gewesen sei. Die europäischen Zivilisatorenhätten ganz Afrika rn Aufruhr gebracht. Die Vorgänge inKamerun haben nicht allein Deutschlands Ansehen in den Kolonienund in der ganzen Kulturwelt schwer geschädigt, sondern erfordernauch gewaltige Opfer an Menschen und Geld. Seinen Wider-spruch gegen die Verwendung von Marinetruppen in den Kolonienerhalte er aufrecht. Graf Arnim meint, auch er glaube wieder Vorredner, daß die Verantwortung für die Dinge in Kamerunnicht blos den Vicegouverneur Leist, sondern auch den Gouverneurträfe. Dast aber die Dinge in Kamerun so weit gekommen,daran seien die Oppositionsparteien schuld,die verhinderten, daß genügend Mittel ge-fordert wurden.(Große Heiterkeit.) Staatssekretärv. Marschall sagt zu, daß die Untersuchung sich auch gegenden Gouverneur eritrecken werde, deshalb sei ein besondererBeamter nach Kamerun gesandt worden. Abg. Richter ant-wartet den? Grafen Arnim, die Regierung habe auch gegen denWillen der Oppositionsparteien an Geld bekommen, was sie ge-fordert, die Opposition lehne jede Verantwortung ab. Abg.Singer giebt den Kolonialsreunden den Rath, die Opfer, dtefür Kolonialzwecke gefordert würden, aus eigener Tasche zugeben, sie hätten den Vortheil davon. Abg. Graf Arnim be-streitet, daß die Kolonialsreunde I materieller Vortheile willen dieKolonialpolitik unterstützten. Abg. Prinz v. Arenberg bemerkt,daß er sich dagegen erklärte, daß die Prügelstrafe auch bei denFrauen angewandt werde. Die Debatte wird geschlossen undder Etat von der Mehrheit der Kommission genehmigt. Dasgleiche geschieht mit dem Etat für Togo. Bet dem Etat fürSüdafrika, der einen Zuschuß von 1 Million aus Reichsmittelnerfordert(733 009 M. mehr wie im Vorjahre) fragt derReferent Prinz v. Arenberg an, wie im Augenblick dieVerhältnisse dort lägen, allem Anscheine nach seien auch dortgroße Fehler vorgekommen. Der Sendung eines PosenschenMajors nach dort zur Untersuchung der begangenen Fehler könneer kaum großen Werth beilegen, der betreffende Herrwerde in Posen kaum Gelegenheit gehabt haben, kolo-niale Erfahrungen zu machen. Gehetmer Rath Kayserverbreitet sich des längeren über die Zustände in der süd-westasrikanischen Kolonie, deren Aussichten für die Zukunfter im rosigsten Lichte darstellt. Gelänge es nur erst HendrickWitboi zu beseitigen oder desselben habhaft zu werden, dann seidie Entwickclung der Kolonie gesichert, die ein großes Feld fürlandwirthschastliche Ansiedelungen biete. Zunächst sei zur Be-kämpfung der Witboi die Vermehrung der Schutztruppe nöthig.Major Leutwein werde wohl in der Lage sein festzustellen, obund welche Fehler Major Fran?ois gemacht. Abg. Dr. H a m-macher sieht auch die Zukunft der Kolonie sehr günstig an.nur mit den erhofften montanen Anlagen fei es nichts, da dieAusbeute an Erzen und Metallen eine zu geringe sei. Er ergehtsich weiter in Angriffen auf den Major Frau? vis, der dieSchuld trage, daß die Ansiedelung in Kubub zerstörtworden sei. Er befürwortet die Verwendung von Kavalleriegegen Witboi. Staatssekretär v. M a r s ch a l l: Die Zuständeseien bedauerlich, aber von Berlin aus können wir nicht dirigirenund kontrolliren. Major Franyois sei seit 8 Jahren in derKolonie. zu ihm habe man Vertrauen haben können. Manniöge nicht aburthcilen, ehe die Untersuchung abgeschlossen fei.Abg. v. Podbielsky mahnt zur Geduld. Witboi sei nichtsals ein Rätiberhauptmann und mit dem werde man wohl fertigwerden. Abg. Graf v. Barnim spricht sich über die Vorgängein der Kolonie sehr elegisch auS. Fran?ois sei offenbar seinerAufgabe nicht gewachsen, sonst habe er einen Räuber wieWitboi längst unschädlich machen müssen. Abg. Bebel: DerStaatssekretär habe Recht, daß man von Berlin aus nicht diri-giren und kontrolliren könne, man muß sich also auf die leitendenPersonen in den Kolonieen verlassen, diese hätten aber ohneAusnahme ihre vollendete Unfähigkeit bewiesen. Der Fehler liegehauptsächlich darin, daß man mit der gerühmten„Schneidigkeit"glaube auszukommen, daß man Militärs an die Spitze stelle, dienach ihrer ganzen Erziehuna und Lebensanschauung absolut un-fähig seien, sich in die Zustande in den Kolomen zurecht zu finden.Man nenne Witboi einen Ränberhauptmann. nach seiner Ansichtthue er nichts, was nicht die Vorfahren unserer Adligenauch gelhan. Er habe vor Witboi Respekt, ersäubere nach Kräften den heimathlichen Boden von denfremden Eindringlingen, dafür sei es in den Augen der Ein-geborenen ein Heros und in Deutschland würde man ihm imumgekehrten Falle ein Denkmal setzen. Redner konstatirt weiter,daß also auch ein Kolonialfreund wie Dr. Hammacher zugebe,daß es mit der Ausbeute montaner Unternehmungen in Südwest-afrika nichts sei. Für eine landwirthschastliche Kolonie sei aberkein Bedürfniß. Redner erörtert die topographischen Verhält-niffe des Landes, die eine Besiedelung sehr schwer machten. DieKolonie werde daher fortgesetzt ganz unverhältnißmäbige Opfererfordern, ohne Aussicht auf entsprechenden Erfolg. Träte aberder letztere wider Erwarten ein, so würde die Schaf-und Viehzucht die Haupterwerbs-Quelle sein und nun ver-langten schon jetzt unsere Agrarier die Einführung eineshohen Wollzolls und Erhöhung der Agrarzölle. Was habedenn da die Kolonie für einen Sinn. Abg. EnnecceruSspricht sich im Sinne des Grafen Arnim aus. Abg. Richterverliest«ine» Privatbrief, i» dem hart über die Zustände in deKolonie und das Verhalten des Major v. Fran?ois geurtheiltwird. Er mache dieses Urtheil nicht zu dem seinen, aber es seicharakteristisch. Die Waffeneinfuhr sei bei der Ausdehnung desLandes gar nicht zu verhindern. Er stimme über den Werth derKolonie ganz mit dem Abg. Bebel überein, man solle die Koloniegegen ein Billiges an England abtreten, das sei das Klügste.Prinz v. Arenberg will nicht so weit in der Berurtheilungdes Major v. Fran?ots gehen wie manche Redner, aber ein ge-wisser Tadel sei berechtigt. Staatssekretär v. Marschallsagte gegenüber einer Kritik des Abg. v. Staudy noch einmaleine gründliche Untersuchung zu. Der Etat wird mit Mehrheitbewilligt. Nächste Sitzung Dienstag: Militäretat.Dsrkemslftrickjken:Die Hamburger Parteigenossen nehmen heute(Sonntag)eine Arbeitslosen-Statistik auf, um Zahlenmaterial über diegegenwärtig herrschende Arbeitslosigkeit herbeizuschaffen. Es istdafür Sorge getragen, daß das gewonnene Material sofort vonbenifenen Statistikern bearbeitet und das Resultat dem Publikumunterbreitet wird.„Offenheit und RückHaltlosigkeit bei allenAngaben— so schließt das„Hamburger Echo" seinen Appell andie Bevölkerung— und es wird eine vernichtende Anklageschristgegen den Kapitalismus entstehen."*Bei den Gewerbeaerichtswahle» in Saalfeld siegte inder Klasse der Arbeitnehmer die sozialdemokratische Liste mit446 Stimmen; in der der Arbeitgeber unterlag die arbeiter-freundliche Liste mit 24 gegen 90 Stimmen.Zur Oeffentlichkeit der Wahlhandlung. Bei der Stich-wähl im Saalkreise hatte der Genosse Paul Methe ausH a l l e a. S. als Vertreter der sozialdemokratischen Partei indem Orte Priester am Petersberge der Wahlhandlung im Wahl-lokale beigewohnt und dasselbe auch nicht auf die wiederholteAufforderung des Gemeinde- und Wahlvorstehers Hädicke hinverlassen, weshalb er wegen Hausfriedensbruchs angeklagt wurde.Das Schöffengericht Löbejün kam m der That auch zu einer Ver-urtheilung wegen dieses Vergehens und erkannte auf 16 MarkGeldstrafe. In der Berufungsinstanz vor der Strafkammerbeantragte der Staatsanwalt Verwerfung der Berufung;die Bestimmung des Reichstaaswahl- Gesetzes:„die Wahl-Handlung ist öffentlich", sei nicht so zu versteben,daß Jemand aus„Posemuckel" die Wahl in Lindauam Bodensee kontrolliren könne. Der Vertheidiger und mit ihmder Gerichtshof erachteten aber die Bestimmung des Gesetzes be-treffs der Oeffentlichkeit der Wahlhandlung für zweifellos,worauf auf Freisprechung erkannt wurde. Dem Wahlvorsteherhatte als geforderte Legitimation Melhe's u. a. ein Ausweisdes Oberbürgermeisters von Halle, daß Methe in Halle im3. Bezirke Wähler sei, nicht genügt, da dieser Ausweis keinSignalement Methe's enthalte. Mit Recht betonte der Ter-theidiger, daß dem Wahlvorsteher auch ein genaues Signalementnicht hinreichend erschienen wäre, und so würde der Begriff derOeffentlichkeit völlig illusorisch gemacht werden. Der Gerichtshoftrat dem bei.»»«AuS Neiv-Bork wird uns unterm 30. Januar geschrieben:Heute finden hier Stichwahlen in zwei Landeskongreß-Distriktenstatt. Allem Anschein nach wird die Gesammtbetheiligung einenoch schlechtere sein, wie bei den ersten Wahlen, und nur wir,die Sozialisten, werden einen Zuwachs zu verzeichnen haben,trotz der auch diesmal— obwohl noch die von den im Staatesiegreich gewesenen Republikanern veranlaßten Prozesse gegendemokratische Wahlfälscher schweben— zu erwartenden Möge-leien. Was diese uns gegenüber so leicht möglich macht, ist derUmstand, daß so wenig Leute zur Verfügung stehen, welche genügendder englischen Sprache mächtig sind, um als„Watchers" in denWahllokalen fungiren zu können. In dieser Hinsicht ruht allesaus den Schultern der verhältnißmäßig schwachen Distrikt-Organisationen der sozialistischen Arbeiterpartei. Es haben zwareine Anzahl fortschrittlicher gewerkschaftlicher Organisationenihren Sitz in den beiden Distrikten, dte zum Theil noch kürzlichihren Statuten den Passus der unabhängigen politischen Aktionauf sozialistischer Basis eingefügt; aber von den Mitgliederndieser Organisationen sind es fast nur die wenigen, die zugleichParteimitglieder sind, welche an den Wahlarbeiten theilnehmen.Die englisch-amerikanische Sektion, welche heute wohl mehr anglo-irisch-amerikanische Mitglieder hat, wie je bevor, verfügtnur über eine kleine Anzahl Leute, die sich öffentlich zu bcthätigenwagen, so daß nicht viel auf dieses Element zu rechnen ist. Daswird erst der Fall sein, wenn die ganze sozialistische Bewegungdieses Landes, die heute noch zu neun Zehnteln von den Deutschengetragen wird, eine anglo-amerikanische geworden ist.Wer Gelegenheit halte, vor vielleicht zehn Jahren hier eineWahlperiode mitzumachen, wird heute einen wesentlich anderenEindruck erhalten; damals fanden es die Arbeitermassen ganz inder Ordnung, die Affen für die herrschenden Parteien zu spielenund sich an deren Paraden zu betheiligen. Heute schämen siesich zum großen Theil dessen, und die gegen früher sehr geringeZahl derer, die noch an den Umzügen theilnehmen, thun esmeistens ersichtlich in gezwungener Weise: statt die Köpfe wiesonst hochzuhalten, lassen sie dieselben hängen. Freilich, ihreStimmzettel geben sie immer noch für eine der Parteienab, oder aber bethetligen sich gar nicht, wenn die auf„ihre"Partei gesetzten Hoffnungen sich nicht erfüllen. Haben doch derdemokratischen Partei des Staates Neiv-Aork(während dierepublikanische einen der Bevölkerungsvermehrung angemessenenStimmenzuivachs erhielt) 63 000 weniger Stimmgeb« Gesolg-schasl geleistet, als bei den Staatswahlen 1891.«Polizeiliches, Gerichtliches te.— Hans Blum kann sich bei dem Urtheil des HamburgerGerichts gegen den Genossen S t e n g e l e, Redakteur des„Ham>burger Echo", nicht beruhigen und hat deshalb Berufung em-gelegt. Die Sache wird demnach nochmals vor der Straskcunmerzur Verhandlung kommen.Deztelesien.(Depeschen deö Bureau Herold.)Mährisch-Ostrau, 9. Februar. In Polnisch-Ostrau ist derStreik der Bergarbeiter immer noch in Zunahme begriffen.Die Streikenden versuchten bereits. Exzesse einzuleiten unddie Arbeiter anderer Schächte mit Gewalt zur Einstellungihrer Arbeit zu zwingen. Die Polizei hat zu wiederholten Maleneingreifen müssen.(Wolff'S Telegraphen-Bureau.)Paris, 10. Februar. Der Redakteur des„Sozialiste",Breton, ist zu zwei Jahren Gefängniß und 1000 Franks Geld-strafe verurtheilt worden, wegen Bedrohung des PräsidentenCarnot, falls dieser Vaillant nicht begnadigen würde.Paris, 10. Februar. Deputirtenkammer. Aus die Jnter-pellation Faberet's über die Schließung der Arbeitsborse erwiderteder Minister des Innern, Raynal, es sei unmöglich, die Börsewieder zu eröffnen, weil die Arbeitersyndikate das Gesetz vomJahre 1884 nicht beobachteten; gleichzeitig erinnerte der Ministeran die Umtriebe an der Arbeitsbörse. Schließlich wurde die vonder Regierung angenommene einfache Tagesordnung mit 372gegen 166 Stimmen genehmigt.