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Vorstoß der ssterreichisthen Reaktion. Sturm im fteiermärkifchen Landtag. - Reaktionäre Anträge.

Graz . 25. Juli. (MTV-) Der steiermarkische Landtag befahte sich heute mit den Ereig­nissen des 13. und 16. Juli und dem anschlietzenden Generalstreik in Wien und der Steiermark . Zunächst wurden zwei Anträge der Mehrheitspartcien behandelt, die die Verstärkung der Gendarmerie betreffen sowie behördliches Vorgehen gegen den sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Wallisch, der in Bruck an der Mur eine fast zwei Tage an. dauernde Diktatur aufgerichtet hatte. Landeshauptmann Paul er- klärte in seiner Antwort, daß auch er die Verstärkung der Gen- darmeri« für unbedingt notwendig halte. Cr sei bereit, im Cinoer- nehmen mit dem Präsidium alle Schritte zu beschleunigen, die dazu führen, den Abgeordneten Wallisch zur gesetzlichen Verantwortung zu ziehen- Im Laufe der Debatte kam es mehrfach zu stürmischen Szenen, als ein sozialdemokratischer Abgeordneter das Urteil im Schattcndorfer Prozeh als«in Kl a s s en u rt« i l und das Vorgehen der Polizei in Wien als brutal bezeichnete. Die heftigen Auseinandersetzungen wiederholten sich, als ein zweiter Redner der Sozialdsmokratie wegen der Verwendung der Heimwehren in Obersteiermark die Behörden und Mehr- heitsparteien angriff. Demgegenüber bemerkte ein Vertreter der Christlich» Sozialen, die Bauernschaft werde«ine Wiederholung des Generalstreiks nicht mehr ruhig hinnehmen, sondern ihr eine, wenn auch unerwünschte, Abwehr entgegensetzen. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde namens der Parteien der Einheitsliste folgendr Resolutionsantrag gestellt: Die Antwort des Landeshauptmanns wird mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. Der Landeshauptmann wird ersucht, die Bundesregierung zu veranlassen, zum Schutze der Republik , der un- gestörten Entwicklung des Wirtschaftslebens und der moralischen Ge- sundung des Volkes für folgende Gcsctzesbeschlüsse Sorge zu tragen: 1. Die ungehemmt- Prcssesreihei«. unter deren Schutz in oerant- wortungsloser Weise die niedrigsten Instinkte des Volkes aufgestachelt werden, ist einzuschränken. 2. Die Todesstrafe ist wieder einzuführen, da die Verbrechen in entsetzenerregender Weise sich wieder mehren. 3. Dos Schwurgericht, das nach der Spruchprans die schwersten Verbrechen ungesülmt läßt und somit das Rechtsempsinden des Volks vollständig untergräbt, ist zu reformieren. 4. Die öffentlichen Verkehrsmittel und lebenswichtigen Betriebe sind vor Stillegung durch einen politischen Generalstreik zu schützen. 3. Das Söldnerheer ist in eine Milz nach dem Muster der Schweiz umzuwandeln. Deutfchlanü und polen . Stand und Aufsichten der Wirtschaftsverhandlungen. Mit der Abreise des deutschen Gesandten aus Warschau ist in den diplomatischen Erörterungen über die Hauptprobleme der deutsch - polnischen Handelsvertragsverhandlungen, die seit mehreren Mo. naten stattfinden, eine Pause eingetreten. Aus den Nachrichten, die bei der letzten Anwesenheit des Gesandten Rauscher in Berlin vor- etwa zwei�Wachcn tu die Pttsss geloagtch. ist.absr bekannt, daß diese Warschäuch� �vrterungcn. die lange ziemlich ergebnsdlös ge- blieben waren, fp der legten Zeit.eine g ü nstig.e. W ett d u ng genommen hotten: man darf daher hassen, daß es dem deutschen Gesandten noch seiner Rückkehr nach Warschau gelingen wird, den Weg für die Wiederaufnahme der Verhandlungen endgültig frei- zumachen. Die Warschauer Besprechungen haben sich bekanntlich bisher nur

um di» Frag« des Niederlassungsrechts gedreht. Dia Widerstände der polnischen Regierung gegen eine die deutschen Wünsche befriedigende Ausdehnung des Niederlassungsrechts en»- sprangen teils der Besorgnis, daß die Niederlassung einer größeren Zahl von Reichsdeutschen polltische Zwecke verfolge, teils der Befürchtung, die einheimische I n d u st r i e damit einer allzu ge» sährlichen Konkurrenz auszuliefern. Noch vor wenigen Wochen fügten die Polen als weiteres die Verständigung erschwerendes Moment hierzu das seit langem angekündigte Gesetz zum Schutz des polnischen A r b«i t s m a r k t s, das die Beschäftigung von Ausländern nur in Ausnahmefällen gestattet. Wenn trotz dieser Schwierigkeit gerade in der Niederlassungsfrage eine Annäherung erzielt ist, so müssen die Polen gegenüber ihrer bisherigen starre» Haltung doch erheblich« Zugeständnisse geniacht hoben, über die einzelnen aber bisher noch nichts bekannt ist. Auch lassen sich nur Vermutungen darüber aufstellen, worauf dieses größere Entgegenkommen der Polen zurückzuführen ist. Man hat als Ur- fache hierfür u. a. englischen Einfluß angenommen. Das iit zweifellos insofern richtig, als die englische Regierung von seher im Sinne ihrer gesamten Ostpolitik auf esne deutsch -polnischc Entspannung hingewirkt hat, die ja die Position Polens ohne weiteres festigen würde. Aber dieses Moment hat schon seit langein bestanden, so daß noch weitere Ursachen vorhanden sein müssen. Sie sind vielleicht in den polnischen Anleiheverhandlungen zu suchen, die den Polen immer wieder gezeigt haben, daß sie Anleihen überhaupt nicht oder nur unter sehr harten Bedingungen erhalten können, so- lange ihre wichtigsten Wirtschaftsbeziehungen ungeregelt sind. Die Niederlassungsirage ist aber nur ein Teil des deutsch -polni- scheu Handelsvertrages. Nach ihrer Klärung müssen die Zoll- fragen in Angriff genommen werden, in denen zwischen den beiden Verhandlungsgegnern bisher nicht minder weitgehende Meinungsverschiedenheiten bestanden. Polen muß sich hierbei cnt- schließen, ob es seinen übertriebenen Protektionismus hinreichend einschränken will, und die deutsche Regierung muß sich darüber klar werden, was sie Polen an Zugeständnissen bei einer Oeffnung des polnischen Markte« für deutsche Industriewaren bieten kann. Sicher ist ein dem Erfolg der Verhandlungen dienlicher Entschluß der Rcichsregierung, durch die jetzige Zusammensetzung des Kabinetts erheblich erschwert worden. Bei den deutsch -polnischen Wirtschastsverhandlungcn hat sich ferner bisher stets gezeigt, daß sie auch von den allgemein politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen abhängig sind. Auch hier liegen G« s a h r e n i n d e r j e tz i g e n Z u s a m m e n s e tz u n g der Reichsregierung, wie die bekannte Rede Hergts in Beuthen ge- zeigt hat. Aber auch auf polnischer Seite könnte hier noch viel zu einer Entspannung getan werden. Den wundesten Punkt bildet hier nach wie vor die Minderheitenfrage. Die plötzliche Vertagung des polnischen Sejms hat es unmöglich gemacht, die Be-- schwcrden zu verhandeln, die auch polnische Parteien über die uu- erhörten Zustände in Polnisch-Oberschlcsien vorbringen wollten.- Statt dessen wird aus Warschau gemeldet, daß die polnischen Be- Hörden, wohl auf Grund der berüchtigten Presscdekret«, scharf gegen die seit einigen Monaten erscheinend«, von sämtlichen Minderheiten. Ukrainer . Weißrussen , Deutsche , Juden und Litauer gemeinsam hermisgegebene ZeitschriftN a t i o" vorgegangen sind. Das ist jehanfall» n.ich Z e r-. e>Mer-..Löslli!>g des schwierigen Minderheitenprablems-ün> Polen näherzukommen, jondern�sow"' es sich um dl« deutsche Minderheit handelt, ein-fiÄudiges He.mrnnick einer deutsch -polnischen Entspännung. Die polnische Regierung tme besser, die Einsicht, die sie bei den Erörterungen über die Nieder- lassungsfrage gezeigt hat. auf dos Gesamtproblem der deutsch -polnischen Beziehungen auszudehnen, in denen die Minder- heitenfrage eine wichtige Rolle spielt.

Kampf ums Recht. M« Blick hinter die Kulisse» der Justiz iu Thüringen . Der Oberstarttsanroalt in Wartestand, Dr. E. F r i e- d e r s, der om 13. Oktober 1926 durch Urteil des Scl)wur- gerichts Weimar wegen fahrlässigen Falscheides zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden ist, hat durch feinen Verteidiger, den Justizrat Dr. Löwenstein in Berlin , einen ausführlichen Wiederaufnahmeantrag bei der Strafkammer des thüringischen Landgerichts in Weimar einreichen kaffen. Um feinen Prozeß und das Urteil gegen ihn zu verstehen, muß man sich die Verflechtung mit dem Prozeß gegen den Genossen Loeb vor Augen halten. Im Jahre 1923 unternahm auf Grund völkischer Denunziationen die Thürin- ger Ordnungsregierung den Versuch, dem Genossen Loeb einen Meineid nachzuweisen. Ein Sturm der Entrüstung er- hob sich in der sozialdemokratischen Presse. Die politische Ab» ficht der Anschuldigung wurde offen dargelegt. Zugleich wur- wurden heftige'Angriffe gegen den Oberstaatsanwalt Frieders als den Sachbearbeiter der Anklage gerichtet. Frieders fetzte sich gegen diese Angriffe zur Wehr mit der Fest- stellung, daß er nicht der Sachbearbeiter sei, sondern der ihm unterstellte Staatsanwaltschaftsrot Floel. Zur selben Zeit wurde Frieders heftig von dem Völkischen Dinier, dem Hintermann der Ordnungsreaierung, wegen seiner jüdischen Abstammung angegriffen. Der Staatsan- waltschastsrat Floel war der Vertrauensmann der Ord- nungsregierung. Er rebellierte gegen seinen Borgefetzten Frieders, war er doch vertraulich van der Regierung zu einem dienstlichen Bericht über Verhalten und Tätigkeit seines Bor - gesetzten aufgefordert worden! Als Vorgesetzter sprach Frieders während der Vor- Untersuchung gegen Loeb mehrfach mit Floel über die Not- wendigkeit, die Außerverfolgungsetzung Loebs ?u beantragen, da nach der Sachlage das Gericht Voraussicht- lich zu einem Freispruch kommen, eine Durchführung des Ver- fahrens nur zu einer Sststiiiigung des Ansehens der Rechts- pflege führen müsse. Floel dagegen vertrat den Gedanken, daß Anklage erhoben werden müsse, ließ sich aber dann be- kehren und fertigte einen Antrag auf Außerverfolgungsetzung an. Diesen ersten Antrag auf Außerverfolgungsetzung sah Frieders durch, unterzeichnete und genehmigte ihn. Hinter seinem Rücken ging dcr Staatsanwaltschastsrat F l o e l zu dem damaligen thüringischen Finanzminister K l ü ch tz n e r und legte ihm den Antrag vor. Das Ergebnis dieser Besprechung war, daß Floel den ersten von seinem Vorgesetzten unterzeich- neten Antrag zerriß und«inen zweiten Auherversol- gungsetzungsantrag verfertigte, dabei aber die Verdachts- gründe gegen Loeb so scharf herausarbeitet«, daß er schließlich zur Eröffnung des Hauptversahrens gegen �Zoeb führte. Dieser zweite Antrag, der ohne Wissen und Willen von Frieders gefertigt war, wurde ihm auf dem Geschäftsweg zugeleitet, ohne daß Floel ihn ins Bild setzte und Bericht erstattete, Frieders setzte sein Aktenzeichen darunter, und nun ging der Antrag ans Landgericht. Die Strafkamm«? beschloß die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Loeb, Floel ver- fertigte die Anklage, die Frieders nicht mehr zu Gesicht be- kam und die von ihm nicht unterzeichnet ist. -» Im Ottober 1923 fand der Prozeß gegen£ oe-&> statt. Dsr Generalstaatsänwalt zwang Frieders, neben dem? Sachbearbeiter Floel die Anklage zu vertreten. Die Anfchul- digungen gegen Loeb brachen im Prozeß völlig in sich zu- lammen. Frieders geriet w einen Konflikt zwischen Dienstpflicht und eigener Ueberzeugung. Er wählte jedoch nicht den naheliegenden Weg, der am aufrichtigsten gewesen wäre, als Oberstaatsanwalt und Vorgesetzter Floels die An- klage zurückzuziehen oder die Freisprechimg zu beantragen, sondern auf dringendes Anraten des ehemaligen Justiz- Ministers v. Brandenstein den anderen Weg einer Anklage, niederlegung in der Hauptverhandlung. Am Tage vor dem Plädoyer ließ er dem Staatsanwaltschaftsrat Floel die schrift» liche Mitteilung zugehen, daß er den Antrag auf Frei- sprechung für dringend geboten erachte und, falls Floel auf dem entgegengesetzten Standpunkt beharren sollte, von der Anklagevertretung zurücktreten müsse. Der Staatsanwalt- schaftsrat Floel beantragt« trotz des Ganges der Beweis- erhebung übrigens zur großen Entrüstung aller unbetei- ligten Zuhörer langjährige Zuchthausstrafe. Das Schwur- gericht aber sprach Loeb frei. Nun fand am 4. Februar 1926 vor dem Schöffen­gericht in Jena ein Beleidigungsprozeß gegen unser Parteiblatt in Jena ,Das V o l k", statt, das die Thü- ringer Regierung und Justiz scharf angegriffen hatte. Frieder� wurde als Zeuge unter Cid vernommen. In zusammenhängender Rede legte er seine Stellung in der Vorgeschichte des Prozesses Loeb dar: Floel habe den Außer- verfolgungsetzungsantrag gegen sein Wissen und Willen ab- geändert, er habe ihm nicht Bericht erstattet und er. Floel, habe ihm den zweiten Antrag nicht vorgelegt: auch die An- klage sei ihm nicht vorgelegt und von ihm nicht unterzeichnet worden. In dieser Verhandlung erfuhr Frieders zum ersten Male, daß die Abänderung des Antrages durch Floel auf Grund einer Besprechung mit dem Finanzminister von Klüchtzner erfolgt sei. Üeber diele Aussage von Frieders, die zum Ausgangs- punkt des Meineldprozeesss gegen ihn wurde, existierte eine Niederschrift des Gerichtsschreibers, die sich auf fein Steno- gramm stützt. Nach dieser Niederschrift hat Frieders aus- gesagt: .Floel hat den Anirog auf Außerverfolgungsetzung zerrissen und einen neuen angefertigt. Den neuen Antrag legte er nämlich Floel mir nicht vor. Er ist mir zufällig später zu Gesicht gekommen/ In der Voruntersuchung hatte Frieders bereits nach der Niederschrift eines Kanzlisten ausgesagt: .Der Staatsanwoltschassrot Floel behauptet nämlich und wird es auch wohl setzt behaupten, e r hätte mir auch noch diesen neuen Antrag vorgelegt. Ich erklär« aber unter meinem Eid, daß das nicht zutrisft/ Cr beschuldigte also mit dieser Aussage Floel. daß er ihn durch die ohne sein Wissen erfolgte Abänderung de» Außer- »erfolgungsetzungsantrages düpiert habe, und daß Floel ihm nicht pflichtgemäß den zweiten Antrag selbst unterbreitet habe. Cr behauptete das Nichtvorlegen durch Floel. Eine Behauptung, die mit den gerichtsnotorischen Tatsachen übereinstimmt. Floel ha» ihm den zweiten Antrag nicht vor- gelegt, sondern hat ihn lediglich in den Geschäftsgang gegeben. Aus dieser Aussage nun sollte Frieders der Strick ge­dreht werden. Es wurde äiv Meineidsverfahren gegen ihn

eingeleitet. Im April 1926 wurde er zum erstenmal vom Untersuchungsrichter vernommen. Es wurde ihm zur Last gelegt, daß er der Wahrheit zuwider beschworen habe: »daß m der Strafsach« gegen den Staatsbankpräsidenten a. D. Loeb wegen Meineids der Staatsanwaltschaftsrat Floel den Antrag aus Außerverfolgungsetzung Loebs ohne sein Wissen und seinen Willen abgeändert habe, und daß ihm dieser abgeänderte Antrag vor Abgabe ber Akten an da« Gericht nicht vorgelegt worden sei/ In dieser Beschuldigung, die der Eröffnungsbeschluß gegen Frieders wiedergibt, ist also aus seiner Behauptung, Floel habe ihm den zweiten Antrag nicht vorgelegt, die ganz abstrakte Fassung geworden, der Antrag sei ihm überhaupt nicht vorgelegt worden! Das ist die erste Ungeheuerlichkeit in diesem Prozeß, der Ausgangs- punkt zum Justizmord. Die zweite Ungeheuerlichkeit. In der Voruntersuchung wurde Frieders nicht etwa der Wortlaut seiner Aussage in Jena nach den vorhandenen Protokollen vorgehalten, sondern die willkürlich gebildete abstrakte Fassung, der zweite Antrag sei ihm nicht vorgelegt wor- den die selbstverständlich mit der jederzeit aus den Akten festzustellenden Tatsache im Widerspruch steht, daß der zweite Antrag das Signum von Frieders trug. Bei solcher Praxis ist es schwer, den Verdacht des von vornherein geplanten Justizmordes zurückzudrängen! Und nun erfolgte die dritte Ungeheuerlichkeit! Frieders. der nach den Protokollen in Jena korrekt und wahrheitsgemäß ausgesagt hatte und innerlich fest überzeugt war von der Wahrheit der von ihm behaupteten Tatsache, achtete nicht auf die seine Nuancierung in der Fassung der ihm vorgehaltenen Aussage, sondern gab zu: Ja. ich habe gesagt, der Antrag ist mir nicht vorgelegt worden! Er meinte mit dieser Fassung aber etwas ganz anderes als die Anklage! Auf Grund dieses Ergebnisses der Voruntersuchung stand Frieders im Oktober 1926 vor dem Schwurgericht in Weimar . Das Schwurgericht hatte die Pflicht, zunächst sestzustellen. was überhaupt Frieders in Jena ausgesagt hatte. Es hatte die Q u e l l e n geprüft die protokollarischen Niederschriften über die Auslage von Friederz in Jena und in der Voruntersuchung vor dem Jenaer Prozeß, es hat Zeugen darüber gehört, was Frieders in Jena gesagt haben könne, es hat das Z u- !> e st ä n d n i s von Frieders in der Voruntersuchung vor einem eigenen Prozeß gewürdigt. Es hat festgestellt, daß ein unüberbrückbarer Widerspruch besteht zwischen den Protokollen und der in der Anklage behaupteten Fassung der Aussage von Frieders. Es hat weiter festgestellt, daß aus den Zeugenaussagen über das. was Frieders gesagt haben könnte, nichts zu entnehmen sei. Nach den Pro- . tokollen hat Frieders mit aller Schärfe die Nichtvorlage durch l Floel behauptet. Nach der Fassung der Anklage, vo» der kein

Mensch weiß, auf welche Quellen sie zurückgeht und wer sie erfunden hat, Hai Frieders ganz abstrakt die Nichtvorlage be» hauptet. Das Gericht half sich gegenüber diesem Widerspruch, indem es von sich aus interpretierte, Frieders habe in Jena sagen wollen: Floel habe ihm den zweiten An? trag absichtlich vorenthalten, er sei ihm überhaupt nicht vor- gelegt worden! Die einzige Stütze für diese Interpretation mar das Zugeständnis von Frieders in der Vor- Untersuchung. Man muß sich vergegenwärtigen, welche Ungeheuerlich» keit in dieser Konstruktion liegt. Frieders hatte eine feste Tatsachenüberzengung. Er sagt demgemäß in Jena aus. Der Wortlaut, protokollarisch festgelegt, deckt seine Tatsachenüber- zeugung. Es erfindet irgend jemand wer eigentlich? einen anderen Wortlaut. Auf Grund dieses plötzlich aufge- tauchten neuen Wortlauts wird Anklage wegen Meineids er- hoben. Der Angeschuldigte gibt ohne Besinnung und Prüfung den neuen Wortlaut zu, weil er fest glaubt, daß er seine Tat- sachenüderzeugung decke. Das Gericht aber interpretiert, daß dieser Wortlaut diese Tatsachenüberzeugung nicht deckt, und verurteilt! Und nun die vierte Ungeheuerlichkeit! Erst aus der Be- gründung des Urteils gegen ihn oermag der Angeklagte die Abweichung der vom Gericht angenommenen, von ihm irr- tümlich zugestandenen Aussage von seiner eigenen wirklichen Aussage richtig zu erkennen! Nun, nachdem der Ver- urteilte aus der Urteilsbegründung erfahren hat, welcher Sinn in diesen Wortlaut hineingelegt wird, zieht er das Zu- geständnis. die einzige Stütze des Urteils, zurück und läßt>n der Begründung seines Wiederaufnahmeantrages feststellen. daß der im Urteil fe st gestellte Wortlaut seiner cid- lichen Zeugenaussage in Jena weder objektiv noch s» b- j e k t i v deren wirklichen Inhalt entspreche. Ganz abgesehen von der Fülle der neuen Tatsachen, die in diesem Wiederaufnahmeantrag vorgebracht werden. Der Oberstaatsanwalt Frieders kämpft um sein Recht gegen die politische Justiz. Angesichts der Gewagtheit der Begründung des Urteils gibt es nur außerrechtliche Erklä- rungsgründe für die Tatsache, daß er verurteilt worden ist. Dieselben oußerrechtlichen Gründe, die dazu geführt haben, daß plötzlich wo eigentlich? eine Fassung seiner Zeugen- aussage in Jena ausgetaucht ist. die ihm zum Fallstrick ge- macht worden ist. Der Oberstaatsanwalt jüdischer Abstam­mung, der nicht nach der Pfeife der Völkischen tanzte und gegen die Erniedrigung der Justiz zur Magd politischen ge- hässigen Kampfes leisen Widerstand erkennen ließ, ist mit denselben Methoden zur Strecke gebracht worden, die gegen den Genossen Loeb, dem sie eigentlich zugedacht waren/ so schmählich zusammengebrochen sind. Das Urteil gegen ihn ist ein Justizmord. Es muß im Interesse des Ansehens der Justiz korrigiert werde»,.