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BERLIN Sonnabend

28.September 1929

Der Abend

Erfdetatt& sltd enter Sonntags. Bugleich Abendaufgabe des Vorwärts. Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Erpedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts

10 Pf.

Nr. 456

B 227

46. Jahrgang.

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Streichholz- Anleihe?

Schwedentrust bietet dem Deutschen Reich 600 Millionen an.

Die ,, B. 3. am Mittag" verbreitet die überaus sen­sationelle Mitteilung, daß der Führer des schwedi. schen Zündholztrusts Jvar Kreuger dem Reich einen Kredit von 600 millionen Mark ange­boten habe. Als Gegenleistung wolle Jvar Kreuger die Vergrößerung seines Einflusses in der von der deutschen Regierung überwachten Zündholz­industrie erreichen, von der er bereits jetzt 70 Prozent kontrolliert. Geplant ist der Ausbau dieser wirtschaft lichen Machtstellung zu einem Monopol.

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Eben erst hat sich auf dem Gebiet des Bankwesens ein Zu jammschluß vollzogen, der von der lawinenartigen Zusammen­ballung des Großfapitals das eindruckvollste Bild bietet und nun taucht über Deutschland die Gestalt eines internationalen Finanz­tönigs auf, der den Staaten Europas Kredite bewilligt und ihnen dafür seine Bedingungen diftiert. Aehnliche Verträge, wie den geplanten hat Ivar Kreuger schon mit Frankreich , Polen , Lettland , Südstawien, Ungarn , Rumänien , Grie. chenland und der südamerikanschen Republif Ecuador ab­geschlossen.

Was ihn jetzt zu dem Versuch veranlaßt, auch die Deutsche Republik mit ihren 62 Millionen Einwohnern in sein Monopol­Imperium einzubeziehen, ist zweifellos

die Sorge vor dem Eindringen der russischen Konkurrenz.

Die sowjetistische Zündholzindustrie, die als Staatsmonopol be­trieben wird, hat sich seit einiger Zeit auf den Erport gestürzt, der von der russichen Regierung auf das lebhafteste unterstützt wird, weil man durch ihn fremde Baluten in das Land bringen will. Die russische Zündholzindustrie bedient sich dabei des Vorteils, daß ihr aus den russischen Staatsforsten Holz in jeder beliebigen Quantität und zu beliebigen Preisen zur Verfügung steht. Die Gegner des russischen Zündholzimports haben Kalkulationen aufgestellt, aus denen sich ergibt, daß Rußland trotz alledem seine Streichhölzer unter den Herstellungskosten verkauft, also Dumping treibt, und sie fordern Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Dumpings. Dabei kommen auch insofern Arbeiterinteressen in Frage, als der Schwedentrust die von Deutschland gebrauchten Streichhölzer in Deutschland selbst produziert.

Seit der Zusammenfassung der freien deutschen Fabrikanten mit den deutschen Großbetrieben des schwedisch - amerikanischen Zünd­holztrusts im deutschen Zündholzsyndikat sind die etwa 2000 Zünd­holzarbeiter nicht zur Ruhe gekommen. Zuerst wurden sie mit Rationalisierungsgründen entlassen, dann mit der Begründung der russischen Konkurrenz. Zum Glück ist es der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion seinerzeit bei der Beratung des Zündholzgesetzes gelungen, für die Angestellten und Arbeiter einen besonderen Stillegungs" schuß zu schaffen. Er müßte bei einer neuer­lichen Rationalisierungswelle weiter ausgebaut werden.

Im übrigen sind die deutschen Arbeiter durch ihre Genossen­schaften auch Zündholzproduzenten. Gegen diese Macht würde auch Herr Kreuger vergebens anrennen.

Es läßt sich voraussehen, daß das Angebot des Zündholzkaisers, über das in engeren Kreisen schon seit langem gesprochen worden ist, in Deutschland zu sehr lebhaften Kämpfen führen wird.

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Die Anhänger dieses gigantischen Projekts werden vor allem in denjenigen Kreisen zu suchen sein, die eine möglichst weitgehende Stenersenkung besonders für die Besitzenden als Folge der Erleichterungen aus dem Young- Plan so rasch wie möglich herbei. führen möchten.

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Es ist bekannt, daß die Ersparnisse des laufenden Rechnungsjahres restlos zur Deckung des Defizits dieses und des vorangegangenen Jahres sowie zur Deckung unvermeidlicher Nachforderungen drauf gehen werden. Im nächsten Jahr werden die Ersparnisse rund 700 Millionen betragen.

( Fortsetzung auf der 2. Geite.)

Das Attentat auf den Reichstag .

Haftbefehl gegen Freiherrn von Onden- Otto.

Die Justizpressestelle teilt mit: Die Voruntersuchung| stoffaffäre festgenommenen Personen irgendwelche näheren Be­wegen der Sprengstoffattentate ist auf den Frei ziehungen hat, muß die weitere Untersuchung ergeben. herrn v. Onden Otto ausgedehnt. Der Unter­suchungsrichter hat Haftbefehl gegen ihn erlassen. Ihm wird zur Last gelegt, im Herbst 1928 einem anderen eine fertige Höllenmaschine gezeigt und dabei eine auf einen Anschlag gegen den Reichstag hindeutende berdächtige Aeußerung getan zu haben.

Die Aufhebung der gegen die Angeschuldigten Ham tens, Muthmann und Matthes erlassenen Haft­befehle durch den Untersuchungsrichter ist nur erfolgt, weil bei ihnen weder Verdunkelungsgefahr noch Flucht­verdacht besteht und bei Hamkens und Muthmann nur Mittäterschaft an einem Sprengstoffdelikt(§ 13 des Sprengstoffgesetzes), bei Matthes Mittäterschaft allein an dem Attentat in Beidenfleth angenommen wird.

Der

Bauern gegen Hugenberg.

Zeilnahme am Boltsbegehren abgelehnt.

Gesamtvorstand des Westfälischen Bauern bundes", der der Deutschen Bauernschaft angehört, lehnte die Beteiligung an Hugenbergs Boltsbegehren mit folgender Begrün­dung ab:

,, Mit Rücksicht auf die schädlichen Folgen, die auf außen und innenpolitischem sowie wirtschaftlichem Gebiete durch das Bolksbegehren hervorgerufen werden, fordern wir unsere Mit­glieder nachdrücklichst auf, sich von jeder Beteiligung an der Vor­bereitung und Durchführung des Boltsbegehrens fernzuhalten. Auch die Bereinigung der Deutschen Bauern vereine", die zweite große Bauernorganisation, hat die Be­

Wie wir zu dieser Meldung der Justizpressestelle erfahren, ist die Verhaftung des Freiherrn v. Onden- Otto heute früh in Berlin erfolgt. Ob der Verhaftete mit den anderen in der Spreng- teiligung an dem Voltsbegehren abgelehnt.

Die Lage in Desterreich.

,, Das Land geht schweren Kämpfen entgegen."

Wien , 28. September. ( Eigenbericht.)

B

Die Arbeiter Zeitung" schreibt zu der Pro­grammerklärung der neuen Regierung:

,, Man muß Schober dankbar sein. Seine Erklärung hat Licht in das Halbdunkel gebracht. Nach dieser Er­flärung fann kein Zweifel mehr über die Absichten Schobers bestehen. Eine Regierung der Befestigung und der Befriedung der Demokratie ist diese Regierung Schober nicht. Das Land geht, wenn Schober nach diesem Programm handelt schweren Kämpfen

entgegen."

Sowjetrußland in London . Zusammenlegung der Londoner Arcos- Bureaus. London , 28. September.

,, Daily Expreß " meldet: Die Handelsniederlassung der Sowjet­regierung, die Arcos Limited, wird heute im Zentrum von London , in einem Gebäude am Strand, von einer großen Anzahl Bureauräumen Besiz ergreifen, die sechs Stockwerke einnehmen und viele tausend Pfund Sterling im Jahre kosten. Sie werden Plaz für ein Personal von 400 Beamten bieten. Hiermit werden die vereinzelten Abteilungen der Arcos, die seit der bekannten Polizei­razzia von 1927 in London verstreut waren, wieder unter einem Dache vereinigt werden.

Orfan über Florida .

Wirbelsturm tötet 20 Menschen.

Miami ( Florida ), 28. September. Neuere Meldungen über die Sturmverheerungen auf den Bahamas besagen, daß alle kleineren Schiffe im Hafen von Nassau zerstört worden sind. Der Palast des Gouverneurs und die meisten Kirchen haben schwere Beschädigungen erlitten. Die Kleine Hafenstadt Biminis ist wiederum von einem Sturm heim gesucht worden, der eine Stundengeschwindigkeit von 110 Kilometer erreichte. Ueber den angerichteten Schaden liegen noch feine Mel­dungen vor

Die Flottenabrüstung.

Die Einladung zur Londoner Konferenz in Washington eingetroffen.

Washington, 28. September. Jm Staatsdepartement ist gestern die offizielle Einladung der britischen Regierung zur Seeabrüftungskonferenz eingetroffen, die im nächsten Januar in London stattfinden und dem Zweck dienen foll, die Frage einer vorläufigen Verminderung der Seerüftungen durch Einlegung einer mehrjährigen Ruhepause im Flottenbau zu besprechen.

Macdonald nach Amerifa abgereift. London , 28. September. Macdonald ist heute abend nach Southampton abgefahren, um sich an Bord der Berengaria" nach Amerika einzuschiffen. Auf dem Bahnhof hatten sich die Mitglieder des Kabinetts, der ameri­tanische Botschafter General Dawes und andere Mitglieder des Diplomatischen Korps eingefunden.

Das Young- Komitee. Zusammentritt am 3. Oftober.

Paris , 28. September. ( Eigenbericht.) Das Organisationsfomitee zur Ausführung des Young- Planes tritt nunmehr endgültig am 3. Oktober in Baden- Baden zusammen. Den Borsiz wird voraussichtlich ein Amerikaner über­nehmen.

Brutale französische Besatzungsjustiz. Bom französischen Militärgericht zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.

Mainz , 28. September. Vor dem französischen Militärgericht hatten sich z weideutsche Dienstmädchen zu verantworten, die beschuldigt waren, ihre früheren Arbeitgeber, zwei französische Offiziere, be stohlen zu haben. Eines der Mädchen wurde zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt, während das andere ein Jahr Gefängnis mit Straf aufschub erhielt.