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BERLIN  Sonnabend

8. Februar 1930

Der Abend

Erfdeinttaglio außer Sonntags. Sugleich Abenbausgabe des Vorwärts. Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW 68, Lindenstr.3

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Nr. 66

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Schutz der Sozialversicherung!

Einheitsfront der Gewerkschaften aller Richtungen.

Die Spikenorganisationen der deutschen   Ge­

wertschaften:

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund  , Algemeiner freier Angestelltenbund, Deutscher Gewerkschaftsbund,

Gemertschaftsring Deutscher   Arbeiter, Angestellten- und Beamtenverbände,

haben heute folgende Entschließung angenommen:

Wie aus der Presse bekannt geworden ist, besteht beim Reichsfinanzministerium die Absicht, das zu erwartende Defizit der Arbeitslojenversicherung für das Geschäftsjahr 1930/31 durch eine 3 wangsanleihe bei den Landesversicherungsanstalten und der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte zu deden.

Gegen diesen Plan müssen die Gewerkschaften schärfsten Protest erheben,

denn dieser sogenannte Gefahrenausgleich" innerhalb der Sozialversicherung" würde nichts anderes bedeuten, als eine Uebertragung der Laften, die in Zeiten besonderer Arbeits­lofigkeit nach dem Gesetz und nach den Grundfäßen einer gerechten Sozialpolitik die Allgemeinheit zu tragen hat, auf ganz anderen Zweden dienende Versicherungsträger. Eine Gefährdung der unmittelbarsten Aufgaben dieser Anstalten und eine weitere Aushöhlung des gerade von ihnen befruch­teten Baumarktes, damit eine weitere Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten, würde die unausbleibliche Folge sein. Eine bei weiterer Verschlechterung des Arbeitsmarktes ein­tretende Berzögerung des Rückzahlungstermins würde

die gesamte Sozialversicherung in ihren Grund. festen erschüttern

und für die Arbeitslosenversicherung insbesondere zu einer neuen bedrohlichen Krise führen. Nicht Sanierung der Ar­beitslosenversicherung und Beruhigung der Deffentlichkeit, fondern Gefährdung der gesamten Sozialversicherung und neue Hehe gegen die Arbeitslosenversicherung würde das not­wendige Ergebnis sein.

Die Gewerkschaffen erklären daher als ihre einmüfige Auffaffung, daß, foweit die Sanierung der Arbeitslosenver­ficherung nicht durch eine von ihnen für tragbar gehaltene Beitragserhöhung erfolgen tann, auf die Hilfe des Reiches zurüdgegriffen werden muß."

Präsidenten Attentat in Brasilien  . Mordanschlag mit Hilfe einer Landesregierung? Rio de Janeiro  , 8. Jebruar.( Eigenbericht.) Der Bizepräsident von Brasilien  , Bianna wurde in Montes Claros   während einer Wahlrede auf einem Banteff durch drei Schüsse in den Hals und Kopf schwer verwundet. Das Alfentat wurde von polififchen Gegnern des Bizepräsidenten verübt. Die brasilianische Regierung hat schärffte Abwehrmaßnahmen beschlossen, zumal der Berdacht besteht, daß das Attentat unter Hilfeleistung der Staatsreglerung von Minas Geraes ausgeführt worden ist.

Das Attentat führte zu blutigen Straßentämpfen zwischen Gegnern und Anhängern von Vianna. Fünf Personen wurden getötet, 16 zum Teil schwer verwundet. Das brafi­lianische Kabinett beschloß, angesichts der Vorgänge über den Bundesstaat Minas Gereas bis auf weiteres das Kriegsrecht zu verhängen. Die Situation ist zur Zeit äußerst gespannt.

Republiffeiern in Spanien  .

Bon neuer Regierung erlaubt.

Madrid  , 11. februar.

Am 11. Februar, bem Jahrestage der spanischen   Republif, bürfen zum ersten Male nach langen Jahren wieder Rundgebungen ber Republikaner stattfinden. Der Führer der Republikaner  , Leroux, hatte sich gestern zum Ministerpräsidenten Berenguer begeben, um Die Genehmigung, Jahresfeiern abhalten zu dürfen, zu erlangen. Der Ministerpräsident gab seine Erlaubnis unter der Bedingung, daß die Rundgebungen in voller Ruhe verlaufen. lati

Freispruch der Geldfälscher.

Ein unverständliches Urteil.

Im Ticherwongenfälscherprozek wurde Sonnabend vormittag das Urteil verkündet. Danach hat das Gericht für Recht erkannt: Die Angeklagten Dr. Becker, Bell und Schmidt des Betruges im Falle Burmbach nicht überführt. Der Vorfizende werden freigesprochen.

den Fälschungen gewußt zu haben, jedoch habe das Gericht seine Mitwisserschaft als erwiesen angesehen. Bei Böhle und Dr. Beder sei eine tatsächliche Feststellung der Schuld aus Mangel an Beweisen nicht möglich gewesen. Auch Sadathieraschwili sei ging sodann auf den wichtigsten Teil der Urteilsbegründung über, in der er die Stellungnahme des Gerichts zur Am­nestie präzisierte. Da jämtliche Straftaten, bezüglich deren eine Schuldfeststellung erfolgt sei, vor dem 1. Januar 1928 begangen und von sämtlichen Angeklagten die Anwendung des Gesezes über die Straffreiheit beantragt morden märe, habe sich das Gericht mit der Frage der Amnesiie besonders zu beschäftigen gehabt. Das Gericht laffe es dahingestellt, ob gegen einen Einstellungsbeschluß ein Be­

Das Verfahren wird eingestellt wegen folgender Straftaten: 1. Wegen des fortgesetten ge­meinschaftlichen halbvollendeten, halbversuchten Münz berbrechens und der fortgesetzten, teilweise gemein schaftlichen Urkundenfälschung, begangen durch den Angeklagten Karumidze. 2. Wegen des fortgesetten gemeinschaftlichen, teilweise vollendeten, teils versuchten Münzberbrechens und der gemeinschaftlichen Urschwerdemeg gegeben fei. tunden fälschung, begangen burch den Angeklagten Sabathteraschwilt. 3. Wegen der Beihilfe zum Münzverbrechen, begangen durch den Angeklagten Dr. Weber. 4. Wegen des Münzverbrechens, begangen durch den Angeklagten Bell. Im übrigen werden die Angeklagten Sadathieraschwili und Bell freigesprochen.

Die beschlagnahmten Gegenstände, Siegel, Stempel, Platten, sowie das angefangene und fertiggestellte Papiergeld und das Wasserzeichenpapier werden ein gezogen. Die Kosten des Verfahrens werden der Staatstafie auferlegt. Der Saftbefehl gegen den Angeklagten Sadathieraschwili wird aufgehoben.

Aus der Urteilsbegründung.

In der Begründung des Urteils erklärte Amtsgerichtsrat Wartenberger, daß nach dem Standpunkt des Gerichts die Tscher wongen als ausländisches Papiergeld im Sinne des§ 146 anzusehen feien, also Münzperbrechen vorliege. Dr. Wartenberger gab dann einen Ueberblick über die Feststellungen der Beweisaufnahme. Rarumidze sei geständig gewesen, die Falschstücke in München  gebrudt und den Drud in Frankfurt   fortgefeßt zu haben. Das gleiche fei bei Sadat   hieraschwili der Fall. Ebenso sei er­wiesen, daß sich die beiden Angeklagten der schweren Ur tundenfälschung schuldig gemacht hätten, da sie die Be ftellungen zur Erlangung des Wafferzeidenpapiers gefälscht hätten. Dr. Weber habe sich in München   der Beihilfe zum vollendeten Münzverbrechen schuldig gemacht. Bell habe zwar bestritten, pon

In Spanien  .

D

Das Amnestiegejek fei auch auf Ausländer anzuwenden, denn der§ 3 zitiere einen Abschnitt aus dem Etrafgesetzbuch, der nur von Ausländern handele. Bei allen Angeklagten sind es nach Ansicht des Gerichts politische Motive, aus denen die Straf

taten begangen worden sind. Die deutschen   Angeklagten hätten sich mit den Georgiern zusammengetan, um sich gemeinsam bei ihren politischen Zielen zu unterstützen. Die Ziele der deutschen   Ange­flagten waren nach ihrer Ansicht, Deutschland   außen- und innen­politisch zu helfen und sie wollten sich hierbei der Unterstützung der Georgier bedienen, um ihrerseits diesen wieder bei ihren Zielen zu helfen. Bei den georgischen Angeklagten, von denen Karumidze schon im Kriege sein Leben für Deutschland   eingesetzt habe, handelte es sich um Stärkung derjenigen Kreise, von denen sie hofften, dah fie Deutschland   zu neuer Blüte bringen würden. Darum habe es fich bei den ausländischen Angeflagten um politische Beweg­cründe gehandelt, die in Zusammenhang mit deutschpolitischen Biclen standen. Ausdrücklich stellte dann Amtsgerichtsrat Warten­berger noch fest, daß bei keinem der Angeklagten eigennützige Mo­tive bestanden hätten.

flagten mit großer Bewegung aufgenommen und nach Schluß der Das Urteil wurde von den deutschen   und georgischen Ange= Berhandlung tauschten die im Saal anwesenden Georgier mit den Angeflagten Karumidze und Sadathieraschwili Glückwünsche und Brüdertüsse aus.

Entlarvter Faschistenlockspitzel.

Menapace als Urheber des Komplotts".

Paris  , 8. Februar.( Eigenbericht.) Das Antifaschistenkomplott, als dessen Hauptführer der ehemalige sozialistische Abg. Sardelli, der Chef­redakteur des ,, Mondo" und ,, Risorgimento  ", Cianca, und der Chefredakteur des ,, Corriere della Sera  ". Tar­ciani, in Paris   verhaftet worden sind, hat sich nunmehr endgültig als ein klägliches Machwerk des faschistischen Sodspikels Menapace herausgestellt.

Bei der Bernehmung der drei Angeklagten am Freitag hat selbst 700 der Untersuchungsrichter zugeben müssen, daß die bei Cianca aufge fundene Sprengstofftifte, der einzige Schuldbeweis, von Menapace zunächst an den in Brüssel   verhafteten Profeffor Bernieri geliefert und dann in die Wohnung Ciancas geschafft wurde. Menapace, dessen unheilvolle Rolle der belgische Justizminister in öffentlicher Kammerfizung angeprangert hat, ist also wiederum als der Urheber der französischen   Komplottaffäre bloßgestellt.

Alfons: Nachdem ich meinen Diftator entloffen habe, beabsichtige ich, für die nächste Zeit unbedingt volts freundlich zu sein freibleibend selbstverständlich!"

Professor Bernieri erflärt in einem Schreiben an den Pariser  Untersuchungsrichter, daß ihm Menapace furz vor seiner Berhaftung eine Riste mit Sprengstoff gebracht hatte, aber schon am Tage barauf sei er in großer Aufregung zurüdgefommen und habe ihn gebeten, die Rifte an Cianca weiterzugeben, da sie beide verratent feien und von der Polizei verfolgt würden. Cianca habe sich ihm gegenüber bereit erklärt, die gefährliche Kifte für einige Tage zu übernehmen. Raum sei aber der Umzug vollbracht gewesen, als Cianca, Sardelli und Tarciani wiederum auf die Denunziation Menapaces hin verhaftet murden. Cianca bestätigte vor dem Untersuchungsrichter die schriftliche Erklärung Bernieris und betonte, daß seine Mitverhafteten Tarciani und Sardelli von den Spreng­ftoffgeschäften überhaupt nichts gemußt hätten. Bon einem Romant Jei selbstverständlich nie die Rede gewesen.