Einzelbild herunterladen
 

Beilage MA992 930 STAHD Der Abend

Donnerstag, 8. März 1928

Das

Яз

Pulvertap ARABIEN

Großbritannien hat es sich schon viele Millionen Pfund Sterling tosten lassen; viele tausend Menschen sind geopfert worden, um die Herrschaft über das Borgelände zwischen Europa und Indien zu sichern! Und dieses Glacis vor der Burg Indien ist Arabien . Das Land ist sebst heute noch nur zum Teil erforscht. Es gibt noch Hunderttausende von Quadratkilometern grauenstarrender Wüsten, die feines Weißen Fuß betrat, und viele fruchtbare Dasen, von denen der ausbeutungslüfterne Geschäftsmann sich nichts träumen läßt. Nur wenige Forscher durften es wagen, das Land, das einen fleinen Erdteil für sich bedeutet, zu durchqueren, die wildesten Fanatiker des Islam haben dort das Heft in der Hand, der Giaur, der Ungläubige, ist ungern und verächtlich geduldeter Gast.

Noch wie in der biblischen Zeit.

Die in ungleicher Dichte über die Halbinsel verteilte Be­völkerung, deren Schäzung zwischen zwei und sechs Millionen schwankt, stellt durchaus nicht ein Bolt in westlichem Sinne dar. Das Land ist wirtschaftlich unerschlossen und wird es wohl auch bleiben, denn die vorherrschende Wirtschaftsform

Die Kaaba , das Haus Allahs " in Mekka . des viehzüchtenden Nomadentums, das nicht über den Eigen­bedarf hinaus zu produzieren vermag, läßt die Anlegung von Rapitalien als unrentabel erscheinen; und eine solche Er­fenntnis genügt vollkommen, um den Trägern der Zivili­sation" den Verzicht auf Kolonisation nahezulegen. Politisch herrscht heute noch die patriarchalische Regierungsform der biblischen Zeit, stellenweise, wie bei den Wahabiten, ver schärft durch diftatorische Gewalt eines rücksichtslosen Erobe­rers und deforiert mit Maschinengewehren und Geschützen nicht allzu neuer Konstruktion. Im Weltkrieg brachen die losen politischen Bindungen ganz und gar auseinander, Eng­länder und Türken spielten die einzelnen Stammeshäupt­linge und Könige" gegeneinander aus und sparten nicht mit Bestechung und schlimmeren Mitteln.

Weniger die Petroleumlager Mesopotamiens , als die Rücksicht auf die Beherrschung der kontinentalen Berbindung mit Indien veranlaßten England, sich an den Ufern des Euphrat und Tigris festzusehen, in dem es willfährige Häupt­linge als Schattenkönige einsetzte, deren Aufgabe es ist, mit Hilfe eines sozusagen, abfommandierten" Rumpfparlaments den Winken Bondons gehorsam zu sein. Das britische Aus­wärtige Amt segte nach Belieben ein und ab, nur einer war nicht unterzufriegen, man mußte sich gut mit ihm stellen, und dieser eine ist Ibn Saud , der Herrscher der Waha biten, der jetzt dabei ist, die ihm von England versproche nen, aber vorenthaltenen Pläge mit bewaffneter Hand zu nehmen.

Die Militärorganisation der Wahabiten. Die Wahabiten bilden, wie Wolfgang von Weist ( 3wischen dem Teufel und dem Roten Meer ", Berlag

Die heilige Moschee mit Mohameds Grab in Medina .

Spätausgabe des Vorwärte

KRUEGER

Zwischen dem Hedschas und dem englischen Stützpunkt Aden an der Meeresstraße Bab el Mandeb , dem ,, Tor der Trauer", liegt die Landschaft Yemen , die Heimat der

F. A. Brockhaus, Leipzig ) schreibt, eine Militärorganisation| 14 Millionen Goldmark verdient. Da kann man schon ein auf streng tonservativer, mohammedanischer Grundlage; an orthodores Auge zudrücken! die Stelle der bisherigen Stammeseinteilung trat bei ihnen die Einteilung in landwirtschaftliche Militärkolonien. Sitten­reinheit im Sinne des Korans ist oberstes Gebot, und sie wird durch die unbarmherzigen Strafen erzwungen, die das Buch des Propheten vor Hunderten von Jahren vorschrieb. Daß der Genuß berauschender Getränke verboten ist, versteht sich bei diesen fanatischen Anhängern des Islam von selbst; aber selbst das Tabatrauchen ist verpönt. Die Regie­rungstechnik Ibn Sauds erinnert in Aeußerlichkeiten an Ge­wohnheiten Harun al Raschids: er fümmert sich um alles, ist für jeden der Krieger Allahs" persönlich zu sprechen, Bettler werden anstandslos zur Audienz zugelassen, an seiner offenen Tafel speisen Hunderte von ungeladenen Gästen, und selten geht einer ohne Geschenke in Form von Gewändern oder barem Geld von dannen.

Troß der despctischen Herrschaft blüht die Beamten­forruption: so wurde in der Zeit, da Weisl gerade in Djidda mar, der Stadttommandant wegen Stlavenhandels, wider­natürlicher Unzucht, Mädchenraubes, Beruntreuung von Staatsgut und Spionage zugunsten einer feindlichen Macht verhaftet. Der ,, Erste Berater" Ibn Sauds ließ Briefmarken auf eigene Rechnung drucken und verschaukelte sie zu hohen Preisen an Sammler.

"

Die Wallfahrt nach Meffa und Medina . Der religiöse Kern und die Kaffe" Arabiens ist der Hedschas , der mittlere und nördliche Teil der Westküste mit den Städten Dschidda , Metta und Medina Hier her führt die mohammedanischen Pilger aus aller Welt die Hadsch ", die heilige Wallfahrt. Metta ist als Geburtsort des Propheten die heiligste Stadt, hier steht die Kaaba , das Haus Allahs", die Kibla , der geographische Orientierungspunkt aller Gläubigen beim Gebet, die ihr Antlig in diefe Richtung wenden müssen und in Medina befindet sich Mohammeds Grab. Alljährlich verrichten an diesen Stätten viele Zehntausende von Pilgern ihre An­dachten und lassen eine Menge Geld im Lande. Die Waha­biten sehen mit scheelen Blicken auf diese Dinge, die ihrer Strenggläubigkeit als Gözendienerei erscheinen, aber sie dulden sie; hat doch ihr König allein im letzten Jahre an den heilsbeslissenen Besuchern 700 000 Pfund oder über

200

Der Palast des Emirs von Transjordanien. Rat- Esser und der moralischen Verlumpung, Weisl, der in feinen Urteilen vorsichtig ist, sagt, daß jeder yemenitische Offizier und Beamte ausschließlich von Bestechung lebe und stehle, daß die Richter ihre Urteile an den Meistbietenden verkaufen, die yemenitischen Truppen stehlen, rauben, plün dern, ohne daß man Hilfe und Schuß bei ihren Vorgesetzten findet. Die Armen brauchen Geld für Kat".

Das ist der Angelpunkt der Degeneration: Die Blätter des Katstrauches werden zertaut und verursachen einen Dämmer zustand wie nach Genuß von Opium Geschlecht nach Geschlecht verkommt durch dieses Narkotikum, das den Menschen unsagbar schwächt und den Boden für In­feftionskrankheiten vorbereitet, und eines Tages, wenn Jbn Saud im Norden erobert hat, was er zur Abrundung seiner Herrschaft braucht, wird er mit seinen Wahabiten auch den Yemen tassieren, wenn er nicht vorher an irgendeiner der zahlreichen Berufskrankheiten" ehrgeiziger Despoten ums Curt Biging. Leben fommt.

Um das Erbe Heinrichs des Löwen.

Feudalrechte aus Urväters Zeiten.

Manchmal muß man wirklich staunen, worüber heutzutage noch prozessiert werden muß. Rechte, die irgendein Fürst oder Standes­herr in Urväters Zeit ,, wohlerworben" besaß und dann gegen schöne Renten abtrat, werden heute noch ernst genommen, obwohl sie wie versunkenes Gerümpel anmuten. Dabei muß man noch froh sein, wenn sich ein Gericht findet, das endlich einmal mit den vorsintflut lichen Affären Schluß zu machen wagt. Eines der hübschesten Stückchen dieser Art wird uns aus Geeft hacht berichtet.

Dieses kleine hamburgische Städtchen zahlte seit alter Zeit an die Lauenburgische Landesherrenschaft jährlich ein Ablager" von 120 M. und ein ,, Verbittelgeld" von 11 m, zufammen 131 M. Das Ablager, genannt Osterablager, war eine Abgeltung für das Recht der Herzöge von Sachsen- Cauenburg, in einzelnen Höfen der Dorf­schaft das Ablager oder Quartier zu nehmen. Die Last einzelner Höfe soll später auf die Gemeinde( 1139-1181) übergegangen sein. Seit Jahrhunderten, wahrscheinlich seit der Zeit Hein richs des Löwen, sollen die Mitbewohner des Kreises Herzog tum Lauenburg, die Grafen oder Bogten untergeordnet waren, verpflichtet gewesen sein, diesen und dem Gefolge bei Aus­übung ihres Amtes Betö stigung zu gewähren und ihnen genau so, wie dem Herzog selbst, Futter für die Pferde zu liefern. Die Herzöge hatten, als sie 1420 die Herrschaften Bergedorf und Riepenburg, zu welchen auch Geesthacht gehörte, sowie den halben Sachsenwald an die Städte Lübed und Hamburg abtraten, sich das Jagdrecht vorbehalten und übten es aus. Aber auch das Recht der Mitjagd in den Geesthachter Feldern und Hölzungen nahmen fie in Anspruch. Einmal im Jahre durfte der Herzog mit seinen Hofbeamten davon Gebrauch machen.

Den Geesthachtern war das herzogliche Jagdablager äußerst unbequem

und sie schlossen 1588 mit dem damaligen Herzog ein Ab tom- men, nach dem statt der Naturalverpflegung eine Geldsumme ge­zahlt werden sollte. Das Berbiitelgeld" ist allem Anschein nach eine Art Schutzneld, welches von jedem Hause in Geesthacht zu ent­richten war. Genau ist das aber nicht mehr festzustellen, jedenfalls aber ergibt sich aus einem amtlichen Bericht vom Jahre 1701, daß das Berbittelgeld in diesem Jahre nach der Zahl der vorhande nen Häuser berechnet worden ist. Diese Zahlungen find wohl meistens, manchmal allerdings unter Protest, geleistet worden. Schon während der Revolution von 1848/49 haben die Geesthachter

M

den Bersuch gemacht, die Zahlung der Abgaben zu verweigern mit Berufung auf die damalige Frankfurter Reichsverfassung, nach der derartige aus dem guts- und schuzherrlichen Verbande fließende Abgaben ohne Entschädigung aufgehoben seien. Sie haben sich aber nicht damit durchfeßen tönnen, weil die Frankfurter Reichsverfassung nicht zur Durchführung gelangte. Nachdem im Jahre 1872 der Lauenburgische Landes Kommunalverband ge­gründet worden war, zahlte Geesthacht das Osterablager und Ber­bittelgeld an diesen, und zwar bis zur Inflation. Danach verlangte der Kreisausschuß in Rageburg als Bertreter des Lauen­burgischen Landes- Kommunalverbandes eine hundertprozentige Auf­wertung, da er der Einnahme dringend bedürfe, um einen Teil feiner Ausgaben zu decken".

-

-

So tam die Sache glücklich vor die Gerichte der deutschen Republik. Aber ihnen wurde die Sache auch nicht leicht gemacht. Da Geesthacht jede Zahlung verweigerte übrigens nach vorhergehenden Berhandlungen, in denen eine fünfundzwanzigprozentige Auswertung angeboten wurde und nun auch die Berechtigung des Anspruchs überhaupt bestritt, reichte Lauenburg zunächst eine Klage beim Amtsgericht in Bergedorf ein. Das Amtsgericht ver­wies die Klage zuständigkeitshalber an das Landgericht in Hamburg . Das Landgericht hat die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechts­meges, wie Geesthacht beantragt hatte, abgewiesen. Der Landes- Kommunalverband legte Berufung ein und das Oberlandes­gericht hob dieses Urteil wieder auf. Das Reichsgericht, darauf­hin von Geesthacht angerufen, schloß sich dem Urteil des Oberlandes gerichts an. Diefe beiden Gerichte waren der Meinung, daß aus der ursprünglich sicher öffentlich- rechtlichen Verpflichtung im Laufe der Zeit eine zivilrechtliche, privatrechtliche Verpflichtung ge morden sei.

Das Landgericht Hamburg hatte also nun noch einmal über die Aufwertungsansprüche Lauenburgs zu entscheiden. Die Aufwerfungsansprüche wurden abgelehnt. Ueber die Berechtigung der Ansprüche aus der Feudalherrschaftszeit überhaupt hat das Ge richt nicht entschieden, da das jetzt belanglos fei. Da etwaige B rufungsinstanzen auch kaum anders werden entscheiden können, dürfte damit glücklich ein leberreft aus der Zeit der Feudalhe schaft beseitigt sein.

Ueber die Ansprüche anderer Standesherren aber zerbrechen si unsere Gesezgeber noch heute die Köpfe....