Nr. 352 47. Jahrgang
Sonnabend 16. August 1930
Der senkrechte Flug Gefahrlose Notlandungen— Flugzeuggaragen auf den Dächern— Flugplätze werden überflüssig— Leidensweg eines Erfinders
BedouerNcherwerse häufen sich die Flugzeugunfälle in letzter Zeit derart, daß man sich doch fragen muß, ob das Flugzeug im heutigen Entwi-klungsstadium nicht mehr verbefserungsfähig fein soll. Wohl wissen wir, daß ein mehrmotoriges Flugzeug, solange es in der Luft ist oder auf einem Flugplatz landen kann, einen chüchstgrad von Sicherheit besitzt. Aber die meisten Unfälle ge- jchehen erft bei der Notlandung. Wer einmal in einem«in- motorigen Flugzeug längere Zeit über Wald oder Gebirge geflogen ist, weiß, welch unangenehmes Gefühl einem beschleicht, wenn man daran denkt, daß der Motor plötzlich streiken könnte. Die Angst vor einer Notlandung ist begründet im System des heute üblichen Flugzeuges, weil dos Drachenflugzeug den Erdboden immer mit einer mehr oder weniger großen Geschwindigkeit berühren muß. Anders liegen die Verhältnisse jedoch beim chubschraubenflugzeug. Der Gedanke des Hubschraubers ist ungefähr genau so alt wie der des Drachenflugzeuges. Man kann sich sehr leicht vorstellen: ein Propeller wagrecht angeordnet, muß doch ein Flug- zeug senkrecht in die Luft heben. Diese Idee haben viele Forscher verfolgt, mußten jedoch einsehen, daß es so nicht geht, und zwar zunächst deshalb nicht, weil die Hubkrast des Propellers nicht aus-
reicht. Außer dieser Schwierigkeit besitzt aber ein Hubschrauber keine Stabilität und— bei Motordefekt— kein Gleitvermögen. Diese Uebelstände hat der durch seine Flugzcugversuche und neuer- dings durch sein zerlegbares Auto, sowie durch den kurbelwellen- losen Motor bekannte Berliner Konstrukteur, Oberingenieur Z a s ch k a, bereits im Jahr« 1916 erkannt. Drirch theoretische Untersuchungen und praktische Modellversuche gelang es Joschka, der seinerzeit im Konstruktionsbüro einer Johannisthaler Flugzeug- fobrit tätig war, nachzuweisen, daß man die waagerechten Propeller nur genügend groß im Durchmesser und langsam laufend machen mußte, um die erwünschte Tragfähigkeit zu erreichen. Um die Stabilität zu ermöglichen, schlug Jaschka nach Art der Ein- schienenbahn ein Kreiselsystem vor, welches mit den rotierenden Tragflächen derart gekuppelt ist, daß bei Motordefekt ein Teil der in den Kreiseln aufgespeicherten Energien dazu verwandt wird, um das Flugzeug abzufangen, bzw. noch kurze Zeit schwebend zu er- halten. Sollte jedoch der Motor in sehr großer Höhe versagen, so werden die Anstellwinkel der rotierenden Tragflächen zunächst negativ eingestellt. Durch den Fall werden die Flächen— wie bei einer Windmühle— dauernd gedreht und gleichzeitig auch die
Krosstes Dieselkraftwerk Europas In drei Minuten höchste Arbeitsleistung— Ein Mann kann 24000 PS bändigen
Das größte Dieselkraftwerk Europas steht in der Näh« von Berlin , am Ufer der Havel , in der industriereichen Siedelung Hen» nigsdorf. Es wurde auf Veranlassung des Märkischen Elektrizitäts» wertes gebaut, deren Aktionäre die Provinz Brandenburg sowie die von ihm oersorgten Stadt- und Landkreis« sind. Es ist also ein sozia. lisierter Betrieb in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Das Ver» forgungsgebiet der Gesellschaft, die eine Reihe von Kraftwerken be- lreibt, umfaßt 34 Kreije der Pro- oinz Brandenburg, se zwei Kreise der Provinz Grenzmark . Posen, Westpreußen und Niederschlesien, einen Kreis der Provinz Pom- mern, den südlichen Teil des Freistaates Mecklenburg-Strelitz sowie einige südlich gelegene Be» zirke der Stadt Berlin . Das Märkische Elektrizitätswerk ver» sorgt insgesamt 271X1 Städte und Gemeinden mit 2,3 Millionen Einwohnern, die über eine Fläche von 34 000 Quadratkilometern verteilt sind. Die Strom- abgäbe betrug im Jahr« 1929 nicht weniger als S08,2 Mil- lionen Kilowattstunden. Be- merkenswert ist, daß von dieser Leistung nicht weniger als 75 Proz. von der Industrie ver- braucht wurde. Das gesamte Leitungsnetz umfaßt nicht weni- ger als 16000 Kilometer. Bei einem solchen Unter- nehmen mußte das sogenante Spitzenlastprobleen, d. h. die Aufgabe, den Belastungs- und Ausnutzungsgrad der Betriebs. anlagen im Jnteresie der Wirt- schaftlichkeit zu heben, eine besondere Wichtigkeit erlangen. Es müssen Kraftanlagen geschaffen werden, die zusätzlichen Strom zu liefern vermögen, um in der Zeit äußerster Beanspruchung die sogenannte Spitzenlastdeckung. abzugeben. Werke, die auch in der Lage sind, bei Störungen des Be- triebes umgehend Ersatzstrom zu liefern. Daher müssen solche Werk« mit geringem Kapitalauswand errichtet und ihre Bereitschaftskosten auf ein möglichst geringes Maß herabgedrückt werden. Sie müssen eine hohe Betriebsbereitschast besitzen und endlich auch in günstiger Lage zu den Hauptverbrauchsgebieten errichtet sein. Diesen Forde» rungen entsprechen bei dem heutigen Stand der Technik vor allem Groß-Dieselkraftwerke. Während die größte Dieselmaschine des Kontinents, die in einem Hamburger Großkraftwerk 15 000 LS. erzeugt, mit 94 Umdrehungen in der Minute läuft, ist es jetzt gelungen. Groß-Dieselmotore zu bauen, die 215 Umdrehungen in der Minute machen. Durch diesen technisch gar nicht hoch zu veranschlagenden Fortschritt ist der Raum- bedarf und das Gewicht der Pferdestärke ganz erheblich herabge- mindert worden. So können denn solche Großmaschinen zu wesent- lich geringerem Preise als bisher geliefert werden. Diese Tatsache in Verbindung mit der hohen Betriebsbereit- schaft führte zum Bau des größten Dieselkraftwerkes auf dem euro - päifchen Festlande. In einem aus Backstein errichteten, in Neuzeit» lichem Stil gehaltenen Maschinenhaus wurden die beiden Diesel- motoven ausgestellt, die je 12000 Pferdestärken, also insge» samt 24000 Pferdestärken erzeugen. Die elektrische Nutz» leistung beträgt 15 000 Kilowatt. Es handelt sich um zwei kam» pressorlos«, doppelwirkende Zweitaktmotoren von je 10 Zylinder. Der Durchmesser jedes Arbeitszylinders beträgt 600 Millimeter, der Weg. den der Kolben innerhalb des Zylinders zurücklegt, der Kolbenhub. -Dil»-Witiflg fror Majckine ist rand 14- Meters fördern.
bei einer Höhe von fast 7 Meter. Das Maschinengewicht erreicht die für ortsfest« Maschinen außerordentlich niedrige Zahl von 25 Kilo- gramm je Pferdestärke.(Ein Mensch von 75 Kilogramm Gewicht leistet ungefähr Vu PS.) Die beiden Maschinen treiben je einen Schwungradgenerator von 11 000 Kilo Voltampere. Neben der Haupt- Maschinenhalle sind die Hilfsmaschinen, wie Spülluftgebläse. Kühl- wasser» und Schmierölpumpen, sowie ein Kompressor für die Er-
Ansicht der beiden schnellaufenden Groß-Dieselmaschinen im Kraftroerk des Märkischen ElektrizUätsmerkes(MEW) in Hennigsdorf zeugung der Anlaßdruckluft untergebracht. Sämtliche Meßgeräte, Ventile und Hebel zum Anlassen und Bedienen der Maschinen sind auf einer Schalttafel vereinigt und so übersichtlich geordnet, daß der Betrieb von einem Mann in Bewegung gesetzt werden kann. Tatsächlich sind für jede Maschine zwei Maschinenwärter angestellt, und bei der Besichtigung des Werkes zeigte ein Versuch, daß zwischen Anfahren der Maschine und dem Erreichen der höchsten Leistung nur
Das Spitzenkraftmerk des MEW in Hennigsdorf drei Minuten vergingen. Das ist eine Betriebsbereitschast, die von keiner anderen Reservekraftanlage erreicht werden kann. Man darf hoffen, daß die Entwicklung der Groß-Dieselmotoren mit dieler Maschine noch nicht zum Abschluß gekommen ist und daß es der Technik gelingen wird, diese Maschincngaltung gerade im Hin. blick auf ihr« Verwendbarkeit in Großkraftwerken noch weiter zu W. Mfcbus.
Kreisel. Erst kurz vor dem Erdboden werden die Anstellwinkel positiv eingestellt und hierdurch das Abfangen des Flugzeuges und die gefahrlose Landung ermöglicht. Man müßte annehmen, daß eine derartige Neukonstruktion dem damaligen Kriegsminssterium willkommen gewesen sein müßt«, aber man lieh sich weder die Modellversuche vor- führen, noch prüfte man die eingereich ten Be- rechnungen, sondern man schrieb Zaschka am 4. März 1917, daß die eingereichte Erfindung nicht zur Verwendung kommen könnte,„da eine Hubschraube kaum sich selbst, noch viel weniger ihre Motoren trägt". Aus den Hinweis, daß die Berechnung gerade zeigt, daß die Hubkraft zu erreichen sei bei richtiger Dimensionierung der Flächen, wurde am 21, März 1917 ohne Angabe von Gründen geantwortet, daß der Vorschlag unbrauchl'ar sei. Nach Beendigring des Krieges versuchte Zaschka erneut, Unter- stützung für sein Projekt zu erhalten. Aber das Reichsoerkehrs- Ministerium lehnte ab, was nicht zu verwundern war, weil zu- fällig derselbe Dezernent die Sachen bearbeitete, der seinerzeit im Kriegsministerium das Projekt Zajchkas abwies. Es folgten Kämpfe, deren Schilderung hier zu weit führen würde. Selbst die Gerichte mußte Zaschka in Anspruch nehme», um sich seiner Gegner zu erwehren. Obgleich die Deutsche Versuchsonstalt für Luftfahrt inzwischen eingereichte Berechnungen für richtig erachtet, obgleich eine Kapazität auf dem Gebiet« des Hubschraubenflugzeugbaues, Prof. Dr. von Karman von der Technischen Hochschule zu Aachen , sich günstig über dos Projekt äußert, das Verkehrs- Ministerium will nichts wissen. Schließlich gelingt es Zaschka, Geld aufzutreiben, um wenigstens ein G e st e l l bauen zu können, welches, mit einem Flugzeugmotor versehen, durch in Drehung ver- setzte Flächen beweist, daß die von Zaschka errechnete Tragfähigkeit erreicht wird. Nunmehr erneut beim RVM, eingereichte Gesuche um geldliche Unterstützung für den Einbau einer Steuerung werden abgelehnt. Durch private Zuweisung von Geldmitteln wird im letzten Moment vor Ablauf der Prioritätsfrist die Amneldung der Auslandspatente noch möglich. Obwohl Presse und Film von den Versuchen in Johannisthal berichteten, muß Zaschka wegen Geld- Mangel die Versuche abbrechen. Inzwischen begutachtet Direktor Dr. G r u l i ch von der Deutschen Lufthansa sowie bezüglich der Kreiselstabilisierung die durch ihre automatischen Flugzeugsteuerungen bekonnten Kreisel- spezialisten Jng. Drexler und Direktor Boy low dos Zaschka-Projekt günstig. Die Angelegenheit wird von der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen unter- sucht und von Pros. Dr. Prandtl ebenfalls günstig begutachtet. Nunmehr gelingt es, Geld zusammenzubringen, um«in 7 Meter großes Modell zu bauen, welches auf dem Tempelhofer Feld ausprobiert wird. Die 108 Kilogramm schwere Maschine wird durch einen 300-Kuibikzentimete»DKW..Motor(etwa 5 bis 6 PS.) hochgehoben. Wiederum wird auf Grund der Erfolge ein Gesuch beim RVM.«ingereicht, um Geldmittel für ein bemanntes Flug- zeug. Die Einladung, die Versuche zu besichtigen, wird abgelehnt. Der Bitte, dos Modell auf dem Tempel- hofer Flugplatz öffentlich vorzuführen, wird nicht stattgegeben. Endlich meldet sich«in„Geldmann". Er kommt an einem windigen Tage und will einem Versuch beiwohnen. Ungern entschließt sich Zaschka zu einem Versuch und erklärt, die Majchin« des Windes wegen imr gefesselt vorführen zu können, weil der Vortriebspropeller des Modells nicht die Kraft hat, dem Winde entgegenzuarbeiten. Vier Männer halten an Seilen die Maschin«, aber der Austrieb wird zu groß, der Wind tut ein übriges. Ein Monteur hängt sich vergeblich an die Maschine. Die Maschine reißt sich los und ist im Augenblick stark beschädigt. Es«rweist sich, daß der„Geldmann" zwar den Wunsch hat, die Sache zu finanzieren, aber selbst kein Geld hat. Schließlich erhält Joschka durch«in« andere de« hördliche Stelle«ine Geldzuweisung, um das beschädigt« Modell reparieren zu können. Aber weder auf der„ILA ", noch durch eine Ausstellung in einem Berliner Lokal läßt sich der gesuchte Finanzier finden. Immerhin hat der Fachberater des Verkehrs- ministersums das Modell auf der„ILA " besichtigt, mit dem Erfolg, daß er in einer Fachzeitschrift unwahre Angaben über das Modell machte, um den Wert der Sache herunterzusetzen, Gestützt auf Gutachten von Professor Dr. Grammel, von der Technischen Hochschule zu Stuttgart , sowie von Professor Dr. Prandtl, Göttingen , versuchen jetzt zwei andere behördliche Stellen im Reichsverkehrsministerium eine Subvention zu erreichen, aber wiederum vergeblich. Selbst Prof. Dr. Prandtl bemüht sich persönlich im Reichsverkehrsministerium ohne Erfolg. Briese an den Herrn VerkeHrsminister persönlich hoben den Erfolg, daß die beiden anderen behördlichen Stellen aufgefordert werden, jede weitere Unterstützung dem Erfinder zu versqgen. Die Angelegenheit erinnert peinlich an den Leidensweg des Grasen Zeppelin. Auch hier hat das Kriegsministerium den Offizieren untersagt, mit Graf Zeppelin zu verkehren, wegen feiner„verrückten Ideen". Es muß zugegeben werden, daß das Reich im Augenblick wenig Geld zur Verfügung hat für die Flugzeugindustrie. Aber es wird an der Zeit, daß wir neben der Sorge um den Etat auch einmal daran denken, wieder Arbeit heranzuschaffen. Wir haben Millionen ausgegeben für Flugplätze, liehen sich da nicht einmal 40 000 M. ausgeben für ein Flugzeug nach den Zaschkafchen Ideen, zumal Wissenschaftler von Rang sich dafür ausgesprochen l)oben? Man denke sich aus, wir hätten Fabrikations- und Vertriebsmonopol für «in senkrecht aussteigendes Flugzeug, das auf jedem Platz landen kann, keinen Flugplatz mehr braucht, auf jedem Berggipfel sich niedersetzen kann usw. Es handelt sich hier nicht um Schiebereien, sondern um ein ernsthaftes Projekt, das von anerkannten Autoritäten günstig beurteilt wird. Gerade die Unfälle der letzten Wochen sollten unsere verantwortlichen behördlichen Stellen veranlassen, Lauch solche Versuche zu unterstützen, die aus neuen Wegen den Fortschritt, suchen.