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Republikanisches Redeturnier.

Steglitz in Krönt.

Gymnasiosten, Jungen und Mädchen, der amerikanische Bot- schafter, ein paar Minister, Professoren,«tudienrät«, all« in sestlicher Eintracht verbunden. Ein großer Tag der Jugend, der größte, den dieses junge, republikanisch« Deutschland bisher erlebt hat. Es gilt über das ThemaEinigkeit und Reck)t und Freiheit" zu sprechen, ein Wettbewerb, den die5)ochschule für Politik" veranstaltet hat. Hundert fühlten sich berufen, sieben wurden auserwählt. Diese sieben sind also der Extrakt der deutschen , humanistisch gebildeten Lugend, die auf jener Hochschule, auf der auch noch Minister sich fort- bilden, zum politischen Studium zugelassen ist. Ein hohes Ziel winkt dem Sieger: eine Studienreise nach den Vereinigten Staaten . Der Leiter der Akademie, Prof. Dr. Iäckh, führt in einem einleitenden Vortrag seine sieben Favoriten vor. Sie seien noch jung und unreif, die Eierschalen der Herkunft und ihres politisch beeinflußten Milieus haften noch an ihnen, man spüre noch dos ganze Gepäck, das sie vom Gymnasium mitschleppen. Aber dann kommt die Ucberraschung. Der erste, ein Primaner aus Steglitz , hält uns eine formvollendete Red«, vorin er di« ganze deutsche Verfossungsgeschicht« vom Mittelalter bis zur Gegenwart entwickelt und überzeugend nachweist, daß Einigkeit nur auf dem Boden gleichen Rechts, also der Republik , möglich sei, daß mit der Freiheit gesteigert« Verantwortung und gesteigerte Pflichten ver- bunden seien und daß die Weimarer Verfassung der verheißungsvolle Anfang einer glücklichen Zukunft bedeute. Verblüffend die Sicher- hcit, der Schwung und die innere Begeisterung des Redners. Di« Folgenden variieren das gleiche Thema in ihrer Weise. Man er- kennt den zukünstigen Dolksredner, den Fcuilletonisten mit besonders blumenreichem Etil, den erfreulich liberalen Jugcnderzieher der Zukunft, die Lehrerin, und man sieht das Elternhaus, wo sich die Familie unter dem Bismarck-Bild versammelt, und wo gelegentlich ein Onkel über denDolchstoß von hinten" wettert.

Das meiste ist erlernt, aber zwei oder drei der Redner tragen das Zeichen echten Berufes. War es Ironie, als der amerikanische Botschafter Dr. Shurman sich für di« reichliche Belehrung bedankte? Roch steckt ihnen allen der Kopf voll von Otto dem Großen, Ludwig dem Deutschen, vom Wiener Kongreß , von Bismarck und allen möglichen Präambeln, ein Wort, das mit hörbarem Stolz vorgebracht wurde. Der Geschichtslehrer stand noch hinter ihnen, und man roch den Wissensdünkcl vom Gymnasium. Aber zum erstenmal in Deutschland sprach di« Jugend öffentlich vor Koryphäen der Ooffent- lichkeit über den Staat und seine Verfassung. Das ist das Zeichen eines neuen Geistes, der gar nicht überschätzt werden kann, namentlich nicht von jemand, der in der Blütezeit Wilhelms II. fast vom Gymnasium gewiesen worden wäre, weil er als Primaner sich im Zeitschristensaal der Bibliothek über Fragen der Gegenwort unter- richten wollte. Weih die Jugend, welche Freiheit ihr erkämpft worden ist? Wir danken ihr für den hohen Idealismus, womit sie sich zur Wahrung der Freiheit bekannt. Hoffentlich geling! es dem Sieger, dem Gymnasiasten Barth aus Steglitz , den Ruf dieses Berliner Vororts als eines Horts der Republik drüben zu verkünden. Hoffentlich auch gelingt es ihm, die Palme im internationalen Weit- kämpf der Vereinigten Staaten zu erringen. Dies« Vorfeier zum Derfassungstag wäre voGendet gewesen. wenn auch Proletarier zu Wort gekommen wären. So schön es war, daß einmal statt der völkischen Mißtöne der volle Klang eines Hymnus' auf die Weimarer Verfassung aus Steglitz ertönte, so be- bäuerlich war die Einseitigkeit einer Lebensschicht. Und, wenn man wieder ein« derartige Feier vor dem höchsten Vertreter einer anderen großen Nation veranstaltet, so versäume man nicht, den Raum wenigstens dadurch festlich zu schmücken, daß man hinter dem Redner- pult die Reichsflaggc zeigt. Dsul Gutmanv.

Dolchstoß." Das Zeugnis eines Generaloberarztes. Gagen Ludendorffs Behauptung, daß der Durch- bruch voin 8. August 1918 der Entente infolge bös- willigen L e r s a g e n s der deutschen Trupp- geglückt sei, wendet sich sehr energisch der G e n e r a l o b e r a r z t a. D. L i o n in einer Zuschrift an dieBossische Zeitung". Er sagt darin: Als Divisionsarzt der im Luce-Abschnitt ein- gesetzten Divisionen hatte ich mich durch dauernde Begehung der Stellungen und durch die Berichte der Truppenärzte überzeugt, daß die moralische und physische UZiderstandskrost dem Ende ent­gegenging. Seit sechs Wochen ununterbrochen in Stellung(aus Mangel an Arbeitskräften nicht ausgebaut) durch Grippe ge- schwächt, fast ungedeckt im feindlichen Feuer, daher große Verluste, keine Ruhe, kein Schlaf, nr angelhafte Verpflegung, kein Wasser zum Waschen, hochgradige Vcrlaufu ng, vermehrter Krankenzugang, Truppenärzte müssen leichter Erkrankte wegen Mannschafts- Mangel und wegen zunehmender Zahl von Drückebergern ab- weisen, gedrückte, gereizte Stimmung unter den Mann- schaften, zunehmende Disziplinlosigkeit. Es gehl einfach nichi mehr. Sofortige Zurückziehung in Ruhcquartiere einzige Rellunz vor voll­kommenem Zusammenbruch. Da» war in kurzen Worten der Inhalt meine» Vortrages beim Divisionskommandeur. Der Brigadekommandeur bestätigte meine Ausführungen aus eigener Wahrnehmung. Der warmherzige Kommandeur pflichtete bti, er bittet um wenigstens 14 Tage Ruhe für die Truppen. Antwort des Armccoberkommandanten: Bedauern, keine Truppen für Ablösung vor- h a nd e n, alles für Offensive an anderer Stelle benötigt. Antrag bei der Obersten Heeresleitung aussichtslos. Damit widerlegt der Berfasier bündig Ludcndorffs Be- hauptung, das Versagen der Truppen könnenicht mit Heber- müdung entschuldigt werden". Mit Recht schließt General- obcrarzt Lion:Den 8. August und damit endgültig den Welt- krieg hat nicht das trotz seiner körperlichen und seelischen Zer- mürbung noch immer opferwillige und Pflicht- bewußte deutsche Heer, sondern uie fehlerhasie Führung, ihr vollkommenes Versagen psycholo- gischen Problemen gegenüber verlöre n."

Siaaisräson." Der Angriff eines Zentrumsblattes. DieGermania " erklärt heute morgen, ausStaats- rästm" hättendie sozialdemokratischen Minister mit- beschlossen, was die Sozialdemokratie im Wahlkampf vor allem gegen das Zentrum aufs übelste ausgeschlachtet habe. In der Regierung sehen sich die Dinge anders an als draußen." Das ist ein Angriff, der nicht unerwidert bleiben darf. Es ist keine Rede davon, daß die sozialdemokratischen Minister ihre grundsätzliche Ucberzeugung von der politischen Un- Wichtigkeit des Panzerkreuzerbaucs aufgegeben haben. Aber das Reichskabinett konnte nicht, mehr frei entscheiden. Gerode die Haltung des Zentrums ist es gewesen, die es verschuldet hat. daß in den diesjährigen Etat der Ersatzbau aufgenommen wurde. Und hinwiederum ist es das Zentrum gewesen, das mit veranlaßt hat, daß der ursprüngliche Einspruch des Reichsrats zurückgezogen, und die Entscheidung über den Baubeginn von einer Prüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage abhängig gemacht wurde. Da dank der anhaltenden Konjunkwr die Eingänge an Steuern, Einkom­men-, Lohn- und Uinsatzsteucr, sich weiter gut entwickelt haben, war das Kabinett vor die Zwangslage gestellt, den Beginn des Baues des Panzerkreuzers gemäß den früheren Be- fchlüsien des alten Reichstages beschließen zu müssen. Hin- gegen fällt die Entscheidung über die Bewilligung weiterer Raten und die Abwehr weiterer Steigerungen des Heeres- etats in dem neuen Reichstag. Weitere Bewilligungen hängen von dem Ausgang der parlamentarischen Kämpfe selber ab._

Freiheiiskrise in China . Zenlralregierung oder provmzautonomie. London . 11. August. In Schanghai hat am Freitag eine Sitzung des Kuomintang- Kongresses stattgefunden. General Tschang Tsching Kiang ist mit einer Anzahl derAelteren Staatsmänner" der Partei nach Schanghai zurückgekehrt. Der Grund für die neuen Reibereien soll in der Frage der Beibehaltung oder Abschaffung der Partei- röte in Hankau , Kanton und anderen großen Städten zu suchen sein, di« praktisch die Regierungskontrolle ausüben. Damit gewinne die Frage, ob örtliche Autonomie oder Zcntralrcgie- r u n g, entscheidende Bedeutung. Tschiangkaischek und Finanz- minister Svong bestanden unbedingt aus der Errichtung einer zentralen Regierung nicht nur dem Buchstaben, sondern auch ihren Machtbefugnissen nach. Die Vertreter von Kwangsi verlangten die Beibehaltung der örtlichen Parteiräte, um hierdurch die Unabhängig- keit Kwangsis von Nanking zu sichern.

Ein neuer Eonrad-Veidi-Mlm. (Tauenhin-palast) Aus Amerika kommt der zweite Eonrad-Vcidt-Fiim zu uns und bestätigt, daß dieser Eharaktcristiker sein« Eigenart bewahrt und ihr in seiner neuen Rolle neu« Wirkungsmöglichkeiten gegeben hat. Das auf den ersten Blick Faszinierende, das Dämonische und Selt- same, das all seinen Gestaltungen eigen ist, findet eine neue Variante in demSeltsamen Fall eines Arztes", der nach einem Bühnenwerk bearbeitet ist. Seltsam ist der Fall in der Tot: dieser französische Arzt verbüßt eine langjährige Strafe in einem berüchtigten fron- zösischenZuchthauses, das aus einer Mittelmeerinsel untergebracht ist. Er hat aus Menschenliebe ein«m unheilbaren Patienten die Todesqualen gekürzt. Er findet Gelegenheit, den bei einer Revolte schwcrverwun- dcten Gouverneur das Leben zu retten, aber man erfüllt ihm das Versprechen nicht, ihm dafür feine Freiheit zu geben, und so muß er sie sich selbst durch die Flucht beschaffen. Er taucht unter in Marseille bei einem Kollegen und dessen Schwester. Als dieser er- blindct, spielt er dessen Rolle weiter und nimmt einen Ruf nach Algier an. Ein Offizier, der ihn vom Zuchthaus� her kennt, er- kennt ihn hier wieder und sucht von ihm die Hand seiner angeblichen Schwester zu erpressen. In dem schweren Konflikt zwischen Liebe und Freiheit kommt dem Gefährdeten der erblindete Kollege zu Hilfe, er sucht den Offizier zu töten. Aber die Kunst des seltsamen Arztes rettet ihm das Leben, und nun steht seiner Rehabilitierung und seinem Liebesglück nichts mehr im Wege. Der Regisseur George M e l f o r d hat in verständnisvoller Weife die Umwelt auf die Spezialität Eonrad Veidts abgestimmt und ihm geeignete Darsteller gesellt, von denen Jan K e i t h und Barbara B e d f o r d als die hübsche sympathische Schwester hervorgehoben seien. Aus dem reichen Programm sind noch neben einer albernen amerikanischen Groteske ein sehr lustiger Zeichenirickiilm und ein Bufter-Brown-Film zu nennen. D.

Das Lied, das meine Mutter sang. (primus-palast, Hennannploh) Alle, die das teutsche Gemüt in Gcnerolpacht übernommen haben, kommen bei deni Lied, da» die Mutter sang, voll auf ihre Kosten. Andere aber werden die Verschwendung von Glyzerin für die Massenherstellung von Schaufpielcrtränen beklagen. Inge, die Försterstochter, spielt bei jeder Gelegenheit ein Lied, worauf prompt tiefste Rührung über der Szene lagert: die Busen der Darstellerinnen gehen wie Blasebälge, die Männer stehen wie versteinert und bei allen, ob jung oder alt, kullern die Tränen wie Gebirgsbäche. Nachdem Inge dann die unwahrscheinlichsten Schick­sale durchlebt hat. wird's zum Schluß himmlisch und der gemütvolle Teutsche kann sein Schnäuztuch zücken, denn Ingo wird Guts­herrin. Das Spiel der Darsteller ist genau so schlimm wie das Monu- fkript. Erich Erikfens Regiearbeit wirkt wie ein Bierulk. Auch ist Maly Delfchaft für eineMutti" sagende Tochter wohl etwas zu stark erwachsen. Di« Beleuchtung ist bemerkenswert, denn die Darsteller erscheinen immer nur teilweise im Scheinwerfer, sie sehen aus wie halbierte Heilige. Die Vllhnenfchau ist sehr gut uick, die Hauskapelle versteht sich vorzüglich auf Jazz. e. b.

Ein Werder-Film. (Atrium, Bebapolaft) In Werder blühen die Bäume" dann werden in Berlin zweihelle Jungs", die bis dahin Stiefel geputzt und Schnürsenkel verkauft haben, unternehmend, fahren mit einer Ratetenkiste nach Werder und machen dort einen Betrieb auf. Dos RefulVot: zwei Verlobungen, der eine kriegt eine Obstweintochter und der ander« «in« amerikanische Millionärin, die eben im Distanzritt von Poris gekommen st. Dazwfchen aber gibt's ununterbrochen Werderfchcs Miljöh mit allen Stadien der Beschwipstheit und Verlieb.hcit. Derbste Schwankwirkungen wuchern, die Titel paprizieren mit Bcr- liner Witz, und das deutsche Lied im Bunde mit dem Reißer macht Stimmung. Fred S a u t e r sorgt dafür, daß der Ulk und Klamauk kein Ende nimm?. Ja, das ist Berlin in Werder, wenn die Rausche blühen... als populäre Figur kann der eiserne Gustav auf seiner Fahrt nach Paris nicht fehlen: Karl Plate« macht sogar eine Glanznummer daraus. Der dick« Teddy Bill und der allzeit fröhliche Fritz Schulz, diehellen Berliner Jungs", verstehen sich auf den Humorbetrieb: Evi Eva (als Werders kz« Tochter) und Viola Garden(als interessante Amerikanerin) sind die Partnerinnen. Im grotesken Ulk aber trumpfte Siegfried Arno auf mit feinem besoffenen dämlichen Liebhaber. Voran ging ein außerordentlich erfreulicher Varieteteil mit stark parodistischen und erstklassigen Akrobaten. r.

Das Deutsche Museum in München wird eine wesentliche Erweiterung erfahren. Wie der Präsident des Deutschen Museums, Oskar von Miller , der Presse nütteilte, wird am 4. September die Feier der Grundsteinlegung des Studiengcbäudcs zum Deutschen u s c u m stattfinden. Der Komplex dieser Studienbautcn wird ebenso groß werden wie der des Museums selbst und auch die gleichen Kosten verursachen. Die Bibliothek, die rund zwei Millionen Bücher umfassen wird, soll einen Wert von 12 Millionen Mark reprösen- tieren und jährlich 609 000 M. an Zinsen kosten. Das Deutsche Museum wurde bisher jährlich von etwa 3000 Vereinen, Studien- gesellschaften usw. besucht. Wo gibt es die meisten hundertjährigen? Das römische Zentral- institut für Statistik hat sich mit der Zahl der Hundertjährigen be- schästigt, die es nach der neuesten Volkszählung gibt, und festgestellt, daß es nicht 256 find wie zuerst angegeben wurde, fondern nur 51. Die weitaus größte Zahl der Angaben über das hohe Lebensalter baben sich nicht als wabr erwiesen. Es zeigt sich, daß die meisten Neunzig- und Hundertjährigen Italiens von mittlerer Größe und brünettem Typus find, während die größeren und helleren Bewohner Norditaliens nicht so lange leben. Nach den Angaben dieses Institut» besitzt die meisten Hundertjährigen Guatemala , nämlich 465 auf «ine Million Einwohner: dann folgt Bulgarien mit 446, Kolumbien mit 330 und Japan mit 242 aus die Million. Italien selbst steht weit zurück mit nur 1,3 Hundertjährigen auf eine Million Einwohner.

wo» bietet die volk»bühne? Rückblick aus 1927128, Vorschau aus da» 5pielj«hr tSZS/ZS.- linier diesem Titel hat die Volksbühne einen 24 Seiten starten, reich illustrierten Prospelt herausgebracht, der ein anschauliche» Bild von den Leistungen de» abgelauseneu Jahres gewährt und gleichzeitig da» Programm für den tominenden Winicr entwickelt. Da» Werbehest steht unciilgcltlich in den Zahlstellen der Volksbühne zur Verfügung. Eine luternallouale zeituag»wissensch astlich« Vereinigung toll a!» Ergebnis der Zlölner Tagung de» Jntmialionalcn zeitungSwifsenschastlichen Kongresse» gegründet werden. Eine deulsche Slbleilung hat sich bereits gebildet.

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