Morgenausgabe
Nr. 13 AI
48.Jahrgang
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000126
Freitag 9. Januar 1931
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zu
Der Ruhrkonflift.
Morgen Schlichtungsverhandlungen/ Neues Schlichtungsverfahren?
Im Lohnkonflikt im Ruhrbergbau sind die Parteien arbeiterverbände Folge leisten. Praktisch würde das bedeuten, daß neuen Schlichtungsverhandlungen auf es die Ruhrunternehmer am 15. Januar zu einer Aussperrung morgen, Sonnabendvormittag 9% Uhr, nach| tommen lassen. Essen einberufen worden.
Die Bergarbeiterverbände treffen alle Borbereitungen für den Fall der Aussperrung ihrer Mitglieder.
Notverordnung des Reichspräsidenten? Boraussichtlich wird heute das Schlichtungsverfahren durch eine Notverordnung des Reichspräsidenten dahin geändert, daß der Schlichter in Zukunft unabhängig von dem Bofum der Parteien entscheiden fann. Die zuständigen In
Hoffnungsloser Fall!
Deutsche Außenpolitik und, nationale Opposition".
Curtius fährt in der nächsten Woche nach Genf . Er hat den Vorsiz an Henderson abgegeben, meil er bei der Besprechung des deutsch - polnischen Minderheitenkonflikts nicht durch formale Geschäfte gehemmt sein will. So gut das von ihm gemeint war, so hat doch die nationale Opposition" einen Riesenlärm darüber gemacht. Warum", so fragt sie entrüstet, ist der Minister so schlapp und verzichtet auf den Borsiz?"
"
Die Aussichten für eine Lösung des Lohnfonflitts im Ruhrbergbau in den Schlichtungsverhand Hätte Curtius den Vorsitz behalten, so wäre der Lärm lungen am Sonnabend find sehr gering. Der Zechenverband hält genau ebenso groß geworden. Warum", so hätte es dann gean einem Lohnabbau von mindestens 8 Prozent fest und die Ge heißen ,,, läßt, er sich mit Formalitäten belasten? Wohl, weil es werkschaften erklären mehr als 4 Prozent für untragbar. Die ihm um die Vertretung der deutschen Interessen nicht Ernst ist!" Fällung eines rechtsgültigen Schiedsspruches wäre daher nur dentbar, wenn man die bestehende Schlichtungsordnung Curtius hat in einer Rede gesagt, daß er in Genf teine ändert. Diese Aenderung müßte den früheren Zustand wieder- flanzen der Reichsregierung hoffen, die einer derartigen Notverord- besonderen Erfolge erwarte. Also heißt es in der herstellen, wonach der staatliche Schlichter unabhängig von den Bar- nung bisher noch im Wege ſtehenden politischen Hinder- Bresse der nationalen Opposition:„ Er sagt seine eigene Nieder
teien einen Schiedsspruch fällen könnte.
Falls dieser Weg nicht beschritten wird, ist zu erwarten, daß die Unternehmer ab 15. Januar versuchen werden, den Lohnabbau der art durchzuführen, daß sie die gekündigten Arbeitsverträge mit niedrigeren Lohnsätzen neu in Kraft zu setzen versuchen. Gegen diesen Plan dürften sich die Gewerkschaften jedoch ganz energisch zur Wehr setzen, und zwar zunächst, indem sie die Belegschaften auffordern werden, feine neuen Arbeitsverträge mit niedrigeren Löhnen abzuschließen. Es besteht auch tein Zweifel darüber, daß die Ruhrbergarbeiter dem Ruf der Berg
nisse überwinden zu können.
Kommunistische Ruhraftion erledigt.
Bochum , 8. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Im Ruhrbergbau streiften am Donnerstag von rund 132000 Bergarbeitern noch 859, und zwar auf Zeche Westfalen 215, de Wendel 270, Thyssen III/ VII 143, Thyssen VI/ VIII 34, Beckerwerth 75, Neumühl 36, Thyssen II/ V 46 und Lohberg 240 Mann. Der fommunistische Streit fann nunmehr als völlig zusammen gebrochen gelten.
Geschäftsgeheimnisse Hugenbergs.
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Verschwundene Aften. Wie Alt- Preußen den Schert- Verlag rettete.
Der Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtages über die Borgänge bei der Preußischen Zentralgenossenschaftstasse nahm am Donnerstag einen Vorbericht entgegen, den der Berichterstatter Kuttner( Soz.) über die Sanierung des Scherl Ber lages aus Mitteln des Staates durch die Preußenkasse gab. Der Verlag August Scherl tam im Jahre 1913 infolge unsinniger Spetulation feines Begründers August Scherl ins Wanken. Scherl plante den Berkauf seiner Stammanteile an die Firma Rudolf Mosse , die bereits seit 1911 eine Anteilsminorität besaß. Darob großer Schrecken in höchsten und allerhöchsten Kreisen! Wie der Professor Ludwig Bernhard, ein Intimus Hugenbergs, in seinem Buch über den Hugen berg- Konzern ausführt, fürchteten der Kaiser und seine Umgebung damals eine Berjudung" des konservativen Berlages. Sie mandten sich in ihrer Not als Retter an die Bankiers Baron Salomon von Oppenheim und Louis Hagen ( vormals Levy).
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Durch diese wurde die Berjudung abgewendet( Stürmische Heiter feit). v. Oppenheim und Hagen gründeten den Verlagsverein, der durch besonderen Erlaß des Preußischen Innen- und Justizministers die Rechtsfähigkeit erhielt. Ein außergewöhnlicher Vorgang! Obwohl dieser Verein 7% Millionen Mart in das banterotte ScherlUnternehmen stedte, mußte er im Jahre 1915 erkennen, daß min destens weitere 8 Millionen fehlten. Der Verein wandte sich in einem Schreiben an den Ministerialdirektor im Landwirtschaftsministerium Herrn v. Hammerstein, der damals die Uebernahme des ScherlBerlages organisiert hatte mit der Beschwerde: die Regierung hätte den Verein hereingelegt, fie müffe jezt zur Sanierung weitere acht Millionen zahlen, davon 6 Millionen sofort. Abschrift dieses Schreibens, das im Weigerungsfalle der Regierung mit Ronturs anmeldung des Vereins drohte, erhielten der Reichsfanzler v. Bethmann Hollweg und der Landwirtschaftsminister v. Schorlemer, die sich gleichfalls seinerzeit um die Sanierung des Scherlverlages bemüht hatten. Die Regierung erklärte jedoch, aus ,, unbekannten Fonds" nur eine Million beisteuern zu können. Wegen des Restes wandte sie sich an die rheinisch- westfälische Schwerindustrie, und zwar an die Herren v. Kirdorf , Krupp . usw.
Diese beauftragten den ersten Direktor der Firma Krupp , Herrn Alfred Hugenberg , mit der Durchführung der Transaktion. Die Sache wurde, wie Prof. L. Bernhard mitteilt, da sie der Regierung fehr peinlich war, mit äußerster Verschwiegenheit durchgeführt. Es wurde so wenig wie möglich Schriftliches zu den Aften gegeben, die Korrespondenz erfolgte unter De d namen. Hugenberg gründete, um die Sache noch unauffälliger zu machen, einen Verein mit dem Sig in 2übed und schob unbekannte Personen in den Vordergrund. Im übrigen stellte Hugenberg bei einer Revision fest, daß nicht 8, sondern 17 Millionen insgesamt Defizit vorhanden waren, nämlich 7 beim Verlagsverein und 10 beim Scherl- Berlag. Um die 7 Millio nen des Verlagsvereins zu decken,
zeichnete die Schwerindustrie 6 Mi, 1 Mill. gab die Regierung. Obwohl die 6 Mill. gegenüber den bereits vorhandenen 7% Mill. Anteilen des Verlagsvereins eine Minderheit darstellten, errang die Sugenberggruppe gleichwohl die Majorität im Berlagsverein, da sie fich für ihre Anteile boppeltes Stimmrecht erzwang. So
wurde die Hugenberg - Gruppe unbeschränkter Diktator im Scherlschen Berlagsunternehmen.
An diese Darstellung Ludwig Bernhards knüpfte der Bericht erstatter die Bemerkung, daß der Ausschuß festzustellen habe, ob außer der von Ludwig Bernhard festgestellten 1 Million noch wei tere Regierungsgelder direkt oder indirekt( z. B. in der Form von Darlehen an den Berlagsverein) in diese Transaktion geflossen seien. Im Landtag hat der Abg. Heilmann sich auf ein Schreiben vom Jahre 1914 bezogen, worin der damalige preußische Innenminister v. Dallwig die Preußenkasse anweist, dem Verlagsverein das notv. Dallwitz die Preußentasse anweist. dem Verlagsverein das not wendige Geld zur Verfügung zu stellen. Der ehemalige Bizepräsident der Preußenkaffe, Herr Geheimrat Gläser, habe auch bereits ertlärt, daß er seinerzeit auf Anweisung etwa 5 Millionen Mark an den Verlagsverein ausgezahlt habe.
Auf Anfrage erklärte der Vertreter der Preußentasse, daß trok eifrigen Suchens
lage voraus."
Hätte Curtius gesagt, es fönne in Genf vielleicht doch etwas Bernünftiges herauskommen, wie hätte man den ,, unverbesserlichen Illusionisten" gehöhnt!
Curtius fann es machen, wie er will, auf alle Fälle macht er es verkehrt.
Dieses aber ist die Hauptthese der Anklage gegen ihn: Er versteht es nicht, die ,,, nationalen Energien", die durch den 14. September entfaltet worden sind, für Deutschland nutz bar zu machen. Darum muß er fort und ein anderer an seine Stelle, der diese Kunst besser versteht.
Die Anflage ist nicht neu. Sie wurde auch gegen Stresemann erhoben. Die nationale Opposition, sagte man, sei für jeden Außenminister ,, ein wahres Gottesgeschenk". Denn erstens sei sie geeignet, ihm den Rücken zu stärken", und außerdem könne er sie bei allen Verhandlungen ,, als Trumpf ausspielen".
Man sieht, ein Gegenstand von vielseitigerer Verwend barkeit ist nicht so leicht zu finden. Schade nur, daß die ,, nationale Opposition" von den vielen ihr nachgerühmten Eigenschaften feine einzige befigt!
Jeder, der sich mit offenen Augen in der Welt umsieht, weiß, daß die außenpolitische Lage Deutschlands seit dem 14. September nicht besser, sondern schlechter geworden ist.
Besser hätte sie nur werden können, wenn die Welt, vom Siege Hitlers erschreckt und nun aus Angst zur Nachgiebigfeit geneigt wäre. Aber jedermann weiß, daß dieser Effekt nicht eingetreten ist. Das Zittern gefriegt hat nur das deutsche Bürgertum; die meisten seiner Führer verharren gegenüber dem Sieger vom 14. September in demutvoller Ergebenheit. Bei den leitenden Staatsmännern des Auslandes ist aber eine ähnliche Wirkung nicht zu bemerken.
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Was der 14. September draußen geweckt hat, ist nicht Aftenvorgänge bei der Preußenkaffe nicht mehr aufzufinden Angst, sondern Mißtrauen. Mißtrauen in die Verfeien. Die Aften feien entweder im Jahre 1924 unter der Präsident tragstreue Deutschlands , Mißtrauen in den Friedensfchaft des Geheimrats Semper vernichtet worden oder aber der willen Deutschlands , Mißtrauen in die politische Stabili zur Zeit der fraglichen Vorgänge im Amt gewesene Präsident tät Deutschlands . Dadurch wird wieder der deutsche Kredit Heiligenstadt habe sie zusammen mit seinen Privat aften turz vor seinem Tode im Jahre 1921 verbrannt. Diese geschädigt und die deutsche Wirtschaftskraft geschwächt. Ein Mitteilung erregte um so größeres Aufsehen, als gleich darauf ein wirtschaftlich und politisch zerrütteter Staat ist selbst wenn Brief eines jezigen Oberlandesgerichtsrats in Celle , damaligen Justi- er eine größere Militärmacht besitzt als das gegenwärtige tiar bei der Preußenfasse verlesen wurde, aus dem hervorgeht, daß Deutschland nicht start, sondern schwach. Ein schwacher, unter der Präsidentschaft Heiligenstadt umfangreiche Konferenringsum in Mißtrauen eingesponnener Staat kann keine starte en stattgefunden haben, die sich mit der Kreditgewährung oder Außenpolitik treiben. Geldauszahlung an den Verlagsverein beschäftigt haben. Die Be- Wenn trotzdem an der Theorie von dem ,, Gottesgeschent teuerungen des deutschnationalen Abg. Kaufhold, daß bei der Sa- der nationalen Opposition" festgehalten wird, so geschieht das nierung des Scherl- Verlages fein Pfennig Staatsgeld beansprucht worden sei, konnten angesichts dieser Tatsachen nur ironische Heiterkeit zum Teil aus jener Unfähigkeit, auch nur die einfachsten polierregen. Der Ausschuß beschloß, das Staatsministerium zu ersuchen, Bürgertums typisch ist, zum andern Teil aber aus innenerregen. Der Ausschuß beschloß, das Staatsministerium zu ersuchen, tischen Zusammenhänge zu begreifen, die für weite Kreise des bei sämtlichen Ministerien Umfrage zu halten, ob 2ften über politischer Spetulation. diese Vorgänge vorhanden sind.
direktor
Der Berichterstatter betonte, daß die Schrift Ludwig Bernhards Anhaltspunkte dafür gebe, daß trotz aller Geheimniskrämeret noch gewisse schriftliche Aufzeichnungen vorhanden sein müssen, Herr Bernhard solche zum Teil wörtlich zitiere. Der Ausschuß beschloß ferner, eine Anzahl 3eugen zu vernehmen, darunter Geheimrat Gläser von der Preußenkaffe, den ehemaligen MinisterialD. Hammerstein, der jetzt deutsch - hannoveranischer Reichstagsabgeordneter ist, Prof. Ludwig Bernhard und ferner den ehemaligen Ministerialdirektor im Finanzministerium Meidenbauer, der zur Zeit der Scherl - Sanierung Referent für die Preußentasse war und jetzt einer der führenden Männer des Hugen berg- Konzerns ist. Schließlich soll auch vernommen werden Ministerialdirektor a. D. Kauß, der zur fraglichen Zeit in der Preußenfaffe führend tätig war, was der deutschnationale Abg. Kaufhold mit großem Eifer, aber vergeblich abzuleugnen fuchte.
Die Bernehmungen werden Anfang Februar stattfinden. Man fann darauf gespannt fein, ob sie in eine der mysteriösesten Angelegenheiten bes Raiserreiches Licht bringen werden.
Es tommt den Herrschaften gar nicht darauf an, eine bessere deutsche Außenpolitik zu erzielen. Sie wollen vielmehr nur die Außenpolitik als Vorspann benutzen, um zu ihren innerpolitischen Machtzielen zu gelangen.
Zu Helfferichs Zeiten hat die ,, nationale Opposition" immerhin etwas mehr Intelligenz, aber nicht weniger Fanatismus und Lungenkraft entwickelt als heute. Bald darauf erklärte Stresemann, er werde genötigt sein, die Deutschnationalen in die Regierung hineinzunehmen, sonst würden sie so stark, daß die Führung der deutschen Außenpolitik unmöglich werde. Die Deutschnationalen wurden in die Regierung genommen und setzten eine 3ollerhöhung nach der andern durch. Aber außenpolitisch wurden sie fromm wie die
Lämmer.
Damit soll nicht gesagt sein, daß es ein andermal wieder fo fommen müßte! Im Gegenteil! Bekämen die ReventIom und Rosenberg Einfluß auf die Außenpolitif, so