Nr. 51 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 26
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Sonntag, den 31. Januar 1926
Ungeheure Menschenmengen auf dem Domplatz.
Köln , 30. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Mittags 3 Uhr. Hunderttausend. Menfchen auf dem weiten Kölner Domplat, der vom hellsten Sonnenglang über strahlt ist. Ein weltgeschichtlich betertfames Schauspiel vollzieht sich: der Abzug der letzten britischen Besatzungstruppen, die Niederholung der britischen Flagge, die mehr als sechs Jahre hindurch über Köln wehte. Die Parade der einen Kompagnie britischer Truppen, die von der Kölner Besatzung noch zu.ädgeblieben war, erfolgt sehr rasch, ohne übertriebenes militärisches Schaugepränge, vor dem großen Hotel Egzelsior, dem Hauptquartier des britischen Generalstabes. In dem schnellen Rhythmus der eigentümlichen britischen Militärmusik ziehen die Soldaten mit ihren Offizieren auf, und als es 3 Uhr von den Domtürmen schlägt, läßt ein britischer Sergeant die Flagge herab. Ein brausendes, anschwellendes Rufen, untermischt mit einigen Pfiffen, hallt über den Riesen plag. Diese Kundgebung hatte weder nationalistischen Charafter noch fonnte sie als Sympathieerflärung für die englischen Truppen aufgefaßt werden, deren Verhältnis zu der Bevölkerung in all den Jahren durchaus gut gewesen war. Die Demonstration war einfach der Eindruck einer
gewaltigen Entspannung,
bie jedermann miltriz. Dann marschierte die Kompagnie zum Bahnhof; nicht ein einziger britischer Soldat oder Offizier befindet sich noch in Köln . Erneute Heilruse, als an Stelle der britischen Flagge, die fölnische rotmeiße Fahne hochgezogen wird. Dann strömen die Maffen, noch immer von einem gewaltigen Schuhmannsaufgebot im Baum gehalten, in langen 3ügen vom Domplatz ab. Zahlreiche Häufer Kölns legten im Laufe des Nach mittags Flaggenfchmud an. Es zeigt sich, daß man in Köln dem Befenntnis Schwarz- Weiß- Rot oder Schwarz Rot- Golb gern aus weidt. Reben preußischen Farben fieht man meist die tölnische rotweiße Fahne. Sonntag Nacht 12 Uhr, dem Termin der offiziellen Befreiung, findet vor dem Dom die große und gebung
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„ Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu Jeder von ihnen muß zurüdtreten, wenn ihm der Reichstag ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. Das Reichsbanner Schwarz- Rof- Gold ruft alle Republikaner Dieser Artikel 54 der Reichsverfaffung hat den Parteien durch ausdrücklichen Beschluß sein Bertrauen entzieht." zur Teilnahme auf. Bon vornherein soll den Befreiungsfeiern der nationa deutet eine Abwendung vom alten System, nach dem der des Reichstags schon oft Kopfschmerzen verursacht. Er belistische Charafter fernbleiben. Aehnliche Kund- Reichskanzler nur des kaiserlichen Bertrauens bedurfte, gebungen werden in der Nacht vom Sonntag zum Montag in um im Amte bleiben zu fönnen. Jetzt ist es so, daß der Reichsallen größeren Städten der ersten Besatzungszone, in k repräsident die Reichsregierung ernennt, diese aber feld, München Gladbach usw., stattfinden. fie nicht etwa vom Reichspräsidenten bevollmächtigt ist, den Reichstag aufzulösen einer Bestätigung durch den Reichstag bedarf.
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Nun hat die erste Besatzungszone, die rheinische Hauptstadt Köln , von den fremden Mächten ihre politische, rechtliche, wirtschaftliche Freiheit im Rahmen der deutschen Republik zurückerhalten. Die Besetzung von Düsseldorf und Duisburg war eine Sanktion infolge der Nichtunterzeichnung des Londoner Abkommens, die Besetzung des Ruhrgebietes eine Repreffalie im Zeichen Poincarés. Ganz anders die Situation im altbesetzten Gebiet. Hier war die Besazungsdauer durch den Versailler Vertrag geregelt. Mit der nun erfolgten Räumung der ersten Kölner Zone ist es für immer zu Ende mit den politischen Zielen der französischen Militaristen, die ihre Machtpläne mit der Offupation der Rheinlande verbanden. Die Befreiung Kölns ruft alle Erinnerungen der Bevölkerung an diese sieben Jahre unter fremdem Drud, an wirtschaftliche Abschnürung und Sepa ratiftentage wach. Sie ist ein
gewaltiger Triumph der Reichseinheit. Die Berständigungs- und Versöhnungspolitit bis zu Locarno , deren erste Begbahner die Sozialdemokratie und die hinter ihr stehenden Arbeitermassen, allen Widerständen zum Troß, gewesen waren, trägt ihre Früchte. Der Anfang ist getan zur Befreiung der Rheinlande. Die Fortführung dieser Politik wird am schnellsten zu dem Ziele führen, dessen Verwirklichung alle Rheinländer in gleichem Maße herbeisehnen: daß das ganze Rheinland bald von jeglicher Besagungslast frei wird. Dieser Erfolg famn mur errungen werden im 3eichen der Republik und der Demokratie.
Regierungsentwurf zur Wahlreform. der damaligen annegionistischen Politik Frankreichs gestellt hatte, die er mit schreiender Parteilichkeit bis zum Umschwung im Jahre Wahlalter 21 Jahre?- Ausschaltung der Splitterparteien 1924 fortjeßte. Er zeigte zwar dann eine auffallende AnpassungsBD3. teilt mit: Wie wir hören, stehen im Reichsfähigkeit an die neuen Richtlinien der französischen Politit, doch die ministerium des Innern die Vorarbeiten zu einem Wahl. Erinnerung an seine Tätigkeit in den ersten Jahren der Bölfer reformgefeßentwurf vor dem Abschluß, der als Ziel die Ab bundsverwaltung blieb naturgemäß in der Saarbevölkerung und in schaffung der Listenwahl, die Einführung der Per Deutschland wach und fein äußerlicher Kurswechsel vermochte das fönlichkeitswahl, die Ausschaltung von Splitter Vertrauen wiederherzustellen, das sich Rault bei den deutsch parteien und die Erzielung möglichst flarer Mehrheitsverhält. fühlenden Bewohnern völlig verscherzt hatte. An der Saar werden niffe anstrebt. Wie wir weiter hören, wird an dem Grundsch der dem scheidenden Rault teine Tränen nachgeweint werden. Hoffent. Berhältniswahl festgehalten, dagegen soll eine andere z wedlich wird sein englischer Nachfolger eine glücklichere Hand in der Be mäßigere Berrechnung der Rest stimmen erfolgen. Die handlung des Saargebietes zeigen. bisherigen großen Wahlkreise follen durch fleinere ersetzt werden. Es werden wahrscheinlich 156 Wahltreise geschaffen werden.
Voraussichtlich wird auf 70 000 Stimmen ein Reichstags= abgeordneter tommen, so daß im ganzen mit etwa 390 Reichstagsabgeordneten zu rechnen ist. Der jezige Reichstag zählt befanntlich 493 Abgeordnete. Bahrscheinlich wird das Bahlalter von 20 auf 21 Jahre heraufgefeßt werden. Die Wahl vorlage foll möglichst bald dem Reichstage zugeleitet werden.
Der Termin für das Volksbegehren. Boraussichtlich Anfang März.
Wie dem Reichsdienst der Deutschen Bresse berichtet wird, er. wartet man in politischen Kreisen, daß als Termin für das Boltsbegehr in der Frage der Fürstenvermögen voraussichtlich Die Beit vom 3. bis 17. März bestimmt werden wird. Die Veröffentlichung des Termins unter gleichzeitiger amt licher Bublikation des eingereichten Gefeßentwurfs erfolgt im Reichsanzeiger". Die Zahl der Eintragungslisten für sämt. liche deutsche Gemeinden wird auf rund 1 Million geschätzt. Da die Brüfung und Zählung der Liste längere Zeit erfordert, fann nicht damit gerechnet werden, daß vor Anfang April festgestellt wird, ob bie Borausfegungen für einen Bolfsentscheid vorliegen.
Eine genaue Feftfegung des Termins durch das Reichs. ministerium des Innern ist bisher noch nicht erfolgt.
Rault verläßt die Saarregierung.
Sein Nachfolger foll ein Engländer fein. lebereinstimmende Meldungen aus Baris besagen, daß der bisherige Bräsident der Saarregierungstommiffion, der Franzose Rault, bemnächst non seinem Voften scheiden wird. Sein Nachfolger foll ein Engländer fein.
Diese Abberufung wäre um jo mehr zu begrüßen, als Rault, eine Kreatur Clemenceaus und Poincarés, fich völlig in den Dienst
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Neue Gefährdung des Finanzkompromiffes.
Doumers taktische Mänöver.
Paris , 30. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Die Kamuner hat am Sonnabend vormittag das von der Regierung angeforderte provisorische Budget 3wölftel für den Monat Februar mit 425 gegen 125 Stimmen angenommen, nachdem die Regierung, dem Verlangen der Linken entsprechend, auf die Bewilligung der Kredite für die Einberufung der Reservisten verzichtet hatte. Die Nachmittagssigung brachte die Fortsetzung der Finanz
bebatte.
Der Rückzug, den Finanzminister Doumer bei der Zahlungs. fteuer angetreten hat, stellt sich mehr und mehr als ein rein tattijches Manöver heraus. Die Einzelheiten, die die Doumer nähestehende Preſſe über die von ihm als Erfaß für die Zahlungs: steuer vorgeschlagene Produktionsabgabe" veröffentlicht, lassen un weideutig erkennen, daß es sich im Grunde lediglich um eine zweideutig erkennen, daß es sich im Grunde lediglich um eine Namensänderung handelt. Die von Finanzminister in Aussicht genommene neue Steuer soll nicht etwa ausschließlich die Produktion erfaffen, sondern nach dem Vorbilde Belgiens eine Konjumab. gabe auf alle Geschäfte zwischen Kaufleuten bilden. Die einzige Kenzession, die Doumer danach gemacht hat, besteht darin, daß der Kleinhandel von dieser Abgabe ausgenommen sein soll. Unter tiefen Umständen scheint das bereits als sicher angekündigte Kompromiß zwischen Kabinett und Kammermehrheit abermals in Frage
gestellt.
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wenn
Die dem Artifel 54 am genauesten angepaßte Formel der Bestätigung ist die Annahme einer Erklärung, daß die Reichsregierung das Vertrauen des Reichstags befigt". Aber ihrer Anwendung steht gewöhnlich der Umstand im Wege, daß ein wirkliches Bertrauen" einer Mehrheit zu der neuernannten Regierung gar nicht vorhanden ist. Hätten wir in Deutschland das Zweiparteiensystem, so wäre es der augenblicklich fiegreichen Partei sehr leicht, der Regierung, der aus ihr allein gebildeten Regierung das Bertrauen auszufprechen. Das Wort„ Bertrauen" würde sich dann mit seinem wirklichen Inhalt decken. Aber wir haben im Reichs tag acht Parteien, aus denen sich immer mehrere zu einem Bertrouensvotum zusammenfinden müssen, wenn diefes die
Mehrheit erhalten soll.
In jeder Regierungsfoalition wird es mindestens eine Partei geben, die sich irgendwie als, seitab stehend betrachtet, die von der Zusammensetzung und dem Brogramm der Regierung durchaus nicht befriedigt ist, und in ihnen nur das kleinste der im Augenblid möglichen Uebel erblickt. Und am häufigsten wird sich die Sozialdemokratie in diefer Lage finden: denn ihrer ganzen Natur nach muß ihr Streben auf Allein herrschaft durch Gewinnung der Mehr heit gerichtet sein, und sie will die grundsätzlichen Unterschiede, die fie von den bürgerlichen Parteien trennen, nicht ver wischen lassen.
Die Anwendung der Bertrauensformel bei der Einführung einer neuen Regierung setzt ein größeres Maß von Berständnis für die Eigentümlichkeiten des parla. mentarifden Systems voraus, als es heute im deutschen Volfe vorhanden ist. Man nimmt das Wort Bertrauen wirklich und meint, wenn eine Partei für eine Bertrauenserklärung im Reichstag stimme, wolle sie dadurch der neuen Regierung gegenüber ihre Gefühle zum Ausdrud bringen. In Wirklichkeit wird durch die Annahme der Bertrauenserklärung weiter nichts gesagt, als daß die Partei der Regierung zunächst einmal das Leben lassen mill. Diese Absicht geht gewöhnlich auf ganz andere Beweggründe zurüd als auf den, daß man das Programm der Regierung für befriedigend hält und von ihren Mitgliedern nur löb. liche Taten erwartet.
und nur auf Beit gegebenen„ Bertrauensobtums" durch die Um einer agitatorischen Mißdeutung des rein formalen Gegner vorzubeugen, hat man oft nach Auswegen gesucht. Der gewöhnliche ist der, daß man der Regierung nicht das Vertrauen, sondern nur der von ihr abgegebenen Erklärung die Billigung" ausspricht. Das ist der sogenannte„ Ber= trauens- Ersay". Viele Regierungen mußten sich mit ihm begnügen. Zuleßt die Regierung Luther Schiele, der das Sentrum durchaus nicht das Bertrauen" aussprechen wollte. Die christlichen Arbeiter hätten sich zu sehr gewun bert, wenn ihre Partei einer Regierung, in der vier Deutschnationale saßen, das„ Vertrauen" ausgesprochen haben
würde.
Nachdem sich Herr Luther für sein zweites Kabinett statt
mit Deutschnationalen mit Demokraten versehen hat, stand die Sozialdemokratie vor der Frage, wie sie fich bei der Abstimmung, die über das Schicksal des Kabinetts gerentschied, entschied, stellen sollte. Herr Luther selbst hatte den Ausweg des Vertrauens- Erfaßes" verbaut, indem er ein flares Bertrauensvotum gefordert hatte. Da die Sozialdemokratische Partei von cornherein die Absicht hatte, das neue Kabinett zunächst einmal criſtieren zu lassen, wäre es an fich fonfe quent gewesen, für das Bertrauensvotum zu stimmen. Eine folche Haltung hätte aber ein sehr weitgehendes Verständnis der breiten Massen für die Notwendigkeiten des parlamenta. rischen Systems und für die besondere Bedeutung des Wortes Bertrauen " in diesem zur Vorausseßung gehabt.
Genua , 80. Januar. ( WTB.) Studenten veranstalteten bier eine Sundgebung gegen das deutsche Ronfulat. Sie verfuchten in das Koniulat einzubringen, wurden aber von einer Eruppenabteilung zurüdgedrängt. Die Demonstranten ger ftreuten sich dann, ohne daß es zu weiteren 8wischenfällen ge lommen wäre.
Darum wählte die Frattion den Ausweg der Stimm. enthaltung . Gegen ihn sprach die Erwägung, daß man dadurch den Ausgang der Abstimmung, statt ihn maßgebend zu beeinfluffen, dem Zufall überließ. Immerhin war mit einem ziemlich hohen Grad von Wahrscheinlichkeit vor. auszusehen, daß die Stimmenthaltung genügte, um einen Sieg der deutschnational- tommunistischen Opposition zu ver