Beilage
Donnerstag, 27. Februar 1930
Mißstände im Hochschulwesen
Borschläge zu einer kleinen Reform
Bei der heutigen Zusammensetzung der Studentenschaft ist die Republik dennoch in der Lage, in größerem Umfange als bisher ihren Ansprüchen an die Studentenschaft Geltung zu verschaffen. Der Staat sollte ſehr viel häufiger und deutlicher, als das bisher geschehen ift, sagen, daß jeder Student ein Stipendiat des Bolles ist. Belaufen sich doch die Zuschüsse, die aus der Staatsfasse fließen, durchschnittlich auf über 100 Marf monatlich für jeden Studierenden. Daß der Staat alljährlich viele Millionen Mart Stipendien an Persönlichkeiten austeilt, die die Grundfesten eben dieses Stagtes zu erschüttern bestrebt sind, ist zwar paradog, gibt aber dennoch keinen Grund dafür ab, diese Tatsache zu verschweigen, sondern gewisse Möglichkeiten zu schaffen, um denjenigen, die in besonders gehässiger Weise die Staatsautorität schädigen, diese Stipendien zeitweise oder gänzlich 3u entziehen. Andererseits sollte der Staat viel deutlicher und wirksamer als bisher diejenigen Studierenden unterstüßen und fördern, die sich der Re= publit tief innerlich verbunden fühlen und dieser ihrer Gesinnung an den Hochschulen Ausdruck verleihen.
Man könnte sehr wohl daran denken, u. a. etwa folgendermaßen zu verfahren. Nach der Auflösung der Studentenvertretungen, die erfolgen mußte, weil die Mehrzahl der Delegierten in diesem Selbst verwaltungsförper der Studentenschaft eine staatsfeindliche Ge finnung betätigte, wurde auch die republiffreundliche Minderheit der Studierenden automatisch von der Teilnahme an der studentischen Selbstverwaltung ausgeschaltet. Barum follte der Staat, wenigstens während einer längeren Uebergangszeif, sich nicht dazu veranlaßt fühlen unter Ausschaltung eben derjenigen Elemente, die sich an der unter der Aegide des Staates geschaffenen Studentenvertretungen ja selbst gar nicht beteiligen wollen, die staatsfreundlichen Studierenden, wenn auch als Minderheit, mit der Wahrnehmung der Rechie der studentischen Selbstverwaltung zu beauftragen und über die für diese Zwecke zuständigen Geldmittel verfügen zu lassen?
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Der
Es war auch ein schwerer Fehler daß der Staat bisher von den Möglichkeiten der Einflußnahme auf die hochschullehrerschaft in nicht genügendem Maße Gebrauch gemacht hat. Es ist umso notwendiger, auf die Hochschullehrer einzumirfen, els diese einen großen Teil der Schuld für die Zustände an den Hochschulen tragen. Der Staat hat sich nach der Repolution höchst. bedauerlicherweise mancher früher sehr starken Möglichkeiten der Ein mirkung auf die Universitätsverwaltung selbst begeben. Universitätsrichter non ehemals war an vielen Hochschulen ein sehr einflußreicher Mann. Vor allem hatte er als Mitglied des atademischen Senats eine gefestigte Stellung und die Möglichkeit des Einblicks in alles das, was jeweils geschah oder angebahnt murde. Gemiffen Hochschullehrertreisen ist es nach der Revolution unter Hinweis auf die akademische Freiheit"( was fann unter Hin meis darauf nicht alles verlangt oder bewiesen werden!) gelungen, diesen Typ des akademischen Staatskommissars auszumerzen. Man hat dann Universitäts , räte" geschaffen und eine größere Anzahl von Universitätsfuratoren bestellt. In diese Stellungen sind dann aber fast durchweg aftere Beamte gelommen, die sich im allgemeinen bestenfalls neutral verhalten und meist feine Neigung, geschweige denn einen starken Impuls verspüren, das Leben an den Hochschulen im republikanischen Sinne führend zu attivieren. Man sollte die Stellungen der Kuratoren oder aber der Rettoren weiter ausbauen und in diese Stellungen mit be= sonderem Nachdruck solche Persönlichkeiten berufen, die als Träger des republikanischen Ge= danfens gelten fönnen und die Gewähr dafür bieten, als gute Kenner des Hochschullebens eine Wirksamkeit zu entfalten, die den Intereffen des Staates und der Wissenschaft in gleicher Weise dient. Die meisten Hochschullehrer sind auch Mitglieder staatlicher Prüfungstommiffionen; sie werden hierzu nom Etaate besonders ernannt. Der Staat sollte endlich aufhören, Hochschulprofessoren zu Brüfungskommissaren zu ernennen bzm. in ihren Nebenämtern als Prüfungstommiffate zu belaffen, die eine staats. feindliche Gesinnung betätigen. Schon einige wenige Maßnahmen dieser Art würden durchschlagen.
Ein anderes wichtiges Kapitel bilden die Berufungen der Professoren. Der Krebsschaden liegt darin, daß die Fakultäten der weitaus meisten Universitäten sich bei ihren Vorschlägen für die Berufungen von dem Grundsatz leiten lassen, es fomme für den betreffenden zu besezenden ordentlichen Lehrstuhl nur eine Per jönlichkeit in Frage, die bereits an einer anderen, menn auch fleineren Universität Ordinarius sei. Nicht nur an den großen Universitäten, sondern auch an den Hochschulen mittlerer Größe huldigt man dieser Anschauung. Da von den mittleren Hoch schulen gerade die schwächer besuchten nur nicht den Anschein er meden möchten, sie gehörten gewissermaßen schon zu den ,, kleineren" Hochschulen, so ist gerade auch hier in besonderem Maße das er wähnte Bestreben bemerkbar. Daher fommt es, daß meist nur folche Professoren die Möglichkeit erhalten, an einer größeren Universität ein Ordinariat zu befleiden, die zuvor ebenfalls als ordentliche Professoren an mittleren bzw. Heineren Hochschulen gelehrt haben. Daß ein außerordentlicher Professor einer fleineren oder mittleren Hochschule zum ordentlichen Professor an der gleichen Hochschule aufrüdt, ist in vielen Disziplinen recht selten. Man beruft aber auch den außerordentlichen Professor der großen Hoch schule in vielen Fällen nicht gern an eine fleine Universität, weil an den fleinen Hochschulen die Fakultätsmitglieder lieber ,, unter sich" bleiben wollen und bestrebt sind, sich durch Dozenten anderer fleiner Hochschulen zu ergänzen. Alles das hat schon seine Gründe. Man darf nämlich nicht übersehen, daß die Professoren an den Kleineren und mittleren Hochschulen vielfach mit einander verwandt oder verschwägert und in politischer Hinsicht im allgemeinen weit recttionärer find, als dies für bie größeren Hochschulen zutrifft.
Wenn man sich nun noch vergegenwärtigt, daß von einer Freiheit des 3utritts", bei der Habilitation in nielen Fakultäten, namentlich der fleineren Hochschulen, ernsthaft feine Rede sein fann, so wird man nicht umhin fönnen zuzugeben, daß hier schmere Mißstände vorhanden sind. Es geht nicht an, daß Es geht nicht an, daß in Erlangen , Gießen , Greifswald , Marburg und Roftod in fleinen Birtein mannigfadh miteinander verflochtener Fakultäte mitofteber barüber so gut wie endgültig beschlossen wird, welche Bersönlich teiten an den fleineren, mittleren und großen Universitäten die ordentlichen Lehrstühle erhalten und welchen Hochschullehrern der Rebersjaden abgeschnitten wird. Angesichts solcher Verhältniffe wäre es durchaus ermägensmert, wenigstens zeitweise zu dem in anderen Ländern mit gutem Erfolg geübten System der öffentlichen Ausschreibung frei gewordener Lehrstühle überzugehen. Auch bas Habilitationsmejen bedarf größter Aufmerffamfeit, greift doch
Der Abend
Shakausgabe des Vorwäre
Gymnastik und Schule
Los von der Schablone!
Urzmed des Schulturnens zurüd: fie verfolgt, ausgehend von einer genauen Kenntnis des Körpers, mit jeder einzelnen lebung die Gesund und Elastischerhaltung jedes seiner Teile; sie vermittelt zu gleicher Zeit die Kenntnis jener von jedermann leicht zu betreibenden llebungen, die im[ päteren 2 eben nötig sind, um sich vor der Verknöcherung zu bewahren.
Die neue Form der Gymnastik ist da. Aber ihr Einfluß auf die| gleichsgymnastit gibt. Die Gymnastik führt ganz nüchtern zum Schule, deren Reform zwar im Gange, aber bei weitem noch nicht beendet ist, blieb, wie wir in dem Aufsatz ,, Etmas vom Turnen" schon ausführten, gering. Gewiß, non dem alten System der steifen Stellungsübungen geht man allmählich zu bewegten Freiübungen über. Nur fragt es sich, und darauf kommt es an, zu welchem 3 wed? An die Stelle der einen Betriebsamkeit ist eine andere getreten, ohne daß man den Eindruck hat, daß es sich um neues Leben, um eine Befreiung des Schulturnens aus seiner Erstarrung handelt.
Ein Blick auf den Einteilungsplan, verdeutlicht die Situation. Da ist noch immer die alte Dreiteilung: Freiübungen, Ge räteturnen, Leichtathletik oder Spiel. Aus methodischen Gründen hat man die Freiübungen zwar auf den ersten Punkt der Tages ordnung gefeßt. Das heißt aber nicht, daß sie nun auch im Bordergrund des Schulturnens stehen. Der Durchschnitt der Turnlehrer betrachtet die Gymnastif nach wie vor als etwas, was man mitnimmt, weil es nun einmal auf dem Stundenplan steht, und der Durchschnitt der Schüler langweilt sich dabei, weil ihm 3med und Sinn nicht nahegebracht werden.
Der Zustand fann sich nicht ändern, solange der Gymnastik innerhalb des Schulturnens nicht ein größerer Spielraum gegeben und sie nicht vom übrigen Turnen abgetrennt wird. Die Situation ist nichthoffnungslos. Die Erfenntnis der in Frage kommen. den Instanzen von dem entscheidenden Wert der Gymnastik drückt sich schon darin aus, daß man systematisch dazu übergeht, wie den Schularzt auch das orthopädische Turnen im Schulsystem zu verankern. Es gibt schon eine große Anzahl von Turnlehrern, die neben den üblichen Eramen eins für orthopädisches Turnen abgelegt haben, und besonders Berlin weist bereits eine große Anzahl von Schulen auf, die das orthopädische Turnen( das ja eine Abart der Gymnastik ist) für leicht vertrüppelte oder gefährdete Schüler eingeführt haben.
So erfreulich diese Tatsache ist, entbehrt sie doch nicht einer leisen Tragikomit. Sie zeigt, daß man zwar die Bedeutung der modernen Gymnastik für die Gesundung und Gesunderhaltung des Körperauf baus anerkennt, daß man sie aber praktisch nur auf den kranten Körper anwendet. Man wandelt da ein wenig die Bege der Schulmedizin, die es ja auch lange genug als ihren einzigen 3med angesehen hatte, Krankheiten zu heilen, che sie zu der Erkenntnis nordrang, daß Vorbeugen zumindest ebenso wichtig ist.
Hier stehen wir zugleich mitten im Problem des Schulturnens. Der Zweck des Schulturnens ist ja, den Körper gesund zu erhalten und ihn für das Leben zu ertüchtigen. Man braucht tein Feind des Jahn- Turnens, der Leichtathletik und des Spiels zu sein, wenn man ausspricht, daß sie nicht das geben tönnen, was die moderne Aus
in vielen Fakultäten die Auffassung um sich, die Habili. tation sei eine Art Reservatrecht für die Assistenten der ordentlichen Professoren. Man wundert sich oft genug, welche in der wissenschaftlichen Welt fast völlig unbekannten Uniperfitätsaffiftenten Brinatdozenten und nach Ablauf der üblichen sechs Jahre außeretatsmäßige außerordentliche Professoren werden, während wissenschaftlich befannte und hochper diente Persönlichfeiten. die sogar manchen Ordinarius überragen, dann, wenn sie habilitieren mollen, eine Ablehnung er fahren. Es wäre sehr interessant, Listen aufzustellen, in denen die von der Privatdozentur Abgemiejenen verzeichnet sind, und dann diese Listen in periodischen Abständen hervorzuholen und die Träger der Namen mit denen der glücklich Habilitierten zu vergleichen.
Einen Ausgleich wird man in gemissem Umfang schaffen fönnen, menn meit häufiger, als das jetzt geschieht, geeignete Persönlichkeiten, die sich draußen im Leben in der praktischen Arbeit be sonders bewährt haben, zu Honorarprofessoren im Nebenamt er: nannt und mit Lehr- oder Forschungsaufträgen bedacht werden.
die
Dr. Alfred Korach.
Die Schulbücherfrage
Nach der Revolution erhob sich unter den radikalen Pädagogen der Bolksschule mög Forderung, die Schulbücher in der lichst gänzlich zu verdrängen. Der Ruf befam schließlich schlag: mortartigen Charakter, und man verstieg sich bis zu der These, daß ouch das Volksschulkind durch Quellenleftüre alles das vollständig fich heranzuholen vermöge, was der Erwachsene und der längst der Schulpflicht Enthobene im ähnlichen Falle zu tun pflegt. Die Beseitigung der Hilfsmittel erwähnter Art aus der Boltsschule war, mie heute auch von ehemaligen radikalen Schulreformern zugegeben wird, nicht nur ein Irrtum, sondern ein in feinen Folgen nicht leicht auszumerzender Fehler.
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Der Hauptkampf galt dem Realienbuche, weil es in Wahrheit eine gedrängte Stoffsammlung darstellte, die in vielen Fällen im Rahmen der alten Lernschule mißbräuchliche Berwendung Insofern war Der Kampf durchaus fand. be rechtigt. In fenen Zeiten der Stellungnahme grundsäßlicher Art gegen ein Realienbuch übersah man zum Teil bemußt die Borteile, die eine gedrudte Stoffiammlung für den häuslichen Fleiß wie für den Lernpaß des Kindes bedeuten. Die Merthefte( Arbeitshefte), die das gedruckte Hilfsmittel ersetzen sollten, famen bald in Mißkredit. Man hatte die Fähigkeit der Kinder überschäßt, als man von ihnen erwartete, daß für den Durchschnitt ein fehlerLofes, stilistisch brauchbares, zu Lern- und Wiederholungszweden verwendbares Hilfsmittel entstehen tönne. Man hatte aber auch pöllig abgesehen von den festen Ergebnissen der Psychologie, monach etma ein Drittel der Kinder durch den mündlichen Bortrag. bes Lehrers bzw. durch das Anhören vortragender Klassentameraden nur ganz menig. gefördert werden können, weil sie zum fogenannten visuellen Borstellungsinp gehören, also Geschriebenes und Gebrudtes zum Ausgangspunkte ihrer selbsttätigen Lernarbeit machen müffen.
Der Kampf der ersten Jahre nach der Revolution richtete sich fobann gegen gedruckte Hilfsmittel im Rechnen und insbesondere auch im Deutschen . Bezüglich des Rechnen's lehnte man für die Im Deutschunterricht war wegen Grundschule jedes Rechenbuch ab der zugegebenen Fehler des alten Grammatifunterrichtes. der überholten Lernschule das Sprachbuch als solches in Mißtredit getommen. Es wurde grundfäßlich durch die Aufsichtsbehörde, per
Wenn man der Gymnastik in den Schulen heute nady nicht die Beachtung schenkt, die sie verdient, so geschieht das zum nicht geringen Teil deshalb, weil der Lehrer fasziniert auf die Leistung starrt. Man hat sich auch hier von dem alten Begriff der Leistungs- und Lernschule noch nicht frei gemacht. Das Bild verändert sich sofort, wenn man den Turnbetrieb vom Gesichtspunkt der Arbeits- und Gemeinschaftsschule aus betrachtet und wenn man sich der Notwendigkeit einer systematischen Hygiene bewußt wird, die sich aus der Entwicklung des modernen Lebens von selbst ergibt.
Bleibt die Frage, wie man mit dem alten System brechen kann. An eine Berdrängung des bisher üblichen Geräteturnens, der Leichtathletik und des Spiels wird ein vernünftiger Mensch nicht denken. Was dagegen zu fordern wäre, das ist, wie wir schon andeuteten, eine völlige Absonderung der Gymnastik vom anderen Schulturnen, etwa indem man der Gymnastit eine besondere Stunde im Schulplan anmeist, in der nichts anderes betrieben wird als das. Die Leitung dieser Stunde dürfte allerdings nur einer Lehrkraft anvertraut werden, die nicht nur die einzelnen Gymnastiksysteme beherrscht, sondern deren medizinische Vorbildung auch dera art ist, daß sie weiß, worauf es ankommt, wobei es der Idealfall wäre, daß sie die Körperkonstitution jedes einzelnen Kindes fennt und es sich zum Ziel jetzt, jedem das zu geben, was er für den Körperausgleich gebraucht.
Die Schwierigkeiten beginnen da, wo es fich um die Entschei dung über die einzelnen Systeme handelt. Der Deutlichkeit halber feien aufgeführt: das Mensendiecksystem, Niels Buths Grund gymnastit, die Bodegymnastik, die Laban und die Lohelandschule, die Syfteme von Loges, Alice Bloch und Dora Menzler . Bei der Auswahl wird man für Mädchen zu anderen Resultaten tommen als für Knaben. Man wird für die Unter, Mittel- und Oberstufe die Auslese verschieden gestalten müssen. Für die Gymnastifftunde selbst wird man am besten allgemein eine 3 mei. teilung vornehmen in solche llebungen, die wesentlich der Be mußtmachung und Frischerhaltung des Körpers im täglichen Leben dienen, und solchen, die, hiervon ausgehend, die Gymnastik weiter. führen in das Bereich törperlich- geistiger Beschwingtheit und sie zur Trägerin eines neuen Lebensgefühls und einer neuen Lebensfreude machen.
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boten. Später machte man die Konzession, wenigstens ein Rach schlagebuch zuzulassen, damit die Rechtschreibung in gewiffer Hinsicht sichergestellt würde.
Heute haben sich die Ansichten in metten Kreisen der pädagogischen Welt erheblich ge ändert. In dem Maße, wie die Störungen in dem normalen Unterrichtsbetriebe zunahmen, sehnte sich die Lehrerschaft mieder noch Hilfsmitteln, die zeitersparenden Charafter tragen. Dazu gehört in erster Linie ein Rechenbuch auf allen Stufen der ge gliederten Boltsschule und sodann ein den modernen Anforderungen allerdings meitest gehend entsprechendes Sprachbuch. Man hat heute eingesehen, daß man bei allen Segnungen der Arbeitsschule, die niemand entbehren will und fann, doch um eine gewiffe Systematit und um einen durch llebung erzielten selbsttätigen Lernaft wie um systematische Wiederholung nicht herum fommt. Die Wiener Schulreform hat die angedeuteten Fehler von vornherein vermieden und neben der Arbeifsschulmethode die Erwerbung eines sicher beherrschten, flar gegliederten Wissens ausdrücklich verlangt.
Der Widerstand gegen Beibehaltung der Schulbücher im bisherigen Umfange erwuchs auch aus der Tatsache, daß mandje Hilfsmittel monopolartigen Charafter befommen hatten und den Berfaffern geradezu enorme, laufende Einnahmen brachten. Dieser llebelstand ist nach der Renolution dadurch beseitigt morden, daß nunmehr für jedes Unterrichtsfach mehrere, ja niele Lernbücher geprüft und zugelassen werden, so daß aus dem Konfurrenzfampf der einzelnen Verfasser der Segen entsteht, den Stillstand zu vermeiden und dauernde Berbesserung im Rahmen des Möglichen zu erzielen. Es wäre allerdings der Gedanke zu er mägen, ob nicht der Staat als solcher die Lehrmittel auch der angedeuteten Art zur Verfügung stellt und die Verfasser für ihre einmalige Arbeit einmalig durch entsprechendes Honorar abfindet. Für die laufend notwendig werdenten Berbesserungen mürden sich jederzeit wohl durch Bermittlung der Aufsichtsbehörde Kräfte gewinnen lassen.
Bei der wachsenden Notlage der breiten Majse muß an der Forderung festgehalten werden, für die Grundschule wie für die oberen Jahrgänge der Boltsschule die gedruckten Lehrmittel zur Berfügung zu halten, ohne daß es notwendig wäre, die Hilfsmittel in das Eigentum der Kinder übergehen zu lassen. Bichtig wäre eine Nachprüfung der bisher genehmigten Hilfsmittel von Zeit zu Zeit. In Berlin wird z. B. ein Rechenbuch benußt, das megen überstarten volkswirtschaftlichen Einschlages und ungeschickter Formulierung der Aufgaben feinerlei Erleichterung für den Rechenunterricht bedeutet, sondern zur Zeitvergeudung führt durch notwendige endlos, lange Erflärungen der Aufgaben.
Noch eins ist zu erwähnen: Die einzelnen Schulen sind bei der Auswahl der Lehrmittel bzw. Lehrbücher durchaus nicht frei. Die Bindung, bei Einführung wie beim Wechsel zuvor die Aussichts. behörde zu befragen, besteht selbst für solche Lernmittel, die ein- für allemal vom Minifterium für Unterricht, Kunst- und Boltsbildung genehmigt find. Der Wechsel ist besonders erschwert, wenn zufällig der Autor des Buches bzw. einer der Autoren Aufsichtsbeamter für die betreffende Lehranstalt ist. So fann es fommen, doß mit einem, an sich ungeeigneten Buche( z. B. einem Rechenbuche) erst Schluß gemacht wird, wenn ein Wechsel in der Stelle des Schulaufsichtsbeamten eintritt. Es gibt bzw. gab Bezirke, in denen aus dem angedeuteten Grunde Schulaufsichtsbeamten die Einführung von ihnen verfaßter Bücher im eigenen Aufsichtsbezirk grundfäßlich Dr. Otto Seeling .. untersagt ist.