Nr. 147 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Hochhaus am Lützowufer
mauer
es
In dem Reigen der Hochhäuser, die im letzten Jahr im Berliner Westen aufgeschossen sind, verdient das sogenannte Rhenaniahaus am Lützoroufer besondere Ermähnung. Ist doch der erste verkehrsbebensichere Bau der Welt. Eine ungeheuré Betonvon 8 m Tiefe, zwischen der Bendler- und der Regentenstraße, bildet die Fundamentierung für den bis 13 Geschosse • hohen Bau; die Erschütterungen des starken Auto- und Lastkraftragenverkehrs auf der KöniginAugusta- Straße merden durch diese Mauer aufgefangen und die Pfeiler des mächtigen StahlskelettBaues bleiben frei von jeder Schwingung. 2400 t Stahl hat der Bau verschlungen; die Ausmauerung des Stahlskelettes erfolgte durch Gasbeton; leichter als Wasser, läßt sich dieser fabrikmäßig hergestellte Beton nach Belieben bohren und fräsen und ist dabei ein hervorragender Wärmeisolator. Die Außenhaut wird mit Travertin verblendet. Stahlfenster in Form von Lichtbändern geben den Büroräumen helles Licht. Terrassen- Dächer sind| Der imposante Bau, der hoch über die benachbarten Tiergartenals Erholungsstätten für die Angestellten angelegt. Eine Frischluftversorgungseinrichtung schafft dauernd frische Luft in die Büroräume; sie wird im Sommer gekühlt, im Winter vorgewärmt. Eine Sprinkleranlage schützt die unteren Geschosse selbsttätig oor Feuerausbreitung. In den Kellergeschossen, die von der Bendler- bis zur Regentenstraße mit Kraftragen durchfahren werden können, liegen Garagen für 40 Autos, für die auch eine eigene Tankstelle vorhanden ist.
Das Opfer des Wahnsinnigen. Die Frauenieiche im Walde bei Bertenbrück gefunden.
Die Bermutung der Berliner Polizei, daß die 33jährige Meta Ischierten, über deren ungeklärtes Beifahwinden wir gestern berichteten, einem Berbredjen zum Opfer gefallen ist, hat durch das Auffinden der Leiche der Vermisten ihre fredliche Bestätigung gefunden. more turquo
Der Täter der 46jährige Händler Bruno Funte aus der Warschauer Straße, befindet sich zur Beit als Geistestranter in der Heilanstalt Buch. Er wird wegen des Berbrechens taum zur Berantwortung gezogen werben tönnen, da er sich nicht zum ersten Male. unter der Obhut der Irrenärzte befindet. Es besteht faum ein Zweifel, daß Funte, der zu der Ermordeten ein Berhältnis unter hielt und sehr eifersüchtig war, in einem Wahnsinnsanfalt die Frau erschossen hat. Meta Tschierten, die am Schlesischen Bahn hof Männerbekanntschaften anzufnüpfen pflegte, war mit Funke, der in der Gegend den Spiznahmen der Sierjude" führte, weil er mit Butter und Eiern handelte, seit 1½ Jahren bekannt. Seit dem 18. März war das Mädchen plöglich verschwunden und balb wurde in ihren Kreisen genunkelt, daß der Eierjude" sie umgebracht habe. Die Polizei konnte aber wenig ermitteln, da Funte bei einer vor
Gerhart
Mosher Schicksa
89)
,, Stiefmüterchen würden schnell darauf wachsen, wenn man noch ein bißchen düngt", sagt Andreas.
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,, Grassamen habe ich noch ein bißchen zu liegen, für ringsherum, meine ich", stottert Maschte ungeschickt sie sprechen noch lange davon, kommen gar nicht los davon. Bis es Andreas Korn endlich auffällt, daß Lene immer fort schweigt. Aengstlich unterbricht er:„ Aber das muß sich ja natürlich nach Fräulein Papendiecks Wünschen richten." Da fährt jedoch Lene aus ihrer Bertäumtheit auf: Ach nein, meine", fie findet nichts Passendes, Herrschaften" paßt nicht und man muß die Anrede verschlucken. ,, ach ja, ich bin Ihnen allen ja so dankbar... nein, Ste müssen nicht abminten, ich fage das ja gar nicht, weil sich das so gehört. es fommt bloß fo raus... ich meine es aber viel herzlicher... ich weiß nur gar nicht, wie ich das sagen soll. Herr Schmizer hat einen halben Morgen Land weniger, und daß Ihr schöner Baum fort ist, das habe ich mohl gesehen, Herr Korn... und ein Heinzelmännchen hat thm sogar die letzten Liebesdienste erwiesen und ihm ein ein Totenhemb angezogen, meinem lieben, lieben Bater Jetzt erst ist es aus mit ihrer Fassung: sie schlägt mit der Stirn auf den Tisch und weint hemmungslos.
Sie figen alle respektvoll dabei und schweigen; nur Korn stopft und entzündet umständlich seine Pfeife. Als das Streich holz aufflammt, gibt es in Lenes Haar einen fleinen Wider fchein, denn es ist schon dämmrig im Raum; Schmizer sieht das flüchtige Spiel des Lichtes, und sein brauner, großer Blid tommt nicht mehr los von ihrem Scheitel.
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Als sie sich gefaßt und die Tränen getrocknet hat und nun steif und tapfer aufrecht sigt, zwei rote, gequcllene Kreise unter den buschigen Brauen und dennoch sehr schön und nicht eher, darf man wohl zu trösten beginnen. ,, Sie find ja noch jung, Lene", sagt Luise Korn. Ihre neue Stellung wird Ihnen darüber weghelfen, und über haupt Berlin .
Wohnvillen hinausragt, umschließt einen umbauten Raum von 83 000 cbm. Im Frühjahr 1930 rourde er begonnen; eine Materialbrücke beförderte mittels Großbagger und Transportband Kies und sonstiges Baumaterial direkt von den Lastkähnen am Landwehrkanal über die Straße zur Baustelle. Im Oktober 1931 soll der Riesenbau, dessen Entwurf von Prof. Fahrenkamp stammt, unter der Bauleitung des Ing. Dürr bezugsfertig sein.
fichtigen Bernehmung in der Heilanstalt einen schweren Tobsuchtsanfall erlitt. Der Zufall brachte die Polizei der Klärung des Berbrechens schnell näher. In der Forst von Bertenbrüd bei Fürstenwalde a. d. Spree stieß der Replerförster gestern vormittag bel einem Kontrollgang auf die Leiche einer Frau, die offen. bar durch zwei Kopfschüsse den Tod gefunden hatte. Der Förster hatte in der Zeitung von dem Verschwinden der Tschiertey gelesen und er glaubte, daß die Tote vielleicht die Gesuchte sei. Der Ban jäger nahm den Befund furz auf und gab die Meldung sofort an das Berliner Polizeipräsidium weiter. Zwei Beamte begaben sich mit mehreren Zeugen, die zu den Betannten der Ermordeten gehörten, nach Berkenbrüd, dort konnte die Tote einwandfrei als die vermißte Tschierten identifiziert werden.
Die Tat wird sich so abgespielt haben, daß Funte seine Geliebte, als er hinausfuhr, um Einfäufe zu machen, mitgenommen hatte. Unterwegs ift es zwischen beiben zu Streitigteiten getommen. Bon sinnloser But übermannt, muß Funte, der vermutlich stets eine Waffe bet sich führte, um sich gegen räuberische Ueberfälle zu sichern, zur Pistole gegriffen und seine Begleiterin niedergeschossen haben. Borher muß es noch zu einem Handgemenge gekommen sein. Die Frau hat sich noch verzweifelt ge wehrt, denn Funke fehrte mit blutbejubelten und völlig zerkragten Händen nach der Tat in seine Wohnung zurück.
,, Ach nein", sagt Lene und steht auf, als tönne fie das Nächste nicht im Sigen sagen. Sie tritt an den Schrant, lehnt sich fest daran, die Hände auf dem Rücken geschloffen, die Augen fest auf den Tisch gerichtet, die Stimme sehr sicher: Ich nehme die Stellung nicht an." Und nach langer Bause, in der niemand spricht, nur Korns Bfeife schmurgelt und ber Ofen bullert und irgendwas im Raum gemütlich ist trog Tod und Elend: Ich bleibe hier."
Wieder ist die Bause sehr lang. Dann sagt Korn be dächtig zwischen Zug und Bug: ,, Sie müssen mir's nicht übelnehmen: das verstehe ich noch nicht."
Aber da springt Schmiger auf; es hält ihn nicht mehr. Er weiß selbst nicht, was in ihn gefahren ist; es ist auch nicht Mut, woraus er handelt, wenn man nicht 3wang von innen als Mut bezeichnen will. Er tritt zu Lene, reißt ihr die Hand hinter dem Rücken hervor und preßt sie: Aber ich verstehe das, Fräulein Bapendied, oh, ich verstehe das so gut! Es ist sehr schön von Ihnen, daß Sie hier bleiben..." Dann verschluckt er sich und setzt sich wieder, mit denselben fahrigen Bewegungen, die Andreas vorhin ein unwillkürliches, Nanu" entlodt hatten ein Nanu", das die Aufforderung der andern von seinem Berhalten am besten widergab.
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Sie aber, die Lene, sie führt die von Schmizer hervor gezogene Hand zur Stirn und streicht etwas heraus, Haar oder Bedenten oder so wes, und die Bewegung sieht sehr ruhig aus: Jawohl, ich bleibe hier. Ich habe das eingesehen, was der Pastor gesagt hat. Und gefallen hat mir's gar nicht in Berlin ; jetzt nicht mehr. Ich mache auf dem Boden weiter, auf dem Bater aufgehört hat. Und ich bitte Sie, daß Sie mir doch alle dabei helfen möchten. Nicht viel, jeder hat mit fich zu tun, nicht soviel, wie gestern und heute; nur fon bißchen." Und als sie sieht, daß alle genicht haben und Herr Schmiger aufgeregt mit den Händen durch die Luft gefahren ist: Dante schön. So. Und nun will ich die Lampe anstecken."
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Anna Maschte nimmt ihr das ab; dazu muß sie erst die Hände aus denen ihres Mannes lösen, der sie rasch noch einmal streichelt, ehe sie aufsteht: alle sehen es mit Berwunde rung. Und dann finden sie, daß das Lampenanmachen der Anna Maschte sehr gut steht.
Die Petroleumlampe wird auf den fleinen Tisch vor Papendiecks Sessel gestellt; sie sehen alle, daß das Buch mit Und den gesammelten Landwirtschaftlichen Ratgebern" noch auf geschlagen daliegt. Zuerst müssen fie lächeln; dann jedoch denten sie wieder an die Not, die Papendied erwürgt hat,
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Sonnabend, 28. März 1931
Rumpfmagiftrat regiert.
Wahl des Oberbürgermeisters am 16. April.
Am Mittwoch, dem 1. April, triff das neue Berlingeset in kraft. Damit scheiden automatisch die bisher im Umf befindlichen zehn unbejoldeten Stadträte aus. Nach dem neuen Gesetz besteht der Magiftrat aus 18 Mitgliedern, davon sind 6 unbefoldete Stadträte. Wie wir hören, wird der Stadtverordnetenvorsteher Genosse Haß die erste Stadtverordnetenversammlung nach Inkrafttreten des neuen Berlin - Gefehes für den 9. April einberufen. In dieser Sitzung soll der Stadtgemeindeausschuß und die neuen sechs unbefoldeten Stadträte gewählt werden. Die so dringliche Wahl des neuen Oberbürgermeisters foll das Stadtparlament dann endgültig in seiner Sigung am 16. April vornehmen. Bis dahin wird Berlin von dem Rumpfmagistrat regiert werden. Diese Tatsache zeigt, wie dringend notwendig jetzt die Neubesetzung der leerstehenden Magistratestühle geworden ist. Man weiß im Rathaus im Augenblid noch nicht, wie die im Amt verbleibenden Magiftratsmitglieder bis zur Neuwahl der freien Stellen die Fülle von Arbeit bewältigen follen.
Der ehrgeizige Herr Scholz hat sich, wie wir schon mitteilten, boch noch bereit erklärt, seine Geschäfte als Bürgermeister bis zur Wahl des neuen Berliner Oberhauptes weiterzuführen. Dann wirb er das Rathaus für immer verlassen. Er erhält auf Grund seines Bertrages, auf den er wie ein Shnlod besteht, fein volles Gehalt in Höhe von 33 300 Mart bis 1936 weitergezahlt. Von den sechs unbesoldeten Stadträten wind die Sozialdemokratie zwei Stadträte zu stellen haben. Einen Vertreter entfendet die Mitte, einen Vertreter die Deutschnationalen und einen Vertreter die Kommunisten. Der sechste Stadtrat muß zwischen Deutschnationalen und Kommunisten ausgelost werden.
Um den 75- Millionen- Kredit.
In der Donnerstagfißung hatte die Stadtverordnetenversamm lung der Aufnahme des neuen 75- Millionen- Kredits, der im Zufammenhang mit dem Preag- Geschäft der Stadt Berlin gewährt werden soll, ihre Zustimmung versagt. Der Beschluß war bekanntlich zustande gekommen, weil das Zentrum zusammen mit Deutsch nationalen und Nationalsozialisten gegen die Aufnahme des Kredites gestimmt hatte. Die Stadtverordneten haben nun aber damit über einen Kredit Beschluß gefaßt, dessen Aufnahme lediglich Sache des magistrats ist. Die betreffende Borlage war dem Stadtparlament auch nur zur Renntnisnahme überreicht worden. An der Sachlage hat sich also nichts geändert, wenn auch der Magistrat felbst der Ansicht ist, daß das Angebot in der jegigen Form noch eingehender verantwortungsbewußter Prüfung unterliegen muß.
Drei Kinder in einer Truhe erflict. Erschütternde Folgen eines gefährlichen Spiels. Budapest , 27. Mäes.
In einer nahe gelegenen Ortschaft trochen drei Kinder in 26mesenheit der Eltern beim Spielen in eine große Truhe plöglich tlappte der mit einem Schnappschloß verfehene Deckel der Truhe zu und die kinder waren gefangen. Die Eltern, die erst nach einigen Stunden heimfehrten, entdeckten zu ihrem Entfehen die entfeetfen Körper der Aleinen, die elend erflict waren.
Hochstapler Gantner entsprungen.
Aus dem Rudolfa Birchow- Krantenhaus entsprang der 31 Jahre alte Untersuchungsgefangene Eugen Gantner, der im Auguft vorigen Jahres als Spion und hoch stapler vers haftet worden war. Gantner lag im Krantenhaus wegen starter Darmblutungen. Sohn wohlhabender Eltern und anfangs Student der Rechte, dann auf die schiefe Ebene geraten und wegen Betrugs
und die auch die ihre ist; und Andreas sagt langsam und ernst: Ich will Ihnen ja gern helfen, Fräulein Lene. Aber wie Sie das machen wollen, das weiß ich wirklich nicht; ich weiß ja nicht mal, mie ich's machen soll."
Aber Herr Schmitzer hat heute seinen großen Tag: er mischt Korns Sorgen mit einer Armbewegung fort, die dem beinahe die Pfeife gekostet hätte. Ach was! Fräulein Papendied hat vorhin ganz richtig gesagt: wenn wir uns nur alle helfen, dann wird's schon gehen!"
,, Das habe ich ja gar nicht gesagt, Herr Schmizer, das fagen Sie!" mehrt Lene ab und muß lächeln.
,, Aber es ist so richtig, als ob Sie's gesagt hätten!" schreit Herr Schmizer und hat das Kompliment noch nicht einmal beabsichtigt.
,, Richtig! Richtig ist vieles, aber darum ist's noch nicht möglich!" fagt Andreas fast wütend. Und dann traurig: Beim Sterben fann man sich helfen im Stubbenland. Beim Leben nicht"
,, So?" zerbricht Schmizer respektlos die trübe Stille. Warum hat denn Ihr Herr Bater" er nicht zu Lene hindie Hypothek nicht bekommen? Weil er bloß achtzehn Morgen hatte! Und warum würden Sie feine friegen, Herr Korn? Ünd Herr Maschte nicht? Weil Sie bloß sechzehn oder zehn Morgen haben. Und ich habe zwar fünfundfünfzig, aber die sind ungerodet und weniger wert als fünf fultivierte, ich würde auch kein Geld darauf bekommen!"
,, Na also!" fnarrt Korn und rückt ein Stück von seinem gefährlich gestikulierenden Widersacher meg.
Aber der rückt ihm nach, indem er sich über den Tisch legt, und zählt dicht vor Korns Gesicht an den Fingern ab: Aber zusammen, zusammen haben wir sechzehn, sechsundzwanzig, vierundfünfzig, hundert Morgen! Zusammen friegen wir drei Hypothten! Zusammen, Herr Korn! Verstehen Sie denn nicht?"
,, Nee. Wie wollen Sie denn das Land zusammenlegen, das vier verschiedenen Parteien gehört? Wollen Sie's auffaufen?"
,, Nein." Schmißer steht endgültig auf. Aber eine Genossenschaft will ich gründen!"
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Das Wort flatscht geradezu vor Korn auf den Tisch. Entschuldigen Sie man, Fräulein Bapendied", bemäntelte er feinen Rückzug, daß hier so geschrien wird, gerade heute." ,, Oh", sagt aber Lene, ich finde, daß da vieles dran richtig ist, was Herr Schmizer jagt. Wenn's auch laut gejagt ist. Mein Vater sagte seine Sachen auch laut."( Forts. folgt.)