Nr. 372 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 191
Bezugspreis.
L
Böchentlich 70 Pfennig, monatlich B, Reichsmart voraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland , Danzig , Saar- und Memelgebiet, Defterreich, Litauen , Luxemburg 4,50 Reichsmart, für das übrige Ausland 5,50 Reichsmart pro Monat.
-
Der Vorwärts" mit der illustrier ten Sonntagsbeilage, Bolt und Zeit" fowie den Beilagen Unterhaltung und Wissen",„ Aus der Filmwelt", Frauenstimme", Der Kinderfreund", Jugend- Vorwärts" und Blick in die Bücherwelt" erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal. Telegramm- Adresse:
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Anzeigenpreise:
Die einspaltige NonpareilleBeile 80 Pfennig. Reklamezeile 5,- Reichsmart. Kleine Anzeigen" das fettgebrudte Wort 25 Pfennig ( aulässig zwei fettgedruckte Worte), fedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erfte Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten
Beile 40 Pfennig.
Anzeigen für bie nächste Nummer müssen bis 4% Uhr nachmittags im Hauptgeschäft, Berlin SW 68, Linden. ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 8 Uhr früh bis 5 Uhr nachm.
Dienstag, den 10. August 1926
Hilfe für die Erwerbslosen.
Besprechung mit den Gewerkschaften im Reichsarbeitsministerium.
ausge=
Bei der Beratung des Arbeitsbeschaffungsprogramms im Reichs-| Verlängerung der Unterstützungsdauer, damit den tage ging man von der richtigen Auffassung aus, daß die große ste u erten Erwerbslosen der weitere Fortbezug der ErArbeitslosigkeit in absehbarer Zeit keine erhebliche Abschwächung werbslosenunterſtügung gesichert bleibt. Der Plan der Reichserfahren werde. Das Arbeitsbeschaffungsprogramm regierung, die Fürsorge für die ausgesteuerten Erwerbslosen der fellte die produktive Erwerbslosenfürsorge so fördern, daß längere Armenfürsorge zu überlassen und den Gemeinden unter beZeit Erwerbslose innerhalb eines Jahres wenigstens abwechselnd ein stimmten Boraussetzungen die Hälfte der Kosten aus Reichsmitteln Bierteljahr und länger Beschäftigung finden fönnten. Man sprach zurückzuerstatten, wurde einmütig als völlig unzureichend davon, bei produktiven Notstandsarbeiten laufend etwa 500 000 Ar- abgelehnt. Die Gewerkschaften verlangten ausreichende Sicheabgelehnt. Die Gewerkschaften verlangten ausreichende Sichebeitslose zu beschäftigen. rungen, daß den langfristig Erwerbslosen die Unterstützung weiter gezahlt wird. Diese Sicherung ist nur bei einer Verlängerung der Unterstüßungsdauer gegeben. Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen für die Armenfürsorge muß der Hilfs= bedürftige vor Inanspruchnahme der Armenfürsorge sein gesamtes verwertbares. Vermögen einsetzen. Ist das vorerst nicht möglich, so fann die Hilfe ausdrücklich von der Verpflichtung abhängig gemacht werden, daß die aufgewendeten Kosten zurück zu zahlen sind. Die Zurückzahlung ist auf Verlangen sicherzustellen durch Verpfändung von Vermögenswerten. Danach ist auch Danach ist auch Möbelverpfändung zulässig.
Wir haben bereits vor einigen Tagen darauf hingewiesen, daß statt der vom Reichstag geforderten wesentlichen Bermehrung der Motstandsarbeiter in Wirklichkeit eine erhebliche Verminderung in den letzten Monaten eingetreten ist. Im Mai wurden 170 105 Notstands arbeiter beschäftigt, im Juli waren es nur noch 143 695.
Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung forderten die Spizenverbände aller Gewertschaftsrichtungen eine Aussprache mit den beteiligten Reichsministerien und preußischen Landesministerien. Die Aussprache fand gestern statt. Mit allem Rochdruck wurde von den Gewerkschaftsvertretern auf den Rückgang der beschäftigten Netstandsarbeiter hingewiesen und die beschleunigte Purchführung der vorgesehenen Notstandsarbeiten verlangt. Die Aussprache ergab, daß über eine Anzahl der vorgesehenen Projekte die Berhondlungen mit den beteiligten Behörden abgeschlossen sind, so daß in nächster 3eit mit einer Vermehrung der Not standsarbeiter zu rechnen ist.
Im weiteren Verlaufe der Aussprache forderten die Bertreter aller Gewerkschaftsrichtungen mit größtem Nachdruck eine fofortige
Die Besatzungsstärke. Abermals deutsche Vorstellungen.
Die Reichsregierung hat bei den Regierungen der Befagungsmächte nochmals mit Nachdruck die Forderung nach Herabsetzung der Truppenstärke in den besetzten Gebieten wiederholt. Der Erfüllung dieser vollauf berechtigten Forderung, zu der der Stand der Finanzen Frankreichs selbst Poincaré nötigen müßte, ist schon im vergangenen Jahre Jahre in Locarno zugesagt worden, ohne daß die Truppenstärke herabgesetzt worden wäre. Im Frieden betrug die Befagungszahl im besetzten Gebiet insgesamt 50 000 Mann, jetzt find dort 80 000 Soldaten fremder Länder in Garnison , zur Ausbildung, im Manöver usw.
Es wäre geradezu ungeheuerlich, dieser Armenfürsorge die Unterstützung der langfristig Erwerbslosen zu überlassen. Sie sind unverschuldet arbeitslos und haben nach der Reichsverfaffung einen Anspruch auf Erwerbslosenfürsorge.
Die Entscheidung über diese Frage ist in den nächsten Tagen zu erwarten. Die Reichsregierung muß angesichts des einmütigen Berlangens aller Gewerkschaften den einzig befriedigenden Ausweg wählen: Verlängerung der Unterstüßungsdauer.
ausländischer Kredite, ohne die nach Ablehnung der Kapitalabgabe eine Stabilisierung des Franken nicht durchgeführt werden kann, nimmt.
Teuerungsstudien der Regierung.
Paris , 9. August. ( Eigener Drahtbericht.) Der Ministerrat befaßte sich am Montag u. a. mit der Teuerung. Es wurde ein Komitee von drei Ministern, Bokanowski, Sarraut und Queille, unter dem Borsiz von Barthou beauftragt, Maßregeln zu er wägen, um der andauernden Preishauffe zu begegnen, der die wägen, um der andauernden Preishauffe zu begegnen, der die starke Besserung des Franken in der letzten Woche keinerlei Einhalt getan hat.
Heute Nationalversammlung.
Paris , 9. Auguft.( EP.) Die Befürchtung, daß die NationalDie Entfernung dieser überzähligen und der Ruhe versammlung sich nicht auf das vorher festgelegte Programm bedaten aus dem besetzten Gebiet ist eine gerechte und selbstreits klar ihren Willen kundgetan, in Versailles für andere Ber: und Ordnung in Wirklichkeit im Wege stehenden 30 000 Sol- schränken werde, scheint sich zu bestätigen. Die Opposition hat beverständliche Forderung, die seit langem, insbesondere fassungsänderungen einzutreten. Sie beruft sich dabei von der Sozialdemokratie, mit aller Entschiedenheit auf ihre in der Verfassung verankerten Rechte; feiner fönne verfochten wird. Ihre Erfüllung muß verbunden sein mit vorher die Tagesordnung der souveränen Nationalversammlung weiteren moralischen und finanziellen Ent- einschränken. Der sozialistische Abg. Renaudel hat im Auftrage lastungen des besetzten Gebiets, wie sie die Heidelberger seiner Gruppe dem Vorsitzenden des Kongresses, dem SenatspräsiEntschließung der Sozialdemokratischen Partei fordert, und denten de Selves, mitgeteilt, daß er seinen von der Kammer abwelche Forderungen Reichsaußenminister Dr. Stresemann den gelehnten Antrag auf Einschränkung des Vetorechts des Senats in alliierten Vertretern in Locarno an Hand dieser Entschließung Bersailles wiederholen werde. Da weitere Debatten durch zur Kenntnis gebracht hat. kommunistische oder royalistische Anträge zu erwarten sind, rechnet man bereits im allgemeinen nicht mehr damit, die Verhandlungen in einem Tage zu beendigen, sondern schätzt die Dauer der Sigung auf mindestens zwei Tage.
Der schädliche Clemenceaubrief. Jetzt schon gar keine Aussicht auf Auslandskredite! Paris , 9. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Aus den hier vorliegenden Washingtoner Nachrichten geht hervor, daß das Manifeſt Clemenceaus in den Vereinigten Staaten nicht nur außerordentlich fühle Aufnahme gefunden hat, sondern gleichzeitig die Stellung des Kabinetts Poincaré zu dieser Frage bedeutend er schwert hat. Die Möglichkeit einer Ratifizierung der Schuldenabtommen noch vor den Ferien darf nach dieser„ Aktion" Clemenceaus endgültig als ausgeschlossen angesehen werden.
Der Ministerrat, der sich am Montag morgen mit der Frage noch einmal befassen sollte, hat das unter diesen Umständen nicht mehr für nötig gehalten. Dagegen ist die Kammerkommission der auswärtigen Angelegenheiten zu einer beratenden Sigung zusammengetreten. Eine furze Diskussion ließ erkennen, daß angesichts der feindseligen Stimmung beinahe sämtlicher Parteien eine Debatte über die Schuldenfrage im Parlament völlig aussichtslos märe. Die Kom mission wird deshalb ebenso wie die Finanzkommission lediglich eine Unterfommission ernennen, die im Laufe der Ferien die Schulden frage beraten und darüber einen Bericht vorlegen soll.
In parlamentarischen Kreisen gibt man der Ueberzeugung Ausdrud, daß das Manifest Clemenceaus die ministerielle Situation Poincarés nicht nur sehr schwierig gestaltet, sondern darüber hinaus auch das Sanierungsprogramm des Ministerpräsidenten start tom promittiert hat, indem es Frankreich jede Möglichkeit
Weigert sich Gajda zu gehen?
Die Faschisten behaupten es.
Prag , 9. August. ( Eigener Drahtbericht.) Die Beilegung der Gajda- Affäre befriedigt feine der streitenden Parteien. Die fozialistische Presse erklärt, daß zu wenig geschehen sei, um die Deffentlichkeit vor dem faschistischen General zu sichern und daß man zuviel Rücksichten genommen habe. Die bürgerliche Presse ist insofern unbefriedigt von dem amtlichen Kommuniqué, als es nicht geeignet erscheine, die im Ausland umgehenden Gerüchte zu zerstreuen, die dem Ansehen der Republik eher schaden als nützen. Die Faschistenpresse tobt über die erzwungene Entfernung Gajdas aus der Armee und beginnt die Kampagne von neuem. Am Montag morgen wurde in diesen Blättern erklärt, Gajda dente nicht daran, seinen Abschied zu nehmen. Da der General am Sonntag bei einer Denkmalsenthüllung als Redner aufgetreten ist und sich von den Faschisten hat feiern laffen, muß man annehmen, daß die Meldungen über seinen Widerstand gegen die Entscheidung der Untersuchungskommission nicht ganz aus der Luft gegriffen sind. Der von den Faschisten im Zu fammenhang mit der Gajda- Affäre angekündigte Rücktritt des Außenministers Benesch wird von der Regierungspresse entschieden dementiert
Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3
Bostichedkonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 3.
Die Wehr des Reiches.
Von Republik darf nicht gesprochen werden! In der deutschen Wehrmacht wird neben dem militärischen Unterricht vom dritten Dienstjahr ab ein sogenann ter zivilberuflicher Unterricht erteilt. Uns liegt ein Lehrplan für den Unterricht in der Marinefachschule für Verwaltung und Wirtschaft vor. Im Abschnitt B Kultur und Lebenskunde" geht die Anordnung über den zu deutscher Staat hinaus. Unter D ,, Geschichte" geht in lehrenden Stoff nicht über die Begriffe Familie und sämtlichen 8 Klassen die Gliederung des Stoffes ebenso taum über den deutschen Horizont hinaus. In den beiden einleitenden Säßen, die das Ziel bestimmen, kommt die Einkreisung der Denkfunktion auf das rein Nationale erschreckend zum Aus= Schüler handelt im Alter zwischen 22 und 28 Jahren. Die beidruck. Man hat dabei immer zu bedenken, daß es sich um den Säße lauten:
innere und äußere Entwicklung des deutschen Volkes von wesent " Ziel: Beherrschung der geschichtlichen Vorgänge, die auf die lichem Einfluß gewesen sind. Aus dem so entwickelten Verständnis für die Gegenwart soll der. Wille zur Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten erwachsen."
Die Hauptrolle spielen natürlich in dem ganzen Unterrichtsplan militärische Geschichtsepochen. Wenn man davon absieht, daß in Klasse 2 der Oberstufe mit ganzen vier Worten angeordnet ist, die Entwicklung der demo= fratischen Idee" zu besprechen( in welchem Sinne wird nicht gesagt), finden wir sonst in dem ganzen Unterrichtsplan feine Anordnung, die darauf schließen läßt, daß man im Reichswehrministerium die Absicht hätte, etwas über die republikanische Staatsform, ihr Wesen, ihre Vorzüge vor der monarchistischen zu sagen hat, oder wie Herr Geßler im Reichstage sagte: Ge mütswerte für die Republik zu sammeln".
Wie der Unterricht gehandhabt werden soll, darüber hat fich General Seedt im Jahre 1922 in einem Erlaß einmal ausgesprochen:
,, Der Unterricht, besonders der in der Geschichte und Staatsbürgerkunde, hängt eng mit der Ausbildung des Mannes als Soldat zusammen. Es ist daher notwendig, daß der Kompagnie chef dem Unterricht besonders in diesen Fächern häufig selbst beiwohnt oder einen Offizier damit beauftragt."
Die Zivillehrer, die den Unterricht in der Wehrmacht erteilen, werden vom Regimentskommandeur angestellt, Offiziere überwachen den Unterricht. So sammelt der Reichswehrminister feurige republikanische Kchlen auf die Häupter seiner Lieben.
Den Willen, die Wehrmacht zu republikanisieren, hat der gegenwärtige Reichswehrminister nach eigenem Ge= ständnis nicht. Herr Geßler hat sogar im Reichstag offen ge= fagt, weshalb er feine republikanische Erziehung und Bestaatsrechtliche Belehrungen über die Vorteile der Republik nicht einflussung der Offiziere in der Wehrmacht wünschte für angebracht gehalten. Wenn ich einem Mann wie dem anderzusetzen, welche Staatsform die bessere sei, würde er mich Generalobersten von Seedt gekommen wäre, um ihm auseinanderzusetzen, welche Staatsform die beſſere ſei, würde er mich wahrscheinlich verwundert angeschaut haben.( Sehr richtig! rechts. Heiterkeit links). Ebenso würde es mir bei einer großen Anzahl nicht getan. Wenn Sie mir daraus einen Vorwurf machen wollen, von anderen Herren auch gegangen sein. Das habe ich allerdings dann tun Sie das. Ich bin von anderen Erwägungen ausgegangen, nämlich von der Erwägung, daß mit der Zeit jeden vaterländisch gesinnten Mann die Entwicklung auf den Standpunkt bringen muß, daß nur auf dem Boden der Verfassung überhaupt an eine Zukunft Deutschlands gedacht werden kann."
,, Allerdings habe ich dem Offiziertorps gegenüber
Also, weil Herr Geßler mit Herrn von Seedt, Herrn Schleicher und Herrn Ritter von Haak eine Auseinandersetzung über die Staatsform nicht für opportun hält, muß der junge Leutnant Müller zusammen mit dem der Volksschule entnommenen jungen Soldaten elend in antirepu blikanischer Gesinnung weiter vegetieren!
Wenn der Minister die Absicht hätte, die Denkfunktionen im republikanisch- demokratischen Sinne zu beeinflussen, dann möge er es doch einmal mit folgendem Erlaß über die Erteilung des zivilberuflichen Unterrichts versuchen:
,, Heimatkunde hat als Natur- und Kulturkunde der Heimat, anknüpfend an die natürlichen, nationalen, wirtschaftlichen und fulturellen Verhältnisse zunächst des Ortes, seiner Umgebung, des Landes, dann der deutschen Republik - Verständnis für alle Güter der Heimat, und damit den Willen zur Höherentwicklung zu wecken und gleichzeitig die Voraussetzungen für das Verstehen der Nachbarvölker, der ganzen Erde und Menschheit zu schaffen.
Der Heimatfundeunterricht hat die Erkenntnis und Ueberzeugung zu vermitteln, daß die Selbstverwaltung des Bolles auf allen Gebieten, daß die republikanische Staatsform einem fulturell hochstehenden mündigen Volte wie unserem deutschen am besten entspricht, aber auch pflichtbewußte Arbeit und Mitarbeit jedes Boltsangehörigen fordert."