Der Abend
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Spalausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 474
B 236 46. Jahrgang
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Dietrich hat spekuliert.
Mit dem Gelde der Raiffeisenbank. - Verstöße gegen die Devisenordnung. Die Räubergeschichten des Generaldirektors.
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Die Totschweigetaktit, welche die Rechtspresse gegen. über den Ergebnissen des Raiffeisen- Untersuchungsaus. schusses anwendet, wird ihr nicht mehr lange glücken. Immer höher wächst die Belastung des Ge neraldirektors Dietrich. Während die Sen
sationsblätter sich darüber aufregen, ob die Tochter des Oberbürgermeisters Böß einmal eine Reithose von den Gebrüder Sklarek bezogen hat, findet sie kein Wort da für, daß der Generaldirektor der Raiffeisenbank, der Bizepräsident des Deutschen Reichstages Dietrich, hinter dem Rücken seiner Mitdirektoren und mit dem Gelde seiner Bank wilde Spekulationen vollführt hat.
Durch die Fragestellung des Abg. Mainzer( S03.) wurde in der Bormittagssitzung des Ausschusses dies dunkle Kapitel mehr und mehr flargestellt. Freilich ging es langsam, weil Herr Dietrich wieder einmal in die Gedächtnisschwäche flüchtete und ganz offenfichtlich unwahre Angaben über seine rumänischen Spetulations geschäfte machte. Erst durch die Angaben des Mitdirettors Schwarz tam die Wahrheit ans Licht. Danach stellt sich die Sache so dar: Im Jahre 1922, also noch in der Inflationszeit, glaubten meite Kreise, daß sich an rumänischen Staatsschuldverschreibungen viel verdienen ließe. Zu diesen gehörte auch Herr Geheimrat Dietrich.
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Er taufte deshalb nicht etwa bei der Raiffeisen- Bant, fondern beim Banthaus Martie mig, mie troß seines Leugnens durch Direktor Schwarz schließlich gestanden wurde- einen Posten rumänischer Staatspapiere in Höhe von etwa 500 000 rumänischen Franken.
Der Kauf geschah auf den Namen des Herrn Geheim. rats Dietrich, die Bezahlung aber erfolgte durch die Raiffeisenbank in französischen Franken, ohne daß hiervon die Mitdirektoren des Herrn Geheimrats Dietrich etwas wußten.
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Geheimrat Dietrich behauptet nun, er habe ein gütiger Weihnachtsmann! die Raiffeisen- Bant mit dem Gewinn aus diesem Geschäft überraschen wollen. Aber der Weihnachts- RaiffeisenMann verlor leider seinen Sack! Als Herr Dietrich, die rumänischen Papiere in der Brusttasche(!), von Markiemiz heimkehrte, da seien ihm diese beim Barbier abhanden gekommen. Mitdirektor Schwarz berichtet: ,, Es ist nur ein Teil der Papiere gewesen, ein Teil wurde bei der Raiffeisen- Bank eingeliefert."
Der unglückliche Herr Dietrich wird gefragt, was er mun zur Wiedererlangung der Papiere getan habe. Er tischt dem Ausschuß eine neue Räubergeschichte auf von einem ramanischen Rechtsanwalt, an den er sich zwecks Aufgebots der verlorenen Papiere gewandt habe. Aber dieser betrügerische Ru mäne habe wohl hierfür eine Provision von 15 000 ei eingestedt, aber das Aufgebot der Papiere nicht veranlaßt. Der ganze Ausschuß trauert mit Herrn Dietrich.
Nun stellte aber Abg. Mainzer die verfängliche Frage: ,, Wenn das Unglück nicht passiert wäre und das Ge schäft gewinnreich abgeschlossen hätte, woher wußte dann die Raiffeisenbank, daß sie einen Anspruch auf den Gewinn hatte?"
Darauf fann Herr Dietrich feine Antwort geben, er schnappt nach Luft und wiederholt: Ich hätte ihr den Gewinn abgetreten. Je öfter er es fagt, desto weniger glaubt es irgend jemand im Saale. Es ist absolut klar, daß der Generaldirektor mit dem Gelde feiner Bank seine eigenen privaten Spefulationsgeschäfte finanziert
hat.
Bei der Raiffeisenbank wußte man nichts. dort bestand nur ein Konto Markiewicz. Erst als der Direktor Schwarz bei Markiewicz auf den Ausgleich dieses Kontos drängte, tam die ganze Geschichte heraus und jezt erst im Jahre 1925 wurde Herr Dietrich mit dem Betrag von 92 000 Mart für Devisenfäufe beLastet. Bezahlt hat er erst im Jahre 1929!
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Der Vorsitzende Deerberg stellt außerdem fest, daß gemäß 181 BGB. Dietrich gar nicht berechtigt war, als Vertreter
Abwehr.
Gevering spricht gegen das Hugenberg- Begehren.
Der Reichs minister des Innern Severing
nommen.
Der Reichsinnenminister wird sich vor allem mit den Behauptungen der antirepublikanischen Volksbegehren. Presse auseinandersehen und zum Schluß seiner Ausfüh. rungen betonen, daß die Reichsregierung den Abwehr fampf mit allen Mitteln aufnehmen und weder eine Lüge noch eine Gemeinheit von rechts in Zukunft unbeant wortet lassen werde.
Einzelwahlkreise mit Proporz.
Politisches Programm der österreichischen Sozialdemokratie Wien , 9. Oktober.
spricht am Mittwoch abend um 7 Uhr auf der deutschenleitung ausgearbeitete Entschließung vor, in der dagegen protestiert Dem sozialdemokratischen Parteitag liegt eine von der ParteiWelle über„ Das Volksbegehren". Der Vortrag wird, daß in dem Augenblic schwerer Erschütterung durch mutwillig wird von Berlin und allen deutschen Sendern über- heraufbeschworene Berfassungsfämpfe die Durchführung der wirtschaftlichen und sozialen Reformarbeit, die als Hauptpostulate angeführt werden, eine schwere Hemmung erfahre. Die Verfassungsreform sei zwedlos, wenn sie nicht mit einer brüstung verbunden werde, zu der die Arbeiterklasse bereit sei, aber nur dann, Kontrolle verbürgt werde. Was die Verfassungsreform selbst anwenn die ehrliche Abrüstung im gegnerischen Lager durch gegenseitige langt, so halten die sozialdemokratischen Mandatare die Richtlinien für die Verhandlungen insbesondere hinsichtlich des Wahlrechts aufrecht, wobei die Schaffung von kleinen Wahlbezirken mit je einem Abgeordneten und die Garantie des Proporzes durch Zuweisung zusäßlicher Mandate nach den Verhältnissen der abgegebenen Stimmen verlangt wird. Weiter wird gefordert, daß jedes Gesetz einer Bolts abstimmung unterzogen wird, wenn ein Drittel der Abgeordneten oder 300 000 Wahlberechtigte es fordern. Die Erweiterung der Rechte des Bundespräsidenten auf Grund der Notverordnung und des Ausnahmezustandes lehnen die Sozialdemokraten ab. Sollte eine Einigung zwischen den Parteien unmöglich sein oder sollten die bürgerlichen Parteien eine Abrüstung ablehnen, so werden neue Wahlen verlangt. Schließlich wird die Arbeiterschaft, aber darüber hinaus auch das ganze freiheitliebende Bürgertum aufgefordert, sich möglichst fampfberereit zu halten, um eine Herital- hatenkreuzlerische Diktatur oder eine aristokratischmilitaristische Restauration, möge sie durch einen Putsch von links oder einen Staatsstreich von oben versucht werden, abzumehren.
der Bank Geschäfte in fich abzuschließen, ferner wurde festgestellt, daß seine Spekulationen gegen die Devisenordnung per stießen.
Der Ausschuß wendet sich dann zu Dietrichs weiteren Brivattonten. Es wird festgestellt, daß Dietrich zwar als Privatfonten. Es wird festgestellt, daß Dietrich zwar als Genossenschaftler berechtigt war, mit Genehmigung des Aufsichts rats genossenschaftliche Kredite bei der Raiffeisenbank zu erheben, daß aber tatsächlich der Aufsichtsrat seine Genehmigung nicht, wie das forreft gewesen wäre, im voraus, sondern erst geraume Zeit hinterher gegeben hat, als
Dietrich das Geld bereits abgehoben hatte. Fierüber soll der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Doné als Zeuge vernommen werden. Ferner sollen Konten Dietrichs bei der Raiffeisenbank und bei Markiewicz herangezogen werden.
Es geschehen auch noch an der 3far Zeichen und Wunder. München , 9. Oftober.( Eigenbericht.)
Bor mehreren Monaten wurde der„ Goldmacher" Franz Taufend unter dem Berdacht großer Befragereien in Tirol verhaftet. Tausend beharrte während seiner ganzen Haftzeit darauf, daß seine Goldmacherkunft auf wissenschaftlich einwandfreien Methoden beruhe. Dieser Tage hat man ihm Gelegenheit gegeben, die praktische Durchführbarkeit seiner Golderzeugungstheorie unter amtlicher und fachverständiger Kontrolle zu beweisen. De Berteidiger des Taufend teilt darüber folgendes mif:
Am 3. Oftober 1929 hat der seit Anfang Januar 1929 in Haf befindliche Franz Tausend im Hauptmünzamt in München unte Rontrolle des Münzdirettors, eines zweiten Münzbeamter zweier besonders ausgebildeter und erfahrener Polizeibeamten un in Anwesenheit des Untersuchungsrichters und de Staatsanwalts nach vorheriger eingehender förperlicher Unte fuchung und genauer Durchsuchung seiner Kleidungsstücke sein Ve fahren zur Herstellung von Gold vorgeführt. Es gelang ihn echtes und reines Gold in einer Menge herzi stellen, die nach dem eidlich abgegebenen Gutachten des Mür direktors in dem als Ausgangsmaterial verwendeten Blei und d sonstigen Zutaten unmöglich schon vorher enthalten sein konnte. Tausend seinerzeit unvermutet verhaftet wurde, also feinerlei V bereitungen für den Fall der Verhaftung treffen konnte, da er auß dem seit 9 Monaten in Haft ist, und da die Kontrolle unter 2- wendung aller erdenklichen Vorsicht und Aufmerksamkeit durchgefürt wurde, ist nach menschlichem Ermessen eine Tä schung ausgeschlossen. Tausend hat den Beweis erbracht, daß er tatsächlich in der Lage ist, Gold herzustellen. Gegen die Aufrechterhaltung des Haftbefehls ist jetzt von der Verteidigung Be schwerde beim Obersten Landesgericht in München eingeleg worden
Kürzlich hatte sich, wie erinnerlich, in unserem lieben Berlin das große Wunder mit einem efljährigen Mädchen ereignet: Ein Hampelmann wurde von Geisterhand zum Tanzen gebracht und auf eine unter dem Bett des Kindes liegende Schreibtafel wurde von Geisterhand etwas geschrieben. Das alles wird von Minchen weit übertroffen: Aus Blei wird dort Gold gemacht. Nun wird Deutsch land aus aller Not sein.