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Dienstag 26. Juli 1927

Unterhaltung und Wissen

Die Begegnung.

Von Wilhelm Cremer  .

Bittig, alter Junge, bist du das?" sagte der etwas forpulente, elegant gekleidete Herr, der mit einem Ausdruck behaglicher Lebens­freude aus dem großen Weinrestaurant auf die Straße trat und hier ganz unvermutet auf den längst vergessenen Jugendfreund stieß. Na, wie geht es dir denn?"

Der fo Angeredete bildete das völlige Gegenstüd zu seinem Freunde. Er war lang und hager, das eingefallene, schlecht rasierte Geficht hatte einen vergrämten und müden Ausdruck, und seine ab­getragene, vernachlässigte Kleidung erzählte eine ganze Geschichte. Er schien durch die plötzliche Begegnung in große Verlegenheit ge­raten zu sein, er troch förmlich in sich hinein und machte ein paar ungeschickte Verbeugungen, während er die dargebotene Hand er­griff, um fie sofort wieder ängstlich loszulaffen.

Hans Kube", stammelte er dabei errötend, und man sah ihm an, wie unter all seiner Verlegenheit doch eine große Freude in ihm aufstieg.

Der joviale, dicke Kube hatte mit einem Blick das ganze Bild seines Freundes umfaßt und abgeschäßt. Oh, er fannte diesen Typ des stellungslosen, überalterten Raufmanns, der verzweifelt herum­läuft, um einen Bosten zu finden, und von dem man doch nirgend­ro etwas wissen will, weil er überall Misstimmung und Hoffnungs. Tofigkeit verbreitet. Wie oft hatte Kube als Direktor der großen Aktiengesellschaft Gelegenheit gehabt, solche Menschen als Bittsteller und Stellungsbewerber zu sehen, wie oft hatte er sogar den Ver­such gemacht, einem oder dem anderen von ihnen zu helfen. Aber es war fast immer vergebens gewesen, fie blieben, was fie waren, fubalberne Naturen, hoffnungslose Fälle, die man am besten ihrem Schicksal überließ

Und Wittig, das sah er mit einem Blid, war einer der schlimmsten Fälle. So wie er da vor ihm, seinem alten Freunde und Schulfameraden, dienerte und vor Bescheidenheit erstarb, so mochte er unendlich oft vor Menschen, die er für einflußreich hielt, mit seiner Bescheidenheit gebettelt haben, mit dem einzigen Erfolg natürlich, daß sie sich so schnell wie möglich feiner entledigten. Und einen Trauring trug er auch. Sicherlich hatte er eine zahlreiche Familie zu ernähren, solche Menschen hatten fünf, sechs Kinder.

,, Also, was machst du jetzt?" fragte Rube mit ermutigendem Lächeln. Millionär bist du wohl noch nicht geworden?"

Wittig frümmte sich verlegen und zugleich doch auch ge schmeichelt. Rein", fagte er, mun gleichfalls lächelnd. Ich werde es auch schwerlich werden. Ich habe jetzt eine Agentur in Staub­saugern, Radioapparaten und dergleichen. Das Berkaufen fällt mir nicht leicht."

Rube nichte und fragte sich im stillen, wer in aller Welt wohl diesem Unglückswurm einen Staubsauger ablaufen würde. Gerade zum Agenten hatte er sicherlich tein Talent, tein Wunder, daß er so perhungert aussah. Er überlegte, was er mit ihm anfangen sollte, jedenfalls war es ein Glück, daß er ihn heute getroffen hatte.

,, Wir wollen hier eine Tasse Kaffee trinken," sagte er endlich und führte den widerstrebenden Wittig in eine fleine Konditorei, mo sie ungestört plaudern fonnten. Er freute sich schon auf das glückliche Gesicht, das der andere machen würde, wenn er ihm sagte, wie leicht es für ihn war, ihn zu versorgen.

Kube mußte seinen Freund fast zwingen. zwei Stüde Ruchen zu essen, und brachte ihn dabei, was er sehr gut verstand, wie von selbst dazu, ihm seine Geschichte zu erzählen. Es war natürlich so, wie er es sich gedacht hatte. Ein ursprünglich begabter Mensch, mit Ideen, die an sich sehr schön waren, die aber gar nichts mit seinem Beruf zu tun hatten, war Wittig niemals mit dem Leben fertig ge­worden. Unfähig, sich im Kampf des Daseins selbst zu helfen, hatten ihm die Stärkeren und Rücksichtsloseren auch das wenige genommen, was Glück oder Zufall ihm in den Weg gestreut. So lange er jung war, fonnte er sich noch durch Fleiß und Zähigkeit in fleineren Stellungen behaupten, dann aber tam der Tag, wo es ihm flar murde, daß es auch damit vorbei war, und nun mußte er sich mit Gelegenheitsarbeiten, mit Aushilfsstellen begnügen. Er wurde Pigent, Vertreter, er ging mit müden Schritten und hoffnungslosem Geficht von einem Geschäft zum andern, überall mit furzen, fnurrigen Borten abgewiesen, überall wie eine lästige Störung behandelt. Oder er schleppte sich gar durch die Straßen, die einzelnen Häuser und Wohnungen abflappernd, um den Hausfrauen seine Küchen­apparate anzubieten.

Sonderbar!" dachte Kube und erinnerte sich, daß Wittig wirklich cuf der Schule immer auf einem der ersten Plätze gesessen hatte. Und an ihr merkwürdiges Freundschaftsverhältnis dachte er, das in der Hauptsache darin bestand, daß Withg für ihn die Schularbeiten mit erledigte und ihn manchmal herausriß, wenn er, der ewig leicht finnige Kube, einen dummen Streich gemacht hatte. Einmal hatte er sogar Bittig die Braut meggenommen, aus reinem Uebermut übrigens, und auch das hatte der andere geduldig hingenommen, als müßte es so sein.

Bie geht es denn deiner Frau?" fragte Rube plötzlich. Du bist doch verheiratet? Hast du Kinder?" ,, Nein, Kinder haben wir nicht, aber meiner Frau, der geht es fehr gut" sagte Wittig, und seine Augen leuchteten auf. Weißt du, meine Frau ist so tüchtig, aus nichts meiß fie noch etwas zu machen. Mir geht es doch manchmal ziemlich schlecht, aber sie hält immer die Wohnung nett und behaglich. Sie ist viel unterwegs, sie Dermittelt für ein Geschäft allerhand Berkäufe und verdient sich da­mit eine Kleingfeit." Du haft mich noch garnicht gefragt, wie es mir geht," fagte

Kube jegt. Oh, dir

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stammelte Wittig, und in seinem Gesicht fag die canze Bewunderung aus der Jugendzeit für den glänzenden, über­all beliebten Freund.

( Schluß folgt.)

Der Unfug des Grüßens.

Bon Dr. B. Borgius, Berlin- Lichterfelde.

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Der biedere Alltagsmensch hat in der Reget gar feine Ahnung bapon, mit wie raffinierten anscheinend ganz harmlojen, in Wirt­liteit aber sehr wirkjamen Mitteln die herrschenden Klassen und Bruppen es von jeher verstanden haben, ihre Herrschaft über die Unterbrückten auch durch allerlei indirekte Mittelchen zu sichern und zu feftigen. Eines von diesen, auf das ich hier einmal die Auf­merksamkeit lenten möchte, ist der Gruß. Von frühester Kindheit an uns eingebläut, von der gesamten Umgebung überall auf Erden aus­geübt, ift er uns etwas so selbstverständliches geworden, daß jeder Leser dieser Zeilen zunächst erstaunt fragen wird, was ich gegen diese unschuldige Freundschaftsbezeugung zwischen den Menschen ein

zuwenden habe. Tatsächlich ist aber der Gruß nichts weniger wie eine Freundschaftsbezeugung, vielmehr ein sinnreiches Mittel der Herrschenden zur geistigen Disziplinierung der Unterdrückten. Das ist aus brei Umständen zu erkennen:

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Grußformen sind ja mur ganz abgeschwächte Erinnerungen an die Erstens zeigt es die Geschichte des Grußes: Unsere Feutigen ursprünglichen Grußformen. Bei den primitiven Bölkern so heute noch vielfach im Orient besteht der Gruß in einem Sichzu­boden werfen vor dem Begrüßten als Symbol völliger Unter würfigfeit und Ergebung. Die Griechen, die wenigstens innerhalb der Schicht der Freien etwas Aehnliches nicht tannten, sondern sich nur mit dem Wort Chaire!"( jei fröhlich!) begrüßten und verabschiedeten, benannten jene Grußhandlung, die sie zuerst von den Berfern fennen lernben, sehr treffend als ,, anbündeln" ( proskynein); denn tatsächlich ahmt sie das Gebaren des Hundes nach, der, Strafe fürchtend, vor seinem Herrn sich friechend auf den Bauch legt. Die Form wurde dann im Laufe der Zeit immer mehr abgeschliffen: Wie auf allen Gebieten( auch in der Sprache z. B.) mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Drang zur Beit­erfparnis immer weitere Abkürzungen mit sich gebracht hat, so

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Fridericus geht- Beethoven kommt!

LERIEDRIC

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Reich

Michen Betch

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Die Berls, fo mir den affront anfun, mein portrait durch einen hergeloffenen musico zu renplaciren, feynd ignoranten, maßen ich selber mehr als ein bürgerlicher obscurant durch meine Querpfeuffereien brilliret."

auch hier: der ruffische Leibeigne fniete nur noch nieber vor seinem Herrn, der Türfe legte die Arme übereinandergeschlagen auf die Brust und beugt den Oberkörper vornüber. Der Hindu legt nur noch die Hand an die Stirn und beugt sich nach vorn In Europa  ist von dem Knien bloß noch der nids" der jungen Mädchen, von dem Niederwerfen bloß noch die teine Verbeugung des Mannes übrig geblieben.

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Ferner gehörte zum ursprünglichen Gruß das Ablegen aller Gegenstände der Tracht, welche den Charakter einer jozialen Hebung oder Erhöhung haben; es gilt ja, sich vor dem Begrüßten zu erniedrigen. Dem entspricht es, wenn der Japaner als Gruß seine Sandalen ablegt, wenn bei manchen Naturvölkern als Gruß das Obergewand abgelegt wird, wenn die Kopfbedeckung abge­nommen wird. Wie als Abschwächung hiervon bei manchen Völkern noch ein flüchtiges Herabziehen des Gewandes über die eine Schulter übrig geblieben ist, so wird in Europa   das Abnehmen des Hutes ( das übrigens erst seit dem 16. und 17. Jahrhundert allgemein üblidy ( das übrigens erst seit dem 16. und 17. Jahrhundert allgemein üblich geworden ist( z. T. heute nur noch durch Anlegen der Hand an Hut oder Müze angedeutet).

Beilage des Vorwärts

zwischen den verschiedenrangigen Beamten in Behörden und privaten Instituten.

An sich ist nun das Grüßen ganz sinnlos und zwecklos. Barum in aller Welt soll ich jemand, den ich kenne und irgendwo treffe, ein äußerliches Zeichen dafür geben, daß ich ihn gesehen habe? Wenn ich etwas von ihm will, werde ich ja ihm winken, an ihn herantreten und das sagen; wenn ich nichts von ihm will, ist es doch nur eine unnötige gegenseitige Belästigung. Daß ich ihm einen guten Morgen oder Abend wünsche und nicht einen schlechten, ist unter guten Freunden eine Selbstverständlichkeit, unter anderen ist die Versicherung davon oder ihr Andeuten durch den Gruß eine Heuchelei, zu der feinerlei Anlaß vorliegt. Wenn ich im Laufe des Tages innerhalb des Fabrik- oder Bureaugebäudes denselben Kollegen ein Dugendmal auf den Gängen treffe, denkt doch keiner daran, jedesmal den Hut vor dem andern zu Lüften oder guten Tag" zu fagen, und niemand empfindet das als fachliche Unfreundlichkeit. Warum soll es also eine solche sein, wenn wir uns das erste Mal am Tage begegnen?

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Und wieviel Verärgerung entsteht andererseits durch den lästigen Grußzwang! Groß ist die Zahl der Menschen, die ebenso wie Schreiber dieser Zeilen ein schlechtes Personengedächtnis haben und, daher alle Augenblicke Anstoß damit erregen, daß sie Bekannte wie dann meist angenommen wird, absichtlich nicht gegrüßt haben oder auch umgekehrt Unbekannte grüßen. Nicht selten ent­stehen auch peinliche Situationen dadurch, daß man Menschen, mit denen man aus irgendwelchen Gründen teine Berührung mehr haben möchte, der Form zuliebe meiter grüßen muß.. Oder der ( noch öfter die) Begrüßte nimmt an der Art des Grußes Anstoß, findet darin irgend eine auffällige Nachlässigteit, Hochmütigteit, Herablaffung, Flüchtigkeit oder auch zu große Freundlichkeit, Ber­traulichkeit usw. und legt das mißtrauisch falsch aus. Man achte einmal gerade auf diesen Faktor und man wird erstaunt sein.

aus

Der Hauptübelstand aber ist, daß der Grußzwang uns von Rindesbeinen an eine höchst unangebrachte Unterwürfigteit anerzieht, Unterwürfigfeit gegen Rang und Stand, Titel und Orden, Reichtum und Bonzentum; zugleich eine ständige instinktive Einschäßung aller Menschen unter dem Gesichtspunkt: Muß ich vor ihm hündeln oder er vor mir? Ich schlage daher vor, daß wir diese sinnlose und nur moralisch nachteilig wirkende Einrichtung Urväter Hausrat" endlich einmal rüdsichtslos abschaffen. Das dürfte gar nicht so schwierig sein, wie man auf den ersten Blick vielleicht meint. Das Grüßen ist nichts als ein genau so alter törichter Zopf, wie die Ergebenheits- und Hochachtungsflosteln im Briefverkehr. Hier hat eine danfenswerte Reaktion bereits eingesetzt und im Brieftopf vieler Firmen findet man heute bereits den Ber­mert: Bon den üblichen Höflichfeitsflosteln nehmen wir Abstand und bitten, auch uns gegenüber so zu verfahren". Genau ebenso fönnten diejenigen, die sich gegen die alberne Grüßzeremonie auf­lehnen, etwa ein bestimmtes auffälliges Abzeichen am Hut tragen, welches das müßte natürlich öffentlich genügend bekanntgegeben werden( Presse, Rundfunk) besagt: Ich mache die Grußmode nicht mit und bitte auch mich nicht zu grüßen."

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Wer hat einen guten Gedanken für das Abzeichen und beginnt mutig mit der Bragis?

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Der Proletarier.

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Von Meists Grab am stillen Wannsee   fuhr ich gegen Abend nach Berlin   zurüd. Auf Station Tiergarten stieg eine Anzahl Ar­beiter anfcheinend Maurer in das Kupee, in dem ich faß. mir gegenüber, in der Ede, ließ sich ein noch jüngerer Arbeiter nieder, der offenbar nicht zu den anderen gehörte und ein Buch in den Händen drehte, dessen Titel er, sei es absichtlich oder unab­fichtlich, meinen Augen zu lesen hartnädig vereitelte. Ich vermute jedoch mit Bestimmtheit, daß, nach Einband, Format und Drud zu schließen, das Buch zu jener sozialdemokratischen Bibliothek ge­hörte, in welcher Engels und Kautsky   die ökonomischen Lehren von Rart Mary in populärer Weise auseinandergesetzt haben.

Nach einer Weile schlug der junge Arbeiter das Buch auf, dessen Lesezeichen befundete, daß er wohl schon den Tag über, im fühlen Grunewald   liegend, darin gelesen und mit wallendem Herzen den Rausch der Ideen gekostet, die dem vierten Stand so viel ver. heißen, ja noch mehr: mit unerschütterlicher Gewißheit garantieren. Er las und fah, ein Ginnender, durchs Fenster hinaus auf die Dächer und Kuppeln der Stadt, und las wieder, während die in ihren Lumpen und langen Halstüchern so malerischen Gestalten neben ihm ihre nächsten Aussichten in derben Worten besprachen.

Ich liebe dieses Bolt, und nicht mit den Augen des Künstlers allein: auch mit dem Herzen. Seine Schwielen an den Händen, seine durch Anstrengungen gefurchten Gesichter, seine beftaubten und zerrissenen Kleider, seine rohe Kraft und seine herbe Reserviertheit­sie flößen mir Achtung und mehr als Achtung ein.

Was mich aber jedesmal wahrhaft ergreift, das ist der naive und heiße Bildungstrieb so vieler unter ihnen, diefes Hinauswollen über ihre bumpfe Uniffenheit, diese brennende Sehnsucht, die

Bollen.

Christian Morgenern ( Fragment aus dem Nachlaß der Jugendiahre).

Die modernen Grußformen sind also Symbole, welche dem Begrüßten sagen sollen: ich bin bir unterwürfig. Es ist ganz bezeichnend, daß der sprachliche Ausdruck für die Grußverbeugung lautet einen Diener machen" und man in vielen Gegenden Deutsch­ lands   heute noch als Gruß sagt:( Ich bin) Ihr Diener!; in Dester- affen des Geistes kennen und gebrauchen zu lernen, denen die ver reich sogar" Serous"( auf Deutsch  :( Ich bin Ihr) Sflave"). haßte Bourgeoisie so viele Siege verdankt. Wieviel Schönheit liegt Ursprünglich ist also der Gruß nur eine demütigende in diesem Streben, wieviel Durst, wieviel stummes ringendes Unterwürfigfeitsbezeugung von Unterdrückten gegenüber ihren Beherrschern. Die gesellschaftliche Kriecherei der Menschen voreinander hat es nun mit sich gebracht daß man schließlich diese dem einzelnen ja nur noch abgeschwächt zum Be mußtsein tommenden Form nicht nur dem direkt Höherstehenden gegenüber ausübte, sondern auch den formell Gleichstehenden, denen man irgendwie entgegenzukommen und sich untertänig zu zeigen für nüßlich erachtete: etwa einflußreichen, älteren Personen, guten Kunden des Geschäfts usw. Die Begrüßten aber wehrten dann die übertriebene Ehrerbietung ab, indem sie sie auf gleiche Weise er­widerten. Es ist das genau so, wie heute im brieflichen Berkehr jeder einen jeden als sehr geehrten Herrn" begrüßt und am Schluß seiner Hochachtung" versichert.

Wie start aber der Gruß heute noch als sozialer Faktor der Züchtung von Untertänigteitsgefühlen dient, ersehen wir aus dem zweiten Umstand: daß nämlich allenthalben aufs peinlichste darauf geachtet wird, wer zuerst grüßt und wer den eigentlichen Gruß nur erwidert", nur für ihn dankt": Der Herr grüßt die Dame, Kinder die Erwachsenen, Schüler die Lehrer, untere Beamte die höheren, Schuldner ihren Gläubiger, Angestellte den Herrn Chef usw. Wie eine unwichtige und rein formelle Aeußer lichkeit das Grüßen auch scheinen mag, man versuche nur einmal, es zu unterlassen oder auch nur, ostentatio nachlässig zu grüßen, und man wird schleunigst bittere Erfahrungen darüber machen, wie ſtart dies von den zu Begrüßenden als Auflehnung gegen die ihm geschuldete Ehrfurcht, der Disziplin empfunden und mit höchster Ungnade beantwortet wird.

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Auch die moderne Jugendbewegung hat gleiche Erfahrungen gemacht Sie hat vielerorts die lebhaftefte Gegnerschaft der Lehrer und der Schulbehörden gefunden, weil die von ihr eingeführte Hut losigkeit nicht mehr das ordnungsmäßige vorgeschriebene Abnehmen des Hutes vor den Lehrern ermögliche, sondern nur noch eine leichte Berbeugung im Gehen, die den Herren nicht demütig genug schien. Was für eine hohe Bedeutung als Disziplinierungsmittel das Grüßen beim Militär hat, werden ja die meisten männlichen Leser aus eigener Praris wissen. Ebenso spielt es eine große Rolle

Kahen ohne Schwanz. Daß es Razen ohne Schwanz gibt, wird gewiß vielen unglaublich vorkommen, und doch gibt es Zierden dieses weit verbreiteten Geschlechtes, die auch nicht den geringsten Stummel ihr eigen nennen. Das sind die Mang"-Raßen der englischen Insel Mang, die dort als Sehenswürdigkeiten gehalten werden und von denen so manche bon einem Besucher der Insel als Andenken erstanden wird. Außer ihrer Schwanzlosigkeit sollen sie auch besonders sich durch ihre Tüchtigkeit im Mäusefangen aus­zeichnen. Obwohl in jedem Sommer viele dieser Kaßen von den Badegästen mitgenommen werden, ist doch keine Gefahr, daß diese feltene Zucht ausstirbt. Es gibt verfchiedene Leute auf der Insel, die mit den ungeschwänzten Miezen einen schmunghaften Handel treiben und für reichlichen Nachwuchs forgen. Man fann schon ein stattliches Eremplar für 5 Schilling erstehen. Wie die schwanzlosen Kazen auf diese Insel Mang gekommen sind, ist ein Geheimnis, um das sich so manche Fabel gesponnen hat. Eine romantische Erzählung will die Mang- Raßen auf schwanzlose Razen Spaniens   zurüd­führen, die auf die Insel gekommen fein follen, als zwei Schiffe der spanischen   Armanda in der Nähe von Bort Erin Schiffbruch er­litten. Die Zoologen glauben an feine so geschichtlich denkwürdige Abfunft, sondern halten die Mang- Raße für das Ergebnis einer Kreuzung zwischen einer gewöhnlichen englischen Raße und einem Kaninchen; sie weisen darauf hin, daß die Hinterfüße der schwanz­losen Kaze größer find als die der gewöhnlichen Haustage und den Hinterpfoten des Kaninchens sehr ähneln. Eine andere Theorie ist, daß die Kagen aus Japan   nach der Insel gebracht worden sind. Am luftigften ist eine Sage, die die Ammen von Mang den Kindern an. vertrauen. Danach war die Mang- Kaze das letzte Tier, das in die Arche Noah tam und ihre Unpünktlichkeit fostete sie ihren Schwanz. Denn dieser wurde abgeflemmt, als Bater Noah rasch die Tür zuschlug.