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Nr. 259.

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Vorwärts

Berliner Volksblatt.

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32. Jahrgang.

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Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.

Sonntag, den 19. September 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amit Morigplatz, Nr. 151 90-151 97.

Ein Sieg der ruffifchen Reaktion.

Die jetzt eingetroffenen russischen Blätter vom Ende der borigen Woche bringen ausführliche Nachrichten über die Vor­gänge, deren weitere Entwicklung zu der plößlichen Vertagung der Duma am 16. d. Mts. geführt hat. Aus diesen Nach richten geht hervor, daß man in parlamentarischen Kreisen Petersburgs bereits Ende der vorigen Woche mit der Mög­lichkeit einer Auflösung der Duma gerechnet hat. In die ver­flossene Woche fielen die Entscheidungskämpfe, die nach der Konsolidierung des Blocks der Parteien der Duma und des Reichsrates unausbleiblich geworden waren. Das Minister­fabinett sah sich vor die Entscheidung gestellt, entweder dem immer mächtiger werdenden Druck der Parteien nachzugeben und einem Vertrauensministerium" den Plaz zu räumen oder die Duma nach Hause zu schicken und in mehr oder minder verhüllten Formen die Diktatur zu proklamieren. Der Zar, der Hof und die derzeitige Regierung wählten das letztere. Der bon patriotischer Kriegsbegeisterung getragenen Reform­bewegung der bürgerlichen Parteien sezten der Zar und seine Regierung mit brutaler Hand einen starken Damm entgegen. Wenn es vielleicht auch nicht an Versuchen fehlen wird, nach der Heimschickung der Duma geheime Verhandlungen mit den Parteiführern anzuknüpfen und die Empörung im Lande durch kleine Konzessionen zu beschwichtigen, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß der Vertagung der Duma der Wille des Baren und der herrschenden Bureaukratie zugrunde liegt, die unbeschränkte Macht in ihrem Besitz zu erhalten und sich in der inneren wie in der äußeren Politik völlig freie Hand zu verschaffen.

Die Zuspigung des Konflikts zwischen der Regierung und den politischen Parteien erscheint unerklärlich, wenn die inneren Vorgänge in Rußland während der letzten Wochen nicht eingehender untersucht werden. Bekanntlich wurde die Duma erst nach längerem Widerstreben der Regierung unter dem Druck der in Petersburg versammelten Parteiführer zum 1. August einberufen. Schon in ihrer ersten Sizung offen­barte sich ein ganz anderer Geist als während der dekora­tiven Kreditbewilligungs- Sizungen im August v. J. und im Februar d. J. Selbst die Führer der gemäßigten bürger­lichen Parteien ergingen sich in heftigen Anklagen gegen die Regierung, deren Untauglichkeit mit brüsken Worten erklärt wurde. Schon in der ersten Dumasigung ertönten aus dem Munde eines bürgerlichen Parteiführers die Worte, daß nur ein verantwortliches Ministerium auf parlamentarischer Grundlage das Land aus seiner jeßigen Arise befreien könne, und der Führer unserer Fraktion, Genosse Tscheidse, vertiefte noch diese Forderung, indem er erklärte, die jeßige Regierung müsse verschwinden und das Volk müsse sein Schicksal selber in die Hand nehmen. Die Hilflosigkeit der Regierung offen­barte sich um diese Zeit so deutlich, und die Empörung der Parteien war so stark, daß ein entschiedenes kraftvolles Auf­treten um diese Zeit der Duma höchstwahrscheinlich eine starke Machterweiterung gebracht hätte. Statt dessen kastrierte die Hauptpartei der bürgerlichen Opposition, die Kadettenpartei, von vornherein die Reformforderungen der Opposition, indem fie die Forderung eines verantwortlichen Ministeriums preis­gab, um nicht den Anschluß nach rechts zu verlieren, und im übrigen alle ihre Energie darauf verwendete, die Staats­und Kriegsmaschinerie wieder aktionsfähig zu machen. Als aber der Lohn für diese Bemühungen ausblieb und die Regie­rung sich damit begnügte, an Stelle alter Bureaukraten jüngere, nicht viel bessere, auf einige Ministerposten zu be­rufen, und als zugleich immer wieder Gerüchte auftauchten, daß die Duma nun nach getaner Arbeit nach Hause geschickt würde, da griff ein starker Unmut nicht nur in den Kreisen der Dumaparteien um sich. Moskau , das Zentrum der russischen Bourgeoisie, ergriff die Führung in einer starken Bewegung, die sich darauf richtete, der Duma den Rücken zu stärken und die Regierung zu umfassenden Reformen zu ver­anlassen. Magistrat, Börsenkomitee, Kaufmannschaft ver­einigten sich in der Forderung eines Vertrauens­ministeriums" aus den Kreiſen der Geſellſchaft, das an Stelle des jetzigen bureaukratischen Ministeriums treten sollte. Slipp und klar erklärten die repräsentativen Körperschaften der stärksten Schicht der russischen Bourgeoisie in ihren Kund­gebungen an die Adresse des Zaren und der Regierung, daß ohne Erfüllung dieser Forderung an eine Einigkeit zwischen Regierung und Volk nicht zu denken sei.

Diese Bewegung griff sofort nach Petersburg und ande­ren größeren Städten in der Provinz über, und gleichzeitig machte sich in den Kreisen der bürgerlichen Dumaparteien eine starke Bewegung geltend, die durch Bildung eines Blocks der stärksten Parteien der Duma und des Reichsrates die Re­gierung zum Nachgeben zu zwingen suchte. Am 24. Auguſt fand die erste Sigung der Vertreter einiger Parteien der Duma und des Reichsrates statt, die die Bildung eines parla­mentarischen Blocks mit gemeinsamem politischem Programm borbereiten sollte. Am 8. September veröffentlichten die Petersburger Blätter den Tert eines gemeinsamen Abkom­

Meldung des Großen Hauptquartiers.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 18. September 1915.( W. Z. B.)

Weftlicher Kriegsschauplatz. Feindliche Schiffe, die sich vor Dünkirchen zeigten, wurden von unseren Fliegern angegriffen. Ein Zerstörer wurde getroffen.

An der Front ist die Lage unverändert. Die Fran­zosen versuchten vergeblich, das ihnen bei Perthes ent­riffene Grabenstück zurädzugewinnen.

Deftlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg . Feindliche Vorstöße bei Schlok sind abgeschlagen; der Augriff auf den Brückenkopf vor Dinaburg wird fort­gesetzt; Teile der feindlichen Vorstellungen sind genommen.

Bei Wilna find unsere Truppen im weiteren Vorgehen. Zwischen Wilia und Njemen wurde die russische Front an verschiedenen Stellen durchbrochen; seit heute früh ist der Feind im Rückzug.

Es wurden 26 Offiziere und 5380 Mann zu Gefangenen gemacht und 16 Maschinen­gewehre erbeutet.

Der rechte Flügel und die

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern haben starke Kräfte über die Szezara gebracht; der Feind beginnt zu weichen.

Heeresgruppe des Generalfeldmarfchalls v. Mackenfen.

In der Gegend von Telechany, Logisch in und südöstlich von Pinst ist der Feind weiter zurückgedrängt.

Die Bente bei der Verfolgung auf Pinsk hat sich auf 21 Offiziere, 2500 Mann, 9 Maschinen­gewehre erhöht.

Südöstlicher Kriegsschauplah.

Vor den deutschen Truppen haben die Russen den Rückzug angetreten.

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Die Beute von Nowo- Georgiewsk beträgt nach jest abgeschlossener Zählung: 1640 Geschütze, 23219 Ge­wehre, 103 Maschinengewehre, 160 000 Schuß Artillerie­munition, 7 098 000 Gewehrpatronen.

Die Zahl der bei Kowno erbeuteten Geschütze ist auf 1301 gestiegen. Oberste Heeresleitung.

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Der öfterreichische Generalstabsbericht.

Wien , 18. September. ( W. T. B.) Amtlich wird ver­lautbart: Wien , 18. September 1915.

Russischer Kriegsschauplak.

Die russische Offensive in Ostgalizien ist an der Strypa zusammengebrochen. Der Feind räumte gestern das Gefechtsfeld der letzten Tage und wich an den Sereth . Zurückgelassenes Kriegsmaterial und andere Anzeichen schleunigen Aufbruches lassen erkennen, daß der russische Rückzug in Haft und Eile vor sich ging. Die Verluste, die der Gegner vor unseren Stellungen erlitten hat, erweisen sich als sehr groß. An der Jkwa ist die Lage unverändert. Im wolhynischen Festungsgebiet dauerten die Kämpfe mit überlegenen russischen Kräften an. Wir schlugen zahlreiche Angriffe ab. Heute nehmen wir Teile unserer dortigen Front in weiter westlich liegende vorbereitete Stellungen zurück. Die t. u. t. Streitkräfte in Litauen erkämpften sich im Verein mit den Verbündeten den Uebergang auf das nördliche Ufer der

Szezara.

Italienischer Kriegsschauplatz.

Im Tiroler und Kärntner Grenzgebiete hat sich gestern nichts von Bedeutung ereignet. Ein Waldbrand vor unserer Popena­stellung( südlich Schluderbach) zwang die Italiener, ihre Linien zu räumen. Im Raume von Flitsch müht sich der Feind unter schwersten Berlusten weiter damit ab, sich an unsere Befestigungen heranzuarbeiten. Wiederholte italienische Augriffe auf den Ravelnik und gegen die Stellungen am Westhauge des Javorcek brachen zusammen. Die Behauptung des offiziellen italienischen Tagesberichts vom 16. September, wir würden Geschosse ver­wenden, die Blausäure enthalten, ist selbstverständlich eine bös­willige Berleumdung.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

mens der Parteien, die dem Block beigetreten waren. Er um­faßte in der Duma die Fraktionen der Kadettenpartei, der Progressisten, der Oftobristen, der Zentrumsgruppe und der Fortschrittlichen Gruppe der Nationalisten, die sich kurz vorher von der Nationalistenpartei abgesondert hatte. Insgesamt traten in der Duma 315 Abgeordnete dem Abkommen bei. während sich im Reichsrat die Zentrumsgruppe und die Aka­demische Gruppe mit ihm solidarisch erklärte.

In dem gemeinsamen Programmi dieses parlantentarischen Blockes, der zum ersten Wale seit dem Bestehen des russischen Parlaments die Mehrheit beider Stammern zu gemeinsamen fortschrittlichen Zielen vereinigte, steht an erster Stelle die Forderung eines Vertrauensministeriums" und einer tatsäch­lichen Veränderung des bisherigen Regierungssystems. Diese Forderung, die auf die Abdankung der bestehenden Regierung und den llebergang der Gewalt in die Hände der Kammern hinausläuft, drückt dem gemeinsamen Aftions­programm des Blocks ihren Stempel auf. Seine weiteren Forderungen tragen den Charakter der Unschlüssigkeit und Halbheit, die deutlich darauf hinweisen, daß der linke Flügel des Blocks einen großen Teil seiner wichtigsten Forde­rungen auf politischem, sozialem und vor allem nationalem Gebiet preisgab, um die gemäßigten Parteien dem Block ein­zugliedern. So verlangte dieses Programm nicht eine voll­ständige, sondern bloß eine teilweise politische Amnestie, und beschränkte sich auf dem Gebiet der Nationalitätenpolitik und der sozialen Probleme mit der Forderung, daß der Weg der Aussöhnung der nationalen und Klassengegensätze be­schritten werde. Machen diese Schwächen und Halbheiten des Blockprogramms es begreiflich, daß der äußerste linke Flügel der Duma, die sozialdemokratische Fraktion und die Arbeits­gruppe, jede Beteiligung an diesem Block, der ihnen nur die Hände gebunden hätte, ablehnte, so gefährdeten sic andererseits die Stellung der herrschenden Bureaukratie um so mehr, als sie den gemäßigten politischen Streifen als gute Sicherung vor weitgehenden inneren Reformen als annehmbar erschienen. Eine andere Frage ist es freilich), ob nicht gerade die politischen Halbheiten des neuen. Blocks der Bureaukratic den Mut gaben, diesen Block durch die Vertagung der Duma unschädlich zu machen, denn die geriebenen Füchse in den Ministerien mußten schon aus der Aufnahme, die das Pro­gramm des Blocks bei den demokratischen Elementen der Be­bölkerung fand, zu der Annahme gelangen, daß der Block durch seine Unentschlossenheit und Halbheit den Ast absägte, auf dem er saß, und keinesfalls darauf rechnen konnte, daj; die breiten Schichten des Volkes sich für sein Programm be­geistern würden.

Der Verlauf, den die Dinge nahmen, scheint die An­nahme zu bestätigen, daß die Parteien der russischen Bour-, geoisie, die jetzt zum entscheidenden Schlag gegen die herrschende Bureaukratie ausholten, vorläufig ihr Spiel verloren haben: erstens, weil sie wertvolle Zeit verstreichen ließen und zur schroffen Opposition erst dann übergingen, als sie der Regierung bereits die wertvollsten Dienste geleistet und den rechtsstehenden Elementen Zeit zur Sammlung ge geben hatten; zweitens, weil sie in ihrem gemeinsamen Aktionsprogramm zwar ihren Willen zur Macht dokumen­tierten, zugleich aber deutlich zeigten, daß die Furcht vor der Demokratie bei ihnen nicht minder stark ist als die Furcht vor der durch die Untüchtigkeit der Regierung herausbeschworenen und immer näher rückenden Katastrophe. Darin und nicht etiva wie bereits liebedienerisch berichtet wird in der Ueberspannung der Forderungen des Blocks liegt der Grund für den jezigen Erfolg der herrschenden Bureaukratic. Die Parteien des russischen Bürgertums stehen jetzt vor einer entscheidenden Wahl. Ducken sie fic) vor der diktatorischen Faust der Regierung oder zeigen sie sich geneigt, auf Hintertreppen mit ihr zu verhandeln, um eine Ston­zessionen zu erschleichen, so übernehmen sie die geschichtliche Verantwortung für alle Sünden des alten Regimes und den drohenden Zusammenbruch. Rassen sie sich aber zu ent­schiedenem Handeln auf, werfen sie, um ihre politische Zu­funft und die Zukunft des ganzen Reiches zu retten, ihre Halbheiten ab, so steht zu erwarten, daß sie den injamen Schlag der Bureaukratie mit einem um so heftigeren Schlag gegen das ganze Gebäude des alten Regimes beantworten.

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Represalien der Regierung.

Der Vossischen Zeitung" wird aus Stockholm gedrahtet:

In einer großen Reihe von Städten wird von stattge­habten Haussuchungen und Massenverhaftun gen berichtet. In den jüngsten vier Tagen wurden in Petersburg auf direkte Anordnung der höchsten Behörden und unter Leitung des Generals Grigorjem über drei­hundert Personen verhaftet, und zwar 32 sogenannte