1930
Der Abend
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Nr. 526
B 262
47. Jahrgang
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
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a. d. O., 8. November.
Im Laufe des Freitags wurde im Odergebiet on ver schiedenen Stellen ein Bruch der Deiche befürchtet, wodurch mehrere Dörfer unter Wasser gesetzt worden wären. Unter Aufbietung aller Käfte arbeitete man an der Verstärkung der Deiche, ohne jedoch die Gefahr gänzlich bannen zu können. So entschloß man sich am Freitagabend, wie der ,, Vorwärts" bereits meldete, oberhalb von Frankfurt an der Eilangmündung den Oder. deich zu durch stoßen und die Polder vollaufen zu lassen.
Justiz gegen Gerechtigkeit
Glaßbrenner in Naumburg gerechtfertigt
Adolf Glaßbrenner , der politische Satiriker von 1848, hat das prachtvolle Wort geprägt:
Gerechtigkeit ist ein schön Ding, aber es gibt auch Justiz!
Dieser Durchstich wurde in den Abendstunden vorgesteht, haben wir in letzter Zeit wiederholt aus dem Bezirk Bon solcher Justiz, die im Klaffenden Gegensatz zur Gerechtigkeit nommen und brachte Frankfurt und dem Gebiet unter steht, haben wir in letzter Zeit wiederholt aus dem Bezirk Raumburg berichten müssen. Die preußische. Landtagsfraktion halb von Frankfurt eine fühlbare Entlastung. Wenn der Sozialdemokratie hat wegen der politischen Rechtsprechung in auch ein Absinken des Wassers nicht zu bemerken war, jo jenem Winkel jogar eine Große Anfrage an die Regierung einwurde doch ein weiteres Steigen im Gebiet unterhalb gebracht. Aber gewissermaßen als Antwort darauf liegt ein neues von Frankfurt verhindert. Urteil einer Naumburger Straffammer vor, das geradezu wie cine Prämie auf hatenfrenz- Roheiten und wie eine Verhöhnung des Rechtsgedankens wirken muß. Verantwortlich ist ein Dr. Albrecht,
Große Deichbruchgefahr bestand bei Nimaschfleba im Kreise Guben . Der Damm ließ bereits das Wasser in armdiden Strahlen durch.
tammer Weißenfels am Landgericht einen einwandfrei überführten nationalsozialistischen Rausbold freisprach und einer anderen Blüte des dritten Reiches die ernstinstanzliche
Der Ainisvorsteher liest sofort alle männlichen Verder als. Landgerichtsrat und Vorsitzender der kleinen Strafjonen über 16 Jahre aus sämtlichen umliegenden Dörfern alarmieren, ferner wurden sämtliche Gespanne zur Hilfeleistung herangezogen. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es den mehr als 300 Helfern in zwölfstündiger Arbeit, den Deich so zu verstärken, daß die Gefahr als gebannt gelten konnte.
Da aus Oberschlesien eine neue Hochwasserwelle gemeldet wird, die die Höhe der jetzigen Hochwefferwelle erreichen dürfte, und mit einem Ablaufen des Wassers vorerst nicht gerechnet werden kann, wird die Gefahr mit nächster Woche im märkischen dergebiet wieder zunehmen.
Diebstahl an Schutzbundwaffen
Ueberführung in staatliche Werkstätten.
V. Sch. mien, 8. November. ( Eigenbericht.) Die angekündigte Ueberführung der sogenannten„ Arsenalwaffen" vom städtischen Neugebäude in Simmering , einem ehe. maligen Pulvermagazin, in die staatlichen Werkstätten von KaiserEbersdorf, einige filometer weiter entfernt, ist heute vormittag um 11 Uhr ohne Zwischenfälle durch eine Abteilung Bundesheer erfolgt. Bon sozialdemokratischer Seite war Genoffe Schubauer, der Kommandant der sozialdemokratischen Gemeindewache, erschienen, der schriftlich und mündlich gegen diesen offenkundigen Vertragsbruch durch die Regierung Baugoin Protest einlegte. Es wurden überführt 14 000 Gewehre und 240 Maschinengewehre. Darauf fuchte noch die Polizei in den übrigen Räumen des Gebäudes nach sonstigen vermuteten Waffen, fand aber feine und 30g wieder einmal blamiert ab.
Im übrigen wächst die Einsicht, daß sich die Regierung mit dieser rabiaten einseitigen und obendrein erfolglosen Waffensuche gründlich diskreditiert hat. Gerade die Schober- Blätter machen sich über dieses Debacle der Baugoin und Starhemberg luftig. Auch in manchen Regierungsfreijen ist man über das Vorgehen Baugoins entsetzt, denn er mußte ja wissen, daß die Sozialdemokratie die Zufammenhänge bezüglich der Innsbruder und Simmeringer Waffen aufdecken und daß dabei herauskommen würde, daß die Bundes regierung fich in diesen Fällen seinerzeit mit den Sozialdemokraten darüber verständigt hatte, daß man die Waffen dem Zugriff der Entente entziehen müsse. Das ist nun infolge der Provokationen Baugoins herausgefommen und dem Außenminifter Dr. Seipel dürfte nicht fonderlich wohl zumute fein. Jegt aber jammert Baugoin in jeinem unaufrichtigen Dementi darüber, daß Julius Deutsch durch jeine Abwehrenthüllungen eine Verpflichtung zum Schweigen durchbrochen habe. Höher geht die Heuchelei nimmer.
Die Wahl von morgen
Morgen finden in Defterreich die Wahlen zum Parlament statt. Nicht weniger als vierzehn Parteien werben um die Gunst des Wählers. Von links nach rechts: Oben: Der Christlich- soziale Bundeskanzler Baugoin; Prälat Seipel, Außenminister. Unten: Nationalrat Dr. Otto Bauer, der Führer der österreichischen Sozialdemokraten, und Starhemberg, Innenminister der Heimwehren. In der Mitte: Dr. Johannes Schober , der jetzt für Wirtschaftsblock und Landbund
fandidiert.
Strafe auf ein Drittel herabsetzte! Dieser Dr. Albrecht ist der gleiche Vorsitzende, der den hafenfreuzlerischen Theologie- Studenten freisprach, trotzdem er durch eine Reihe einwandfreier Zeugen unzweifelhaft als derjenige feftgestellt war, der mit einem Bierglas auf einen Polizeibeamten losgeschlagen hatte. In dem neuen Fall
Naumburgischer Rechtsverweigerung handelt es sich um folgendes:
Am 9. Mai hatte sich in einer öffentlichen Versammlung der Razis ein junger Kommunist einen 3 wischenruf erlaubt. Sofort fiel ein ganzer Trupp der SA. über ihn her und warf ihn zur Tür hinaus, nachdem er grün und blau geschlagen war. Dann stürzte sich die aus dem ganzen Saal zusammengeftrömte Meute der
G. auf die wenigen übrigen Kommunisten.
Wie selbst die Nazis im Gerichtsverfahren zugaben, haben sich diese Kommunisten immer ruhig benommen und keinerlei Bersuch einer Versammlungsstörung gemacht. Aber die raufluftige Sturmabteilung war einmal im Schwung und veranstaltete gleich ein kleines Schlachtfest. Mit Stühlen, Koppelschlössern, Karabinerhaken und anderen Werkzeugen wurde die verschwindende Minderheit zum Scale herausgedroschen.
Ganz besonders hatte man es auf' den kommunistischen Stadtverordneten Nelt abgesehen. Mit einem Fausthieb ins Gesicht wurde
dem furzsichtigen Manne die Brille zerschlagen, ein Hieb mit einem schweren Gegenstand über den Kopf ließ ihn zusammenbrechen, und nun trampelte die viehische Menge auf ihn herum. Fünf der Nazibanditen hatten sich wegen dieser Gewalttaten vor dem Amtsgericht zu verantworten. Die Anklage lautete auf gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung( nicht etwa auf Landfriedensbruch). Drei wurden freigesprochen, einer zu drei Monaten, ein anderer zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt.
Wegen des sehr niedrigen Strafmaßes legte die Staatsanwaltschaft, megen der Bestrafung überhaupt legten die Verurteilteit Berufung ein, und so fam die Sache gestern
vor die fleine Straftammer und vor Herrn Dr. Albrecht.
Der Hauptangeklagte Hahn wurde von dem Kriminals beamten Berg unter Eid als derjenige bezeichnet, der sich zuerst auf Nelt stürzte. Der unbeteiligte sozialdemokratische Arbeiter Grigarzcit erklärte ebenfalls unter Eid, Hahn habe dem Nelk die Brille eingeschlagen und damit das Signal zum Ueberfall gegeben. Der andere Angeklagte, Meister, ist Führer der SA. Zeit und vorbestraft wegen Kuppelei, Hehlerei, Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, gefährlicher Körperverlehung und Amtsanmaßung.
Er war gerade in einer anderen Ecke des Saales beschäftigt und fam deshalb etwas später. So fonnte er nur noch den Arbeiter Krause verhauen und dem Nelt als Abschluß nochmal tüchtig in den Rücken treten.
Alle Entlastungsaugen versagten fläglich. Nur der Nazizeuge Liebmann leistete sich eine Aussage, die einem Meineid verteufelt ähnlich sieht. Seine Aussage stand in unverein barem Widerspruch zu allen anderen, selbst den Nazia aussagen. Er wollte genau gesehen haben, daß Nelt überhaupt nicht geschlagen worden ist und seine Brille nur auf der Flucht verloren habe.
Auf diese offensichtlich falsche Befundung allein stützte sich dann das Urteil.
Der Oberstaatsanwalt erklärte, selbst die Angeklagten müßten eins sehen, daß ihre Tat an Feigheit und Roheit faum zu über
Revolutionsfeier
Sonntag, 9. November, 18 Uhr Autohalle 2 am Kaiserdamm