Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 420
B 209 46. Jahrgang.
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Das Rüstungskapital in Angst.
Treibereien gegen anglo- amerikanische Abrüstung/ Eingreifen
New York , 7. September. ( Eigenbericht.) Gegen die Flottenabrüstung, die durch englisch . amerikanisches Abkommen festgesekt worden und auch durch den bevorstehenden Besuch Macdonalds gefördert werden soll, machen sich allerhand offene und geheime Treibereien bemerkbar, hinter denen das Rüstungs. tapital stehen dürfte, das sich natürlich in seinem Profit bedroht fühlt. Diese Gegenarbeit hat solchen Umfang angenommen, daß Präsident Hoover sich zum Eingreifen veranlaßt sieht. Der Präsident beauftragte den Bundesstaatsanwalt, eine genaue Unter. suchung dieser Einflüsse vorzunehmen und festzustellen, ob große Finanzinteressen und Schiffsbau. gesellschaften hinter dieser Propaganda ständen und diese finanzieren. Diese Prapaganda läuft ach den Worten des Präsidenten darauf hinaus, das gegenseitige Mißtrauen und den internationalen Hak zu vermehren. Es sei daher zu erwägen, ob nicht nötigenfalls die Gesekgebung gegen diese Manöver in Bewegung zu sehen sei.
Einen Beweis für diese Treibereien des Rüftungs Tapitals gibt folgende weitere Meldung:
Washington , 7. September. Präsident Hoover hat in einer formellen Erklärung offiziell von einem Prozeß Kenntnis genommen, den ein sich Marineegbert nennender gewisser Shearer gegen drei Schiffswerften angestrengt hat. In diesem Prozeß gibt Shearer an, er habe als Teil. honorar für seine Werbetätigkeit 50 000 Dollar von den Werften erhalten, habe aber vertraglich noch auf weitere 250000 Dollar Anspruch.
Nach Zeitungsberichten soll Shearer bei der Genfer Seckonferenz 1927 unter Mitgliedern des Washing toner Kongresses für vermehrte Rüstungen ein. getreten sein, und zwar in seiner Eigenschaft als angestellter Agent amerikanischer Schiffbauer.
Hoover bemerkte hierzu, es sei ein Monat ver. gangen, ohne daß diese Angelegenheit befriedigend auf. geklärt worden sei. Jede Firma sei berechtigt, für ihre Fabrikate zu werben, wenn aber Werften, die Kriegs. schiffe bauen, tatsächlich für Aufrüstung Propaganda gemacht haben sollten, so gehe dies das öffentliche Interesse an, und die Regierung werde Schritte er wägen, um eine Praxis zu unterbinden, die den auf Verminderung der der Rüstungen gerichteten Wünschen des amerikanischen Volkes zuwiderlaufen.
Bauprogramm 1924 erfüllt!
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Washington , 7. September. Der neue Kreuzer Northampton " ist gestern in Quincy vom Stapel gelaufen. Morgen folgt der Stapellauf des Schwester schiffes Houston in Newport News. Die drei Kreuzer Benjacola", Saltlate City" und„ Chester" sind vor einigen Monaten Dom Stapel gelaufen; die restlichen drei„ Louisville ", Augusta" und„ Chicago " folgen im nächsten Jahr. Diese acht Schiffe stellen bas 1924 aufgestellte Bauprogramm der sogenannten Vertrags freuzer dar. Diese Schiffe haben eine Wasserverdrängung von 10 000 Tonnen; sie haben Delfeuerung und entwideln 30% Knoten Geschwindigkeit. Sie sind ausgerüstet mit 9 achtzölligen Kanonen, sechs Torpedorohren und 4 fünfzölligen Fliegerabwehrgeschüßen.
Von dem diesjährigen Bauprogramm sind bisher teine Schiffe auf Riel gelegt, da Präsident Hoover am 24. Juli beschloffen hat, die Ausführung zu verzögern, bis Klarheit über die Mög lichkeit einer Einigung mit England geschaffen sei
Landtagsabgeordneter v. Killinger wird Redakteur. Der nationl fozialistische Sächsische Beobachter" richtet in Dresden eine eigene Schriftleitung ein, für die der Landtagsabgeordnete von Killinger verantwortlich zeichnen wird.
Präsident Hoovers.
Die Suche nach den Bombenlegern
Der Motorradfahrer hat sich gemeldet.
Die Untersuchung des letzten Bombenanschlages in 2üneburg wird von der Polizei mit allem Nachdruck fortgesetzt. Aus Berlin ist eine Reihe on Beamten Die Berliner Kriminalpolizei mird Hett noch im Laufe des heutigen der Abteilung IA des Polizeipräsidiums nach Lüneburg Tages vernehmen. Auf Grund der in Berlin vorliegenden Ermitt gefahren, um gemeinsam mit den dortigen Unter- lungen hat man bisher nur wenig Anhaltspunkte für eine direkte Beteiligung des Hett.
Die Sprengstelle in Lüneburg .
In diefem Kellerfenster war die Bombe untergebracht, die in der Nacht zum Freitag im Lüneburger Regierungsgebäude explodierte und großen Schaden in der ganzen Umgegend anrichlete.
suchungsbehörden die notwendigen Festellungen zu machen. Ferner sind mehrere Sachverständige der chemisch technischen Reichsanstalt in Lüne burg eingetroffen.
Aus den Trümmern im Keller des Regierungsgebäudes, in dem die Höllenmaschine explodierte, hat man piele teine Stüde der bei der Explosion völlig zerriffenen Höllenmaschine gefunden und hat sofort ermitteln fönnen, daß auch in diesem Falle das gleiche Uhrwert wie in Berlin und den anderen Attentaten in Lüneburg , Schleswig und Oldenburg Verwendung gefunden hat. Man glaubt, daß es sich bei dem Uhrwerk um ein deutsches Fabrikat handelt.
Die chemische Untersuchung in Lüneburg hat ergeben, daß der Sprengstoff von bedeutend größerer Explosivkraft als alle bisher bei den Attentaten zur Verwendung gekommenen Höllenmaschinen gewesen ist.
Davon zeugen auch die Berheerungen, die im Keller des Regierungsgebäudes angerichtet wurden. Der Drud war so start, daß cine starte Dede zum Bersten gebracht wurde und noch bis auf eine Entfernung von 80 bis 100 Metern zahlreiche Fensterscheiben in den Nebenstraßen zertrümmert wurden.
Zwei, die sich selbst bezichtigen. Inzwischen ist in Berlin der Kaufmann Hett, der sich befanntlich in Frankfurt a. M. der Staatsanwaltschaft unter der Re
Außerdem hat sich heute vormittag auf einem Berliner Polizeirevier ein Mann gemeldet, der erklärte. Daß er an dem Bombenanschlag auf das Reichstagsgebäude beteiligt gewesen sei. Der Mann, der sich beharrlich weigerte, seinen Namen anzugeben, wurde daraufhin in haft behalten und später dem Polizeipräsidium zugeführt. Seine Bernehmung hat bisher noch nicht stattgefunden.
Was den in Lüneburg in der Anschlagsnacht beobachteten MD= torradfahrer angeht, so haben sich bei der Kriminalpolizei be reits verschiedene Zeugen gemeldet, die einige wichtige Angaben machen fonnten. Während die Nummer des Motorrads von keinem der Zeugen festgestellt worden ist, ist als Herkunftszeichen das hannoversche 3eichen I S beobachtet worden.
Wie wir furz vor Redaktionsschluß erfahren, soll sich auch der Motorradfahrer bereits bei der Polizei gemeldet und ihr ein einwandfreies Alibi angeboten haben.
Hitler wird aktiv.
Wie 1923 und 1918.
Am gestrigen Abend find an zwei verschiedenen Orten Deutsch lands , in München und in Oranienburg , fommunistische Versammlungen von Hafenkreuzlern überfallen worden. In beiden Fällen gab es Messerstechereien und Berletzte, in beiden Fällen waren die Hitler - Leute die Angreifer.
Niemand wird bei uns Sympathien für die Kommunisten vermuten. Sie tragen an der Verrohung des politischen Lebens ein gerüttelt Maß von Schuld. Sie haben die Methoden, die jetzt gegen fie angewendet werden, selbst oft genug gegen politisch Andersdenkende, besonders auch gegen Kommunisten selbst, die gegen den Parteistachel zu löfen wagten, zur Anwendung gebracht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß an den beiden Vorfällen von gestern die Nationalsozialisten augenscheinlich die Alleinschuld tragen, und daß auch die Kommunisten Anspruch auf polizeilichen Schuß haben, wo sie sich in der Rolle der Angegriffenen befinden.
Die Vorfälle von München und Oranienburg sind aber offenbar nur der Beginn einer größeren Aktion, die die Hitler - Leute für diesen Herbst vorbereiten. Darüber hat gestern abend Herr Dr. Goebbels in einer nationalsozialistischen Bersammlung in der Neuen Welt" einiges zum besten gegeben. Die ihm befreundete HugenbergPresse berichtet darüber:
Dr. Goebells erwähnte in seiner Rede die große Aehnlichfeit der heutigen Zeit mit dem Jahre 1923. Genau wie damals stehe das Wirtschaftsleben vor dem Zusammenbruch. Der Herbst werde Erschütterungen bringen, wie wir sie jeit dem Jahre 1918 vielleicht noch nie gesehen hätten. Zunächst ist es ja nicht ganz so schlimm gefommen. Der patschistische Elan der begeisterten Bersammlungsteilnehmer tobte sich nur gegen eine Schaufensterscheibe des ,, Vorwärts"-Verlages aus. Die Nationalsozialisten, aus deren Zug heraus diese Scheibe eingeworfen wurde, kamen aus der ,, Neuen Welt".
Bei dieser Gelegenheit sei ein Irrtum von heute morgen richtig gestellt. Zu einer Siftierung von Parteigenossen ist es in der letzten Nacht vor dem ,, Borwärts"-Haus nicht gekommen. Wohl aber hat die Polizei, der es nicht gelungen war, den Täter zu ergreifen, später die Straße geräumt und dabei Parteigenossen, die ihrem Unmut über das Treiben der Hitler- Jungen Ausdrud gaben, hart angefaßt.
Wir sind weit davon entfernt, Schaufensterattentate tragisch zu nehmen, aber der ursächliche Zusammenhang zwischen der Goebbels Rede und dem Bierflaschenwurf steht fest, und auch dem Hitler- Putsch von 1923 find Angriffe auf die Redaktion der Münchener Post" vorausgegangen. Auf keinen Fall möchten wir dafür plädieren, daß die Herrschaften weniger ernst genommen werden, als sie selbst wünschen, und wenn sie für diesen Herbst erschütternde Er=