10 Pf. Nr. 530 B 264 46. Jahrgang
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Die neuen Jfoichsmuiister. Curiius Außenminister, Moldenhauer Wirifchastsminister.
Der Reichspräsidenk hat auf Vorschlag des Reichskanzlers den Abg. Dr. C u r t i u s. unter Enthebung vom Amt des Relchswirlschaftsminlsters. zum Reichsaußeumiulslec und Professor Dr. Moldenhauer zum Reichswlrt- schaftsminister ernannt. * Die beiden neuernannten Minister sind Mitglieder und Abgeordnete der Deutschen Bollspartei. Dr. C u r t i u s, der ous Duisburg stammt, war ursprünglich dort Rechtsanwalt. Von 1911 bis zum Kriegsausbruch staatswisienschaftlicher Arbeiter in Heidelberg , wohin er auch nach dem Kriege zurück- kehrte. Seit 1921 war er Rechtsanwalt am Kammergericht in Berlin . Das Reichswirtfchastsministerium verwaltete er seit 1927. Nach Stresemanns Tode hat er provisorisch bis heute auch das Außenministerium verwaltet. Prof. Moldenhauer, der dem Reichstag feit 1929 angehört, ist gleichfalls Rheinländer. Er ist 53 Jahre alt und amtiert seit 1919 als ordentlicher Professor für Versicherungs- Wissenschaft an der Universität Köln .
Die Wahl in Lübeck . Starke Wahlbeteiligung.— Sozialdemokratie an der Spitze Lübeck , 11. November. tElgenberliht.) Tie Wahlen zur Lübecker Bürgerschaft, die am Tonntag»ach einem lebhaften.Wahlkampf und bei einer Wahlbeteiligung von 83 Prozent vor sich gingen, hatten folgendes Ergebnis: 1S2N<ISS «) Mandate Sozialdemokraten 33 255(31 839) 34(35) Henfca, sicher Volksbund 27 8«8(32 949) 29(39) .Kommunisten..... 9714( 4751) 7( 5) Demokraten..... 2 612(1719) 2(2) Zentrum...... 889( 899) 1( 1) Haus- und Grundbesitz. 781( 9) 1( V) Natioualsozialistrn.. 9 338( O) 9(9) Dos Ergebnis bedeutet einen großen Erfolg für die Sazioldemokrati«. deren Stellung in der Lübecker Bürger- schost gebrochen werden sollte. Sie stand in der Abwehr gegen alle. Trotz der schlechten Wirtschaftslage, unter der Lübeck ebenso leidet wie olle anderen Städte Deutschlands , hat sich die Sozial» demokrati « voll ig behauptet und den Bürgerblock ent- scheidend geschlagen. Der Bürgerblock hat mehr verloren als die Nationalsozialisten gewonnen haben. Dl« Hetze gegen die Sozialdemokratie hat den Bürgerblock sieben Mandate gekostet, von denen Hitler ans Anhieb sechs ergatterte. Das siebente ist einer Sonderlist« der Hausbesitzer zugefallen. Auch die Sozialdemokratie hat ein Mandat eingebüßt, trotzdem sie rund 1400 Stimmen gewonnen hat. Das 35. Mandat war 1926 nur durch Anrechnung von Ressittmmcn erzielt. Durch die im allgemeinen stärkere Wahlbeteiligung wurde jetzt ein neuer Berrcchnungsmodus nötig, der«inen scheinbaren Mandatsoerlust mit sich brachte. Der Einsluß der Sozialdemokratie in der Bürgerschost ist dadurch aber keineswegs vermindert, sondern eher gestärkt. Sie ist jetzt die unbestritten stärkste Gruppe, die den Bürgerblock um wenigstens fünf Mandat« überflügelt. Die Kom- munisten haben zwar ihre Mandatsziffer erhöhen können, ober sonst sind sie einsluß- und bedeutungslos. Nur, wenn sie die Arbeiter- interessen schädigen können, werden sie auch in Lübeck sich mit ihren Freunden und Antipoden, den Haken kreuzlern, prompt zu- sammensinden. Be« den diesjährige» Bürgerschattswahle» wurden zu« ersten Jftalc die Briefwahlen durchgeführt, d« Kranken und von Lübeck abwesenden Personen die Möglichkeit geben, ihre Stimm« bereits vor dem Wahltag brieflich zu übersenden. Vormarsch in Niederösterreich . wie», 11. November. fEigeaberlchk.) Di« am Sonntag abgehaltenen Gemeindewahle» in Nieder- Ssterreich zeigen die Sozialdcmokralie aus dem Vormarsch. Sie Hai »ach den bisher vorliegenden Ergebnissen in den rund 1700 Gemeinden 200 Mandate gewönne« und etwa 25 verlor«». 5» Zahlreichen Landgemeinden erobert« die Sozialdemotrakie dl« (Fortsetzung auf der 2. Seite.)
Auf de« Tessauer Bahnhof ereignete sich Sonntag knrz vor acht Uhr ein schweres Eisenbahnunglück. Der elektrische Personenzug Magdeburg— Leipzig , der infolge eines Umbaues ans der Strecke de« Güterbahnhof durchfahre« mußte, entgleiste. Zwei Reifende und der Heizer wurde« getötet, fünf weitere Personen schwer verletzt. Der Lokomotivführer hat Selbstmord verübt. Die Pressestelle der Reichsbahndirektion Halle teilt dazu mit: Am 10. November mn 7.SS Uhr sollt« der Personen- zug 402 Magdeburg— Leipzig wegen Umbauarbeiten am Gleis Dessau — Raguhn ein anderes Gleis befahren. In diesen entgleiste der Zug mit der Lokomokwe und den vorderen neun wagen, die stark beschädigt wurden. Di« Verletzten befinden sich im Kreis« trankenhaus Dessau . Die Ursache der Entgleisung wird noch ermittelt. Die Weichen standen für die Ablenkung richtig. Der Lokomotivführer Sicgmann aus Magdeburg -Rochense« wurde eine Stunde nach dem Unfall im v remshaus eines Leerzuges erhängt aufgefunden. Die ärztliche Hilfe und die Feuerwehr waren nach sieben Minuten zur Stelle. Eine halbe Stunde noch dem Unfall waren sämtliche Verletzten ab-befördert. Getötet wurden: Landwirt KarlHandrich aus Ragösen . Reisender August Zander aus Detershagen, Lokomotiv Heizer Lrlamünde, Magdeburg , eine Frau Ha ndrich, die chren schweren Verletzungen erlag und der durch Selbstmord geendete Lokomotivführer. Schwer verletzt sind: Emma Dietrich aus Zerbst . Schlei » dank 30: Fräulein Maria Bolgt aus Zerbst , Ma<cheburg«r Straße 36; Fleischer Artur Wagner, Bitterfeld , Grünstraße 3: Fräulein Gertrud Kirz. Zerbst ; wozu noch einige Leicht- oerletzt« kommen. �
Das Korruptionsgeschrei.
Das war ern falscher Hase. Er flog dem Manne, der ihn schwang «n seine eigne Nase.
Dessau , 11. November. Der Lokomotivführer des Unglückszuges hatte für die Um- lenkung des Zuges schriftlichen Lorsichtsbefehl. Außer- dem stand das vorschriftsmäßige und klar sichtbare Signal für die Kreuzungsweiche. Der Lokomotivführer fuhr trotzdem mit großer Geschwindigkeit durch die doppelte Kreuzungso>eiche. Bor dem Stellwert entgleiste die elektrische Lokomotive und stieß dabei mit einem auf dem Nebengleis stehenden Güterwagen zusammen. Der Packwagen des Zuges wurde zur Seite gerissen und nahezu völlig zertrümmert. Der Zugführer, der in diesem Wagen sah, wurde wie durch«in Wunder gerettet. Eine Reihe anderer Wagen ist schwer beschädigt worden. Die Dessauer Feuer- wehr mit Sanstätsautos und ein Arzt waren wenig« Minuten nach dem Unglück an der Unfallstelle. Der Hilfszug aus Hall« brauchte, abgesehen von dem Geräiewagen, nicht mehr in Tätigkeit zu treten. Don einem Mitreisenden des Unglückszuges Magdeburg—, Leipzig wird folgende Darstellung des Unglücks gegeben. Wir fuhretz 6.14 Uhr von Magdeburg ab. Der Zug war nur schwach besetzt. Kurz vor 8 Uhr, ungefähr 1 Kilometer von Dessau entfernt, bemerkte ich, daß der Zug ungewöhnlich hart bremste. Ich sprang auf, erhielt aber«inen so starken Stoß, daß ich an die rückwärtige Wand des Abteils geschleudert wurde. Zugleich hörte ich Krachen und Splittern und im nächsten Augenblick laute Hilferufe. Als ich aus dem Wagen sprang, sah ich, daß dieser mit der Lokomotive und den ersten Wagen entgleist war. Der erste Wagen nach der Lokomotive war umgestürzt. Bei dem Unglück hat der Zug einen auf dem ?leb«ngleis stehenden Güterzug gestreift, wodurch das Unglück»och vergrößert wurde. Aus dem Führesitand der elektrischen Lokomotive hing der Heizer tot heraus. Einem jungen Mädchen waren beide Beine abgequetscht, es war aber bei vollem Bewußtsein. Ein anderes junges Mädchen, dem der Fuß über dem Knöchel abgeschnitten war, hielt krampfhaft ihre Handtasche fest. Zwischen den Trümmern eines Wagens befand sich ein Mann, der unausgesetzt um Hilfe schrie. Cr kante erst nach langen, mühevollen Arbeiten befreit werden. Auch ihm war ein Fuß abgequetscht worden. Da keine Tragbahren zur Stelle waren, wurden die Verletzten erst auf Bretter gelegt. Ziemlich schnell kamen einig« Reichswehrsoldaten zu Hilfe, die sich mit dem Eisenbahnpersonal an den Rettungsorbeiten beteiligten. Der Arzt erschien etwa nach 20 Minuten.
Lokomotive fährt in Arbeiterkolonne. Schweres Unglück in Altona.— Vier Tote! Alton«, 11. November. Die Pressestelle der Reichsbahndirektion Altona teilt mit: Bei der Eisenbahnüberführung in der Nähe der Parfümeriefabrik Bictri in Altona , am Kreuzweg, hat sich Sonntag früh gegen drei Uhr ein schweres Un- glück ereignet. Eine Rotte von Streckenarbeitern war damit beschäftigt, einen sogenannten ArbeitSzug, der während der Nachtbetriebspause auf einem Stadtbahn- gleis ausgestellt war, mit Schienen und cberbaustoffen zu belade». Hierbei Ware« die Arbeiter genötigt, das Ferngleis Hamburg- Altona zu betreten, das durch eine« Anffichtsposten gesichert war. Dieser Sicher- heitsposten hat eine uns dem Ferngleis von Hamburg kommende Lokomotive anscheinend nicht rechtzeitig bc< merkt, ans welchem Grunde, steht noch nicht fest. Tie Lokomotive fuhr in die A rbeite r k o 1 o nn e hinein. Hierbei wurde« zwei Personen getötet. acht Personen teils schwer, teils leicht verletzt. Tie Ber- letzte» wurde« nach Anlegung von Notverbänden von der Feuerwehr mittels Krankenautos in das Städtische Krankenhaus in Altona übergeführt. Zwei Schwerver- letzte starben bald nach der Einliesernng im Krankenhaus. Die Namen der Toten sind: Die Arbester Kracht, Schmidtke, Gudow und B u ch m a n n. Schwer verletzt siegen noch im Krankenhaus der Reichsstahnrottenführer G i e s e l e r, der Bahnunterhaltungsarbester Henning sowie der Arbeiter Langemeier, Drei Leichtverletzte tonnten wißder entlassen «erde»,