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Rr. 174 46. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 14. April 1929

Aufgaben am Frauentag.

Hedwig Wachenheim :

Sorgt für Mutterschutz!

In ihrem Buch Mutter Indien schildert Katherine Mayo die Leiden der indischen Frauen. Sie werden schon im Kindesalter zum ehelichen Leben oft mit erwachsenen Männern gezwungen und sind dadurch oft ihr Leben lang förperlich ruiniert. Mangelhafte Hygiene in der Wochen­stube, verbunden mit gesundheitsgefährlichen religiösen Bere­monien machen jede Geburt zur Gefahr. Mag die Mayo aus politischen Gründen bewußt einseitig schildern, mag vieles bei der aufstrebenden indischen Bevölkerung nicht mehr vorkom men, ein Rest von Wahrheit schaurig genug wird

bleiben.

Und lasten nicht in den meisten Ländern, gewiß aber auch in Europa die Schäden der Gesellschaft am schwersten auf der Frau? Der Körper des Mannes bleibt einem Maße fozialer Anforderungen beständig gewachsen. Der Körper der Frau ist während der Geburt und den ihr folgenden Wochen unselbständig auf fremde Hilfe angewiesen. Solange das Kind an ihrer Brust trintt, folange es nicht gehen fann, so lange es Pflege und Aufsicht braucht, ist die Frau an das Rind gebunden und in ihren sozialen Beziehungen gehemmt. Die Mutter muß auf die soziale Besserstellung durch eigene Berufsarbeit verzichten oder doppelte, faft untragbare Pflich ten übernehmen. Berufsaufstieg und bessere Entlohnung bleiben ihr wegen ihrer beruflichen Unbeständigkeit verschlos= sen. So ist fie rein wirtschaftlich auf die Hilfe des Mannes angewiesen und dadurch oft an eine Ehe gefeffelt, die innerlich lange zerrüttet ist. Doppelt gefährlich werden der Frau gewerbliche Gifte, Unfälle, ueberarbeit, deren Folgen die Generativorgane am schnellsten befallen. Der männliche Arbeiter hat die Freiheit für den Aufstieg seiner Klaffe zu fämpfen, ihre großen Feierstunden zu erleben. Die Frau, in ihre Häuslichkeit gefeffelt, fann nur von Ferne zusehen, den Schwung des Tages nicht erleben. Frühes Altern, förper­liche Erschöpfung, foziale Unfreiheit, Unwissenheit, alles tönn ten die Frauen für gesunde Kinder ertragen. Aber die Not läßt sie nicht zu. Durch sie nimmt jedes neue Kind der Mutter und den Geschwistern Lebensraum und Aufstiegsmöglichkeit. Und noch eines! Die Sitten machen Indiens Frauen die Mutterschaft zur Qual. Wir Europäer entrüsten uns über die Unreinlichkeit der indischen Geburt und bewerfen selbst die uneheliche Mutter mit Schmuz, der nicht ungefährlicher ist, als der indische.

In der Welt, deren heiligstes Bild die Mutter ist, auf dem Arm das Kind, im Antlik teine Sorge, nur die jelige Ahnung, ihr Kind merde die Welt erlösen, wurde Mutter schaft zur schweren Last.

So erhebt sich am Internationalen Frauentag am lautesten der Ruf nach dem Schuh für die Mutter. Solange der gebärenden, stillenden, erziehenden Frau nicht mirksame Hilfe geworden ist, scheitert ihr Recht auf Arbeit, auf politische Gleichberechtigung, auf persönliche Freiheit und Teilnahme am Aufstieg der Arbeiterklasse. Mutterschuß ist die Voraussetzung dafür, daß sie ihre Frauenrechte geltend machen kann.

Wir haben in Deutschland weitgehende Berbote schwerer Arbeit für Frauen. Bis 6 Wochen vor der Niederkunft kann Arbeiterinnen und Angestellten die Arbeit verboten werden. 6 Wochen nach der Niederkunft ist ihnen die Arbeit verboten. Das Verbot tann nach ärztlichem Zeugnis um 6 Wochen verlängert werden. Kündigungsschutz besteht noch für längere Zeit. Versicherte Frauen, Ehefrauen Bersicherter und Min­derbemittelte erhalten Entbindungs-, Wochen und Stillgeld. Wir haben Wochen- und Säuglingsheime, Mütterberatungs­stellen. Die Teilnehmerinnen der Brüsseler Sozialistischen Frauenkonferenz im Sommer 1928 fonnten feststellen, daß die Deutsche Republit trotz ihrer Armut mit ihren sozialen Einrichtungen für Mutter und Kind an der Spige steht. Dennoch erleben wir täglich, daß der Mutter­schutz in Deutschland noch ungenügend ist. Es werden noch lange nicht alle Schäden gewerblicher Arbeit überwunden. Noch ist das Wochengeld so ungenügend, daß die Arbeits­

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verbote aus Not überschritten werden. Noch immer sind| reicht Noch immer sind| reicht aber diese Unsumme qualifizierter Kenntnisse wird nur in Mütter und Kinder unversorgt, Uneheliche geächtet. Wir einer Zwergzelle der Wirtschaft, gewissermaßen in einem Lilipu­haben eingangs festgestellt, daß alle sozialen Schäden zuerst tan erreich in der engen Wohnung benötigt. der Mutter fühlbar werden. Unsere Wohnungsnot, unsere Es gibt sehr raditale Borschläge, diesen Widerspruch aufzulösen, Teuerung sind Mutterelend. Wie schwer ist die Mutterschaft die Frau aus ihrer wirtschaftlichen Enge freizumachen, fie aus der für die Frau des Arbeitslosen! 3wangsjade von tausend Aufgaben, für die viele gar nicht begabt zu schaffen. Am weitesten sind diese Experimente wohl in Ruß­sind, zu befreien, und damit die ganze Basis zur Gleichberechtigung land gegriffen worden, wo man, logisch ganz tonfequent, die Auf­lösung der Familie versucht hat. Aber an dieser Grundzelle des menschlichen Gemeinschaftslebens scheitert jedes Detret. Die Konse=

denen es die Mutter feiert. Ehrung durch Feier erleichtert Das Bürgertum hat Muttertage eingerichtet, an teine soziale Not. Bir sozialdemokratischen Frauen wissen, daß die Mutterschaft erleichtert werden muß, durch Ver­befferung des Mutterschutzes, Bekämpfung der Arbeitslosig feit, der Wohnungsnot, der schlechten Löhne von Mann und Frau, der Besserung der Lage des unehelichen Kindes. Sie fönnen nur erreicht werden im politischen Kampf. Die Rampfparole der bürgerlichen Parteien in den letzten Wochen hieß: Sparen. Aber sparen am Arbeitslohn, an der Sozial­versicherung, am Wohnungsbau. Stärken diese Erfahrungen nicht die Ueberzeugung unserer Frauen von der Notwendig feit politischer Abwehr? Wir wollen heute und in den näch sten Tagen, die Not der Mutter auf der ganzen Erde vor Augen, die Frauen aufrufen zum Kampf für den Schuß der Frau und Mutter in den Reihen der Sozialdemokratischen Bartei! Die Frau fühlt am stärksten die Schwächen unserer Gesellschaftsordnung. Möge fie das erkennen. Dann muß fie zur Vorfämpferin des Reuen merden! Kurt Heinig :

Vom Haushalt zum Leben.

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Die Gegner der Gleichberechtigung der Frau sind ausgestorben, und soweit sie noch leben, sind sie schon tot sie wissen es nur noch nicht! Die Frau hat sich in Deutschland seit 1914 noch nicht! Die Frau hat sich in Deutschland seit 1914 während des Weltkrieges durch den Zwang der Berhältnisse, dann im besonderen seit 1918 durch die wachsende Erkenntnis der Gleich berechtigung und mit der Gesetzgebung der jungen Republit weite Gebieté erobert. Die Frau ist in der Politik heute in Deutschland ebenso selbstverständlich wie in der Wissenschaft; als Arbeiterin an unentbehrlich. Das ist alles erfreulich. Aber die volle Gleich der Maschine und als Angestellte im Bureau ist sie ja schon längst berechtigung der Frau stößt in der ganzen zivilisierten Welt dennoch auf einen Widerstand, der täglich neue Konflikte auslöst. Um hier verständlich zu sein, müssen wir einen fleinen Umweg

machen,

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unferes Tätigkeitsraumes. Der Arbeiter, Angestellte und Beamte Der Kreis unserer Erkenntnis weitet sich mit der Bergrößerung wirft außerhalb des Hauses, er tritt durch seine Arbeit tausendfältig mit foffeftiven Intereffen, sozialen Problemen und poli. tischen Fragen in Berbindung. Bei der Frau ift es gerade um gefehrt. Wenn sie schon als Erwerbstätige auf dem gleichen Bege ist wie der Mann fobald sie heiratet, wird ihr der über nur Frauen, die sich in gleicher Lage wie sie selbst befinden. Lebensraum durch vier Wände zusammengepreßt; und sie trifft tags­Bon diesem Gegensaß werden Mann und Frau, die gemeinsam in Gleichberechtigung und übereinstimmender sozialer Erkenntnis leben wollen, durch die unerbittliche Macht der realen Alltagsverhältnisse immer wieder auseinandergetrieben.

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Ueberdenken mir die Frage einmal statistisch. In Europa hei raten jährlich etwa 3,7 bis 3,8 Millionen Frauen, in den Bereinigten Staaten jährlich etwa 1,2 Millionen. In den wichtigsten zivilisierten Ländern der Erde ergreifen also jährlich rund 5 millionen Frauen den Hausfrauenberuf. Er tonzentriert diese er. wachsenen Menschen jeden für sich auf engften Arbeitsplatz, mögen es nun hundert oder fünfhundert Rubikmeter umbauten Raumes sein. Diese 5 Millionen Frauen müffen schleunigft lernen, sich zu überlegen, was mittags gefocht werden soll, und abends haben fie nachzusehen, ob die Strümpfe nicht etwa Löcher haben. Sie müssen wissen, wieviel Briketts noch im Hause sind und mo der Blumenkohl am billigsten ist, sie haben daran zu denten, wann die große Wäsche fällig ist und daß auf diesem oder jenem Möbel noch nicht Staub gewischt worden ist. Man pergesse hier nicht die Sonder. befaftung jener Frauen, die daneben noch erwerbstätig sein müssen. Es ist ein entsetzlicher Gedanke, daß jährlich 5 Millionen Menschen in eine Arbeitswelt ohne beschräntte Arbetts. zeit einrüden, in einen Aufgabenbereich, der im Grunde genommen Universalwissen verlangt, das von der Warenfunde bis zur Pädagogik

noch näher auf die Frau rückten, sie zu zermalmen drohen, daß der quenz der russischen Versuche ist nur gewesen, daß die vier Wände Betroleumfocher für sie eine Lebensfrage und der Besiz von sechs Borzellantellern unerschwinglicher Reichtum wurde.

In Deutschland hat man die wirtschaftliche Befreiung der Frau vom Haushalt mit Einfüchenhäusern versucht. Die gemeinsame Waschküche und die gemeinsame Badeeinrichtung, wie sie im be fonderen von Wien her entwidelt worden find, liegen auf dem gleichen Bege. Bon den Bereinigten Staaten ist eine Bewegung ausgegangen, die anstrebt, der Frau im Haushalt die Arbeit zu erleichtern, indem man ihr technisch hilft. Man muß bei der Beur­teilung dieser Hilfsangebote sehr genau unterscheiden, ob sie bei unper­ändertem Einkommen eine Erleichterung ermöglichen oder ob sie ein erhöhtes Einkommen vorausseßen. Wir haben außerdem das Gefühl, als wenn der Haushalt heute manchesmal schon mit individuellem Zivilisationsgut überlastet würde. Es bedeutet für die Hausfrau feinen Gewinn, wenn ihr fleines Wirtschaftsreich ein Fabrit räumchen wird, in dem die mechanischen Einrichtungen wöchentlich nur stundenweife benußt, aber bauernd mitbezahlt werden müssen. maschinen in Eigenbesig, die Sinn haben; hier kann nur die Bar­Je kleiner der Haushalt, um so geringer ist die Zahl der Wirtschafts­gemeinschaftung einen Sinn haben.

Zu allem tommt noch, daß die Frau als Mutter in ihrem engen Brifungsraum nochmals gefesselt wird. Schwangerschaft und Säuglingsernährung bedeuten häufig die jahrelange völlige Rauschen des öffentlichen Lebens nur aus weiter Ferne. Der Mann Isolierung der Frau von der übrigen Welt. Sie hört dann das nachts aus dieser der Frau fremd werdenden Welt wieder auf. verschwindet morgens aus ihrem Gesichtstreis und taucht abends oder

Die Gleichberechtigung in ihrem tiefsten Sinne, in der ehelichen Gemeinschaft, fann auch dann sich noch erhalten. Aber diese andere Gleichberechtigung, wie sie gemeinhin verstanden wird, die Betäti gung der Frau im öffentlichen Leben, in der Politik und in der sozialen Bewegung, hat dann nicht mehr den Raum im Leben der Frau, den die Erkenntnis ihr zubilligen möchte. Die mangelnde Zeit und der enge Lebenshorizont verhindern die Ausreifung der Gleichberechtigung.

So scheint uns vom Männerstandpunkt aus gefehen die not mendigste Aufgabe zur Schaffung der vollen Gleichberechtigung amischen Mann und Frau die. Deffnung des Haushalt= gefängnißfes. Es ist nicht ausgeschloffen, daß bei diesem Ge danten mancher Mann erschridt. Das sind diejenigen, die meinen, daß ja dann ihre Frau ,, nichts mehr zu tun hätte. Diese Männer tönnen getröftet werden. Auch dann, wenn die Frauen den haus­wirtschaftlichen Beruf soweit erleichtert befommen, daß fie den Kopf über ihn erheben tönnen, werden ihre Pflichten sich nicht in Dunst auflösen. Die Urberufe des menschlichen Lebens sind ewig.

Die Frage: Was ist noch zu tun zur Gleichberechtigung der Frau" beantwortet sich uns also dahin, daß es gilt, der Frau bie Arbeiten abzunehmen, bei denen der Aufwand in teinem Verhältnis zum Resultat steht. Die Lösung ist für den einzelnen durch Steigerung feines Einfommens möglich. Aber das ist tein soziales Fundament. Wir brauchen die all­gemeinehebung des Lebensniveaus der breitesten Schichten. Das Einkommen des Wermsten muß so weit reichen, daß er sich um die Erhaltung des einfachsten Zivilisationsgutes der Familie nicht mehr grau zu sorgen braucht, sondern dessen Ver­brauch materiell zu ertragen vermag. Kleidung, Wäsche, Gardinen und Rüchengeschirr, Regenschirm und Topfregal find ja nicht das Fundament des Lebens, Stubescheuern und Fenster pugen gehört nicht zum Kulturgut der Menschheit. Soweit müssen mir tommen, daß das eine weder zur Zerstörung des Wochenlohnes führt noch das andere die geistige Gleichberechtigung der Frau ver­hindert. Es ist noch viel zu tun....

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