Unterhaltung unö Wissen
Donnerstag lil.Iuli it92y
ITlax ffiarlhel:"kJttM (Schluß.) „(516 mir auch ein Buch," bettelte CSrifchfa, der kleine Vagabund, „auch meine Augen wollen sprechen lernem* „Nich du!" sagte Achmed, der mit den feinen Ohren des Halb- namaden diese Bitte gehört hatte." Nich du, Ali soll ebbe die Buch. Ali soll lerne daitsch!" Dann beugte er sich zu Bessemer und sagte: ,.Jsch kann singe daitsch!?ssch kann singe das Lied von Lippe- Eltmoll, die wunerscheene Stadt!" „Singe das Lied von der wunderschönen Stadt!" sagte Bessemer. Das Gespräch der Tataren war verstummt. Achmed setzt« sich unter dos Licht der Lampe und sang das Lied von Lippe-Detmold in einer oerrückten Sprach«, die ans deutschen und tatarischen Worten bestand. Dabei plusterte er sich wie ein Pfau aus und sah triumphierend auf die Fischer, die haltlos zu lachen begannen. Ja, er war ein Teufelskerl, der Achmed! Früher hatten sie ihn als Lügner oerschrien, wenn er von Deutschland erzählle, aber jetzt glaubten sie ihm. Er hatte die Wahrheit gesprochen. Allah hatte ihn ausgezeichnet. Er könnt« sich ja mit einem fremden Mann in einer fremden, sonderbaren Sprache, di« wie das Schreien wilder Kamele klang, verständigen. Und dann sangen die Fischer. Sie sangen monotone Lieder mit endlosen Einzelstimmen, die dann in dunklen Chören erstarben. Ihr Führer Sultan Khanow spielte dazu auf einer kalmückischen Balaleika. Auch der Alte mit dem Silberbart stimmte ein Lied an. Er sang einen Heldengesong aus die tatarischen Khans der Goldenen Horde, die früher einmal Rußland beherrsch: hatte und an die Pforten Europas donnert«. Die armen Fischer fielen rauschend In den Gesang ein. Sie waren wieder die alten Helden. Immer noch schrie der Sturm. Di« Sonn« war schon lange untergegangen. In der Asche der freien Feuer lagen die wilden Hund«. Auch Besseiners Hund, der Hund Natascho, lag in der warmen Asche. Aber dann fiel Angst in sein Herz. Die Nacht war wie ein llrwetihund und heulte. Wo war der weiß« Gott mit der tröst- lichen Stimm«? Da erhob sich Natoscha und verließ seine Art und kroch in dos Zell . Er fand seinen Herrn, erhob die goldgrünen Inwelenaugen und war getröstet. Aber sein Herr war nicht auf dieser Welt. Er dachte, in seinem Herzen war Sturm, an die großen Fifchzüge, die überall gehen und nicht nur bei Astrachan an der unteren Wolga . Di« Tataren sangen immer noch und berauschten sich an jenen wilden Rillen, die damals die Welt erschütterten. Achmed löst« sich aus der singenden Roll«. Er kam zu Bessemer und fragte: „Teurer Gast, willst du kalmützki Tanz-sehen?" „Ja, ja, ich will kalmückischen Tanz sehen, Achmed!" Der Tatar ging zu seinem Führer, der die sechzig Mann als Fischer an die Wolga gebracht hotte, und besprach sich mit ihm. Dar Gesang erstarb. Sultan Khanow lächelt« und besprach sich mit cirtilm dicken, aufgeschwemmten Mann. Dann klatschte er in die harten Hände. Im Zell wurde es ganz still. Man hörte nur noch den Sturm heulen. Dann schoß aus der Ecke des Zeltes, aus der Dunkelheit, der aufgeschwemmte, dicke Tatar und stellte sich starr unter das Licht einer Lampe. Dann fügte er seine haltlosen Glieder zum kolmücki- scheu Tanz. Der Tanz war«ine Entlarvung und Verhöhnung. Di« Tataren haßten die Kalmücken. Auch dos wurde sichtbar. Ja, die Tataren waren einmal die Herren Rußlands gewesen, aber was waren die Kalmücken? Ein armes Helotenvolk, Nomaden der Steppe, ihre Hauptstadt war ein« russische Stadt, war Astrachan , und sie waren Fischer im Kaspischcn Meer, Fischräuber in der Wolga , See- hundjäger in den wüsten Lagunen. Der Tanz, den der Fremde zu sehen bekam, war ein vollkommen asiatischer Tanz. Der träge, feiste Tatar dreht« sich wie«in Kreisel, ließ sein« Hände wie wilde Schlangen wirbeln und erstarrte dann, wie auf ein geheimes Zeichen, in unheimlicher Ruh«. Der Tanz
arijehe Scher war ein götzenhafter Tanz, und als der Tatar stM stand und nur die Füße leicht bewegte, sein Oberleib bei Buddha oder bei Allah war, in jenen starren Sekunden griff er blitzschnell hinter sich und hob seinen ganzen Körper in tollen, erotischen Bewegungen. Der Tänzer hob und senkte sich mit so schamlosen Gebärden, daß die neuen Tänze, die man jetzt in Europa zu sehen bekommt, weller nichts als die harmlosen Sonntagsspiele keuscher Iungsrouen sind. Dabei blieb das Gesicht des Tänzers steinern, als er seinen Leib auflöste und preisgab. Die tatarischen Fischer im Zelt Notfchten mit harten Händen Takt und Beifall. Und Sultan Khanow mit dem wilden Gesicht und der weißen Lammfellmütz« spielte dazu Balaleika . Grischko stammte aus Mirgvrod in der Ukraine . Di« große Hungersnot hott« ihn nach Moskau und von dort an die untere Wolga getrieben. Er hotte diesen Tanz mit brennenden Augen ge- sehen, und als der feiste Tatar«inen Augenblick ermattet anhielt, sprang er in den freien Kreis und begann mit einem ukrainischen Tanz. Seine Augen blitzen und die Füße stampften unruhig und zuckend die Erde. Dazu stieß er klein« Schrei« aus, wie es die jungen Pferd« hin, wenn si« im Frühling über die blühenden Wiesen jagen und springen Grischko, der kleine Mann aus der Ukraine , verschlagen in das tatarische Zelt bei Astrachan , war nun, als er tanzte, wie«in zuckendes Herz. Auf und ab, auf und ob ging fein Tanz, ein heiterer Wirbel mit wilden Schreien. Die Balaleika verstummte. Der Alt« strich sich bedachtsam seinen weißen Bart. Der feiste Tänzer stand neben Achmed und ließ seine schief- gestellten Augen funkeln. Sullan Khanow lachte. Die anderen Fischer waren ganz still und starr. Und Grischko tanzte immer noch und zeigte mit seinen Sprüngen, auf und ab, aus und ab, die groß« Klust zwischen den verachteten Kalmücken und den fröhlichen und stolzen Ukrainern. Mitten in seinem Tanz erschien der russische Fangleiter Maxim Petrowitsch. „Ich habe mit Feuer nach dem anderen Ufer telegraphiert," sagte er zu Bessemer,„sie haben geantwortet. Die Barkasse ist wieder unterwegs. Ich habe ihr Licht gesehen. Diesmal wird ste's schon schaffen." ,I)u hast wie der Wüstenwind getanzt," sagte der kleine Tataren- junge Ali lächelnd zu dem kleinen Ukrainer Grischko . Die Tataren schrien wild durcheinander. Auch sie lobten den Tanz. Auch der Mann, der die Kolmücken verspottet hatte, klatschte Beifall. Und Grrschka war stolz wie noch nie. Bessemer erhob sich. „Lebt wohl, tatarische Fischer," sagt« er zum Abschied,„ich werde diese Stund« niemals vergessen." „Auch wir werden dich nicht vergessen," antwortete Sultan Khanow, erhob sich und verbeugt« sich dann: ,�Du hast uns diese Stunde süß wie Honig gemacht.".." Der Mann aus Deutschland mußte viele Hände schütteln, harte, tatarische Fischerhände, die nur aus Schwielen zu bestehen schienen, und ging dann mit dem Russen, mit dem klemen Ukrainer und seinem Hunde Natascha aus dem Zelt. Der Sturm hatte nachgelassen. Die Wolga schäumte wohl noch, aber sie brüllte nicht mehr. Di« Dunkelheit war zerfetzt. Di« Lichter vom jenseitigen Blockhaus funkelten. Am Himmel waren die Sterne sichtbar. In der Hütte von Maxim Petrowitsch warteten zwei Fischer- mädchen auf die Barkasse. Der alte Fischer wollt« es diese Nacht weich und warm haben und lud di« beiden Mädchen in seine Hütte ein und tanzte wie«in Faun um sie. Aber sie lochten nur und schaukelten sich in ihren breiten Hüften. Das Licht der rettenden Barkasse taumelte immer näher. Ein Boot löst« sich und stieß an den Strand. Und mit den Mädchen, mit Grischko und dem Hund fuhr Bessemer nach dem Schiff. Die Tataren brüllten„Hurra!" Der andere Tag war schön. Die Fische schwärmten vom Kaspischen Meer.
mim,. Wondfcheinfahri Eine dunkle Sommernacht liegt über der Oftsee. In Saßnitz plätschern ein paar leichte Wellen im Hasen, sacht schlagen sie an die Schiffe, machtlos, bar der geringsten Kraft, die Fahrzeuge auch nur in die leiseste schaukelnde Bewegung zu setzen. Der Abend spinnt die grünbewachsenen Hügel in dunkle Schleier ein. in den terrossen- förmig in die Fussen gebauten Häusern brennen Lichter, sie schauen aus, als seien sie verschlafene Glühwünnchen, die sich nach an- strengender Gebirgstour zur Ruhe gesetzt Hätten.� Hostenden Schrittes eilt eine' Schar von Ausslüglern einem weiß- gestrichenen Dampfer zu. Bald ist Unruhe an Bord des Schiffes. Geräuschvoll sucht man die besten Plätze aus, schrell laut nach Be- kannten und Freunden, stößt einander unabsichtlich, entschuldigt sich höflich mit böser Miene, macht sich mlleinnnder bekannt oder rückt absichtlich fort und erfüllt alles mit diesem ungezogenen Lärm des kleinen egoistischen Menschen. Andere Ausflügler folgen, und es kommen noch andere und noch andere und noch mehr und noch immer mehr. Ein jeder ist voll Unruhe, ein jeder will dabei sein. Natur genießen will keiner, aber dabei sein wollen sie alle. Bald ist auf dem Schiff auf ollen seinen Decks eine drangvolle Enge. Und dann geht's hinaus zur MondscheinsaHrt. Der Mond scheint freilich nicht, aber was macht's. Mondscheinfahrt, das klingt so schön romantisch. Eine drei Mann starke Musikkapelle lärmt. Die Musiker sind müde, abgehetzte Menschen, ewige Anwärter auf Brosamennahrung. Sie können nicht viel. Woher sollte auch bei ihnen Können stammen. Zum guten Können braucht man erstens eine Lernmöglichkeit und zweitens die nötige Muße zur Reife. Diese„Künstler" aber waren immer Aushilfe, steter Notbehelf, sie haben es sich schon nachgerade selbst abgewöhnt, sich als Lollmenschen zu betrachten. Da zur Mondscheinfahrt unbedingt so etwas ähnliches wie rührselige Stimmung gehört, beginnt die Musik mit„Schön ist die Jugendzeit". Ein paar Möven, die auf dem Wasser schwimmend geschlafen hoben, schrecken auf, holen den Schrei kräckkrack ganz ties aus ihrem Schnabel, umflattern in schwerfälligem Fluge das Schiff und begeben sich daim wieder zur Ruhe. Die Musik spiest„Fuchs, du hast die Gans gestohlen", und an Bord wird das erste Tänzchen gewagt. Bald tut der Alkohol die übliche Wirkung, man lärmt, die
Musik kommt arg in Disharmonie und die Tanzenden meinen, sie spiel« Jazz. Die Fahrt geht nach dem Königsstuhl. Ein Scheinwerfer be- leuchtet die Steilufer. Sie sind unnahbar schroff, weiß und gigantisch heben sie sich ab von den dunklen Wellen der Ostsee , die leise an der Küste nagen. Schwer tragen die Felsen an dem uralten Buchen- wald. Manche Baumriesen hängen mit ihrem mächtigen Wurzelwerk nur noch locker in der Kreide, bei dem nächsten Sturm oder schweren Regentag stürzen Jahrhunderte ins Meer. Doch die Natur, so wie sie ist, hat aus die hyperzivilisierten Menschen von heute keine Wir- kung mehr. Darum erläutert heiserstimmig ein Erklärer die Ge- bilde der Küste. Man vermenschlicht die Felsen. gehLimnist etwas in sie hinein in plumper, derber Art.„Sehen Sie, dort liegt ein« japanische Tänzerin, und die Felsportie da sieht aus wie ein Tor- pedoboot ohne Mast." Die Noturbeflissenen, die nicht tanzen, recken sich fast die Hälse aus, um mtt den Vexierbildern fertig zu werden. Zur Hebung der eigenen Intelligenz sehen sie vorgeschriebenermoßen und bestätigen ihre eigene Findigkeit mit Ausrufen wie„fabelhost", „ganz richtig",„wunderbar!" Unaufhörlich spielen die Scheinwerfer. Von der Bordseite mit dem Blick nach See kann man in die be- drückende Dunkelheit starren, die da eindrücklichst predigt von der Allmacht der Meere. Doch kein Mensch sucht nach einem Schiffs- licht oder starrt nach einem wegleuchtenden Seezeichen. Für die Passagiere ist Tanz und Erklärung die ortsübliche, vorschriftsmäßige Mondscheinfahrt, die man mitgemacht haben muß, wenn man ein Bad aus Rügen besucht. Die Musik spielt irgendeinen Schlager und ein Halbbetruntener singt laut seine Parodie. Wie ein Jaulen aufsteigender Raketen geht darob ein lautes Lachen durch das ganze Schiff. Und man singt und trinkt, bis man wieder im Hafen von Saßnitz landet, wo man aussteigt. Dann liegt es verlassen, das Schiff, das so viele Menschen bevölkerten, von denen keiner etwas sah, nicht weil der Mond nicht schien, sondern weil keiner die innere Bereitschaft zum Sehen hatte. Soll man sich darüber ärgern? Nein, denn das ist so eine Art ausgleichender Gerechtigkeit, daß man Schönheit sehende Augen, daß man die Natur liebende Herzen nicht kausen kann und daß darum der einfache, unverbildete Mensch, der irgendeinen kleinen Hügel erklimmt, vielleicht mehr sieht als der Millionär, der mit eigener Lustjacht am Fuß« des Königsstuhl» ankert.
Quitov Qiblm: Auf dem Wohlfahrlsamf Ich lobe mir den Menschen im allgemeinen und den Beamten im Besonderen, der pünktlich ist. Wir haben Millionen von Beamten, die seit 20 und mehr Iahren morgens punkt 8 Uhr den Federhalter ergreifen, um ihn punkt 12 Uhr wegzulegen. Ihn wieder um 2 Uhr in die Hand nehmen, punkt 6 Uhr weglegen. Wehe aber dir, deutscher Bürger, wenn du von so manchem Be- amten alten Schlages verlangen würdest, daß er um 12 Uhr mittags noch m einer dringenden Sache«ine Arbeit verrichten sollte. Nun verstehe ich, daß kein Mensch gern Ueberzeit arbeitet. Wir wissen aber, daß es häufig sich nicht umgehen läßt. * Zu den Beamten, die sicherlich viel Geduld aufbringen müssen, zählen(zugegeben!) in diesen Zeiten der fürchterlichen Arbeitslosigkeit die Beamten an den Wohlfahrtsämtern. Aber gerade von ihnen müssen wir verlangen, daß sie viel Ge- duld, viel Liebe und vor allem Verständnis für die Gereiztheit der Hungernden und Darbenden aufzubringen vermögen. Wer dieses Talent als Beamter nicht besitzt, soll dem Wohl- fahrtsamt fern bleiben. Wer schon aus Nächstenliebe einem besonders notleidenden Mit- menschen nicht auch ein paar Minuten Ueberzeitarbeit widmen kann, sollt« noch weniger an solchen Posten stehen. * Wir haben einen schlimmen Winker hinter uns. Er war unerträglich für die Armen, die schlechte Wohnungen und wenig Kohlen hatten. Sehr schlimm daran war«in kriegsbeschädigter Handwerker in Darmstadt , der infolge eines schweren Ohrenleidens arbeitslos ge- worden war. Seine Familie wohnt« in einem leeren Pserdestall, dessen Beheizung im letzten Winter so ungenügend war, daß nicht nur das Eis an den Wänden hing, sondern daß den Kindern im Bett Hände und Füße erfroren. Eine Aerztin, die die Familie schon längere Zeit behandelte, be. stätigte den menschenunwürdigen Zustand dieser Behausung. Sie hatte der Familie hauptsächlich Kohlen und kräftige Nahrung ver- ordnet. Der Handwerker ging sofort mit diesem Schein auf das Wohl- fahrtsamt in Darmstadt . Als er aber in das Amt eintrat, war e» gerade 12 Uhr mittags geworden. Der zuständige Herr Inspektor wollte das Bureau verlassen. Trotzdem dem„Herrn Inspektor" das ärztliche Attest sagen mußt«, daß hier«in besonders dreinglicher Fall vorlag, weigerte er sich, den Handwerker zu bedienen. Ich gebrauche absichtlich das Wort„Bedienen", weil ich der Auf- fassung bin, daß in einem demokratischen Staat jeder Beamte ein „Diener des Volkes"(im höchsten, edelsten Sinne auszusossen!) sein muß, wenn er überhaupt als würdig befunden sein soll, den Ehren- Posten eines Beamten einzunehmen. All« Bitten des arl�itslofen Kriegsbeschädigten fruchteten nichts� Da packte' den Berzwerselten die Wut. Er fchnnpst« und in fiMenf berechtigten Zom warf«r«in Regal um. „Ich habe jetzt um 12 Uhr keine Sprechstunde mehr!" hatte dem armen Handwerker der„Herr Inspektor" geantwortet. Wohlfahrtsämter einer Stadt sollen die größte Not zu lindern versuchen. Und ein Beamter eines solchen Amtes hat, auch wenn er seinen Bureaukittel bereits ausgezogen hat, für Menschen, die der Verzweiflung nahe sind, jederzeit, wie ein Arzt für d!« Schwer- kranken Sprechstunden zu haben. Was tat aber der„Herr Inspektor?" Er setzt« sich(natürlich in feiner Dienstzeit) hin und schrieb auf langen Aktenbogen eine Anklage gegen den arbeitslosen Kriegs- beschädigten wegen Beamtenbeleidigung. Nun stand dieser Tage der arm« arbeitslos«, schwerkrank« krieg»- beschädigte Handwerker in Darmstadt vor dem Gericht und hatte sich wegen Beleidigung zu verantworten. Die Verhandlung ergab einen herzzerreißenden Einblick in die unglaublichen Wohnverhältnisse, in das fürchterliche Elend der Fa- milie des Kriegsbeschädigten. Der Richter hatte ein menschenliebenderes Herz als der„Herr Inspektor" vom Darmstädter Wohlfahrtsamt. Auf den Vorschlag des Gerichtsvorsitzenden soll durch Ersuchen an den Oberbürger- meister der Stadt Darmstadt die Anklage zurückgezogen werden. Gerichtet war mit diesem Vorschlag einzig und allein und mtt Recht der„Herr Inspektor", der. weil die Glocke 12 geschlagen hat, einen Verzweifelten mit samt seiner Familie(die Kinder haben im Bett Hände und Füße erfroren!) abweist mit der Bemerkung:„Ich habe keine Sprechstunde mehr!" » Ich hob« noch nie eingesehen, warum ausgerechnet der Beamte gegenüber dem Arbeiter besser« Anstellungsverhältnisse haben soll. Warum er allein das Recht auf Pension haben soll. Recht und Anspruch auf Versorgung für sich und sein« Ange- hörigen hat jeder Mensch, der krank ist, invalid und arbeitsunfähig oder beim besten Willen keine Arbeit bekommen kann. Das ,Mecht zum Leben", dos„Recht zur Arbeit" hat jeder Mensch. Und das Wort von der Nächstenliebe wäre nur fohler Schein, wenn wir dieses Ziel nicht mtt aller Kraft zu erreichen versuchen. Ein Prioatangestellter, der sich In einem solch dringenden Fall weigern würde, noch«in paar Minuten über seine Zeit zu arbeiten, würde fristlos entlassen werden. Ein Arzt, der sich weigern würbe, zu einem schwer oder zu Tod kranken Menschen zu gehen, mit der Begründung:„Ich habe kein« Sprechstunde mehr!" würde von seinen Berufskollegen als unwürdig weiter Arzt zu fein, erklärt werden. Ein Beamter eines Wohlfahrtsamtes, der nicht diese» Ethos seines Berufes Im Herzen trägt, sollte von seinen Borgesetzten für unwürdig erklärt werden, wetter an solch wichtiger Stelle zu amten, die dazu berufen ist, das schlimmste Elend zu mildern.
Ein„Turm der Geschichte". Ein eigenartiger Denkmalsge- danke ist jetzt in Ungarn aufgetaucht und soll dort bald verwirklicht werden. Es handett sich um«inen Turm, der auf dem Petöfi - Platz in Budapest im Angesicht der Donau errichtet werden soll. In seinen 10 Stockwerken soll die ganze tausendjährige Geschichte Un- gorns in sorgsältig gewählten Zeugnissen dargestellt werden. Jedes Stockwerk ist für ein Jahrhundert bestimmt, und so soll beim Be- steigen des Turmes die ganze Geschichte des Landes M>n der Er- oberung Ungarns bis zum Wettkrieg an dem Besucher vorüber- ziehen.