Albendausgabe
Tir. 508
B 253
45. Jahrgang
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Der Bormärts erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illuftrierte Beilagen Boit und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen. ftimme". Technit"," Blid in die Bücherwelt und Jugend- Borwärts
Freitag
26. Oftober 1928
10 Pfennig
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Katastrophe des Simplonexpreß
Zusammenstoß in Rumänien. - 50 Tote und Verletzte.
Der von Butoreft tommende Simplon expreß ist heute nacht um 2 Uhr auf dem Bahnhof Recea, Zeppelin- Empfang in Staaken
acht Kilometer von Glafina entfernt, mit einem Schnellzug zusammengestoßen. Die Züge prallten so
heftig aufeinander, daß ein Schlafwagen des Simplonexpreß vollkommen zerstört wurde, ferner zwei Personen. wagen, ein Gepäckwagen und der Postwagen des Schnellzuges. 50 Personen wurden getötet beziehungs. weise verletzt. 25 Verwundete wurden in das Krankenhaus von Slatina übergeführt. Es ist noch unbekannt, wer sich unter den Opfern befindet.
Nähere Nachrichten über die Katastrophe, die an Furcht| Expreß, der gerade hier sehr schwieriges gebirgiges Gebarkeit alle Eisenbahnzusammenstöße der letzten Zeit zu über treffen scheint, stehen zurzeit noch aus. Der Unglücksort liegt in Rumänien auf der Strecke nach Bufarest. Es handelt sich um den Paris- Simplon- Orient
lände zu passieren hat. Die Abgeschloffenheit der Gegend scheint der Grund zu sein, weshalb erst jezt Nachrichten von dem Unglück, das sich bereits in der Nacht zum Freitag ereignete, hierher gelangen.
Die Primaner sollen offen reden
und die Preffe muß den Gaal verlaffen..
Effen, 26. Ottober.
Auch an heutigen zehnten Bezhandlungsfag ist die Deffent lichkeit ausgeflossen. Etwa 70 3eugen find erschienen, die vernommen werden sollen. Um dieje Riesenarbeit zu bewältigen, will das Gericht„ Ueberstunden " einlegen, da man bis Sonnabend abend die Beweisaufnahme abgefchloffen haben will.
Bevor die Vernehmung der Schüler und Studenten begann, gab Erster Staatsanwalt Schneider folgende Erklärung. ab: Einige Zeugen hier, Brimaner und Studenten, haben gestern während einer Straßenbahnfahrt erklärt, sie würden nicht mit der vollen Wahrheit herausrücken, solange die Vertreter der Bresse im Saal sind. Ich benenne hierfür den Straßenbahnschaffner Goethe als Zeugen und bitte das Gericht, ents sprechendes zu veranlassen.
Der Vorsigende ließ daraufhin den Zeugen Matthes aufrufen und hielt ihm die Erklärung des Staatsanwalts vor. 3euge Matthes: Es ist möglich, daß eine solche Aeußerung von uns getan morden ist. Ich fühle mich im übrigen durch die An wesenheit der Pressevertreter nicht geniert und habe auch die volle Wahrheit angegeben. Bors: Dann 1ffen Sie gefälligst solche Redereien wie gestern in der Straßen bahn. Sie scheinen sich der Folgen solcher und ähnlicher Erzühlungen nicht bewußt zu sein. Matthes wurde dann über den Chrakter und die Einstellung Husmanns vernommen. Vorf.: Sie haben im Anschluß an die Eifelfahrt ihren. Mitschülern erklärt, daß der Angeklagte pervers jei. Wie kamen Sie dazu? 3euge: Ich habe des damels so hingeredet, weil es Stadtgespräch war. Irgend welche Anhaltspunkte hatte ich für diese Behauptung nicht.
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famen Sie denn überhaupt dazu, solche Marie zu gebrauchen? 3euge: Beil wir den Kranz- Prozeß perfolgt hatten und dort auf solche Dinge gestoßen maren. R.-A. Ruschen: Bußten denn in der Prima viele Schüler, was ,, pervers" und homosexuell" bedeutete? 3euge: Einige wohl, mir waren die Begriffe damals noch restlos unflar.
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Prof. Müller Heß: Es wäre für uns als Gutachter von großer Wichtigkeit, wenn wir von den Zeugen einmal offen und rückhaltlos erfahren könnten, wie weit ihnen damals die Begriffe Perversität“ und„ Homosexuellität “ überhaupt flar maren. 3ch habe den Eindruck, daß die Zeugen sich hier schämen, Aussagen zu machen. Die Presse müßte das Opfer bringen, für einige 3eit den Saal zu verlassen, damit diese jungen Zeugen uns einmal ganz offen fagen, was sie damals von allen diesen Dingen eigentlich mußten. Der Borsigende bat hierauf die Pressevertreter, den Saal zu verlassen, um den Primanern und Studenten Gelegenheit zu geben, den Sachverständigen auf die diesbezüglichen Fragen zu antworten.
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Auf dem Staafener Flugplatz geht ein neuer Antermast seiner Bollendung entgegen. An diesem Antermaft soll, Graf Seppelin anlegen, wenn er nach seiner Rückkehr aus Amerita in Staaten landen sollte.
yrit, 26. Oftober.
Der heutige vierte Berhandlungstag im Kyritzer Prozeß begann mit einer Erflärung des Rechtsanwalts Bloch, die folgenden Inhalt hatte:
Dem folgenden Zeugen Oberprimaner Rudi Schoeller legte„ Die als Rädelsführer angeklagten Herren, insbesondere der Oberstaatsanwalt folgende Frage vor: Jst nid, unter den die Herren Cordes, v. Jena und Staffehl legen Wert darauf, daß geSchülern schon vor dem Prozeß eine Abrede getroffen worden, daß wiffe Erklärungen, die sie in der gestrigen Sitzung abgegeben haben man über gewisse Vorgänge in der Prima nicht mit der vollen Wahr- und die der Deffentlichkeit und dem Gericht nicht in völliger klarheit herausrüden wolle? Zeuge: Davon ist mir nichts bewußt.heit zugegangen sind, hiermit in folgender Form wiederholt werden: Der Zeuge befundete dann weiter, daß Husmann den Daube immer Die genannten Herren, insbesondere Herr v. Jena als Borsitzender schlechtgemacht habe. In der nun folgenden Reihe der Leumunds- des Landbundes Offpriegnitz, übernehmen die volle Verantwortung zeugen sagte der Oberprimaner Riesemer aus, daß zwischen Daube dafür, daß die Landbundleitung alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt hat, um der Demonstration einen ruhigen Berlauf und Husmann Ende 1927 zu sichern. Sollte danach ein Straftatbestand gegen die Landbundleitung noch als vorliegend gefunden werden, so sieht Herr von Jena sich als den in erster Linie Verantwortlichen an"
ein gewisses Rivalitätsverhältnis bestanden habe. Der Zeuge hat Husmann niemals für anormal gehalten. Der Student Rahmann bezeichnete Daube und Husmann als gute Klassentameraden, deren Freundschaft jedoch stark schwankte. Husmann sein ein Rauhbein und Rohling gewesen. Anormalitäten seien ihm bei Husmann nicht aufgefallen. Staatsanwalt Rosenbaum: Bar Husmann homosexuell? 3euge: Nein. Staatsanwalt Rosenbaum: Mir fällt auf, Herr Zeuge, daß Sie die Polizei bei Ihrer ersten Bernehmung gebeten haben, Ihre Aussage nicht zu protokollieren. Aus welchem Grunde geschah denn das? Zeuge: Weil ich mir über den Wert oder Unwert meiner Aussage damals ganz unflar war. Die Sache ist doch so gewesen, Herr Staatsanwalt, daß wir als Schüler von diefen seguellen Dingen sprachen, ohne Kenntnis davon zu haben. Mir warfen mit Worten wie pervers" und" homosexuell herum, ohne der Bedeutung dieser Begriffe bewußt zu sein. Borf.: Wie
Dann wurde in der Beweis aufnahme fortgefahren und als nächster Zeuge der Verwaltungsdirektor des Stiftes Heiligen Grabe", Major a. D. von Kriegsheim, vernommen. Er betonte, daß ihn die ersten Vorfälle vor dem Finanzamt veranlaßt hätten, Herrn v. Jena , der noch im Landratsamt war, herbeizuholen. Als er, Kriegsheim , zum Finanzamt zurüdtam, sah er gerade, wie ein
Wenn Hermine reist!
Die Textilbarone rebellieren.
Berichte 2. Seite.
Schupobeamter von mehreren Landbündlern bedrängt wurde. Ich ging auf die Leute zu und sagte:„ Laßt doch den Mann in Frieden." Darauf wurde ich von meinen eigenen Leuten beschimpft. Nach ver geblichen Versuchen konnte ich dann bis zu Herrn Major Cordes vordringen und ihm zurufen:„ Wir müssen unbedingt weiter," was mir auch Major Cordes zusagte. Der Abmarsch der ersten Trupps, der sich zum Katasteramt in Bewegung setzte, vollzog sich nur zögernd, und ein großer Teil der übrigen blieb am Finanzamt stehen.
Der Oberwachtmeister sagt aus.
Dann wurde in die sehr wichtige Vernehmung des Schupoober wachtmeisters Preußer eingetreten, der bekanntlich eine besondere Rolle bei den Borgängen gespielt hat. Der Beamte, der Offiziers. anwärter ist und das Goldene Sportabzeichen trägt, bekundete zunächst, wie ihm schon bei der Polizeiverwaltung Kyrig von einem Obersekretär gesagt worden sei, diesmal werde die Landbunds demonstration nicht ganz einfach gehen, denn die Stimmung sei sehr gereizt. Dann schilderte er die Entwidlung im Finanzamt, wo er schließlich auf Anforderung des Oberleutnants Dymke durch Leutnant Poed den Befehl erhielt, mit 10 Mann die Sperrfette der Landjäger zu verstärken. Als mir herausfamen, herrschte für einen Moment Ruhe, aber im nächsten Augenblick sette ein großes Geschimpfe und Geschrei cin: Was wollt ihr hier, wir sind doch feine Kommunisten, macht, daß ihr nach Berlin zurückommt. Wir wurden in der Sperrfette hart bedrängt, besonders hat sich der Angeklagte Kleine von Anfang an sehr wenig fein gegen uns benommen. Als Leutnant Poed die Maschinenpistolen fertigmachen ließ, gab ich auch folgerichtig den Befehl: Pistolen frei", weil wir uns im Ernstfall nicht anders helfen konnten. Mit unseren turzen Gummiknüppeln hätten wir gegen die dicken Eichenstöcke
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