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Abendausgabe

Nr. 251 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 123

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Vorwärts

Juh

Berliner Volksblatt

10 Pfennig

Montag

31. Mai 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Vorwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Pilsudski gewählt und lehnt ab!

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Warschau , 31. Mai. ( Eigener Drahttbericht.) Die Nationalversammlung ist bei überaus starter Teilnahme der Abgeordneten und Senatoren, von denen nur wenige fehlten - darunter Witos und zwei seiner Exministerkollegen um 10 Uhr 10 Minuten eröffnet worden. Die drei Parteien der Rechten haben den Pofener Wojwoden Bninski gegen Pilsudski aufgestellt. Die rechte Bauernpartei Piast hat in der letzten Nacht befchloffen, sich der Kandidatur Pilsudskis nicht entgegenzustellen. Um 11 Uhr 25 Minuten begann die Stimmenzählung. Sie ergab 485 gültige Stimmen. Die absolute Mehrheit beträgt 274. Pilsudski wurde mit 292 Stimmen gewählt. Auf Bninski lauteten 193 Stim­men. 61 Mitglieder enthielten sich der Stimme.

Abwesend waren nur 10 Abgeordnete, davon 2 entschul­digt; von den übrigen 8 gehörten 4 zu den Minderheitsvölkern, 4 zur Rechten. Die Rechte hätte bei dieser Besetzung des Hauses 204 Stimmen aufbringen müffen, aber der größte Teil der Piaft- und der Nationalen Arbeiterpartei stimmten für Pilsudski . 12 14 4

Die Cinke nahm die Wahl des Marschalls Johann Pil­fubftis mit Begeisterung auf. Einige Abgeordnete des Zentrums ftimmten beim Berlaffen des Saales die Natio. nalhymne an. Die deutschen Abgeordneten stimmten gefchloffen für Pilsudski .

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Sejmmarschall Rataj ichidte nach Feststellung des Wahlergebniffes einen Sekretär zu Pilsuditi mit der Anfrage, ob er die Wahl annehme und wann er den Eid auf die Ber­faffung vor der Nationalversammlung leisten wolle.

Pilsudski lehnt ab!

Warschau , 31. mai.( WEB.) Die hiesige Ber­fretung der Associated Preß " meldet: Marschall Pilsudski hat die Wahl zum Staatspräsidenten aus verfassungs­rechtlichen Bedenten abgelehnt und Professor 3iechowski( Wilna ) fowie Profeffor Ignaz Moscisti ( Lemberg ) zur Wahl an seiner Stelle vorgeschlagen.

Erregung in Warschau .

die Wege zu leiten, die dann später die Regierung vor dem Sejm verantworten wird. 3h will nicht den Vorwurf hören, daß ich die begonnene Arbeit nicht bis zu Ende durchgeführt habe und die Peitsche nicht habe in den Straßen tnallen lassen. Mein Programm hat daste med Ziel, das Gaunertum zu verringern und der Redlichkeit

den Weg zu bahnen.

Der Gewählte muß deshalb die Ehre höher ftellen, als einige Groschen verdienen zu können. Ich werde mich nicht ändern, ich werde die Diebe an die Wand drücken. Ueberdenken Sie dies, meine Herren, und besprechen Sie dies noch untereinander.

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weniger als vier Währungstatastrophen hintereinander erlebt hat.

Zuerst nach dem Abzug der Russen und nach den zwei russischen Revolutionen die vollkommene Entwertung des Rubels, der ja nicht zugleich mit den russischen Truppen aus dem Lande verschwand. Dann die Katastrophe des von den Deutschen und Desterreichern eingeführten Offuptions­geldes. Es folgte der Sturz der polnischen Martin den tiefften Abgrund und seit langer Zeit ist auch der neu­eingeführte, allerdings zu hoch stabilisierte 31oty immer stärkerer Entwertung anheimgefallen. Auf solch wankendem Balutaboden gedeihen Schiebertum und Korruption am besten.

Die Kampfparole Pilsudskis gegen die Korruption läßt Diese Rede Pilsudstis zeigt, daß sein Programm vor aber deutlich erkennen, wie start er und mit ihm seine An­allem die Bekämpfung der Korruption in Polen hänger die Korruptionserscheinungen für das schwere ist. Wenn sein militärisches Unternehmen begeisterte 3uirtschaftselend verantwortlich machen, unter dem ftimmung und selbst attive Unterstügung bei den Arbeitern Bolen seit geraumer Beit unfagbar leidet. Zur Er­und fleinen Leuten gefunden hat, so in erster Linie deswegen, flärung dieser dauernden Wirtschaftskrise kann allerdings noch weil das polnische Bolt und die Minderheitsvöller seit Jahr so schlimme Korruption nicht ausreichen. Sie hat ihre tieferen und Tag die Korruption bei zivilen und militärischen Be Ursachen in dem Mangel an Rapital, in der Land. hörden immer höher steigen sahen, ohne daß Regierung und armut der Kleinbauern, wie in der 3 urüdgeblieben­Barlament energisch genug dagegen vorgegangen wären. heit des technischen Landwirtschaftsbetriebes und nicht zu­Die Spalten der polnischen Presse aller Sprachen, freilich nur lezt auch darin, daß die fongreßpolnische Industrie ihren der linksstehenden oder den Minderheitsvöltern dienenden, alten und natürlichen Abfaßmarkt, Rußland , verloren hat. waren voll von Berichten und Anflagen über standalöse Zweifellos aber werden die polnischen Staats- und Bolts­Rorruptionsfälle, und bis in die höchsten Stellen hinein ließen finanzen auch schwer getroffen durch die ungeheuren sich diese schmußigen Fäden verfolgen. Pilsudsti will nun Heeresausgaben, die nicht weniger als 40 Broz. der der Korruptionshydra zu Leibe gehen. Leicht wird ihm die gesamten Staatsausgaben betragen. Und ob gerade Mar­Arbeit nicht werden, denn die Beteiligten haben alles Inter- schall Bilfubfti geneigt sein wird, diese Ausgaben wirksam effe daran, zusammenzuhalten und ihre Entlarvung zu vereinzuschränken das ist eine wichtige, aber erst von der hindern. Man darf nicht vergessen, daß Polen nicht Zukunft zu beantwortende Frage!

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Aufhebung der Immunität Wulles.

Sejmmarschall Rataj erklärte in Anwesenheit des Minifter. Mit allen gegen die Stimmen der Kommunisten beschlossen. Die Aufhebung

präsidenten Bartel um 12,45 Uhr vor Vertretern der polnischen Presse, daß Marschall Pilsudski die Wahl zum Staatspräji- adi nollow b denten nicht annehme. Sein Beschluß, so erklärte Rataj, fei unwiderruflich.

Infolgedeffen hat Sejmmarschall Rataj für morgen zehn Uhr die Nationalversammlung wiederum einberufen, um die Wahl des neuen Staatspräsidenten vorzuneh­men. Der Entschluß Pilsudsfis hat in politischen Kreisen eine ungeheure Erregung hervorgerufen. Die Folgen der Entscheidung des Marschalls Pilsudski laffen sich zurzeit noch nicht in ihrem ganzen Umfange übersehen.

Warschau , 31. mai.( WTB.) Marschall Pilsudski hat die auf ihn entfallene Wahl abgelehnt mit der Begründung, in den Ziffern des Wahlergebniffes fomme für seine Auffaffung nicht hinreichend der Wille zur Säuberung zum Ausdrud, den er von dem Sejm als Voraussetzung für die Annahme einer Wahl gefordert habe.

Die von ihm vorgeschlagenen beiden Kandidaten sind beide Hochschullehrer von Ruf. Prof. Moizidi ist Chemiter und wirfte als solcher in Lemberg . Er gehört zurzeit dem Vorstand des jüngst im Haager Prozeß Polen abgesprochenen Stidftoffwerkes Chorzow an. Der zweite Kandidat 3dziechowski ist Professor der Philosophie in Wilna und wirkte vor dem Kriege in gleicher Eigenschaft in Krakau . Er ist ein naher Verwandfer des früheren Finanzminifters gleichen Namens und genießt als Rechtsphilosoph, insbesondere wegen seiner Bücher über die Rechtsauffassung des Weftens und diejenige Rußlands , in Polen einen großen Ruf.

Pilsudskis Ansprache vor der Wahl.

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Die in unserer Sonntagsnummer furz wiedergegebene Ansprache Pilsudskis an die Bertreter der Parlamentsfraktionen am Sonnabend enthielt folgende Wendungen: Die Verhältniffe in Polen haben sich derart entwickelt, daß ich es zu einer Nationalversammlung gar nicht hätte tommen laffen brauchen. Ich werde feinen Drud ausüben, aber ich warne Sejm und Senat: wählt teinen Parteimann zum Kandidaten. Sonst könnte ich Sejm und Senat, die im Lande best gehaßten Einrich­fungen, vor der Strafe nicht schützen. Ich werde es zu ver­hindern wiffen, daß in Polen ein Mann unter dem Terror von Schurken regiert, denn

ich habe den Gaunern, Halunken, Mördern und Dieben den Krieg erklärt. Sejm und Senat haben ein Uebergewicht an Rechten sie sollen jetzt ausruhen, um den Regierenden Gelegenheit zu geben, zu zeigen, was fie fönnen. Was mich betrifft, fo macht mit meiner Kandidatur, was Ihr wollt. 3hr könnt wählen, wen Ihr wollt. Jedoch fucht einen würdigen Vertreter. Wenn dann der Präsident gewählt ist, so wird es gut sein, wenn die Herren auf eine gewisse Zeit auseinandergehen. Man muß dem Präsidenten die Freiheit geben, eine Regierung zu ernennen und jene Arbeiten in

der Immunität Kubes im Reichstag beantragt.

Der Geschäftsordnungsausschuß des Landtages ver

handelte heute vormittag über den bereits angekündigten Antrag des preußischen Justizministeriums, die Immunität des deutsch pöllischen Abg. Bulle aufzuheben. Der An­trag des Justizministeriums ist auf Grund der Aussagen des Grütte­Lehder in der Schwurgerichtsverhandlung im Zusammenhang mit den Erörterungen im Femeuntersuchungsausschuß des Landtages gestellt worden, nach denen Grütte- Lehder den Auftrag zur Be­seitigung des völkischen Spizels Heinz Dammers alias Müller von dem Abg. Bulle bekommen haben soll. Dammers ist von Grütte Lehder ermordet worden, weil er einen Plan zur Ermordung des Innenministers Genoffen Severing verraten wollte.

Nach den Ausführungen des Berichterstatters Nuschte( Dem.) find die Strafbehörden den Aufsehen erregenden Mitteilungen des Grütte- Lehder nachgegangen; sie haben insonderheit festgestellt, wie fich Grütte- Lehder seinen Gesinnungsgenossen gegenüber verhalten hat. Danach kann es feinem Zweifel unterliegen, daß auch aus den Aussagen der von Grütte- Lehder genannten Zeugen von Wulle der Auftrag gelommen ist, Dammers umzubringen und daß Wulle von den Vorbereitungen zur Ermordung Severings gewußt hat.

Der Ausschuß trat dann in eine Erörterung der Frage ein, ob auch gleichzeitig mit der Aufhebung der Immunität die Ge­nehmigung zur Verhaftung gegeben sei. Im Antrag des Justizministeriums ist davon nicht die Rede.

Nach Meinung des Ausschusses und auch des Vertreters des Justizministeriums wäre mit der Aufhebung der Immunität an fich noch nicht die Genehmigung zur Berhaftung beschlossen. Ein solcher Antrag müßte vom Justizministerium besonders gestellt werden.

Der mit beratender Stimme an der Sigung teilnehmende völkische Abgeordnete Körner sprach feine prinzipielle Zustimmung zur Aufhebung der Immunität aus, da feine Partei den bringenden Wunsch hätte, gegen die lügenhaften" Aussagen des Grütte- Lehder fich zu rechtfertigen. Immerhin müsse er aber Bedenken gelten laffen, da bisher weder Wulle noch Kube vor dem Untersuchungs­ausschuß Gelegenheit gehabt hätten, Grütte- Lehders Aussagen zu berichtigen.( Und das nach dem unverschämten Brief des Reichs. tagsabgeordneten Kube an den Ausschuß. Anm. d. Red.) Es sei auch bisher noch kein Strafverfahren gegen Grütte- Lehder einge. leitet worden, der nach seiner eigenen Aussage Severing ermorden wollte. Im übrigen läge auch beim Reichstag noch fein Antrag

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Das Justizmi iftreium hat besonders Gewicht auf die Aeuße. auf Aufhebung der Immunität des Abg. Kube vor.

rung Wulles gelegt, nach der er Grütte- Lehder überhaupt nur einmal und dabei nur ganz flüchtig gesprochen habe. Dieser Aus­fage stehen die Aussagen anderer Zeugen und die Bekundungen Grütte- Lehders selbst entgegen.

Der Berichterstatter bezog sich darauf, daß die Deutschvölkische Freiheitspartei selbst gebeten habe, die Immunität aufzuheben. Sicher hätte jede Partei den dringenden Wunsch, führende Mitglieder ihrer Barlamentsfraktionen von so furchtbarem Berdacht zu reinigen. Allerdings sei der Wunsch einzelner Mitglieder oder Parteien, die Immunität aufzuheben, bisher niemals für den Ausschuß wie für das Plenum maßgebend gewesen.

Er wolle feine Definition des politischen Mordes geben. Nach dem aber von einer Behörde wie vom Justizministerium der Ver­dacht ausgesprochen ist, daß der Abgeordnete Bulle in dem einen Falle bei den Vorbereitungen zur Ermordung des Minifters Severing mitgewirkt habe, und im anderen Falle zur vollendeten Ermordung des Dammers Zustimmung und Auftrag gegeben hat, hätte das Barlament im Intereffe feines eigenen Ansehens die Pflicht, die Aufklärung diefer mysteriösen Angelegenheit durch eine gerichtliche Untersuchung so schnell wie möglich flarzustellen. Das Barlament fönne in diesem Falle nicht anders verfahren, wie in früheren Fällen, wo gegenüber tommunistischen Abgeordne- ten sogar noch weitergehende Maßnahmen er griffen feien. Er beantragte deshalb, die Aufhebung der Immunität des Abg. Wulle zu beschließen.

Der Vertreter des Justizministeriums erklärte, daß ein Antrag auf Aufhebung der Immunität Kubes an den Reichstag zufammen mit dem Antrag an den Preußischen Landtag abgegangen sei.

Die Kommunisten gaben durch den Abg. Pied eine schriftlich formulierte Erklärung ab, daß sie den Antrag auf Aufhebung der Immunität ablehnen! Die gerichtliche Untersuchung gegen Wulle sei doch nur eine Komödie. Sie hätten fein Vertrauen zu den Gerichten. In diesem Mißtrauen würden sie bestärkt durch den Wunsch der Völkischen auf Aufhebung der Immunität.

Den Ausführungen deutschnationaler und volksparteilicher Ab. geordneten traten die Abg. Rosenfeld ( S03.) und Heilmann( S03.) entgegen. Es sei nicht die Aufgabe des Ausschusses, darüber zu diskutieren, inwieweit Grütte- Lehder glaubwürdig set oder nicht. Jedenfalls sei bis jetzt aber festgestellt, daß sich die Aussagen Grütte­Lehders als richtig und die Angaben Bulles als falsch herausgestellt haben.

Im übrigen gaben alle bürgerlichen Barteien die Erklärung ab, daß sie der Aufhebung der Immunität zustimmen. Demgemäß wurde mit allen gegen zwei Stimmen der Kommunisten die Aufhebung der Immunität des Abg. Wulle befchloffen.

Der Antrag des Geschäftsordnungsausschusses wird so schnell wie möglich an das Plenum des Hauses kommen. Es unterliegt feinem Zweifel, daß das Haus dem Antrage des Geschäftsordnungs. ausschusjes zustimmen wird.