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BERLIN  Donnerstag 27. Februar

1930

Der Abend

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Nr. 98

B.49 47. Jahrgang

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Young- Debatte

Young Debatte beendet.

Ausschuß- Abstimmung erst morgen.- Entscheidende Kabinettsitzung.

Der Haushaltsausschus und der Auswär tige Ausschuß des Reichstages beendeten heute in gemeinsamer vertraulicher Eitung die Debatte über die Gesetze zur Ausführung des Young- Planes. Es wurde das deutsch  - belgische Markabkommen, das deutsch  - amerikanische Schulbenabtommen und die Räumungsamnestie besprochen sowie die Debatte über die Saarverhandlungen zum Abschluß ge­hracht. In der letteren ergriff auch der heute wieder erschienene Minister Dr. Curtius das Wort.

Die Abstimmungen wurden auf Wunsch des Zen trums, das heute noch eine entscheidende Fraktionssikung abhält, bertagt. Sie sollen morgen 11 Uhr vormittags horgenommen werden.

Das Reichsfabinett it heute vormittag zu seiner entscheidenden Sisung zusammengetreten. Es ist noch ungewiß, ob die Entscheidung heute schon fallen wird.

Moldenhauers Wandlung.

Tardieu holt sich Absagen.

Die Radikalen lehnen jede Mitarbeit schroff ab.- Der Ruf nach Auflösung.

Paris  , 27. Februar.( Eigenbericht.)

Tardieu, der politische Abgott der Reaktion, der heute selbst Don der royalistischen Action Française" mit einem mahren Glorien schein umgeben wird, hat sich gestern mit seinem üblichen Optimis mus an die Arbeit der Kabinettsbildung herangemacht. Als er sich um 10 Uhr abends wieder ins Bripotleben zurüdzeg, hatte er nichts als eine

ganze Reihe von Abjagen

eingesteckt. Schon sein Start stand unter einem schlechten Stern. Tardieu hat, mie gemeldet, zunächst den ehemaligen Minister. präsidenten Boincaré als den fünftigen Chef der als neue Mode lancierten ,, republikanischen Konzentration" vorgeschlagen. Aber er Der Dedungsplan Maidenhauers wird auch in der Zentrums. war noch weiter gegangen und hat sich in gespielter Bescheidenheit preffe ffeptisch aufgenommen. Die Kölnische Bolkszeitung" zweifelt, bereit erflärt, fich im neuen Kabinett Boincaré mit dem Posten ob fein Programm durchzuseßen fei, fie läßt erlennen, daß der Ge dante eines Rotopfers auch im Zentrum grundfäßliche Befür ichaft zu begnügen. Das mar zu start, als daß man es hätte fines Unterftggtsietretärs() bei der Ministerpräsident­worter habe, daß aber die Meinungen über Höhe und Berfonenfreischaft zu begnügen. Das war zu start, als daß man es hätte porter habe, daß aber die Meinungen über Höhe und Personenkreis glauben tönnen. Selbst die große Informationspreise, die doch sonst

auseinandergehen.

Herr Moldenhauer hat sich noch nor furzer Zeit sehr entschieden gegen die Pläne gemandt, die er jetzt selbst gegenüber der Ar. beitslosenversicherung verfolgt. Als der neue Finanz minister vor der Presse seine Pläne entwickelte, führte er aus:

Reform der Arbeitslosenversicherung bedeute auf deutsch  Herablegung der. Leistungen in irgendeiner Form Bielleicht ließe sich durch schärffte Rationalisierung der Berwaltung noch einiges sparen, aber er glaube nicht, daß Ersparnisse über 50 Millionen Mart möglich sein würden.

Würden Ersparnisse bei der Arbeitslosenversicherung über diefen Betrag hinausgehen, so würden die Summen im Fürforge. elaf der Gemeinden wieder erscheinen. Die Wirtschaft müßte dann erhöhte Realsteuern in den Gemeinden zahlen statt erhöhter Reichssteuern. Im übrigen begegne der Blan, bei der Arbeitslosenversicherung zu sparen, bei zwei Millionen Arbeits­lofen den schmersten politischen Bedenken. Es sei gefährlich, an Leistungsfürzungen zu denken ganz abge­fehen davon, daß ein solcher Versuch teine Mehrheit finden mürde. Das ganze Problem der Arbeitslosen sei nur in be­bingtem Umfang durch die Versicherung zu lösen: das Schwer­gewicht sei auf die Finanz- und Wirtschaftspolitik zu legen."

Inzwischen hat Herr Moldenhauer den Drud seiner eigenen Fraktion erfahren, am Sonntag und Montag mar er in seiner Heimat bei der Schwerindustrie- und die vernünftigen Worte, die cr noch vor kurzem gesprochen hat, sind hinter seinem neuesten Programm verschwunden.

Volkspartei macht Schwierigkeiten.

Auch im Wohnungsausschuß.

Der Wohnungsausschuß des Reichstages hat in seiner heutigen Sigung gegen die Stimmen der Sozialdemo fraten und der Kommunist en beschlossen, das Mieter. schußgesez und das Reichsmietengefeß nicht, wie in der Bor­lage vorgeschlagen war, bis zum 30. Juni 1932, sondern nur bis zum 30. Juni 1931 zu verlängern.

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Bei den Berhandlungen tam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Demotraten und der Deutschen   Volksparter Der letzteren wurde der Bormurf gemacht, daß sie einen Monat nach Einbringung der Regierungsvorlage einen eigenen Ent­murf für Schaffung eines Uebergangsgefeßes für den Mieterschutz eingebracht und damit der Regierung Schwierigtetten bereitet habe.

Die biefige Sowjetbotschaft bestreitet im Namen der russischen andelsvertretung, daß legfere mit einer Spionageaffäre in Ru mänien gemeint ist die Affäre Zibarcu im Zusammenhang ftehe. Indeffen foll ja nach den vorliegenden eingehenden Be richten qus Butareft der Polizeichef Tibarcu gestanden haben, Daß er feine Dofumente und Informationen an die Berliner  Handelsvertretung der Sowjetunion   verkauft habe.

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eine ausgesprochene Borliebe für solche romantisch- politische Märchen hat, ist heute auf diese Legende nicht hereingefallen.

Die

Die augenblickliche politische Situation für Lardieu stellt sich so dar, daß Tardieu zu seiner alten Mehrheit nicht zurückkehren tann, weil sich sowohl die Gruppe der Radikalen wie auch der Franklin Bouillon- Radifalen tlar dagegen ausgesprochen haben. Konzentration also scheint ihm nicht gelingen zu wollen, weil die zu lonzentrierenden Radikalen Tardieu abgelehnt haben. Die Serie per Abfagen begann mit Cha utemps, der feinem Borgänger und Nachfolger Tardieu ein flares Rein auf die Aufforderung zur Mitarbeit antwortete. Albert Sarraut   erklärte nicht minder affen, das seine Fraktion sich entehren würde, wenn sie Tardieu ihre Mitarbeit gebe. Die Radikalen müßten es auch ablehnen, in ein Kabinett unter anderer Führung einzutreten, in dem Tardieu mehr als ein rein techni fches Amt bekleide. Herriot   endlich, der als legter Besuch gestern abend bei Tardieu vorsprach, mar nicht weniger fategorisch, und damit sich Tardieu nicht etwa über seine Ansichten täusche, veröffent­

Goebbels Poffregal

licht Herriot in der Ere Nouvelle" einen ausführlichen Artikel, morin er offen erklärt, Tardieu sei zu brutal als Führer einer reaktionären Kampfmehrheit aufgetreten, als daß er heute die Rolle des perföhnenden Koalitionsführers spielen fönne. Er habe ber radikalen Partei den Rampf angesagt; er solle ihn haben.

Das Echo de Paris" fühlt sich berufen, seinerseits in natio nalistischer Starrföpfigfeit zu erffären, eine Konzentration sei un­möglich, es gebe nur eins, daß die Radikalen bedingungslos unter das Joch ber patriotischen Mehrheit gingen. Léon Blum   erffärt daher im Bopulaire", daß Tardieu vernünftigerweise seinen Auf­trag zur Kabinettsbildung an den Präsidenten der Republik zu rüd­geben sollte. Er müffe fich tlar darüber sein, daß er die Mit­

atbeit der Radikalen nicht erhalten könnte, ja, daß er fogar die

Briands verlieren müsse.

Es ist also verständlich, wenn sich heute nicht nur in der ges

famten Linkspreffe, sondern auch immer mehr und mehr in der In­formationspresse der Ruf erhebt, daß der augenblicklichen Wirrnis

in der französischen   Politik durch die

Auflösung der Kammer

b

sehr sie den politischen Traditionen der französischen   Republik   wider­ein Ende gemacht merde. So radikal diese Maßnahme auch sei, so spreche, fo müsse man doch endlich zu diesem Mittel greifen.

Kommunistische Stadträte bestätigt.

Gie verpflichten sich zur pflichtgemäßen Amtsführung".

Aus dem Rathaus kommt die Meldung, daß die kommu­nisten Raddah und Leh nunmehr als Stadträte vom

Oberpräsidenten bestätigt worden sind. Ob die gleichfalls tom­munistische Stadtratsfandidatin Frau Ulrich vom Oberpräsidenten bestätigt wird, ist noch ungewiß.

In der heutigen Stadtverordnetenversammlung werden die bestätigten Kommunisten mit den übrigen unbesoldeten Magistratsmitgliedern eingeführt werden.

Nach dem Erlaß des preußischen Innenministers dürfen An­hänger der Kommunistischen und der Nationalsozialistischen   Partei als Kommunalbeamte nur bestätigt werden, wenn der zu Be­stätigende sich einer pflichtgemäßen Amtsführung im Rahmen der bestehenden Staatsordnung und unab.

Die Nazis wollen eine eigene Briefmarte schaffen hängig von Barteiinstruktionen durch eine positive Er­

HITLERREICH

Pfennig

Eine feine Marfe!

S

Goebbels

flärung verpflichtet". Diese Verpflichtung haben die Kom­munisten, um ihren Stadtratsposten zu sichern, anerkannt und den diesbezüglichen Revers unterzeichnet. Sie werden also fünftig sehr leicht in die Lage fommen, als verantwortliche Sach­bearbeiter gegen die demagogischen Instruktionen ihrer Partei handeln zu müssen. Es ist anzunehmen, daß sich daraus neue, recht ergögliche Auseinandersehungen innerhalb der Berliner  Kommunistischen Partei ergeben werden.

Gotteslästerungsprozeß Großz.

Aufhebung des Freispruches beantragt. Leipzig  , 27. Februar.

Im Revisionsprozeß gegen den Zeichner George Grosz  wegen Gotteslästerung hat Reichsanmalt Schneidewien namens des Oberreichsanwalts beantragt, das Urteil der zweiten Straffammer beim Landgericht III in Beriln vom 10. April 1929 aufzuheben und die Angelegenheit in neuer Verhandlung an ein anderes Gericht zu verweisen.

Der Gedankengang des Angeklagten stehe wohl auf ethischer Höhe, so führte der Reichsanwalt aus, wenn er gegen den Krieg fämpfen wolle. Es sei auch zugegeben, daß er nicht habe beschimpfen wollen, aber hier fomme es barauf an, fest­zustellen, ob nicht ein an fich würdiger Gedanke in emer beschimpfenden Form zum Ausdrud gebracht worden sei. Weiter sei zu prüfen, ob nicht auf Gotteslästerung überhaupt erkannt werden müsse, denn es sei eine irrige Auffassung, wenn der Vorderrichter