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Beilage

Sonnabend, 25. Februar 1928

Der Abrno

Spalausgabe des Vorwärts

DIE WAHRHEIT ÜBER MEXIKO  

Wer ist Traven?- In In dem Lande des Frühlings.

Die Redaktion des Abend" hat sich entschloffen, fünftig| wurden, waren entweder nüchtern wissenschaftlich oder aben-| dir nichts ihr Leben in die Schanze schlagen und das des spannende wertvolle Erzählungen in laufenden Fortsetzungen teuerliche Unterhaltungslektüre oder irgendwie kapitalistisch Nächsten nicht besonders hoch schäßen, da sie ja sehen, wie diese zum Abdruck zu bringen und glaubt mit der Wahl des ersten gefärbt. Ihr Grundcharakter war, daß die kapitalistischen   Welt mit ihrem, mit dem Leben der Millionen umspringt. Werkes bereits ihren Lesern eine besondere Freude zu bereiten. Ausbeutungsmöglichkeiten geschildert oder in verschleierter Das Buch zeigt in einem grandiosen Film, wie der einzelne, Es handelt sich um den Goldgräberroman ,, Der Schader Form angedeutet wurden; sei es, daß man die erforschten der die Jagd nach dem Golde verdammt, der selber ihr Sierra Madre" aus der Feder des deutschschreibenden, in Gebiete als Auswandererland, für den Import, Export oder elendstes Opfer geworden ist, selbst zum Goldjäger( hier in für die Annexion empfahl. Aber in diesem Reisebuche ist zum erstenmal eine Forschungsreise dargestellt vom Standpunkte der proletarischen und der antibürgerlichen Weltanschauung aus. Das Buch weicht sogar in der Art der Darstellung des Stoffes von den Formen der bürgerlichen Reiseliteratur völlig ab. Niemals fann ein solches Buch etwa von Touristen als ,, Reiseführer" gebraucht werden. Es fann nicht ,, gebraucht" werden. Das ist einer seiner großen Vorzüge. Dem Leser wird vielmehr vor seinen Augen eine ganz neue Welt er­stehen, von deren Vorhandensein er bisher nichts wußte. Ihm wird diese neue Welt nicht nur in förperlichem Sinne, sondern erst recht im geistigen Sinne als eine neue Ideenwelt er­scheinen. Der intelligente europäische   Arbeiter wird aus dem Buche herauslesen, daß es in Merito wie bei allen fremden Völkern nur ,, anders gemacht" wird als daheim, daß aber die Lebensziele, die Motive, der Wille und die Sehnsucht zum Licht, zur Schönheit und zur Freiheit überall die gleichen sind.

Flußlandschaft in Mexiko  .

Merito lebenden Schriftstellers B. Traven  , der sich bereits durch drei andere Bücher, die sämtlich in der Büchergilde Gutenberg, Berlin   SW. 61, Dreibundstraße 5, erschienen sind, einen guten Namen verschafft hat. Es steht fest, daß der an seine Alltagsarbeit gefeffelte werftätige Mensch von heute be­sonders nach außergewöhnlichen Erlebnissen und nach dem Erleben der weiten Welt sich sehnt, da er es nicht anders fann, einen Ersatz im Buche sucht. Das beweist am besten die Begeisterung für die Werke Jack Londons  , die jetzt von den Büchern B. Travens fast schon überragt werden. Wir können leider über das Schicksal und die Herkunft dieses Schriftstellers unseren Lesern keine näheren Angaben machen, dafelbst der Verlag der Büchergilde Gutenberg nichts über " den Berfasser zu berichten weiß. Nicht unintereffant ist aber, mit welchen Begründungen Traven   jede Auskunft über seine: Persönlichkeit abgelehnt hat. Er schrieb einmal:

,, Wer sich um einen Boften als Nachtwächter oder als Laternen­anzünder bewirbt, muß einen Lebenslauf schreiben und ihn inner­halb angemessener Frist einreichen. Von einem Arbeiter, der geistige Berte, schafft, sollte man nie einen Lebenslauf verlangen. Es ist unhöflich. Man verführt ihn zum Lügen. Besonders dann, wenn er aus irgendwelchen Gründen glaubt, daß sein wahrer Lebenslauf eine Enttäuschung für die Menschen sein muß. Hier freilich treffe ich mich nicht selbst. Mein Lebenslauf würde nicht enttäuschen. Aber mein Lebenslauf ist meine Privatangelegenheit, die ich für mich be­halten möchte. Nicht aus Egoismus, vielmehr aus dem Wunsche. heraus: in meiner eigenen Sache mein eigener Richter zu sein. Ich möchte es ganz deutlich sagen: die Biographie eines schöpferischen Menschen ist ganz und gar unwichtig. Wenn der Mensch nicht in seinen Werken zu erkennen ist, dann ist entweder der Mensch nichts wert oder seine Werke sind nichts wert. Darum sollte der schöpfe rische Mensch keine andere Biographie haben als seine Werke. In seinen Werken fett er seine Persönlichkeit und sein Leben der

Kritik aus."

Und damit, daß er seine Bücher sprechen lassen will, hat B. Traven vollkommen recht, denn sie reden eine unverfälschte flare Sprache und befriedigen unseren Drang, von unseren Arbeitskameraden in anderen Erdteilen Wahres und Selbst­erlebtes zu erfahren.

Gleich das erste Wert B. Travens ,, Das Totenschiff  " überraschte durch die ungeschminkte Darstellung einer grauen­erregenden Seemannsromantik und feltſamſter Erlebnisse eines Seearbeiters, der arbeitslos und ohne Ausweispapiere gezwungen ist, sich auf ein Totenschiff anheuern zu lassen. Ein Schiff, das der Reeder wegen der Versicherungssumme untergehen läßt, ohne Wissen der armen Teufel, die in seiner Hölle arbeiten müssen. Dieses Buch wird wohl noch für lange Zeit einzig in seiner Art bleiben. Dieselbe eigenartige Stel­lung innerhalb unserer Literatur nehmen auch die anderen Bücher B. Travens ein: Der Wobbly  " und" Der Schatz der Sierra Madre". Beide Bücher geben einen tiefen Einblick in die Arbeiterverhältnisse Zentral­ameritas und Meritos, wie sie in feinem anderen Buche, ganz gleich welcher Sprache, bis heute gefunden werden

fönnen.

Der Wobbly", das ist der bei der revolutionären Ge­werkschaft Ameritas organisierte Mann, geächtet von allen Antreibern, verfolgt auch von der Polizei. Wir sehen ihn als Baumwollpflücker und sind erschüttert, wenn wir in dieses Hundeleben dieser Arbeiter sehen müssen. Wir lernen auch die Arbeitsverhältnisse in einer Bäckerei fennen, wo 18 Stun den gearbeitet wird um einen Schundlohn, den der Meister bezahlt wann er will. Aber plöglich fommt in ein Café ein Merikaner; ein Streit bricht aus und nun fann man lesen, wie die Polizei unter der Regierung des Präsidenten Calles mit dem Unternehmer umgeht, der da glaubt, mit Streit brechern arbeiten zu können.

Auch mit seinem großen Reisewerk Land des Früh lings", das mit vielen Originalaufnahmen des Verfaffers versehen ist, hat Traven   ein Buch von besonderem Format gegeben. Es hat bisher in seiner Art feine Vorgänger ge­habt und wird wohl auch für lange Zeit noch feine Nach fahren haben. Denn alle Reisebücher, die bisher geschrieben

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Als letztes Buch, auf das. wir an dieser Stelle besonders hinweisen wollten, da wir es für die Leser des Abend" zur Veröffentlichung bringen, nennen wir den Goldgräberroman ,, Der Schader Sierra Madre". Die Sierra Madre ist das wildromantische Gebirge, das Meriko zu einem großen Teile durchschneidet. Die Bilder, die wir an dieser Stelle bringen, eigene Aufnahmen B. Travens, geben ein anschau­liches Bild von dem Schauplatz der Geschehnisse unseres Romans. Der Kern der Erzählung ist eine merikanische Goldgräbergeschichte. Abenteuer, Banditentum, Goldjagd, Entbehrungen, blutige Kämpfe das alles hat in diesem Abenteuerroman so gut Plaz wie in allen früheren ähnlichen Geschichten. Und doch hat er mit diesen nichts gemein. Denn

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Indianisches Gebirgsdorf.

hier erzählt einer, der es felber erlebt haben muß, vom Da­feinstampf jener, die die kapitalistische Walze ganz zu unterst oder ganz abseits des Proletariats geschleudert hat, die um den Bissen Brot und die tröstende Zigarette vor feinem Grauen zurückschrecken, die, skrupellos geworden, mir nichts,

Indianer beim Straßenbau.

des Wortes ursprünglichster Bedeutung) geworden, in der schrecklichsten Weise sofort den Fluch des Goldes auf sich zu nehmen gezwungen ist, wenn ihn nicht eherne Sittlichkeit da­vor bewahrt. Und woher sollten die Ausgestoßenen, die Ver­achteten, die Gehezten diese Sittlichkeit nehmen?

Traven   spricht nirgends diese oder eine andere ähnliche Tendenz aus. Keine Reflexion, feine ökonomische, politische Erwägung hält den Fluß der Erzählung auf. Du wirft den Autor nirgends gewahr und doch spürst du das Gesicht der Zeit. Fürchterlich tritt es dir entgegen in der Schilderung des beispiellos grausamen Ueberfalls der Banditen auf den merikanischen Eisenbahnzug, jenes entsetzlichen Ereignisfes aus der jüngsten Zeit, das im Roman vorgeahnt ist. Hier wie überall, wo der Autor Schreckliches beim wahren Namen zu nennen weiß, mit Sarkasmus die Dinge, die eben da sind, vor dich hinstellt, lernst du tief blicken, bis auf den Urgrund, lernst verstehen und verfluchen. Und mit den halb frei­willigen, zur größeren Hälfte aber unfreiwilligen Aben­teurern möchtest du dich vor dem scheusäligen Antlitz diefer meißen   Kulturwelt hinüberretten zu den Indianern, die doch bessere Menschen sind, wenn du nicht eben wieder hinter allem Grauen eine bessere Zeit kommen sähest, auch, wie Traven   es erfennen läßt, in Merito, wo der Ungeist des Räubertums immer deutlicher dem Geist der Revolution zu weichen be­ginnt. Was einst der junge Schiller seinen Räubern" zum Motto hinschrieb, es könnte auch, nur in einem umfassenderen, neuen Sinne auf diesem Buche stehen: In tyrannos!"

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Jeder, der gewillt ist, sich vom Zwange dieser Welt durch die Kunst, durch das Buch zu entspannen, wird in einem Roman wie Der Schatz der Sierra Madre" immer auch hinter der schlimmsten Härte und Grausamkeit und Brutalität dieser harten Zeit doch auch das Herz des nach Freiheit sich sehnenden, zum Guten und Schönen gewillten Menschen fühlen. Und in diesem Sinne erfüllen B. Travens Bücher einen höheren 3wed als jene Werke, die kraftlos und un­erlebt nur am Schreibtische erstanden sind.

Ich bitte ums Wort!

Zuschriften aus dem Leserkreise an den ,, Abend". Mein Mann versteuert als Handwerker die vorletzte Einkommens­stufe. Bir müssen darum für unseren Jungen, den wir auf ein städtisches Realgymnasium schicken, monatlich ein Schulgeld von 11,25 m. bezahlen. Es wird immer den Kindern bekanntgegeben, wann sie das Schulgeld mit in die Schule bringen müssen. Aber jedesmal, wenn ich meinem zwölfjährigen Jungen das Geld mit gebe, tue ich es mit ängstlichem Gefühl, denn wer vertraut einem unreifen Kinde gern das Geld so lose mit? Wenn man bei wohl erzogenen Kindern auch nicht fürchten muß, daß sie das Geld ver­ludern- obwohl bei der heutigen Jugend die Verführung groß ift so kann es doch passieren, daß das Geld dem Kinde aus der Tasche gestohlen oder von ihm verloren wird. Jedenfalls find die Aengste nicht unbegründet und es ließe sich wohl die Einrichtung treffen, daß der städtische Kassierer es wie andere städtische Ab­gaben erhebt, man könnte das Geld ja auch an einer 3 a hlstelle im Bezirt einzahlen. Im weiteren sehe ich in dem Kassieren des Geldes während einer offenen Schulstunde einen argen Miß stand. In der Schule, die mein Sohn besucht, hat ein Lehrer, zu fällig sein Klassenlehrer, das Amt des Schulgelderhebers. paffiert da oft und ich sage es ohne Scheu, daß es uns auch schon passiert ist, daß man das Geld zum Termin gerade nicht bei­fammen hat. Da muß sich dann das Kind gefallen laffen, daß der Schulgelderheber, in diesem Falle der Lehrer, das Verfäumnis offen rügt. Kinder sind immer sehr hellhörig, und ich finde, es brauchten die anderen Kinder der Klasse nicht zu wiffen, wie es bei dem einen oder anderen mit der Kaffe zu Hause bestellt ist. N.

Hamburg vorläufige Ablehnung gefunden. Es ist zu hoffen, daß darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde, und schon jetzt bei Neu- oder Umbauten von Häusern an die Anbringung der ausbriefkästen gedacht wird. Unabhängig hiervon läßt sich aber auch in anderer Weise durch uns selbst sehr viel zur Erleichte rung der Zustellung beitragen. Wer beruflich gezwungen ist, täg­lich in die Häuser zu gehen und einzelne Mieter aufzusuchen, wird immer wieder einen Mangel entdecken, der die Orientierung äußerst erschwert sowie auch unnötige Zeit- und Kraftvergeudung bedeutet, sich aber mit geringem Aufwand abstellen läßt.

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Es

Die vor einiger Zeit erörterte Frage der Vereinfachung in der Bostzustellung durch Hausbriefkästen hat bei uns im Gegensatz zu

In nahezu allen Häusern hängt im Hausflur der Stille Portier". Gerade im Stadtinnern mit seinen vielstödigen Seitenflügeln und Quergebäuden fann er gute Dienste leiften­wenn er sich in Ordnung befindet. Sehr oft trifft dieses aber leider nicht zu, und der Fremde ist auf die Auskunft neugieriger Haus­bewohner angewiesen oder muß im Hause selbst herumsuchen. Außerdem läßt auch die Namensnennung der Mieter und Untermieter auf sichtbaren Schildern an den Woh nungstüren selbst manchmal recht zu wünschen übrig. Der Briefträger lernt zwar, wenn er eine Zeitlang in einem bestimmten Bezirk bleibt, seine Kundschaft kennen. Aber es ist ihm in vielen Fällen gar nicht möglich, seine Postfachen abzuliefern, sobald der Empfänger und feine Mitbewohner einmal nicht persönlich anwesend sind, da es noch immer Wohnungstüren gibt, die weder den prakti schen Brieffchlig besigen noch einen Briefkasten tragen. Dann muß der geplagte Briefträger, wenn er nicht das Glück hat, den Emp­fänger auf seinem Wege noch zu treffen, die Sendungen ein zweiter Mal mitnehmen.

Ch. E. Kr., Hamburg  .