föeilage Montag. 30. Juli 1928.
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Auch ein„Revolutionär Zum dreißigsten Todestage Bismarcks.
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Am 30. Juli 1898 starb Bismarck in Friedrichsruh . Als er rin dem denkwürdigen 18. März 1890 von dem Reichskanzlerposten in fast beleidigender Weise durch Wilhelm II. entfernt war, da zitterten seine Nachfolger vor dem lebenden Löwen , der ja mit seiner alles zerfleischenden Tatze wütend um sich schlug. Am 30. Juli lief nun die Nachricht ein, daß der Alte im Sachsenwalde ausgehaht hatte. Der Haß hatte ihn gleichsam am Leben erhalten; und vielleicht war er noch mit einem bösen Fluch auf den Lippen gestorben. Nun, da er tot war, konnten seine Feinde in den Aemtern wieder ruhiger schlafen— vor allem der grimmig angefeindete Staatssekretär Boetti- chcr. Aber auch der schlaue Fuchs Miquel, der vom roten Kommu- nisten zum schwarzweißen Finanz- minister aufgerückt war, mochte seinen Zorn gefürchtet haben. Bismarck , ein Revolutionär be- sonderer Art, hatte in den acht Jahren, nachdem er dem Reichs- länzlerpalais in der Wilhelmstraße den Rücken zugewandt hatte, durch seine Enthüllungen geradezu revo- lutionär auf die monarchische Pol!» tik gewirkt. Ehrwürdige Schleier waren von dem Allerheiligsten des deutschen Monarchismus gefallen. In seinen„Gedanken und Erinne- rungen" setzte Bismarck seine In- dickretionen fort, und so standen den.; die preußischen König« vor aller Welt vollkommen nackt da. Bismarck war, obwohl er sich einen„treuen Diener" Wil- Heinis I. genannt hatte, olles andere als ein ergebener Vasall der Hohenzollernschen Dynastie. Den. alten Wilhelm I. , dem in der beginnenden Konfliktszeit die Knie vor dem Henkerbeil fchlodderten, crinnerte er an �»as„Portepee" des preußischen Offiziers. Er hatte den mutlosen Monarchen aufgerichtet, der den Angstschrei ausgestoßen hatte:„Ich sehe ganz genau voraus, wie dos alles rndigen wird. Do vor dem Opernplatz, unter meinen Fenstärn, wird man Ihnen den Kopf abschlagen und etwas später mir." Bismarck hatte den mit ollen dynastischen. Gefühlen bedrückten Wilhelm jn den Krieg mit Oesterreich hineingerissen. An den legi- 'iünistischen Bedenken des Alten war er lächelnd vorübergegangen und hatte gleichsam mit derben Fußtritten deutsche, eigentlich un- absetzbare Gottesgnadenfürsten von ihren Thronen gestoßen. Don einem Lassalle ließ er sich über die Bedeutung des allgemeinen Wahlrechts belehren und eindringliche Vorträge über die revolu- tionär-diktatorische Rolle des sozialen Königtums halten. Bor dem kriegerischen Zusammenstoß mit Oesterreich proklamierte Bis- inarck das ollgemeine Wahlrecht als Grundlage für einen völlig neugestalteten deutschen Bund. Er schloß Kriegsbrüderschast mit den Revolutionären des Auslandes, um unter Umständen das„ehr- würdige" Herrscherhaus Habsburg völlig zu vernichten. Dann brach er mit seinen konservativen Freunden und richtete mit Hilfe der Nationalliberalen ein liberales ökonomisches Deutschland auf. Jn der sozialistengesetzlichen Zeit überraschte er die Welt mit einem Staatssoziolismus, dessen„revolutionäres Prinzip" der na- tionalliberale Manchestermann Bamberger bis auf den franzö- fischen Konvent zurückführte. Bamberger sprach auch Bebel als den wirklichen Urheber des ersten Unfallversicherungsentwurfes an, denn er habe in einer Rede die Grundzüge des nun vorliegenden Entwurfs entworfen. Bismarck ist, wie wir betonten, stets ein Revolutionär eigener Art gewesen— ein Gewaltrevolutionär von oben. Jn den Tagen der werdenden Sozialversicherung trägt er dem Reichstage die Theorie vor, daß die Reichsverfassung ein Vertrag der Regierungen sei, den sie, ohne den Reichstag zu fragen, durch einen anderen ersetzen könne. Und höhnend bemerkt Engels in einem Schreiben an Ed. Bernstein am 12. Juni 1833: Das wäre ein gefundenes Fressen für uns, das soll er nur probieren. Wir können nicht vor- ankommen, bis wenigstens ein Teil der Bourgeoisie auf die Seite einer wirklichen Bewegung gedrängt wird— sei es durch in- nere oder äußere Ereignisse." Um die gleiche Zeit wohl spricht Bis- warck zu dem Geheimrat Theodor Lohmann von„korporativen Genossenschaften", die als Grundloge einer künftigen Volksver- trctung dienen sollen, die anstatt des Reichstages oder neben dem Reichetag ein mitbestimmender Faktor der Gesetzgebung werden sollen. Und diese einschneidende Umwälzung der Verfassung will
Bismarck unter Umständen„durch das Mittel eines Staats st reiches" durchsetzen. Bismarck fällt nicht zuletzt, weil er im Ernst eine„m i l i- t ä r i I ch e" Lösung der sozialdemokratischen Frage erstrebt und Wilhelm II. nicht durch das Blut seiner Untertanen waten will. Bismarcks„Revolution von oben" hätte sicher die große Zusammen-
Wenn der Löwe tot— ist es für Füchse eine Lust zu leben, bruchskatastrophe des Jahres 1918 einige Jahrzehnte vorher heraufbeschworen! Nach dem Tode.Bismarcks schrieb am 3. August 1898 der „Vorwärts"— wahrscheinlich Liebknecht —, daß Bismarck in gewissem Sinne„das Werk der Revolution" verrichtet habe. Er mutzte „dem Sozialismus, den er zu Zwecken der Sclbstherrlichkeit hatte aus- nutzen wollen",„Vorschub und Spanndien st e leisten". . P. K. „Des Heiden Heimfahrt*6
Das geheimnisvolle Waitoreke. Im australischen Winkel unseres Planeten gibt es zahlwiche merkwürdige Tiere, die wie Ueberbleibsel aus längst vergangenen Erdperioden anmuten: Ameisenigel , die Eier legen und ihre Jungen säugen, Schnabeltiere, die dasselbe tun, den Kopf einer Ente pnd den Pelz eines Säugetieres haben, Bären, die keine Bären, und Ratten, die keine Rotten, sondern Beuteltiere darstellen. Auf Neu- secland lebt der Kiwi, ein hühnergroßer Vogel, der keine Flügel hat, ein Papagei, der in Erdhöhlen statt auf Bäumen lebt, und ein anderer Papagei, der sich als Raubvogel von dem Fleisch erbeuteter Schafe nährt. In den antarktischen Meeren tummelt sich der Pinguin, der ein Vogel ist, von weitem wie ein Mensch aussieht, wie ein Fisch lebt und wie ein Reptil Schuppen trägt. Auf Nee- sceland findet man die Brückenechse, eine kleine Echse mit Schuppen und Stacheln, die in ihrem inneren Bau die Merkmale der Lurche, Schildkröte und Schlangen vereinigt. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß in dieser merkwürdigen Gegend noch andere verwunderliche Tierarten existieren. Stephan v o n K o tz e, der bekannte Wcltenbummler, berichtete seinerzeit, daß in den Geschichten der dortigen Eingeborenen ein eigentümliches, otterngroßes Wassertier, das Waitoreke, eine Rolle spiele, dessen zoologische Zugehörigkeit gänzlich unbestimmt sei; das Tier zeige sich sehr scheu und hätte bisher noch nicht erbeutet werden können. Noch nie hat ein Weißer es zu sehen bekommen. Kürzlich erschien in Windham im nördlichen Australien ein Mann namens B r« n t; er gab an, das Nordterritorium vom Golf von Carpentaria aus durchquert und sich in den Bergurwäldern fünfviertel Jahre hindurch ausgehalten zu haben. Näheres weiß man über ihn nicht, verschiedene vermuten in ihm einen von einem Frachtdampfer desertierten Matrosen. Dieser Mister Bvent be- hauptet nun, an einem von Sumpf umgebenen Bergsee ein ihm unbekanntes Tier erlegt zu haben, das in der Größe fast an das brasilianische Wasserschwein herangereicht hätte— eine ganz respektable Sache, da dieses Tier, das größte Nagetier der Welt, bis einen Meter Schulterhöhe erreichen kann. Leider konnte der glückliche Jäger seine Beute nicht vorzeigen; er kam in gänzlich abgerissenem Zustand in Windham an und berichtete, er habe seine ganze Ausrüstung, über- Haupt alles, was er bei sich hatte, auf dem Marsch durch die Wildnis zurücklassen müssen. Das unbekannte Tier, das er geschossen haben will, soll einen dichten Pelz gehabt haben, dessen Haare dicht an der Haut eine schuppenartige Verbreiterung zeigten. Es habe kein Gebiß besessen, sondern eine eidechsenartige Schnauze mit einem ein- gekerbten Kieferrand an Stelle der Zähne; der Schwanz sei breit und schuppig gewesen wie bei einem Biber, die Füße hätten breite Schwimmhäute aufgewiesen. Ein in Windham zufällig anwesender Zoologe vermutete in diesetn Tier sofort das sagenhafte Waitoreke und schrieb in diesem Sinne nach Sydney . Man will jetzt von dort aus eine Expedition unter Begleitung von Brent nach dem Golf von Carpentaria schicken, die denselben Weg wie der angebliche Entdecker nehmen soll. An sich wäre der Fund Nicht unmöglich, aber es ist sehr leicht möglich, bajz JMtcr Brenk geschwindelt hat, um. für die nächste Zeit versorgt zi�fem.
Talmudistische Weisheiten. Keine Regel ohne Ausnahme. Rabbi Clieser war nicht nur wegen seiner Körpersülle, sondern auch wegen seiner treffenden Antworten bekannt. Einst besuchte er den Rabbi Simon. Er ward von ihm freundlich empfangen und mi> o'nem Becher Wein bewirtet, den er in einem Zuge leerte. Mit einem zweiten Becher, der ihm gereicht wurde, machte er es ebenso. „Bruder Eliescr," sprach da Simon,„weißt du nicht, was die weisen Männer gesagt haben?" erwidert« der Rabbi,„ich weiß es wohl: Du sollst den Becher nicht m einem Zuge leertn. Aber die weisen Männer geben doch keine Lehre, ohne eine Ausnahme zu gestalten. Und diesmal ist dreifache Ursache zur Ausnahme: dein Becher ist klein; der ihn austrinkt, ist groß; und dein Wein ist köstlich!" Die Schrift ist unparteiisch. Einst sprach ein römisches Weib zu Rabbi Iosias:„Der Der- fasser der Bücher, die ihr heilig nennt, scheint mir bei der Erzählung einiger Ereignisse sehr parteiisch zu sein. Manche scheinen mir ganz unglaublich. Ist es möglich, daß Josef,«in armer Sklave, in der Blüte seiner Jugend den verführerischen Reizen und lockenden Aus- jorderungen seiner reichen, mächtigen Herrin widerstanden habe?" „Du würdest nicht so sprechen," entgegnet« der Rabbi, hättest
du unsere Bücher mit gehöriger Aufmerksamkeit gelesen." Dabei machte er auf die Erzählungen von Rüben und Bichar, Iuda und Thamar aufmerksam.„Sie waren," bemerkte er,„äUer als Josef, und mehr als er, und doch verschweigt der Geschichtschreiber ihre Fehler nicht, sondern legt sie ihren Nachkommen ossen vor. Denn das Eigentümliche unserer heiligen Bücher ist, daß sie die Hand- lungcn unserer Vorsahren getreu und unparteiisch erzählen, ihre Fehler nicht verschlimmern und ihre Tugenden nicht vergrößern, damit die Nachkommen jene meiden und diese«achahmen mögen." Das Wörtchen„uns". Einst sprach ein Athener zu einem hebräischen Knaben:„Hier, mein Söhnchen, hast du Geld; besorge uns einige Feigen und Wein» traubcn!" Der Knabe ging und kaufte die Früchte; er gab sie dem Fremden, behielt ober die Hälfte sür sich. Ueberrascht fragte der Mann aus Athen :„Ist es hier Sitte, daß der Bote aie Hälfte dessen behält, was er geholt hat?" „Nein," antwortete der Knabe; aber wir pflegen zu sprechen, wie wir es meinen, und zu tun, was man verlangt." „Ich habe aber doch nicht verlangt, daß du die Hälfte der Früchte behältst-?"-•-• „0 ja," war die kecke Gegenrede;„was melMest du denn sonst mit dem„bring uns"?"
?. B.
Geheimbund der weißen Hand. Aus der weißgardistischen Emigration. Bor einigen Tagen wurde in Stockholm der Amerikaner Reginald Lehrs durch einen Gnadenakt des Iustizminssters aus dem Gefängnis entlassen. Diese Nachricht weckt die Erinnerung an den Prozeß gegen den„Geheimbund der weißen Hand", der im Herbst 1919 in Stockholm verhandelt wurde. Unter den vielen Russen, die dort ein Asyl gefunden hatten, zeichnete sich ein gewisser H a d j e t l a ch e, Offizier der kaiserlichen Garde, durch sein flottes Austreten aus. In seiner Gesellschaft sah man täglich den früheren Generalquartiermeister der russischen Nordarmee, Ge- neral G i s s e r, und den Amerikaner Lehrs. Die Russen mieteten eine luxuriöse Villa im Stockholmer Tiergartenviertel am User des Fjords und veranstalteten dort prunkvolle Fest«. Als ein gewisser Lewitzki, der häufig in der Villa zu Gast war, eines Tages spurlos verschwand, fiel dies nicht weiter auf, da Lewitzki vorher die Absicht geäußert hatte, eine Amerikareise anzutreten. Auch das Verschwinden des Finnen C a l v 6, der ebenfalls zu der lustigen Gesellschaft gehörte, erregte nicht besonderes Aufsehen, da das Gerücht ging, Calvä habe wegen einer dunklen Angelegenheit das Land verlassen müssen. Erst als im Sommer 1919 abermals ein Gast der Villa, der Russe A r d a s ch e v, verschwand, begann die Stockholmer Polizei Verdacht zu schöpfen. Eine Haussuchung bei Hadjetlache, der eiste russische Emigrantenzeitung herausgab und über den nicht die besten Gerüchte im Umlauf waren, ergab, daß der ehemalige Gardeoffizier und der Amerikaner Lehrs an der Spitze einer Organisation standen, die sich Geheimbund der weißen Hand nannte und angeblich den Zweck hatte, gegen Leute, die mit den Bolschewik! in Verbindung standen, Femejustiz zu üben. Die drei Verschwundenen waren zuerst ausgeraubt und dann grausam ermordet worden. Als Lockvögel dienten die bildschönen Frauen der russischen Gardeoffiziere und die s e ch- zehnjährige Tochter des Generals Gisser, die eben- falls zu der unheimlichen Gesellschaft gehörte. Ardaschev war drei Tage lang in ketten gehalten und schließ- lich gezwungen worden, einen Scheck zu untctschceiben; dann brachten ihn die Verbrecher um, nähten die Leiche in einen Sack und warfen diesen in den Fjord. In dem Keller der Villa fand man Säcke; auf denen bereits die Namen der Männer mit Kreide geschrieben waren, die die Bande als n ä ch st« Opfer in Aussicht genommen hatte. So waren der frühere russische Marineattach« in Stockholm Stascheski, von dem man wissen wollte, daß er mit den Bolschewik! in Verbindung stand, serner der vielgenannte, aus der Rasputin -Affäre bekannte Bankier R u b i n st e i n, sowie der damals in Stockholm weilende K r a s s i n ausersehen. Der Anführer der Bande, Hadjetlache. wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, da das schwedisch« Strafgesetzbuch die Todesstrafe nicht kennt. General Gisser wurde bereits vor einigen Jahren aus den» Gefängnis entlassen und be- treibt jetzt in Stockholm eine Sch u h m a ch e rw er k st a tt. Jetzt erhält auch Lehr» die Freiheit zurück.