Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
66
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Ar. 274
B 135 45. Jahrgang.
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Ein Lustmörder im Rückfall.
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Bild 1: Das Fahrgestell der Lokomotive, das aller Wahrscheinlichkeit nach die Ursache der Entgleisung war. Es hat sich tief in das Erdreich gebohrt, während der Lokomotivkörper den Abhang hinunterstürzte. Bild 2: Die Aufräumungsarbeiten an der Unglücksstelle mit Hilfe fahrbarer Kräne.
Selbst gerichtet!
Magdeburg , 12. Juni. ( Eigenbericht.)
Eine furchtbare Bluttat ereignete sich, wie bereits furz mitgeteilt, am Montag früh in Osterweddingen bei Magdeburg . Hier erschlug der 41jährige Fabrikfeuerwehrmann Karl Schwan die mit ihm zusammenlebende Kriegerwitwe Frau Eichholz, deren 15jährigen Sohn, den Maurerlehrling Willi Eichholz und feine beiden Kinder, die 15jährige Lucie und den 17 Jahre alten Rudi und erhängte sich darauf selbst. Folgende Einzelheiten sollen die furchtbare Tat erklären:
In Osterweddingen bei Magdeburg wohnte in einer ruhigen Straße in einem fleinen Häuschen, das der Kriegerwitwe Anna Eichholz gehörte, der Fabritfeuerwehrmann Karl Schwan feit dem Jahre 1919. Frau Schwan hatte ihren 15jährigen Sohn Willi bei sich und Schwan seine beiden Kinder Lucie und Rudi. Das Zusammenleben war allmählich unerträglich geworden, da Schwan zum Haushalt nur wenig beisteuerte, weil er sehr viel Geld für sich verbrauchte. Seit längerer Zeit war Frau Eichholz wegen einer Benenentzündung bett lägerig. Die Birt schaft führte während dieser Zeit die 15jährige Lucie Schwan. Am Montag nachmittag gegen 6.15 Uhr fam der Schlosser Karl Schwan aus Todendorf , ebenfalls ein Sohn des Schwan, um seinen Bater zu besuchen, nach Osterweddingen . Zu seiner Verwunderung fand er die Haustür verschlossen. Er nahm an, daß seine Schwester zum Einholen fortgegangen war und stieg deshalb über den Zaun. Schon im Hausflur bemerkte er einen merkwürdigen Geruch und fah Blutfprizer an den Fenstern der Stube. Er tehrte sofort um und begab sich zum Amtsvorsteher, der mit ihm zurüdging und die Tür öffnen ließ. In dem am Fenster stehenden Bett lag blufüberströmt und tot Frau Eichholz, auf dem gegenüberstehenden Sofa vor dem mit Frühstücksgeschirr besetzten Tisch lag in sich zufammen. gefunken ihr Sohn Willi. Auch er war tot. Beide wiesen schwere Kopfverletzungen auf.
Im Beisein des fofort herbeigeholten Landjägers wurden bei ber Durchsuchung in einem anderen Zimmer Lucie Schwan und ihr Bruder Rudi ebenfalls in ihrem Blute liegend aufgefunden. Da beide noch schwache Lebenszeichen von sich gaben, wurden sie fofort in ein Magdeburger Krankenhaus übergeführt, wo fie aber furz nach der Einlieferung starben.
Es mar von vornherein klar, daß der Täter nur Schwan
fein tönnte. Zunächst war von ihm teine Spur zu entdecken. Bei| einer erneuten gründlichen Durchsuchung des Hauses und des Grundstüdes fand man ihn im Stall erhängt vor. Die Tat muß in den frühen Morgenstunden geschehen sein. Schwan fam gegen 5 Uhr früh von einem Vergnügen in Osterweddingen angetrunken nach Hause und hat vermutlich mit Frau Eichholz, die unter seinem Jähzorn schon immer schwer zu leiden hatte, Streit angefangen. Im Verlaufe dieses Streits hat Schwan dann wahrscheinlich einen Wutanfall bekommen und zu einem im Wohnzimmer vorgefundenen Beil gegriffen und damit die furchtbare Tat verübt. Die Leichen waren, als man sie auffand, schon erfaltet. Auf dem Tisch in der Stube fand man einen Zettel mit den Worten: ,, Biel verfehlt, nicht geliebt, nicht verstanden, scheinbar geehrt, in der Verzweiflung mur sich gewehrt. Osterweddingen , den 11. Juni, Karl Schwan." ( Siehe auch 2. Seite.)
Die D- Zug Katastrophe.
Die weitere Untersuchung über die Ursachen der furchtbaren D- 3ug- katastrophe in Siegelsdorf hat noch immer teine klärung gebracht. Die von der Reichsbahn für derartige Unglüdsfälle vorgesehene Sonderfommission, die sich aus Mitgliedern der Berliner und Nürnberger Reichsbahndirektion zusammensetzt, ist bemüht, über die Zusammenhänge, die zu der Katastrophe geführt haben, Anhaltspunkte zu gewinnen.
Die Aufräumungsarbeiten, die im Gange find, werden ständig von Sachverständigen überwacht, um feine Spur zu verwischen, die vielleicht über die Ursache des Unglüds Aufschluß
geben tönnte.
Es steht nunmehr einwandfrei fest, daß die Mannschaft der „ Italia " bei der Landung in drei Gruppen geteilt worden ist. Es fehlt sowohl an Brennstoff als auch an Proviant Besonders bemerkbar macht sich der Mangel an medikamenten. Ob die Schiffbrüchigen über Gewehre und Munition verfügen, ift nicht bekannt. Jedenfalls versuchen sie mit allen Mitteln zu Fuß das Land zu erreichen, doch ist ihr Bordringen mit den furchtbarsten Strapazen verbunden. Am Dienstagmorgen traf eine Mitteilung ein, daß ein Mechaniker bei der versuchten Notlandung verschwunden ift. Wahrscheinlich ist er erfrunken. Nobile weigert sich, die Namen der Bermißten und der Verwundeten zu nennen. Die letzten Meldungen lassen klar erkennen, daß die„, 3talia" sich losgeriffen hat und in unbekannter Gegend vor dem minde treiben muß. Der größte Teil der Nahrungsmittel und der Ausrüstungsgegenstände befindet sich auf dem Luftschiff, so daß alle drei Gruppen auf dem Eise not leiden müssen.
Leutnant Lützow- Holm befindet sich jetzt auf einem Lagerplatz an der Moffel- Bay, wo mehrere Seehundfänger überwintert haben, und wartet darauf, daß ihm neuer Benzin- und Delvorrat gebracht wird. Von der„ Hobby" aus soll eine Hundeschlitten- Expedition nach Moffel- Bay geschickt werden.
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Aus Rom wird gemeldet, daß in den dortigen amtlichen Kreisen wenig Hoffnung auf eine Rettung der Italia".Mannschaft besteht. Man ist dort davon übe:- zeugt, daß die Angaben des Generals Nobile über die Bositionsbe
Das Befinden der fünf Schwerverletten scheint fich, nach einer Meldung aus Nürnberg , weiter gebeffert zu haben. Die Aerzte hoffen, alle Verunglückten, falls nicht noch unvorher- stimmung der nicht in seiner unmittelbaren Nähe befindlichen beiden gesehene komplikationen hinzutreten, am Leben zu erhalten.
Die Neubildung der Regierung. Liebestragödie in Döberitz.
Berichte 2. Seite.
Gruppen seiner Mannschaften nur auf einer Raltulation beruhen und die führerlose Hülle infolge der zu verzeichnenden starten Winde und Stürme viel weiter fortgetrieben sein kann als er bisher vermutete. Andererseits nimmt man an, daß die Luftschiffhülle und das Innengestell für einen Aufenthalt längere Zeit guten Schutz bieten. General Nobile hat inzwischen um rasche Entsendung von gutem Schuhwerk, Medikamenten und Kautschukbooten ersucht.