dSelloge Sonnabend� 7. September 1929
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Während die„notionafe* Opposition die zehn- oder fünfzehn- jährige Wiederkehr irgendeines Schlachttages mit lautem Getöse zu feiern pflegt, ist sie in der zweiten Septemberwoch«, der blutigen Woche der M a rn eschlacht, meist sehr still— und läßt die Daten des gröhten, feldzugentscheidenden Ringens im großen.Stahlbad" sang- und klanglos vorübergehen, weil sie weiß, daß für die deutsche Führung in jenen Tagen herzlich wenig Lorbeeren herauszuholen find. Die Schlacht. Die Schlacht an der Marne , die am 8. September durch den Vorstoß des Generals Galliern in die Flanke des deutschen Heeres aus Paris begann und am lll, September durch den Rückzug der deutschen Armeen von der Marne hinter die Aisne ihr Ende nahm, ist vom deutschen Feldheer verloren worden, weil die Führung ihrer operativen Aufgabe nicht gewachsen war. Das deutiche Westheer rannte sich, entsprechend seinem Aufmarsch- plan, der die Erdrückuug des Gegners durch den starken Nordflügel vorsah, in den ersten Sepiembertagen zwischen den Festungen Verdun und Paris fest. Eine weitere Umfassung war durch die Festung Paris unmöglich gemacht und der Befehl zum operativen Durchbruch konnte in de» Köpfen der Obersten Heeresleitung und der Armeeführcr nicht reifen, weil man im deutschen Generalstab nur eine Operation, die Umfassung, gelten ließ. Trotzdem die Oberste Heeresleitung weit rückwärts in Luxemburg saß, und keiner- lei Einfluß auf die Armeeführer ausübte, bahnte sich von selbst durch die unwiderstehliche Stoßkraft der Truppe der Sieg an. Die zweit« und dritte Armee rannte in der Mitte der Front die Franzosen über den Haufen und warf sie gegen die Seine zurück. Am rechten deutschen Flügel, bei der ersten Armee aber gelang es, die.Armee von Paris " neuerdings zu umfassen und zurückzuwerfen. Dadurch entstand allerdings eine Lücke zwischen der ersten und zweiten deutschen Armee. Hier stieß der Engländer vor. Voll Schreck starrte der Führer der zweiten Arme«, der über den rechten deutschen Heeresflügel zu befehlen hatte, oof dieses Loch, in dem Augenblick, in dem ein Beauftragter der Obersten Heeresleitung, der Oberstleutnant Hentsch, die letzte Entscheidung gab. Da die oberste Führung nicht zur Stelle war, da die deutschen Armeeführer nicht um.Heereslücken" zu fechten verstanden und unfähig waren, aus einer operativen Ilmfassung von selbst einen operativen Durch- bruch anzubahnen— verlor man die Schlacht, trotzdem die Truppe siegreich war. Man hatte nicht operieren gelernt. Moltte und Kalkenhayn. Das deutsch « G e n c r a l st a b s w e r k. das im Rcichsarchiv unter dem Titel.Der Weltkrieg 1914�-18"(Verlag Mittler u. Sohn, Verlin) erscheint, nimmt sich erfreulicherweise bei der BeurteUung der damaligen Fllhrersünde» kein Blatt vor den Mund. Der eigentliche zünslig« Geneoalstab, d. h. die kleine Gruppe höchst- qualifizierter Offiziere der Operationsabteilung des alten Heeres. geht mit den verantwortliche» Männern jener Zeit, vor allem mit Moltke und Falkenhayn scharf ins Gericht. Verantwortlich für deren Ernennung ist bekanntüch niemand anders wie der Kaiser selbst. General von Moltke , der Führer zur Marneschlacht wird vom Reichsarchiv völlig abqnalisiziert. Es heißt dort(IV. Band, Seite 538): ..Gerade in den Jahren, i» denen der reisende Mann lernen muß...in denen die seelischen Kräfte in Kampf und Arbeit gestellt werden sollen... ipar der jugendliche Generalstabsoffizier als persönlicher Adjutant... ohn« ernste Bc- rufspflichten irnd ohne große Verantwortung... Als er schließlich in die w i ch t i g st e Stellung der deutschen Armee berufen wurde, da waren ihm nianche starken und gesunden Anlagen erstickt." Das heißt doch wohl nichts anderes als: Der Kaiser liat einen völligen Ignoranten und höfischen Außenseiter mit der Führung sei, res Heeres betraut! Auch General von F a l k c n h a y n, der die Marneschlacht zu liquidieren hatte, wird vom Reichsarchiv als oberster militärischer Führer rundweg abgelehnt. Im soeben erschienenen V. Band des Kriegswerkes.Der Herbstfcldzug 1914" wird nämlich rundweg erklärt: Generalleutnant von Falkenhayn gehörte nicht zu dem Kreis jener Generalstabsoffiziere, die eine besonders vertiefte operative Ausbildung erfahren hatte». Er konnte ebensowenig als Vertreter der in strenger Schule strategisch durchgebildeten höheren Generolstabsossiziere gelten, wie sein Vorgänger General - oberst von Moltke. General von Falkenhayn hat diesen Mangel gelegentlich wohl auch selbst empfumden und sich als „Autodiktokt" bezeichnet." Damit ist dem System der kaiserlichen Kriegsmaschinerie, das zwei höfisch« Adjutanten an die wichtigste Stellung des deutschen Feldheeres brachte, das Urteil gesprochen. Es kann sich niemand, der dem Kaiser eine derartig« Funktion zuerkennt, darüber be- klaaen, wenn der deutsche.Soldatenkaiser" damit sein« wichtigste Schlacht verloren hat. Totschweigen der Marneschlacht. General von Falkenhay» hat sich pbrigens dagegen gewehrt, das operative Erbe seines Vorgangers vor der Oesfentlichkeit zu übernehmen. Im V. Band des Reichsarchivs heißt es auf Seite S: .Don Anfang an hatte General von Falkenhayn die Absicht, die deutsche Oesfentlichkeit über die wahren Vor- gang« in der Marneschlachst in rückhattloser Weise auf zu- klären. Am 28. September sandte er an das Auswärtige Amt einen Bericht, in dem er nach einer Darlegung der militärischen Operationen den Rückzug an der Marne und die Ungunst. der Lag« auf dem westlichen Kriegsschauplatz freimütig zugab. Auf die Vorstellungen des Auswärtigen Amtes verhinderte der Reichskanzler die Veröffentlichung des Berichtes des Generalstabes. So kam es, daß der deutschen Oefsenttichkeit die große Bedeutting der Marneschlacht lang« Zeit verboogen ge- blieben sind." In diesem Totschweigen mißlicher Schlachtberichte lag Übrigens System. Wahrend man in England und m Frankreich
ganz gern schwarz in schwarz malte, war die deutsch « Kriegs- berichterstattung von Anfang bis zu Ende von kleinlicher Gängelei und behördlicher Stimmungsmache beherrscht. Selbst der General- stabschef wurde.zensiert", wenn er über die wichtigste Schlacht des Krieges die Wahrhett zu sagen wagt. Wettlauf zum Meer. Nach dem Rückzug der fünf deutschen Armeen von der Marne zur Aisne begann dann der berühmte Wettlauf des deutschen und englisch -französischen Nordflügels zum Meer. Das Reichsarchiv niacht es dem General von Falkenhayn zum Vorwurf, daß er es nicht verstand, aus dem Zurücknehmen der deutschen Front von der Marne eine Schlachtenentscheid-ung in Nordfrankreich anzubahnen. Es ist der Meinung, Falkenhayn hätte die Beweglichkeit der an der Marn« erstarrenden Front durch kühn« Rückzüge und Bil- dung neuer Flügelftaffeln etwa in der Gegend von Balanciennes
erhalten und durch Stöße tief in den Rücken der englisch -französischen Front etwa in der Gegend von Amiens an der unteren Somme die Schlachtcnentscheidung herbeiführen sollen. Ein derartiger Dorschlag wurde dem neuen Generalstabchef vom bisherigen Leiter des deut- schen Nordflügels General von Bülow gemacht:„General von Falkenhayn traf vorerst keine Entscheidung. Er erklärte, die G e n e h m i g u n g d e s Kaisers herbeiführen zu müsfen..." Es geschah aber nichts. Die Front an der Aisne blieb erstarrt. Ein kühner Rückzug an die belgische Grenze wurde nicht gewagt und so mühte sich der deutsche Nordflügel von Woche zu Woche vergeblich lim die Umsaisung der feindlichen Hecresflanke ab. bis die Front bei Ostende am Kanal ein Ende fand. Riesige Opfer wurden in vergeblichen Angriffen vor allem von den jungen Reservcrcgimentern und Kriegsfreiwilligenformationen verlangt. Das Ergebnis war strategisch aber gleich Null. Ueber die völlige Verständnislosigkeit der Obersten Heeresleitung, für den wahren Zustand der Truppe wird bittere Klage geführt. „Es war verhängnisvoll, daß die obere Führung— den wahren Zustand der Truppe nicht rechtzeitig erkannte: sie trieb diese fortgesetzt zu neuen Angriffen vor und forderte von ihr Leistungen, die sie— unmöglich erfüllen konnte." An einer anderen Stelle heißt es:.Dies zeigt, wie wenig
ihe Erfahrungen der vorangegangenen Kämpfe bis zur Obersten Heeresleitung zurückgedrungen waren..." Ein erfahrener Chef des Gcneralstabs aber bricht im Reichs- archiv in die zornigen Worte aus:„W as die Truppe brauchte, war Ruhe, Auffüllung der stark gelichteten Linien, reichliche Munition uitd— Vertrauen zur oberen Füh- r u n g. Don alledem erhiell sie— nicht s." Deutlicher kann man das Verjagen jener beiden vom Kaiser berufenen obersten Heerführer in und nach der Marneschlacht nicht zum Ausdruck bringen. Oer ,Kindermord�. General von Falkenhayn ist der vor allem Verantwortliche für den verbrecherischen Einsatz der kriegsunerfahrenen Frei- willigen um Ppern, den sogenannten„Kindermord". Das Reichs- archiv macht ihm den Vorwurf, daß er die neuausgestellten jungen Verbände nicht rechtzeitig in ruhig« Fronten geschoben und dafür kampferprobte Armeekorps am Entscheidungsflügel versammelt hätte. Es stellt sich damit in eine Linie zu dem englischen Kriegsimnister Churchill , der auf Anforderung neu aufgestellter englischer Der- bände erklärte, die jungen Freiwilligen seien nicht zum Abschlachten, sondern zum Kampf da. Es heißt im V. Band des Reichsarchivs:„Zudem lastete schwer das bedrückende Gefühl auf General von Falkenhayn, nicht nur den Rückschlag an der Marne zu einem schweren operativen Mißerfolg er- w e i t e r t, sondern zugleich die jungen Kräfte— vor Erlangung der Kampstüchtigkei: vor eine unlösbare Aufgabe gestellt und er» falglos verbraucht zu haben." Im übrigen stellt sich das Reichsarchiv auf den Standpunkt, daß mit der Erstarrung der deutschen Front nach der Marneschlacht und dem„Wettlauf zum Meer" der Krieg strategisch verloren war:„So drohte der Zweifrontenkrieg in eine Kriegführung aus- zuarten, die nach Schlieffenscher Auffassung auf die Dauer zur gänzlichen Aufreibung des deutschen Heeres führen konnte. Das bedeutete über kurz oder lang Niederlage und Unter- gang." Dos Reichsarchiv sagt also bereits in der strategischen Kritik der Marneschlacht dos bittere Ende voraus! Für den Dolchstoß scheint ja dann nicht mehr viel Raum zu sein. Kühl an die Reichswehr . Der General der Inf. von Kühl. Ane der größten Autoritäten des ölten Generolstabes und ehemaliger Generalstabsoffizier der dcuffchen Flügclarmsc hat am 16. lllovember 1922 einen Vortrog im Reichswehrminiftenum gehalten, den er mit folgenden Worten ichließt:„Wir sind 1914 mit der besten und glänzendsten Truppe ins Feld gezogen, die es je gegeben hat und haben doch den Marne feldzug und vielleicht dadurch den ganzen Krieg verloren, nur weil die oberste Führung versagt hat. Einiae sechs bis sieben Köpfe haben das ganze Unglück verschuldet. Es ist unsere eigene Schuld, wenn nicht die richtigen Männer an der richtigen Stelle gestanden haben. Dies« Erkenntnis ist nötig, wenn wir aus den Tatsachen lerne» wollen." Was wir daraus lernen können ist in zwei Sätzen gesagt: Ein Militärs! aat, dessen„Soldatcnkaiser sich seinen General- stabchef mit den Worten wählt:„Ach was— das bißchen Friedens- ausbildung machen sie schon, und im Krieg mache ich meinen eigenen Generalstabchef", verdient es nicht besser, als daß er in der größten Schlacht geschlagen wird. Allmählich hat sich diese Binsenwahrheit offensichtlich auch bei den alten Militärs und der einstigen Um- gebung des Kaisers durchgesetzt. HIcrm. LcbuUmgcr.
Der Aufstand der Effendis Die Ursache der Palästina-Schlächtereien
Der folgende Bericht eines jüdischen Gelehrten, der nun . in Palästina lebt und dem sein langes und schweres Leben in Mitteleuropa den sozialen Blick geschärft hat, zeigt auch, für wen sich neben junkerlichen Deuffchnationalen— die Kommunisten einsetzen! I. A— y. Jerusalem . Ende August.(Eigenbericht.) El Barak— der Blitz— heißen die Araber den Maucrrest, an dem die Juden als letztem Rest des Tempels Salomonis beten und an dem— nach dem Moslemglauben— der Prophet Mohammed sein weißes Feuerpferd„El Barak" angebunden hat, ehe er darauf gen Hinimel ritt. Wochenfeiertag der Moslem ist der Freitag. Da er zu Ende dämmert, jubeln und tafeln sie, während zur gleichen Stunde der Jirdenseiertag beginnt. Sie stört der Jubel der Araber in ihrem Gebet, während die Araber sich als rechtmäßige Besitzer des Grundstücks betrachten und den Juden, die den ganzen Sonn- abend dort beten, die Aufftellung einer Sitzgelegenhett verwehren. Vor dem Weltkriege bestand die Bevölkerung Palästinas über- wiegend aus zwei Kasten: den Effendis und den Fellachen (Bauern). Di« ersteren besaßen etwa 90 Proz. des gesamten Bodens. Sie ließen ihn durch die Fellachen bearbeiten, die die Hälft« der Ernte dem Eigentümer abführen mußten. Zu Wirklichkeit waren die Fellachen nichts mehr als Leibeigene. Dan einer Bodenverbesserung konnte kein« Red« sein, die Bearbei- tungsmechode glich der von Jahrhunderten zuvor, der arbeitend« Fellach erhielt soviel, daß es kaum für ein« Pttah(auf Kohlen ge- backenes Plätzchen) und rohen Kohl genügte, aber der Grundherr konnte auf der faulen Haut liegen oder im Kaffeehaus die Rargillah schmauchen. Nach dem Kriege begann die starke Einwanderung von Juden: sie zahlten dem Effendi für den Boden Preise, die er nie auch nur zu träumen gewagt hätte. Die Effendis schwelgten in Wonne, wäh- rend die Fellachen als Entschädigung für den Verlust eines Teiles ihrer Arbeit bar entschädigt wunden, wofür sie dem Grundherrn Baden abkauften. Der anpassungsfähige Fellach lernte bald vom Juden modern« Arbeitsmethoden, der Boden zab immer größeren
Ertrag, aber angesichts der starken Jmmigratian stiegen die Preise der Bodenprodukte. Der arabische Arbeiter lernt« von seinem jüdi- schen Genossen aber auch, nicht mehr als bloßes Ausbeutungsobjekt zu dienen. So kam es, daß das Araberoolk, dessen Leben zuvor von dem eines Hundes sich nicht viel unterschied, allmählich sich an besseres Leben gewöhnte und heute bereits Vata-Schuhe, Socken und Gumniistrumpfbönder trägt, auch als Mensch behandelt werden will. Den Kürzeren zog dabei der E s f e n d i. Das schöne Geld, das er für einen Teil seines Grundbesitzes erhalten, wurde von den jungen Herrchen(Junker haben überall dasselbe Gesicht) mit Weibern und im Kartenspiel verjuxt. Der Fellach will nicht mehr Frondienst leisten, somit wirst der restliche herrenboden keinen Ertrag mehr ab. selbst ihr« Häufer in den Städten verloren bedeutend an Wert, denn die Juden erbauten moderne Häuser und niemand findet Vergnügen daran, die allen, von schädlichen Mikroben durchdrungenen Häuser zu benutzen. Man möchte gern fette Pfründen an A e m t e r n be» kommen, aber man hat nichts rechtes gelernt und die„Ingliji" (Engländer) geben auf die schönen Titel und die vielen adligen Vor» fahren nichts. Der Ruf nach Autonomie, d. h. nach Aomtern mit gutem Gehalt und fettem Bakschisch wurde immer lauter, doch der Engländer antwortete, das Mandat gestatte mit Rücksicht auf das bestimmungsgemäß zu schaffende Natianalhenn der Juden nicht, die Verwaltung vorher aus der Hand zu geben. Dies alles und der Wunsch, alle die dllrch jüdisch« Arbeit geschaffenen schönen Güter zu bekommen, erregte das Bestreben, die Juden um jeden Preis zu entfernen. Da aber die Herren zu schwach sind, um dies mit Gewalt durchzusetzen und der Fellach'der Wohltaten des Adels noch zu sehr eingedenk ist, um ihm zu folgen, mußte man sich gedulden, bis eine günstig« Stunde geschlagen. Wenn vor politischen, ökonomischen und dergleichen Lockungen den Fellachen sein gesunder Instinkt schützt— in Glanbensfragen läßt er ihn im Stich. Rur noch„Allah " konnte helfen. Endsich kam die Stunde durch— El Barak!