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Freitag

18. November 1927

Unterhaltung und Wissen

Die Schuld der Anna Bede.

Bon Mikszath Kalman.

Mitszath Kalman ist der berühmteste- Romancier Jung- Ungarns . Er stammt aus dem Romitat Nograd, wo die meisten feiner Er zählungen( pielen. Er war ursprünglich Romitatsbeamter, später Journalist, dann Abgeordneter. Am berühmtesten find seine Slo­matischen Dorfgeschichten". Sein literarisches Schaffen umfaßt mehr als 40 Bände.

Die Richter faßen alle beisammen. Draußen ließ sich der Nebel schwer auf das unförmige Gebäude herunter und drückte scheinbar

die Mauern zusammen, setzte sich aufs Fenster und verdunkelte die

Eisblumen.

Im Saale war eine schwere, dumpfe Luft. Die Richter lehnten sich müde in ihren Sesseln zurück, der eine schloß die Augen und seine Hände fielen wie entträftet herunter, dabei hörte er zu, wie die Feder des Gerichtsschreibers knirschte. Der andere Richter gähnte, trommelte mit feinem Bleistifte auf dem grünen Tische, während der Borsitzende seine Brille auf die Nasenspike herunter­schob und sich den Schweiß von der Stirne wisdte. Seine talten, grauen Augen blickten prüfend zur Eingangstüre.

Beilage des Vorwärts

Ja, ja, ein großer Irrtum ist in dieser Sache geschehen. Wir| immer förperlich wohlgebaute Menschen sind, auf mittelalterlich haben da eine fehlerhafte Schrift zu euch gesandt.

Das Mädchen ſtarrte mit ihren großen, träumerischen Augen auf den Alten und warf rasch dazwischen ein: " Sehen Sie, fehen Sie!"

Es war ein derartiger schmerzlicher Borwurf in ihrer Stimme, daß der Vorsitzende wieder nach seinem Tuche griff. Der harte Mensch war ganz faffungslos. Er trat zu dem Mädchen herunter und streichelte ihm seine schwarzen Haare.

" Dort oben ist eine andere Wahrheit bekannt. Geh' heim, Mädchen, ich laffe deine Mutter grüßen und ihr bestellen, daß deine Schwester Anna unschuldig war." ,, Wir haben es uns ja gedacht," flüsterte die Kleine und drückte ihre Hand an ihr Herz. ( Deutsch von J. Reismann.)

Kindermärchen.

Bon Hans Bauer.

Wenn schon zu sagen ist, daß das Theater der Erwachsenen

" Ist noch jemand draußen," fragte er gedehnt, mit mürrischer stagniert, was soll man dann erst vom Theater der Kinder fagen! Stimme den Gerichtsdiener.

Ein Mädchen," gab der Diener zur Antwort. " Das Mädchen soll hereinkommen."

Die Türe wurde geöffnet und ein Mädchen trat ein. Ein niedliches Geschöpf. Eine schlanke, wohlproportionierte Gestalt, auf welcher eine blumengestickte Jade so zierlich faß, als ob fie auf eine Statue gegossen worden wäre. Sie sentte bescheiden ihre schwarzen Augen zu Boden, und ihre Etirne verdüsterte sich.

Was ist mit dir, Kind?" fragte der Borsigende gleichgültig. Das Mädchen richtete ihr schwarzes Tuch auf dem Kopfe zurecht, und mit einem Seufzer antwortete fie:

" Ich habe ein schweres, schweres Leid."

Ihre weiche, traurige Stimme drang bis ins Herz, wie eine Musit, die bereits verstummt ist, deren Töne aber noch durch die Luft schwingen. Sie veränderte alles und jeden, der sie vernahm. Das Gesicht der Richter blickte nicht mehr so mürrisch drein, das Bild des Königs und des Obersten Gerichtspräsidenten winkte freundlich von der stummen Band herunter, daß fie mur pon ihrem großen Leid zu sprechen beginnen solle.

" Dort ist das Schriftstück, daraus werden Sie alles ersehen." Ein Urteilsspruch!" brummte der Borsitzende, nachdem feine stechenden Augen das Schriftstück überflogen hatten. Bebe Anna wird aufgefordert, ihre halbjährige Kerterstrafe mit heutigem Tage anzutreten.

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Das Mädchen nidte traurig mit dem Kopfe, und als sie das Haupt herabfinten ließ, rutschte ihr rückwärts das Kopftuch her. unter, und ihr volles schwarzes Haar fiel ihr in einem dichten 3opfe ins Geficht. Es war gut, daß es jetzt ihr Antlitz bedeckte, weil es, das früher weiß wie eine Lilie war, jetzt von schamhafter Purpurröte übergossen schien.

Heute vor einer Woche haben wir die Schrift bekommen," stotterte sie heraus. Der Herr Dorfvorsteher hat sie uns selber gebracht, den Inhalt hat er uns auch erklärt, meine gute, arme Mutter sagte dann zu mir: Geh, Mädchen, Gesez ist Gesetz, damit ist nicht zu scherzen." So bin ich also hergekommen, um die Strafe anzutreten."

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Der Vorsitzende wischte sich sogar jetzt schon zweimal seine Brille, und ein böser, giftiger Blick suchte das Gesicht seiner Kol­legen, das Fenster, den Fußboden, den großen Eisenofen, durch Deffen gelochtes Zürchen funkelnde Feueraugen herausstarrten und ganz unfreiwillig brummte er: Gefeß ist Gefeß."

Dann las er aufs neue den Beschluß des Urteils durch, starrte auf die Schnörkel und Kraßfüße des weißen Schriftstüdes: aber wahrhaftig, da stand es immer wieder schwarz auf weiß zu lesen, daß die Anna Bede wegen Hehlerei ein halbes Jahr Kerter ab fizen müsse.

Der Bentilationsblechring des Fensters begann fich wahn sinnig rasch zu drehen. Wahrscheinlich ging der Wind so start draußen, wie er jo an die Fensterscheiben rüttelte, als ob eine nach Hause kehrende Seele draußen stehen würde, es entstand ein falter Luftzug, der durch die Spalten hereinkam und vor sich pfiff: Gesetz ist Gesetz."

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Der gefühllose Kopf niďte sein Einverständuis diesen scheinbar aus dem Jenseits tommenden Stimmen zu, die große schwere Hand packte die Glocke und läutete nach dem Gerichtsdiener:

Führen Sie die Bede Anna zum Gefängnisauffeher." Der Diener nahm das Schriftstück in Empfang, das Mädchen drehte sich stumm um, aber ihre fleinen roten Lippen bewegten sich als wie im Krampfe, als ob sie nach Worten suchen würde: ,, Willst du vielleicht noch etwas hinzufügen?" " Nichts, nichts, nur daß ich die Else bin, die Else Bede, meine ältere Schwester, belieben Sie zu wissen, das ist die Anna. Aber heute vor einer Woche haben wir die Arme begraben." ,, Dann bist du doch nicht verurteilt?"

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" Oh, du lieber Gott, weshalb sollte ich auch verurteilt sein? Ich tue nicht einmal einer Fliege etwas zuleide." Weshalb bist du also hierhergekommen, du dummes Mädel?" Also bitte sehr, das ist so. Während nämlich ihre Sache" zur Berufung an die zweite Instanz ging, ist sie gestorben. Als fie dann starr, mit Blumen geschmückt, in der Kammer lag, da tam gerade der Befehl, daß sie ein halbes Jahr doch absizen müsse. Dh. wie sie auf die Entscheidung gewartet hat: Und wie gut, daß fie es nicht erleben mußte. Sie hat das nicht erwartet.

Dem Mädchen rannen die Tränen bei der Erinnerung über die Bongen, und sie tonnte faum fortfahren:

Wie sie dort gelegen ist, bewegungslos, mit geschlossenen Augen, stumm für alle Ewigkeit und taub. da haben wir mit der Mutter gelobt, daß mir alles gutmachen werden, wenn sie auch nicht schuldia war. Dh wirklich, fie mar nicht schuldig. Da haben wir uns also gatat....

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Was denn, Kind?"

" Dak, damit fie vollständige Ruhe im Grabe babe, niemand ihr nachlagen soll, daß fie etwas schuldig geblieben ist. Die gute Mutter bezahlt ben Schaben. und ich werde an ihrer Stelle beim Romitat bas halbe Jahr abfizen."

Die Ritter faben einander lächelnd an: Was für ein naives, einfältiges Mädchen! Das Gesicht des Vorsitzenden war schon nicht mehr so fühl. Er mischte sich mit seinem gelben Tuche nicht einmal mehr die Stirne ab. sondern etwas tiefer.

,, Es ist gut, Mädchen," sagte er leise, und fanft, aber warte, jetzt fällt mir etwas ein..

Er stüßte seinen Handrücken auf die Stirn und tat so, als ob er nachdenken würde.

Die Wochen der Märchenaufführungen sind wieder einmal heran­gekommen, aber man muß feststellen, daß auf dem Kindertheater gegenüber den Tagen unserer eigenen Kindheit durchaus alles beim alten geblieben ist. Gar nicht daran zu denken, daß die Direktoren die Technisierung der Erde, die Modernisierung unseres Weltbildes, Dinge, die auch an den Kindern feineswegs spurlos vorübergegangen sind, in ihre Rechnung mit einstellten. Wie zu Urgroßvaters Zeiten wimmeln Nigen und Kobolde auf der Bühne herum, geistern Heren und Feen einher, holen herrliche Prinzen ein schönes Bettelmädchen heim in ihr Schloß. Und nicht einmal, daß der alte Wein wenigstens in neue Schläuche gegossen worden wäre, noch immer wird Rot­Stiefmutter vergiftet, wird Dornröschen verzaubert. Aber all das täppchen vom Wolf gefressen, wird Schneewittchen von der bösen sind für die Kinder feine Probleme mehr, die Innerlichstes in ihnen berühren. Und was sind das bloß für unnötige Bestialitäten, mit denen diese Märchen vollgestopft sind! Da muß, in ,, Aschenpuitel", die böse Stiefschwester in glühenden Pantoffeln tanzen, da wird, in Hänsel und Gretel ", die Here in einem Backofen verbrannt, da fletscht ein Wolf fieben Geislein hinunter, und es wird ihm später dafür der Bauch aufgeschlitzt, da ermordet ein Schneiderlein hinter listigermeise soundsoviel Riesen...

Im Kindermärchen trachten heimtüdische Schurten aus undurch fichtigen Gründen edelmütigen Menschen, die midersinnigerweise auch

grausame Art nach dem Leben, und wenn dann die edelmütigen Wohlgebautheiten siegen, so sind Gold, Edelsteine und der Grafentitel ihr Lohn. Was ist hieran erhebend? Wo sind hier die erzieherischen Momente? Natürlich muß ein Kindermärchen bunt, phantastisch, grell, farbenfroh, naiv sein. Aber sind Totschlägereien und mate­rielles Entgelt für die Brapheit unumgängliches Zubehör der Bunt­heit, Phantastit, Farbenfreude und Naivität?

Das Kindermärchen schildere den sieghaften Kampf des Menschen­geistes mit den Naturgewalten, befreie unterdrückte Menschen aus 3wang und Nöten, zeige das Tier als unseren Freund und Schöpfungsgefährten( und nicht als hassenswerten Raubgesellen), entführe in erotische Gegenden, tauche hinab auf den Meeresgrund steige empor in den Weltenraum.. Unermeßlich ist das Stoff­gebiet! Hinweg mit der biederen Trottelhaftigkeit fettgefressener Könige, der langweiligen Süßlichkeit kniehösiger Prinzen, den weiner­lichen Christbaumschmucktugenden frömmelnder Jungfrauen. Ideale und Heldentum für die Kinder! Aber neue Ideale und neues Heldentum!

gewissen Familien so häufige Auftreten der musikalischen Begabung Neues über die Bererbung mufikalischer Eigenschaften. Das in ist von der modernen Erblichkeitsforschung besonders eifrig studiert morden. Nachdem man bereits durch Umfragen ein reiches Mate­rial gewonnen hatte, hat jetzt der norwegische Binchologe Prof. Mjöen den Begriff der musikalischen Begabung" schärfer bestimmt. Die Mufitalität ist natürlich eine Bereinigung vieler Eigenschaften, von fcheidungsfähigkeit für Tonhöhen, Unterscheidungsfähigkeit für Moll denen Mjöen im ganzen 20 aufführt. Die wichtigsten sind: Unter­und Dur, Sinn für Harmonisierung und absolutes Gehör. Mjöens Untersuchungen bestätigen die Annahme, daß zwischen der musika­lischen Begabung der Eltern und der Kinder ein enger Zusammen­hang besteht. Sind beide Eltern hoch musikalisch, so pilegen auch die Kinder über den Durchschnitt musikalisch zu sein. Böllig unmusi­falische Eltern haben nie hochmusikalische Kinder. Im einzelnen weicht freilich der Begabungsgrad der Kinder häufig, von dem der Eltern nicht unerheblich ab. Das ist auch nicht anders zu erwarten, weil die musikalische Beranlagung der Eltern stets eine zusammen­gesetzte Eigenschaft ist, und so wird nur eine ganz genaue Analyje der Erbanlagen der Eltern eine Boraussage für die Anlagen der Kinder gestatten. Dabei ist es auch notwendig. die Begabung der Verwandten zu erforschen, denn die Berücksichtigung der Seiten­linien" ist nach Mjöens Ansicht besonders wichtig. Der nordische Gelehrte erwähnt in diesem Zusammenhang einen alten norwe gischen Spruch: Du sollst ein Mädchen nicht beiraten, das die bereits, daß man, um die Eigenschaften eines Menschen zu er­einzige Feine in der Sippe ist." Die alten Wikinger wußten also tennen, die der Sippe berüdfichtigen muß.

Hauff gegen Schmutz und Schund.

Zu Hauffs 100. Todestage von Gerhardi Neumann.

Es gibt wohl kaum eine Zeit, in der nur gute Bücher geschrieben wurden; man müßte denn schon sehr weit zurückgehen. Und es ist durchaus nicht verwunderlich, daß es bisher in jeder Gemeinschaft eine Schicht gab, die leichte und seichte Lektüre verlangt. Mancher Beruf zerstört förmlich die Aufnahmefähigkeit des Geiftes. Aber ungleich viel häufiger erzeugt die Berufslosigkeit, Faulenzen und zer. mürbendes Leben jene Geistlosigkeit, die in ihrer verzweifelten Langeweile zum Schlechten, die Sinne aufpeitschenden Buche greift. Deutschland erlebte in den Jahrzehnten um 1800 eine unbeschreibliche Hochflut solcher Literatur. Neben einer Sonne wie Goethe konnten feine andere Sterne leuchten. Goethe und Kotzebue z. B. lebten in der gleichen Welt und doch repräsentieren sie zwei Welten. Die rührselige( wenn auch gedankenarme), die tränenreiche( wenn auch kitschige) Welt Kotzebues mar der lesemütigen Masse leichter faßbar als die klassische Bollendetheit Goethes . Die Erfazliteratur der Richtung Kotzebue schwoll inmer stärker an und mit ihr die sensationshungrige Masse. Eine Unmenge Romanschreiber und Dramendrechsler schleuderten eine Unmenge Bücher ins Bublifum, und eine Unmenge Kritifaster half der Berbreitung nach. Das Schicksal solcher Autoren ist es dann freilich stets, alsbald vergessen

zu werden.

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Ganz gegen seinen Willen ist einer jener Modeschriftsteller in die bleibende Literatur geraten, und wenn er heute für einige Augen blide ans Licht gezerrt wird, so geschieht es nicht um seinet, sondern Hauffs willen. Sein Schriftstellerpseudonym war 5. Clauren, im bürgerlichen Leben hieß er Carl Heun und war seines Beichens ein Hofrat . Das bekannteste seiner Werte war betitelt: Mimili , eine Schweizergeschichte", ein Roman, dem man eins zugestehen muß: er wurde dem Geschmack derer, denen solche Leftüre Bedürf nis war, glänzend gerecht. Dieses Wert erweckte in Wilhelm Hauff den Gedanken, gegen diese Literatur einmal anzufämpfen, was seit ben ,, Xenien ", mit denen Goethe und Schiller gegen die Mittelmäßig teit und Bersumpfung zu Felde zogen, taum mehr geschehen war. Später einmal sagt er, welche Gefühle in ihm aufstiegen: Gegen Gift hilft nur wieder Gift. Ich dachte nach über Ursache und Wirkung jener Mimili- Manier, ich betrachtete genau die Symptome, die sie hervorbrachte, und ich erfand ein Mittel, worauf ich Hoffnung feßte. Aus denselben Stoffen. strach ich zu mir, mußt du einen Teig fneten, mußt ihn würzen mit derselben Würze, nur reichlicher überall, nur noch pitanter; an diesem Backwert sollen sie mir fauen, und wenn es ihnen auch dann nicht widersteht... so sind sie nicht mehr zu turieren, oder Nach diesem Rezept schrieb er den Roman Der Mann im Monb" mit dem Untertitel Der Bug des Herzens ift des Schicksals Stimme". Alles Erforderliche tat Hauff in dies Badwert" hinein, alles, was das Publikum verlangte von einem Roman: Sentimen talität, Naivität, leidende Unschuld, Liebesteiden und Liebesfreuden, intrigierende Familienzirtel, den guten Onfel, den reichen Grafen, den forschen Militär, bie schöne Komtesse und vor allem bie ein gehende Schilderung von Diners und Soupers und vom An- und Austleiden und von ähnlichen Intimitäten eines reizenden Mädchens. Alle Finessen Claurens hatte Hauff studiert und äußerst gefchidt angebracht. Der Stoff selbst ist das übliche Thema jener Literatur­gattung: das ahnungslose, engelsreine Mädchen, um das sich die Liebhaber drängen und duellieren; verschmähte Liebe; zerstörte Liebe; Gesellschaftsklatsch; Berrat und Intrigen; Trennung und Ber­zweiflung; schließlich Wiedervereinigung und glückliches Ende.

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es war nichts an ihnen verloren."

Hauff ließ den Mann im Mond" im Herbst 1825 im Frandh schen Berlag unter dem Namen Claurens erscheinen. Bublifum und

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Kritik waren begeistert und glaubten, in diesem Werte das Beste, das Clauren je geschrieben habe, zu erkennen. Nur einer war nicht begeistert, und der ließ folgende Warnung vor Betrug" drucken: Das bei Franch in Stuttgart unter dem Titel Der Mann im Mond usm." in zwei Teilen soeben erschienene Wert ist von dem durch sein Taschenbuch Bergiẞmeinnicht" und andere schöngeistige Schriften, unter dem Anagramım seines Namens bekannten Geh. Hof­rate Carl Heun nicht verfaßt. Dies für Buchhandlungen und Kauf­luftige zur Nachricht und Warnung." Diese Notiz vermehrte noch die Berwirrung, die bisher bei den Lesern des Romans entstanden

mar.

tief beleidigt und strengte beshalb eine Klage gegen Hauff an. Nun Allmählich lichtete sich aber das Duntel; Herr Heun fühlte sich zu mußte auch von den fanatischsten Clauren- Anhängern der Zweifel meichen: Clauren hatte sich nicht selbst übertroffen, sondern war übertroffen worden! schieden. Doch machte sich Hauff darüber feine Sorgen; denn der Die Klage wurde zugunsten Claurens ent­vernünftige Teil der Leser und der Kritik hatte sich bereits für ihn entschieden. Von den kritischen Stimmen sei nur eine zitiert( aus dem Literarischen Konversationsblatt"; 1885): Die Claurensche Muse hat dem Herrn Bapa Hörner aufgesetzt und sub titulo desselben ein Kindlein zur Welt gefördert, das der Liebe des Bublifums un­gleich würdiger ist als die Sprößlinge, die aus der immer lauer werdenden Ehe als echtes Gesindel hervorgehen.. wäre die Novelle Der Mann im Mond" eine der gelungenſten zu Im übrigen nennen, die seit geraumer Zeit unter der großen Flut von Erzählun­gen erschienen; gelungener auf jeden Fall, als sie Herr Clauren je schreiben tann."

Eine wohlwollendere Kritit konnte sich der Dichter gar nicht wünschen; er hatte zwar Clauren nicht vernichtet, aber doch erreicht, baß man auf den Unwert Claurens aufmerksam wurde. Hauff konnte daher in aller Ruhe an seinem geschichtlichen Roman Lichtenstein" arbeiten und nach dessen Bollendung eine Reise nach Paris antreten. Es war inzwischen das Jahr 1827 heran­gekommen, der Prozeß war vorüber da ermachte in Hauff noch einmal die innere Notwendigkeit, gegen Clauren aufzutreten, und er schrieb die ontropers prebigt über 5. Clauren und den mann im Mond", die im März 1827 erschien. Hier sagte er dem Publikum recht deutlich die Meinung: Doch von solchen Torheiten sollte man nicht im Scherz sprechen, fie verdienen es nicht, Denn wahrer bitterer Ernst ist es, daß solche Nieberträchtigkeit, folche Wirtshauspoefie, solche Dichtungen à la carte... wenn man den gebildeten Röbel in feinem Wahn läßt, als wäre bies das Manna, so in der Wüste vom Himmel fällt, die Bürde unserer Literatur vor uns selbst und dem Auslande, vor Mit- und Nachwelt schänden!" In dieser Predigt" führte Hauff dem deutschen Bublikum mit all der Eindringlichkeit und Beredsamfeit, die ihm zu Gebote standen. die Lächerlichkeiten und Dummheiten der Claurenschen Muse vor Augen und schließlich den entsittlichenden Einfluß dieser Lektüre.

Acht Monate später starb Hauff , und so verlief dieser Kampf gegen Schmutz und Schund ergebnislos: denn Clauren lebte bis 1854 und beglückte die Welt noch mit mancher Mimili. Aber die Schluß­worte der Kontroverspredigt hat Hauff sicher nicht vollkommen um­sonst gesprochen: Benn auch nur zwei, drei Herzen fich entrüftet von ihm abwenden, so habe ich für mein Bewußtsein genug getan! Beiß ich doch, daß es in diefen Landen noch Männer gibt, die mir im Geiste danken, die mir die Hand drücken und sagen: Du hast gedacht wie mir!"

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