Der Abend
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Nr. 296
B146 45. Jahrgang.
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Wirth Vizekanzler?
Beschlüsse des Zentrums: Kabinett der Persönlichkeiten!
Die Retter Nobiles.
Der Reichsparteivorstand des Zentrums hat heute vormittag getagt und nach längerer Aussprache beschlossen, ohne die Bildung der Weimarer Koalition direkt abzulehnen, der Zentrumsfraktion, die heute abend um 6 Uhr zur Beratung zusammentritt, zu empfehlen, ein Kabinett politischer Persön lichkeiten ohne fraktionelle Bindung anzustreben.
Der Fraktionsvorstand des Zentrums hat übrigens bereits am Sonnabend sich dahin schlüssig gemacht, daß es für die neue Regierung Dr. Wirth als Vize. tanzler in Vorschlag bringt. Zu diesem Vorschlag ist allerdings noch die Bewilligung der Gesamtfraktion einzuholen, an der jedoch nicht gezweifelt wird.
Spiel mit den Ozeanfliegern.
Köhl, Fizmaurice und Hünefeld sind noch immer Gegenstand täglicher Feste. Am Sonntag haben sie sogar sich von dem ehe. maligen Kronprinzen bewirten lassen, der extra von Dels nach Berlin fam und gemeinsam mit seinen beiden ältesten Söhnen die Flieger in ein Lurusrestaurant Unter den Linden " einlud. Wahrscheinlich hat es allen gleich gut gemundet.
Heute abend feiert" der Stahlhelm die drei FlugzeugLeute, die ihr Leben vor allem der Hilfsbereitschaft amerikanischer und kanadischer Flieger verdanken. Der Stahlhelm läßt sich für die Teilnahme an seiner Heldenverehrung Eintrittspreise von 15 M. abwärts zahlen.
Um die Reihe voll zu machen, wird jetzt durch englische Blätter zuerst mitgeteilt, daß Sünefeld und Köhl eine Einladung nach Haus Doorn in Holland erhalten und angenommen haben. Auch der Schloßherr von Doorn und seine Hermine wollen etwas von dem Heldenglanze naschen, der um die Namen der Ozeanflieger gewoben worden ist.
Wir sehen mit Gelassenheit und ohne Erstaunen, wie sehr und wie gern sich die Herren vor den nationalistischen Refiamekarren spannen lassen. Das ist ja ihr Privatvergnügen, und niemand soll es ihnen wehren. Nur soll man unter solchen Umständen die Deffentlichkeit nicht mehr mit der Heldenverehrung behelligen, sondern auch einmal ganz schlicht und einfach daran denken, daß zum Beispiel jeder Feuerwehrmann, der für fargen Lohn trog eigener großer Familie in Rauch und Flammen vordringt, um Leben und Güter anderer Menschen zu retten, mindestens den gleichen Mut und die gleiche Aufopferung an den Tag legt, wie die Herren, die im Bertrauen auf die Sicherheit des Motors eine Reise über den Ozean antraten. Nur daß dieser Feuerwehrmann sein Leben in die Schanze schlägt, ohne Anspruch auf Ruhm und Ehre und Festessen zu erheben. Was für ihn gilt, gilt ebenso für den Bergmann, der in elenden Löchern mit seiner Familie haust, und jeben Tag sein Leben mehrfach aufs Spiel feßt, nur um der Pflichterfüllung willen.
Das Lied vom braven Mann soll auch heute gelten, trok Stahlhelm, Dels und Doorn !
Die schwedische Mannschaft, die Nobile gerettet hat. Links unten das Flugzeug „ Uppland ". Von links nach rechts die Flieger Nordstrom, Ljungland, Carlsen, Nilsson, Persson.
Der General gerettet.
Aber seine Rameraden harren noch in der Eiswüßte.
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nieur handelt. Sowohl General Nobile wie dieser Ingenieur wurden an Bord der„ Citta di Milano" gebracht, die sich in der Nähe der Dänen- Insel befindet. Der Zustand des Generals Nobile, der kurz vor der Ankunft des Flugzeuges ein Bein gebrochen hat, wird als ernst bezeichnet. Von den übrigen beiden Trupps der Die Tragödie der„ Italia "-Expedition scheint sich ihrem Luftschiffbejagung sowie von Amundsen liegen noch keine endAbschluß zu nähern. Wenigstens ist nach den neuesten Mel- gültigen Nachrichten vor. Das Flugzeug hat den General an dungen General Nobile, der Führer der Expedition, sowie Bord genommen und nach der Kings bay gebracht. Das Flugeiner seiner Kameraden, aus der Eiswüfte in Sicher- zeug ist darauf sofort zurückgekehrt, um die übrigen. Schiffbrüchigen heit gebracht worden. Auf Schiffen in Seenot besteht auch zu retten. noch heute der ehrenvolle Brauch, daß der Kapitän als lehter das Schiff verläßt, als letter fich retten läßt. Weshalb der General Nobile als erster gerettet wurde, das bedarf noch der Aufklärung.
Die Meldungen besagen:
Streif in den Großbäckereien. fierigen Umständen bei der Gruppe Nobile landete und mit dem
Entsprechend dem Beschluß der Funktionäre vom Sonnabendabend ist gestern nachmittag zuerst in der Ausstellung Die Ernährung", wo die Brotfabrik von Wittler einen Mammutofen im Betrieb vorführt, die Arbeit eingestellt worden. Heute früh ist dann in einer Anzahl weiterer Großbetriebe die Arbeit nicht wieder aufgenommen worden. Lediglich in den Betrieben, wo bereits der Sauerteig angestellt war, wurde heute morgen noch gearbeitet, um fein Material verderben zu lassen. Aber auch in diesen Betrieben dürfte die Arbeit im Laufe des Nachmittags, fpätestens jedoch heute abend eingestellt werden.
In vier mittleren Betrieben, die zusammen etwa 50 Mann befchäftigen, find heute die Forderungen der Bädereiarbeiter unterfchriftlich anerkannt worden, so daß sie nicht in den Streif
einbezogen werden. In den Betrieben, die bereits in der vorigen Woche die Forderungen bewilligten und die im„ Vorwärts" schon benannt worden sind, wird die Produktion in der gewohnten Weije meitergeführt
Die ,, Citta di Milano" meldet durch Funtspruch, daß in der Nacht ein mit Stiern versehenes schwedisches Flugzeug unter General Nobile zurüdflog. Es brachte ihn nach der HinlopenStraße, von wo ihn ein schwedisches Wasserflugzeug nach der Birgo. Bai auf die„ Citta di Milano" brachte. Das Flugzeug begab sich darauf im Laufe des Tages von neuem zu der Gruppe der Schiffbrüchigen, um das Rettungswerk fortzusetzen. Aber bei der schwierigen Landung schlug das Flugzeug um. Der tapfere Pilot blieb glücklicherweise unverletzt. Die Gründe, die dafür bestimmend waren, General Nobile als ersten fortzuschaffen, sind noch nicht bekannt.
Die italienische Gesandtschaft teilt mit, daß sie eine Bestätigung der Meldung erhalten habe, daß Nobile gerettet ist. Auch ein zweites Mitglied seiner Gruppe ist gerettet worden. Beide sind verwundet und befinden sich an Bord der" Citta di
Milano".
Die Bergungsversuche des schwedischen Fliegers Thronberg mit dem Flugzeug Upland" haben, wie aus der Stingsban gemeldet wird, zur Rettung eines zweiten Mann es geführt, dessen Name zwar noch nicht bekannt ist. Man nimmt jedoch an, daß es sich um den bei der Katastrophe der Italia" verletzten Inge:
Ueber den Verbleib der Italia" und des Flugzeugs Latham liegen immer noch teine Nachrichten vor.
Die Leiden eines Forschers.
Der Bericht Filchners.
Der Asienforscher Wilhelm Filchner ist, wie bereits gemeldet, am Sonntag früh nach München von seiner Forschungsreise in Zentralafien zurückgekehrt. Er erzählte, daß es sich bei dieser Reise um die Durchführung erdmagnetischer Messungen gehandelt habe. Zuerst führte den Forscher der Weg durch Rußland . Im Winter 1926/27 war er völlig mittellos. Er hatte so gut wie nichts zu effen und mußte barfuß gehen. Troß dieser bedrückenden Umstände hat er seine Arbeiten lückenlos durchgeführt. Er war oft 12 bis 14 Stunden am Tage mit seinen Messungen beschäftigt. Auf dem Wege nach Lhasa setzte Fischner unter außerordentlichen Schwierigkeiten seine Messungen im Hochland von Tibet fort. Hände und Füße waren ihm erfroren. Er erlitt einen Bruchh an der rechten Hand und später noch verschiedene Berlegungen, Rippenbrüche und einen Bruch am rechien Fuß. Troß alledem gelang es ihm, seine vorgenommenen Arbeiten zu vollenden. Bom Dalai Lama erhielt Filchner , vermutlich auf Aufforderung von englischer Seite hin, großzügige Hilfe. 3m März 1928 überquerte der ForIcher den Himalaja . Daß man ihn einige 3et: für ermordet hielt, war auf ein Mißverständnis zurückzuführen. Es wurden damals zehn. französische Missionare von tibetaniſchen Brieſtern umgebracht. Außer den erdmagnetischen Messungen hat Filchner das gesamte Reisegebiet tartographisch aufgenommen und 23 000 Meter Filmaufnahmen für die Ufa gemacht.