(Beilage Freitag, 9. März 1928
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Von F. Hilöebranöi.
M« ein Gottesauge glänzet. drüber dunNe Brauen glühn, liegt von Wald und Berg umkränzet märchenhaft der Werbellin . Das ist das Gute an der Lage des herrlichsten, natür» lichsten aller märkischen Seen, daß er vom Strom des groß- städtischen Ausflüglerverkehrs nicht so schnell erfaßt werden wird. Wer gut zu Fuß ist. kann die 13 KUometer vom Bahn- Hof in Eberswalde im Marsch zurücklegen, wer aber möglichst dicht mit der Bahn an den Werbellinsee herankommen will, der muß in Eberswalde umsteigen, den Zug nach Joachims- thal bis„Werbellinsee " benutzen, um dann schließlich immer
Die Gänsewiese. noch eine kräftige Fußwanderung zu machen, ehe er zum Werbellinsee kommt. Aber Fußtour und Bahnfahrt lohnt dieses herrliche Fleckchen Erde gleichermaßen, diese An- Häufung landfchafllichec Reize., die selbst ein Wichelm II. zu schätzen wußte, indem er sich in die Schorfheide sein Jagdschloß Hubertusstock baute. Das erste Wunder erlebt der Naturfreund beim Wasser des Sees selbst. In der näheren Umgebung Berlins gibt es
Blick auf Elsenau. keinen See und keinen Flußlauf, der so grundklares Wasser aufzuweisen hätte. Noch in drei Metern Tiefe durchdringt der Blick das Wasser bis auf den sandweißen Grund; selbst die Fiscbe sind so offen wie der See und sie zeigen sich in hundertfacher Gestalt dem ruhigen Beschauer. Dann unter- bricht wieder ein Algen- und Wasserpflanzenrevier das klare
Jugendherberge Brunoldhaus. Bluffen), oder Birken und Deidenbäume streicheln mit den Im Part��der Postautos im Dorf A l t e n h o f— die nan zur Fabi* von Eberswalde nach Altenhof am Werbellin - « benutzen kann— beginnt der herrliche Uferweg zur
Gänfewiefe und der neuen Herberge des Jugendherbergs- Verbandes, dem Brunoldhaus. dessen Pate, der Dichter des Mottoverses am Beginn der Zeilen ist, wenn er's auch nicht mehr in Person sein konnte. Hier am Werbellin war man vorsorglicher als an unseren engheimatlichen Seeufern: Die Besitzer der am Ufer gelegenen Häuser von Altenhof mußten den Weg am Wasser frei lassen für die Allgemein- heit; sie durften das Ufer nicht so hermetisch durch Zäune und Mauern absperren, wie man es den Villenbesitzern am Wannsee und den Grunewaldgewässern erlaubte. Auf der Gänsewiese, einem Anger an einer See-Einbuchtung, weiden noch heute die Gänse der Einwohner von Altenhof wie vor 50 Jahren und im Hinterlande des Sees gräbt man immer noch wie seit langer, langer Zeit Ton, der auf einem Prahm über den hier enger gewordenen See in eine Ton- warenfabrik geschafft wird. Bis zur Fähre und zur Fabrik aber geht der Weg bald neben dem Werbellin dahin, bald steigt er zu hohem Berg- ufer an, um dann, steil abfallend, sich dem See wieder zu
nähern. Die uralten Laubhölzer lassen prächtige Durchblicke offen, in tausend Reflexen gibt der See das Sonnenlicht wieder. Hier ist noch echter, rechter Hochwald, der in langen Gattern heute noch das prächtigste Wild beherbergt. Wir sind in der herrlichen Schorfheide, einem sehr aus- gedehnten Hochwald, der sich bis nach Zehdenick und Templin in erstreckt und der zahlreichen Jägern, darunter hohen Ne- gierungsbeamten, gute Iagdgründe bietet. Jenseits der Gänsewiese und dem Brunoldhaus liegt auf hohem Ufer das Wochenendhaus des jeweiligen R e i ch s p r ä s i- denten, ein einfaches Blockhaus, das ohne viel Neben- gelaß den Eindruck einer wirklichen Erholungsstätte macht. Ein Stück Weges weiter, mehr im Walde versteckt, liegt Wilhelms des Ehemaligen Jagdschloß Hubertus stock , das jetzt der preußische Fiskus bewirtschaftet. Wilhelm hat — im Gegensatz zum heutigen ersten Repräsentanten des Staates— ein Schloß nebst großen Wirtschaftsgebäuden nötig gehabt: die auf den Jagdsport zugeschnittene umfang- reiche Einrichtung ist dem Herrn noch sicher gestellt und des- halb aus dem Schloß entfernt worden Aber man kann es schon glauben, daß er wußte, wo es schön war und warum er hier in die Schorfheide ging. So schließt sich bald unsere Wanderung um den langgestreckten Werbellin . Bei dem Eichhorst mundet der Wer- b e l l i n k a n a l in den See. Wenn wir hier übergesetzt sind, besuchen wir noch den„süßen Winkel", eine Seebucht, die im Hochsommer und besonders in den Ferien einer Unzahl von Wasserwanderern, Ruderern, Seglern und Paddlern, als Aufenthaltsort dient, um dann schließlich die Wanderung in Altenhof zu beenden. Für eine Tagestour ist die Umwanderung des Werbellin ? zu lang. Doch bieten Altenhof, Eichhorst und das Brunold- haus, das letztere allerdings nur für Mitglieder des Jugend- Herbergsverbandes. Uebernachtungsgelegenheiten. Von Alten- Hof gehen Motorbootfähren nach Elsenau(Tonwaren- fabrik, Bahnhof Werbellinsee ) und auch quer über den See in die Gegend von Hubertusstock . So kann der Naturfreund seinen Besuch an Brandenburgs schönem Werbellin sehr gut auf mehrere Tage verteilen.
An Riviera und Ruhr. 358 Millionen in einem Lahre verspielt.
SSHae«ad Töchter der deutschen ZndnNrtebarone an der Rivlera.— was die Franzosen oon ihnen erzählen. Viernndzwauzlgstündtge Arbeitszeit in Nizza , tLaanes, San Rena» und Monte Tarlo. Cannes , im Februar. Wen« man lleppizkeit und Ueberfluß, menschlich: Verkommen- heit insÄge unwürdiger. müh-Loser Hllavencmsbeutung mit dem wirkungsvollsten Hintergrund studieren will, muß man in den frühen Monaten des Jahres an die Riviera eilen. Das ist die Wahrheit über den schönsten Fleck der Erde. An der herrlich blauen Azurküste drängen sich landschafSich« R.-ize. Tonne. Ueberfluß, Lebenslust, heißest« Wollust, glühendste Leidenschaften. Auskostung des irdischen Reichtums bis in die letzten Rafft nenwnts auf engstem Raum zu vollsten Akkorden zusammen! Aber sie erklingen nur an dem schmalen Küstenstreifen. Und olle dies« StLUe und Städtchen wie Nizza , Dillesranche, Antibes , San Rems, Cannes , ulch wohin man immer kommt, können für das sehende Aug: hinter der Pracht ihrer Riesenholels und Prunk- park« nicht das bitterste menschliche Leib. Summer, Sorgen. Tränen. Rot der Armen und Aermsten verdecken. Nirgends in der Welt wirten diese Gegensätze so bitter und erbitternd wie gerade hier, wo wildeste Derschwmdung von er- bävmlich Ausgesogenen nicht nur mit engesehen, sondern auch gefordert werden muß. hier verlausen die Armen Ihr Leben. ihr« Seele, ihre Freiheit, ihr? Arbeitskraft, ihren Glauben, ihre Söhne und ihre Töchter, um der überschäumenden Kraft der lieber- ernährten ein Ventil zu öffnen oder den vernichteten Nerven d:r Uebersättigten, Abgestumpften, Verdorbenen. Lastechoften immer wieder neue Reize durch immer tiefere Erniedrigungen abzutitzeln. Um dieses lockende, stürmische Leben, diese Massenvernichtung von Muskeln und Nerven im wütendsten Lebensgenuß zu ermög» iichen, ist natürlich Geld, Geld und immer wieder Geld nötig. Hier sieht man Engländer und wnß, daß die Schlote In Manchester und Sheffield die Landschaft verpesten und Millionen in Qualm ersticken, damit die Riviera lochen kann! Hier sicl� man An, crikaner und weiß, daß sich Millionen und Abermillionen Augen an dm, rollen dm Band irrsinnig sehen, damit sich ein Meer von Sekt über die gepflegten Leiber der kost- barftm Luxusfranen der Erd: ergießen kann. Hier sieht man Deutsche , straffe sportliche Männer und durch Spiel und Sport rassig erhaltene Fraum, blühende, jauchzende, sorgenlose Jugend, und weiß, daß ihretwegen in den Martin- und Thomas-Werkm des rheinisch- westfälischm IndustricgÄnets zehn und zwölf Stunden geschufte�, zehntausende, blühend«, junge Ar- beiter und Arbeiterinnen in harter Fron vernichtet werden müssen. damit, mm. damit die Millionengesellschasten ihre hoh-n Abgaben an den französischen Staat aus den ihnen konzessionierten Spielhöllen leisten können. Aber so ist es! 388 Millionen Franken haben die Spielliöllen im letzten Jahre an dm französischen Staat als Gewinn verst-uert. In ihren Berichten. für die Aktioiüir« und für den Staat heißt es immer wieder, daß die Deutschen die reichst« Gewmnquclle sind, und daß man die Deutschen durch sanfte Behandlung an die Riviera, an di- französische Riviera fesseln müsse, damit sie nicht ihr ganzes Geld nach Monte Carlo trogen. Ja. das ist einerlei! Aber was wird der deutsche Arbeiter dazu sagen, wenn er hört, daß die Deutschen allein mehr als die Hälfte dieser riesigen Spielverluste, dieser fast 400 Millionen Franken in de» Kasinos, wo sie ihr- Schlachten, ihre Ludendorss-Siege bei
einem Zahre verlorener Gewinne der Spielhöllen— Reingewinne!— ausgebracht haben?! Und wenn man an der Riviera lustwandelt, wenn man die Rennplätze in Nizza und Cannes besucht, dann weiß man auf den ersten Blick, was für Deutsche diese Riesenverlust: tragen können. Es sind die Söhne und Töchter der Großindustrie und de« Großhandels. Aus Berlin , aus Hamburg , vor allem aber«ms Köln , Düsseldorf , Dortmund , Essen,. Duisburg kommen sie in ihre» vielpfcrdigen Autos, immer die besten internationalen Marken wie Pockard, Citroen, Chevrolet, selten eine deutsche, an die herrliche Azurküste, und haben in ihren schwerledernen Reisekoffern niicht nur Fracks und Smokings, sondern auch recht dicke Scheckbücher verstaut.
Ein niedergebranntes Dorf.
Ein großes Schadenfeuer suchte das Dorf Chacerin bei Dömitz an der Elbe heim. Zahlreiche IV ohnhäuser, Ställe, Scheunen wurden ein Raub der Flammen.
Sie erholen sich auf den Rennplätzen von dm Dertuston m Daccarat, Trente-et-Ouaran�e und durch die silbernen Kugeln der Roulett« verlieren und in den Kasinos erholen sie sich von ihren Berlustm auf dem Rennplatz. Das heißt, sie machen krampfhafte Versuche dazu. Da» Er- gebnis sind dann ZSS Millionen Spielgewlnne. Reingewinne, abzüg- iich der Zehnmillionenunkosten der Spielgesellschaften. Ihn« ihre vierundzwanzigstündige Arbeitszeit in den Spielhöllen wäre dieses Ergebnis unmöglich. Aber erst recht wäre es unmöglich, ohne di« unerhörte Aus- bcukung der Ruhrsklaven. Wer die Söhne der Industriellen an der Rioftra sieh', diese eher derben als eleganten Gestalten aus dem Rhein - und Ruhrlande, di« Reserveoffizierstypen von einst, wer diese an dm Totos der Rennplätze und an dm Spieltischen der Kasinos beobachtet, weiß, daß wenigstens sie sich keine Sorge um die acht- oder zehnstündige Arbeitszeit machen, und— daß sie wegen ihrer Rennwett- ui<> Spieloerluste ebensalls ohne die minde- sten Sorgen sind. Wmo die Hochösen im Ruhrgebiet glühen, und solange sie glühen, wird in ihrer Kasse schon keine Ebbe eintreten. So sehen sie aus! Und so sieh' die Riviera aus! Maurice d' Ära che.