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Abendausgabe

Nr. 32743. Jahrgang Ausgabe B Nr. 161

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-292 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Pfennig

Mittwoch

14. Juli 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Gefchäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Es soll vertuscht werden.

Dr. Held und seine Presse gegen die Aufklärung der Fememorde.

Der Beschluß des Fememord- Untersuchungsausschusses, seine| daß man sich trotzdem nicht gegen ihre Einbeziehung in die Unter­Sigungen nach München zu verlegen, hat die bayerische Bierzelle fuchung gewehrt habe. Hätte der Femeausschuß des Reichstags ganz aus dem Häuschen gebracht. Ministerpräsident Held strapa- feine Tätigkeit und seine Arbeitsmethode darauf beschränkt, politi­zierte sich in höchst eigener Person. Er ließ die verlässige" Presse schen Mordtaten auf die Spur zu kommen, niemand hätte in Bayern zu sich kommen, um die Parole auszugeben, gegen diesen neuen ein Wort dagegen gesagt, obwohl es für bayerisches politisches ,, Einbruchsversuch in die Eigenstaatlichkeit Denken und Fühlen schon eine starke Belastungsprobe darstellt, Bayerns ". Die Barole wurde prompt befolgt. Am nächsten Tag einen Reichstagsausschuß mit Dingen beschäftigt war in den Münchener Neuesten Nachrichten", dem zu sehen, die eigentlich nur die bayerische Justiz lesen, daß, um der Schädigung der bayerischen Wirtschaft willen", gewiffe bayernfeindliche Elemente wollen angeblich den Ausschuß bekannten Organ mit der firen Idee der Marristenvernichtung, zu angehen".(!) Und nun kommt der Dreh. Es wird behauptet, die Verhältnisse Bayern so hingestellt würden, als ob man seines dazu mißbrauchen, Lebens nicht sicher sei". Man hat eben vergessen, daß der Minister­präsident Held selbst diese Feststellung gemacht hatte, als es ihm in der bayerischen Retorte allzusehr brodelte. Im übrigen will das Platt wiffen, daß die bayerische Rechtspflege sich selbst schon um die Aufhellung politischer Mordtaten bemüht habe. Wir müssen allerdings sagen, daß wir davon beim Prozeß gegen den Mörder des Kellners Hartung, im Mordfall Dobner und in der Sache Gareis nicht gar viel gemerkt haben. Der Ministerpräsident Held wird sich ja noch erinnern, wie er zu ſammen mit den anderen Rechtsparteien im Oktober 1920 den Unter­fuchungsausfchuß des Bayerischen Landtags sprengte und damit die Aufklärung der Mordfälle Sandmeyer und Dobner verhinderte.

Der Bayerische Kurier" nennt die Verlegung des Aus­schusses einen Einbruchsversuch in die Eigenstaatlich feit Bayerns , das man fühlen lassen will, wie es sozusagen nur von Reichsgnaden da ist und wie man es jederzeit unter Reichsauf­ficht nehmen tam. Es scheint fast, als ob gewisse Leute Bayern mieder einmal einen Treff versezen möchten und die Gelegenheit günstig finden, die bayerische Regierung und die bayerischen Be­hörden diskreditieren zu fönnen". Nein, das ist wirklich nicht mehr nötig; bayerische Regierung und Behörden haben das selbst so aus­giebig besorgt, daß auf diesem Gebiet kaum noch etwas zu tun übrig bleibt.

Die offizielle Bayerische Volksparteitorrefpon­denz betont, daß die bayerischen Mordfälle eigentlich außerhalb des Aufgabenbereiches des Femeaus schusses liegen und stellt es dann als eine besondere Gnade hin,

Ermächtigungsgesetz in Belgien .

Schnelle Beratung.

Brüffel, 14. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die Regierung hat sich entschlossen, der Balutapanik mit starken moralischen und materiellen Mitteln entgegenzuarbeiten. Sie veröffentlicht einen beruhigenden Aufruf ans Land. In der Kammer herrschte gespanntes Intereffe, als Ministerpräfident Jaspar eine Er­flärung abgab, um das Ermächtigungsgefeß zu begründen, das der Regierung für die Dauer von sechs Monaten außerordent liche Bollmachten zur Behebung der Finanzkrise erteilt. Er wandte starte Gefühlsargumente an, die nicht ganz eindrudslos blieben. Bon positiven Erklärungen ist festzustellen, daß die Berzinsung der Eisenbahnattien mit valutarischer Garantie erfolgen foll, Daß der Ausschuß zum Schutz des Franken bereits heute in Tätig Peit getreten ist, der sowohl Valutatransaktionen wie Kapitalbe­wegungen strenger fontrolliert. Die Graubrotfrage soll schon am heutigen Mittwoch geregelt, sowie drakonische Maßnahmen gegen den Lugusverbrauch und die Nachtlokale getroffen werden. Jaspar betonte start, es bestehe feinesfalls die Absicht, der Verfassung irgendwie Abbruch zu tun, aber im gegenwärtigen Augenblick müsse die Regierung die Möglichkeit haben, schnell zu handeln und der Nation den Weg des Heits zu zeigen. Die Etabilisierung des Franten werde unbedingt tief unter dem heutigen Kurs erfolgen. Die Arbeitslosenunterstützung sowie die Altersrenten der Bergarbeiter, später aller alten Arbeiter würden erhöht werden. Auch Vandervelde bat die Kammer in sehr eindrucksvoller Rede, der Regierung in diesem tragischen Augenblick volles Vertrauen entgegenzubringen. Nach furzer Diskussion wurde dem Gefeßentwurf die Dringlichkeit zugebilligt und die Sigung abge. brochen, um den Gesezentwurf sofort in den Fraktionen durchzu­beraten. Die verlangten Vollmachten sind sehr weitgehend und er­streden sich auf so ziemlich alle denkbaren Maßnahmen, die mit Balutafragen zusammenhängen.

Das Pfund notierte Dienstag amtlich 117 gegen 100 am Montag. Die Gewerkschaftskommission beschloß angesichts der stetigen Verschlimmerung der wirtschaftlichen Lage und der Unwirt samkeit der bisherigen Regierungsmaßnahmen sowie der steigenden Unzufriedenheit der Arbeiterschaft, deren Forderungen dem Premierminister vorzulegen.

Sozialisten für die Transferklaufel mit Amerika . Baris, 14. Juli. ( Eigner Drahtbericht.) Im Namen der sozialistischen Kammerfraktion hat Vincent Auriol einen An­trag in der Kammer eingebracht, in dem die Regierung ersucht wird, neuem die Washingtoner Verhandlungen DON aufzunehmen, um dem amerikanisch - französischen Schulden abkommen eine Transfer- Klausel beizufügen. Das Journal" glaubt zu wissen, daß diese Verhandlungen mit Washington bereits im Gange seien und daß die Transfer- Klausel wie in dem Schulden­ablommen mit England in zwei Briefen formuliert werden wird, die dem abzuschließenden Abkommen als Anhang beigegeben werden,

ihr sozialistisches Mütchen einmal an Bayern zu fühlen und so etwas, wie eine sensationelle politische Inquisition gegen Bayern zu betreiben... Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß das Verlegen des Untersuchungsausschusses mitsamt dem Herrn Dr. Levi nach München einfach eine politische Unmöglichkeit ist, die schon um des Ansehens des Reichstags in Bayern willen nicht

versucht werden darf."

Ber aber nach dieser unerhörten Heze des verfolgungswahn­sinnigen bayerischen Schreibers noch nicht wissen sollte, wo man hinaus will, der kann den Kommentar in der Münchener 3eitung", dem Leiborgan des verflossenen Diftators Rahr, nachlesen. Dort wird angefündigt, man werde sich in Bayern energisch zur Wehr seßen. Man wolle den Ausschuß nicht in München haben, wo die Gefahr bestehe, daß die politischen Leidenschaften in der übelsten Weise aufgepeischt und Ruhe und Ordnung Bedroht würden.

Das Potemkinverbot.

Ungefegliche Willtür reaktionärer Bureaukraten.

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Das Fehlurteil der Filmoberprüfstelle, das den ,, Panzer­freuzer Potemkin" derbietet, ist zum Teil eine Folge des überwiegend reaftionären Berwaltungss apparats der Republit. Als Sachverständiger bei den Filmprüfstellen für die Frage der Gefährdung der öffent­lichen Ordnung und Sicherheit fungiert der Oberregie rungsrat Mühleifen, der zwar Beamter des dem Reichsinnenminister nachgeordneten Reichskommissariats für diese Fragen, geistig aber vollkommen abhängig von den Herren im Reichswehrministerium on den Herren im Reichswehrministerium eine unpolitische Veranstaltung parteimäßig ungebundener ist. Ihn kennzeichnet, daß er unlängst als Sachverständiger vor der Filmprüfstelle den Deutschen Tag in Halle 1924 als Organisationen ausgab, für die keine Veranlassung vorlag, die Mitwirkung der Reichswehr zu vermeiden. Die ersten Blätter, die gegen den Potemkin" Sturm liefen, waren die Beitungen, die auch sonst gern sich für die Veröffentlichungen gewiffer Stellen aus dem Reichswehrministerium hergeben. als er mit dem Potemkin"-Berbot bei der Oberprüfstelle nicht Wir konnten seinerzeit berichten, daß Mühleisen, durchdrang, den Oberreichsanwalt auf die Fährte fette. Er mußte bei den jezigen Verhandlungen dem Ver= treter der antragstellenden Firma, Genossen Paul Levi , zu­geben, daß der Oberreichsanwalt die Verfolgung der Sache abgelehnt habe. Er mußte weifer in diesem Zu fammenhang nicht uninteressant- bekennen, daß ein wichtiger Teil des Materials, mit dem der Vertreter der würt tembergischen Regierung den Widerruf begründet, von ihm dienstlich übersandt war. Sein Guts achten und die der Herren vom Reichswehrministerium waren nicht nur politisch kläglich, sondern auch rechtlich volltom­men unhaltbar. Sie verwiesen immer wieder auf den russischen Ursprung des Films, die kommunistische Neigung, Revolutionen durch Erinnerungen an vergangene vorzubereiten, obwohl das Filmgefeß jede Absichtszenjur ausschließt und lediglich die Wirkungszenjur gestattet. Mit erschütternder Deutlichkeit aber zeigten Sachverständige und Vertreter der den Widerruf beantragenden Landesregie rungen, daß sie diesen Film beseitigen wollen, weil er getragen ist von Empörung gegen Unter Schiff lenken, die Größe des freien Volkes, das sich selbst regiert, im Symbol auftritt. Die Untertanengesin­nung, ohne die die Wiederherstellung des Obrigkeitsstaates unmöglich ist, gefährdet der stumme Freiheitsgefang. Der Haß gegen die Demokratie hat diese Regierungs­verfreter geleitet, die sich die Staatsautorität nur in Form des Barismus denken können. Der Vertreter der preußischen Regierung betonte denn auch, daß Preußen seine Staats autorität nicht für gefährdet halte, weil es sich bewußt sei, daß sie auf anderen Kräften beruhe, wie auf der Gewalt, gegen die im Potemkin" rebelliert wird.

Diese Aufpeitschung der Leidenschaften in übelster Weise besorgt allerdings die Münchener Monarchistenpresse in höchstem Maße. Es ist die alte Heze gegen Reich und Reichseinrichtungen, die wieder auflebt, und die Parole dazu hat Herr Held ausgegeben, der derzeitige Ministerpräsident des Freistaates Bayern . Im Oftober 1920 hatte er als Abgeordneter dafür gesorgt, daß der bayerische Landtags- Untersuchungsauschuß die Mordaffären Sand. mayer und Dobner nicht aufklären fonnte. Die Parole, die der Ministerpräsident jetzt an die Presse ausgegeben hat, wirkt in der gleichen Richtung. Sie bereitet der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses Schwierigkeiten. Will das der banebrüdung, weil da, wo die Matrosen ohne Offiziere ihr rische Ministerpräsident?

Das Marokkoabkommen.

Sein technischer Charakter.

Paris , 14. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Das spanisch- franzö­fische Maroffoabfommen, das am Dienstag von Briand und Primo de Rivera unterzeichnet und abends der Presse über. geben wurde, ist ziemlich furz. Es behandelt im einzelnen die Fragen der Einflußzonen Spaniens und Frankreichs in Maroffo, die Küstenbewachung und das Grenzregime zwischen der französischen und spanischen Zone, an deren Grenzen selbst ebensowenig wie an den internationalen Maroffoabkommen der neue Vertrag nichts ändert. Der Vertrag schließt mit dem Wunsche, daß die friedliche Zusammenarbeit der beiden Bölker die­felben Früchte wie das militärische Zusammengehen bringen werde, zum Nutzen des Landes selbst.

13 Todesurteile in Smyrna. Der Spruch des Revolution tribunals. Condon, 14. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Im Smyrnaer Komplottprozeß gegen eine Reihe bekannter politischer Führer megen Attentats perfuchs gegen die jetzige Regierung wurde am Dienstag nachmittag das Urteil gefällt. 13 der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt, darunter der frühere jungtürkische Minister Schutri, 5 Abgeordnete der Oppofition und 6 Leute, die für die Tat gedungen waren. In Abwesenheit wurde der Jung­türfe Remal verurteilt. Die 13 Hinrichtungen werden wahrscheinlich schon im Laufe des Mittwochs erfolgen.

Der portugiesische Film. General da Costa taucht wieder auf? Nach neuen, bisher allerdings unbestätigten Meldungen aus Lissabon soll die Mannschaft des Kreuzers, der General da Costa nach den Azoren zwangsweise bringen sollte, ge mentert haben. Das Kriegsschiff soll sich auf dem Rückweg nach Lissabon unter Leitung seines Gefangenen" befinden!

Der Staatsanwalt von Braunschweig . Du Roi will keine neue Berhandlung. Braunschweig , 14. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Der Dбer staatsanwalt du Roi. Braunschweig, dem als Leiter der Landes­ftrafanstalt Wolfenbüttel in unserem Braunschweiger Barteiblatte eine nachlässige Geschäftsführung vorgeworfen wurde, und der eine Verurteilung des verantwortlichen Rebatteurs des Braum schweiger Boltsfreundes erreichte, hat jetzt die von ihm eingelegte Berufung zurückgenommen. Anscheinend ist ihm das nochmalige Aufrollen des Prozesses unangenehm.

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lich, daß Filme wegen einer politischen Tendenz ver­Das Reichslichtspielgesetz untersagt einmal ausdrüc boten werden und macht im Sinne seiner vorhin schon an geführten Wirkungszenfur den Widerruf der Zulassung eines Films davon abhängig, daß der Versagungsgrund nach der Zulassung hervorgetreten sei. Nun hat aber einmal Preußen, das Zweidrittel des Reichs umfaßt, erklärt, daß sich in Preußen eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Vorführung des Potem­tin" nicht gezeigt habe. Mecklenburg hat seinen Antrag auf Widerruf aus demselben Grund zurückgezogen, der badische Landtag den Antrag abgelehnt. In den Ländern, die das Berbot beantragen, ist der Film, weil widerrechtliche Polizei­verbote es hinderten der bayerische Vertreter sagte vor der Oberprüfftelle ganz offen: verboten ohne Rücksicht auf das Reichsfilm gefez- überhaupt nicht vorgeführt worden. Nirgends hat sich also ein neuer Bersagungsgrund gezeigt, und so kann die Entscheidung nur als widerrechtlich politische gewertet werden. Die Oberprüfstelle gibt als Berbotsgrund an, der Beifall bei den Stellen, die die Empörung der Matrosen zeigen, beweise die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Als die Vor­fizende einer Berliner Prüffammer seinerzeit gegen die Zu­laffung des Fridericus Reg" die Amtsbeschwerde erhob, weil der Film den Eindrud ermede, als fei der bewaffnete Widerstand unter Führung eines Königs das beste Mittel zur Befreiung eines Volkes aus unglücklicher Lage und dabei auf die in der damaligen Situa­tion Frühjahr 1923 dadurch entstehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hinwies, wurde der Beschwerde nicht stattgegeben, und auch später die Zulassung nicht wider­rufen, obwohl der Beifall gerade an den Stellen einsetzte, die im Sinne der Dolchstoßlegende gegen die Linke aufreizen. So läuft der Fridericus Reg" in diesen Tagen wieder am Potsdamer Platz , während, wie zur Verhöhnung der Republikaner der Potemkin" ver­boten iſt.

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Ueber diese Feststellungen hinaus müssen wir auf Mängel in der allgemeinen Handhabung der Film­en sur hinweisen, die sich bei dieser Entscheidung besonders fühlbar machen. Der Vorsitzende der Filmoberprüftelle, der ihre Beratungen, auch die beiden Potemfin"-Sigungen, leitete, ist gleichzeitig Referent für Filmfragen im Reichs­Der deutsch - schweizerische Handelsvertrag ist in Bern unter ministerium des Innern. Er wird also selbst die zeichnet worden. Antwort auf die Beschwerde der Firma megen