Itr. 5* 4T. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Ssrmabend, 4. Lanuor 4930
Baublodk unter Zwan�sverwaltung.
In neuerer �cii weist das große Gelände gu beiden Seiten des Süd- mestkorsos zwischen Rüdesher- «er Platz und BraitenbaÄ» platz eine erhöhte Kautat'gkeit auf. Den Anfang machte die sogenannte �A.ünstlertolcnie� am Südwestkorse, dar dann«n riesiger Saufetod! nach dem anderen folgte, so daß inner- halb kurzer Zeit hier eine neue Stadt entstanden ist. Noch ein riesiges Gelände zwischen der Unter- grundbahnstrecke und Schmargendorf harrt der Bebauung. In die Westen ausgedehnten Lanbenlolonien ist jetzt die erste Bresche geschlagen. Ein gewaltiger Block mit etwa SOv bis 600 Wohnungen steht im Rohbau fertig inmitten der Laubengär- ten. Straßen fehlen noch. Ein prooisorischer Dohlenmeg machte das.heronschaffe» der Baumate- rialien möglich. Die Schmalseite des Baues, die unser Bild zeigt. wird später an dar Verlängerung der Wiesbadener Strotze liegen. l'-i., 2�--. 3sj» und- Aimmcrivohnungen mit Balkon ohne Wohnungsschein werden angeboten.(Die Mietpreise stehen nicht daneben.) Zentralheizung, Warmwasser, zentrallnaschinclle Waschküche, Fahrstühle, herrlich und verlockend alles. Aber! Eine Menge Anschläge warnen vor Betreten dos Grundstücks:»Dieses Grundstück steht unter gerichtlicher Zwangsver- w a l t u n g und ist das Betreten desselben bei Strafe und Pfändung oerboten!" Leider kann man Wind und Wetter durch keine Der-
Niemand darf hinein. 500-600 Wobnungen harren der Fertigstellung. böte hindern, hoffentlich dauert also die„Zwangsverwoltung" nicht allzu lange. hunderte von Wohnungfuchenden, die das langersehnt« heim endlich in diesem Häuserblock zu finden Hoisten , sind jetzt bitter ent- tauscht. Bei der katastrophalen Wohnungsnot in Berlin ist ein der- ort unsinniger Zustand allerdings kaum zu übertreffen, daß die Arbeiten an einem fast fertigen riesigen Wohnungsblock durch irgend- welche mißlichen Umstände nicht zu End« geführt werden können und Wind und Wetter mit ihrer Zerstörungsarbeit an dem Gebäude einsetzen. Sollte hier nicht von den DeHörden ein Ausweg geschaffen werden können?
Zehn Kinder ertrunken. Opfer de« SchlitffchuhlaufenS auf zu dünner Gsdecke. Kopenhagen , A. Iannar. Ans Malmo wird berichtet, daß in den» FlLstche» Flion in Siid schweben gestern zehn Knabe» im Alter von S bis 8 Jahren ertranken. Sie hatten sich, um Schlittschuh zu laufe», anf die dünne Eisdecke gewagt; brachen durch und ertranken.
Selbstmord eines Theatermannes. Leo Walter Stein hat sich erschossen. ' Der 7Z Zahre alle Verfasser zahlreicher Lust spiele, Li- beeflifi und Direktor des TriauontheatersLco Wal- t e r Stein Hut sich gestern nachmittag in seiner Wohnung in der Uhlandfiraßc wegen finanzieller Schwierigkeiten erschossen. Leo Walter Stein wurde am lO. August 1836 in Glcirnitz geboren und hatte sich als Textdichter fowie als Theaterdirettor in der gesamten Bühnenwelt einen Namen geschaffen. Er gehört« dem deutschen Bühnenvercin an und war zuletzt auch Direktor des Trionontheaters, heute mittag fand in seiner Wohnung, U bland- straße 194a. eine Besprechung zwischen ihm uird seinen Gläubigern statt, bei der auch fein Rechtsberater onwescird war. Obwohl man allgemein die Ausfasiung hatte, daß seine Finanzlage durchaus nicht verzweifelt fei, war Stein doch außerordentlich nieder- geschlagen. Er verließ den Beratungsroum und begab sich noch feinem Schlafzimmer, wo er seinem Leben durch einen Revolver- s ch u ß ein Ende machte.
Auf grauenhafte Weise schied gestern nachmittag der Z4jährige Reisende Rudi Kreuztger in einem Hospiz in der Borsigstraße aus dem Leben. Der Lebensmüde befestigte sich mehrere Leder- läppen vor dem Mund, die mit einem Riemen fest um den Kopf verknotet waren, und fand so einen schrecklichen Erstickungstod. In diesem Zustande wurde er von hotelongestellten, auf dem Fußboden liegend, hilflos aufgefunden. Alle Wiederbelebungsversuch« blieben ohne Erfolg. Das Motiv zur Tat ist noch unbekannt In der Wohnung ihres Arbeitgebers!n der Binger Siroße 30» machte die ISfährig« Hausangestellte Luis« R ad l a f f ihrem Leben durch Erschießen ein Ende. Auch in diesem Falle ist der Grund zu dem Berzweislungsschritt noch unbekannt.
Organisierter privatkrieg. Hakenkreuzler gegen Kommunisten. Der Polizeipräsident teilt mit: Die Ermittlungen in der Angelegenheit der Schießerei in der Nähe des Görlitz «! Bahn. Hofs haben nunmehr zur Aufklärung des T a t be st a n de s geführt. Danach ist ain 29. Dezember 1929 in dem Lokal„Wintergarten'' von Angehörigen der Sturmabteilungen 5, 23 und 27 der NSDAP . beschlossen worden, mit Rücksicht aus die wiederholten Ueberfälle durch Angehörige der Kommumstischen Partei diesen„eins aus- zu wischen". Eine Gruppe von 6 bis 10 Mann, die größtenteils m-:t Schußwofien versehen war, hatte sich in der KPD.- Gast- Wirtschaft von helmuth in der Görlitzer Straße aufgeholten, einen Kundschafter in dies Lokal gesandt und später vier aus dem Lokal heraustretende Angehörige der APD. beschossen. Einer dieser Der- letzten, der Arbeiter Waller Neumann, ist om 1. Januar l9Z0 im Kronkerchause seinen Verletzungen erlegen. Von den Festgenommenen haben Wolter Wied! und Otto Born gestanden, Schüsse aus die Kommunisten abgegeben zu
haben. Weiter sind Willi Verth, Karl Senkbeil und Hans Dlwig von Zeugen einwondirci als O hützen wiedererkannt worden. Die Genannten sind mit den an diesem planmäßige» Ueberfall weiter beteiligten Friedrick) Kopohnke, Wolter. Wer- «> ck c dem Vernehwungsrichlsr beim Polizeipräsidium zugeführt worden. Die Ermittlungen dauern noch an. Kindersterben im Ruffenlager. Die Masernepidemie in Hammersteiu greist nicht weiter um sich.— 57 Kinder sollen gestorben sein. Hammer st«in. Z. Zonvar. Zur Zllascrncpldemi« in dem von Russen besehtc» Flüchtlings. lagcr In hammerstell!(Westpr.) wird von zuständiger Stelle mitgeteilt, daß nur»och wenige Sinder an Masern er- kranklseien. Eine genaue Zahl der Toten wird nicht angegeben. MP» nennt jedoch 17. Die anderen Sterbefälle seien auf andere Ursachen zurückzuführen. Es muß jedoch berücksichtigt«erden. daß die Todesfälle infolge von Lungenentzündung letzten Endes auch durch Masern entstanden sind, da eine starke Lungenentzündung mit hohem Fieber als Folgeerscheinung der Masern auftritt. Zm übrigen widersprechen sich die Meldungen über die Erkrankungen In hammcrstein sehr. Eine Schneidemühler Zeitung wußte zu berichte«, daß von den in hammcrstein untergebrachten 600 Kindern im ganzen 500 erkrankt gewesen, und allein in der Zeit vom 15. bis Zl. Dezember Z 7 Kinder im Aller von ein bis vier Zahren an Lungenentzündung gestorben seien. Der Lungenentzündung sollen auch drei Erwachsene zum Opfer gesollen sein. Das Lager selbst befindet sich in strengstem Onarantänezusland. Zm Laufe der nächsten Tage wird ein Beauftragter des Reichskommistars i« Lager hammerstein erwartet. Auf Anraten des Berliner leitenden Arztes am Dirchow- Krankenhause, Professor Ulrich Friademann, wurden Schutzimpfungen an den Kindern vorgenommen, woraus im Zustand vieler Kinder eine Besserung eintrat. Zweifellos sind die Krank. heitskeime, die die schwere Epidemie verursacht haben, aus Ruß- land eingeschleppt worden. Die nicht von der Krankheit befallenen Kinder haben eine Schutzimpfung mit Erwachstiienblut erhalten, weil weder Erwachsene noch Kinder im Alter von mehr als vier Jahren von der Krankheit ergriffen worden such. Die Kroitlhoit, die zahlreiche Geschwüre hervorruft, ist außerordentlich schmerzhaft. Di« Beisetzung der gestorbenen Kiicher erfolgte aus einem besonderen Flüchtlingssriedhof«. Es spielten sich dabei ergreifende Szenen ab. Der Lagerdirektor von Hammer- stein. Major a. D. Fuchs, stellt gegenüber aicherslautenden Meldungen fest, daß die Flüchtlinge ohne Ausnahme immer wieder betonen. wie außerordentlich dankbar sie Deutschland sind, daß es sich ihrer angenommen hat. Sie erklären weiter, daß es ihr größter Wunsch sei, nach Kanada weiter auswaichern zu können, daß aber nieinals eine Rückwanderung nach Rußland in Frage komme. Dasselbe wird aus den anderen Flüchtlingslagern gemeldet. Der Zustand der in Prenzlau erkronktcu 40 Kinder ist zu- s riedenstellend. Kriminalpolizei und Fahrkarten. Der Polizeipräsident teilt mil: In einem Teil der Presie ist die Nachricht verbreitet worden, daß der Kriminalpolizei die Hälfte der Fahrkarten für die Berliner Verkehrsmittel emzogen worden sei. Diese Nachricht ist absolut unzutreffend. Richtig ist lediglich, daß infolge der Tariferhöhung bei den Berliner Ver- kehrsmitteln Schwierigkeiten entstanden waren, die er» forderlichen Mittel für die Karten sofort bereitzustellen. Der Polizeipräsident hat aber bereits Maßnahmen getraii«.,, die es ermöglichen, die Kriemnalpolizci in dem gleichen Urnjongc wie bis her mit Karten ouszustotten.
Afsutu# Axevvdv =57— j?
Noch vor dem zweiten Hochzeitstage hotte Istiranda ent- deckt, daß sie ihn betrog und sie in flagranti ertappt. Staturlich hatte er Wut geschnaubt, und sein erster Impuls war. sie samt ihrem Liebhaber aus dem Hause zu sagen. Aber das Wohl seines Geschäfts fußte auf ihrer Mitgift, auf den achtzig „contes" in mündelsicheren Staatspapieren, mit dem ihre FamUie das junge Paar auf den Weg zum Wohlstand lanciert hatte. Mirandas Kredit beruhte ausschließlich auf den achtzig- lausend Milreis seiner Gattin. Dann hotte er auch den Skandal und das Gerede gefürchtet, die zweifellos durch eine plötzliche Trennung veranlaßt worden wären. Als eitler Mann war er stolz'' aus die kleine soziale Stellung, die er sich erobert hatte, und besaß mcht den Mut, Demütigungen zu er- tragen und noch einmal, arm, aus der untersten«prasse der Leiter zu beginnen. Er erinnerte sich gut an seine bescheidenen Anfänge und hatte Angst, dahin zurückzukehren. Zwar emp- fand er alle Empörungen des beleidigten Ehemannes, aber er tonnte die vornehme Geste nicht aufgeben, die er ange- nommen hatte, seit er in den Augen seiner Mitbürger als reicher Portugiese galt, der Portugal niemals erwähnte. Durch solche Betrachtungen eingeschüchtert, hatte er sich mit einer Trennung der Schlosräume begnügt und sich ein Zimmer abseits von dem seiner Frau eingerichtet. Nie er- schienen sie gleichzeitig zu Tisch, und bei den seltenen Gelegen-- heilen, wenn sie einander nicht vermeiden konnten, wechselten sie mühsam ein paar Worte. Es kam so weit, daß sie«mander ehrlich haßten. Jede? empfand für den anderen tiefe Verachtung, die allmählich in absoluten Widerwillen ausartete. Die Geburt Zulmiras ver- schlimmerte de» Zustand nur. Statt das unglückliche Paar einander näher zu bringen, war das arme Kind nur ein Hindernis mehr, das sie trennte. Cstella siebte sie weniger, als es der nackte mütterliche Instinkt sonst verbürgt, während «r seinerseits den unschuldigen Säugling haßte, weil er über- zeugt war. nicht sein Bater zu sein. Aber es kam eine Nacht, in der Mirandas leidenschast- krchez Temperament die Dberhand gewann. Er dachte an
seine Frau, verwarf aber den Gedanken sofort voll Zweifel und Abscheu. Er haßte sie noch immer. Aber seltsamerweise diente die Tatsache, daß ihm die Ehre befahl, sie gleichgültig zu behandeln, nur dazu, die ungetreue Frau um so begebrens- werter erscheinen zu lassen. Endlich, ohne daß sein Äcrger über ihre Untreue sich vermindert hatte, schlüpfte er in ihr Zimmer. Sie schlief fest. Miranda schlich sich auf Zehenspitzen an ihr Bett. Er müßte umkehren, dachte er; es würde olles nur noch schlimmer werden. Aber sein Blut floß schneller, und er zögerte, stand unbeweglich und betrachtete sie... Estella, die von dem Blick ihres Gatten nichts wußte, be- wegto sich unruhig, öffnete einen Augenblick die Augen und heuchelte dann tiefen Schlaf. Es war geschehen, was sie er- wartet hatte. Als er sich unfähig erwies, sie bei der Eni- deckung ihres Treucbruchs hinauszuwerfen, war sie sich klar, daß er sie früher oder später wieder aufsuchen würde. Sie kannte sein Temperament gut, das stark im Begehren unh im Widerstand schwach war. Aber der ehrenwerte Kaufmann war überwältigt van Reue und Scham. Er konnte nichts sagen und kroch, von Selhstverachtung übermannt, in sein eigenes Zimmer zurück. Am folgenden Tage gipgen sie einander aus dem Wege und taten stillschweigend so. als sei in der vorhergehenden Rächt nichts Außergewöhnliches geschehen. Mit dem völligen Perlust seiner Selbstachtung empfand Miranda gleichzeitig wachsenden Abscheu vor seiner Frau. Und in der Nacht dar- auf, als er in seinem schmalen Einzelbett lag, schwor er feinem armseligen Ueberrest von Stolz mit taufend Eiden, daß er sich niemals wieder einen Persuch zur Versöhnung zuschulden kommen lassen wolle. Einen Monat später sedoch begab sich Miranda wieder m da? Zimmer seine? Frau. Und Estella, wohl durch des Gatten mürrische Cnthalsom- keit gereizt und durch das Unerwartete seiner Rückkehr er- regt, wurde von dem Derlongen nach ihm verzehrt und be- wullommnete ihn mit echter Zärtlichkeit. Von dieser Zeit an wechselte zwischen ihnen ein Lebe» intensivster Verliebtheit mit heftigster Abneigung und Haß. Zehn Jahre lang hatte dieser Zustand gedauert, und jeder hatte den andeten geduldet. Aber kürzlich hatte der Kauf- mann die beunruhigende Entdeckung gemacht, daß einige seiner Angestellten, die oben an seinem Tisch gemächlich mit- speisten, ein Auge auf seine Frau geworfen hatten. Um diese Zeit bestimmte er, daß Estella eine ruhige Um
gebung und das bleichsüchtiae Kind frische Lust brauchten. und kaufte das Haus neben Ioao Romoos Bar. Das Haus selbst gefiel ihm ganz gut, der einzige Nachteil war das zu kleine Grundstück. Aber dieser Fehler konnte glücklicherweise leicht behoben werden. Wenn er ein pao? Meter zwischen dem Haus und der Bar kaufte und auch noch den Flecken dahinter zwischen Mirandas Grenzlinie und dem Steinbruch, könnte das Haus von einem zwar kleinen, aber doch reizvollen Garten umgeben werden. Dieserholb suchte er Ioao Romao auf und zapste ihn wegen des Berkaufs an, begegnete aber nur hartnäckiger Weigerung. Miranda drang in ihn „Sie vergeuden nur Ihre Zeit und Ihre Worte," ver- sicherte ihm Bertolezos Freund.„Ich verkauf� keinen Zoll von meinem Boden, aber ich kaufe gern dos Fleckchen, das hinter Ihrem Hause liegt, wenn Sie es abgeben wollen." „Meinen Hinterhof?" „Jawohl." „Und ich soll ohne Garten bleiben, ohne Hos, ohne olles?" ..Um so besser für mich." „Also seien Sie jetzt mal vernünftig: reden Sie keinen Unsinn mehr und sagen Sie mir, was Sic für das Grundstück. das ich brauche, haben wollen." „Ich habe Ihnen bereits gesagt, was ich zu sagen habe." „Gelien Sie mir doch wenigstens das Stück zwischen wir und dem Steinbruch." .»Keinen Fuß." „Das ist pur Gemeinheu von Ihnen, das ist ja klar. Ich wükde nichts von Ihnen verlangen, wenn es sich nicht um mein kleines Töchterchen handelte. Die muß etwas Raum haben zum Herumspringen» und es wäre nichts weiter als an- ständig von Ihnen, mir dies Stück Land abzutreten." „Ich gebe nichts ab. weil ich es selber brauche." „Dos tun Sie nicht. Was zum Teufel können Sie denn damit anfangen? Ein wertloses Stück Land, eingekeilt zwischen dem Hügel und meinem Grundstück. Ueberhaupt haben Sie ja noch Boden genug." „Warten Sie nur, dann werden Sie schon sehen, was ich damit anfange." „Gott , haben Sie aber einen Dickschädel! Passen Sie doch mal auf; wenn Sie mir dos Stückchen da hinten ver- kaufen, bekommen Sie eine gerade Linie zum Hügel hin und ich genau so. Denken Sie mal darüber nach. Ich baue mein: Mauer nicht, ehe Sie sich entschlossen hoben." fFortsetzung folgt.)