Rr. 147 48. Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Zu kurzes Glück.
Aus der Neubauwohnung in die Arbeitslosigkeit.
Jeden Sonntag, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, wallfahren Tausende von Wohnungsuchenden an alle Enden der Stadt. Nach Heinersdorf , Ruhleben, Zehlendorf und Tempelhof gleichermaßen. Männer und Frauen, junge wie alte, klettern Sonntag für Sontag unverdrossen über Berge von Balten und Sand, tasten sich in den Treppenhäusern von ungeputzten Rohbauten mühselig umher, noch ist keine Tür da, die sich aufmachen und fein Geländer, das sich anfassen ließe. Und wo die Neubauten schon fertig sind und der erste blonde Frauenkopf zum Fenster hinausschaut, wird dieser Kopf von den unten vorbei Defilierenden bestaunt als etwas, das beinahe alles Glück auf Erden erreicht hat.
Fünfzigmal bin ich heute kreuz und quer durch die ganze Baustelle geklettert, mir ist ganz schwindlig und Fusseln habe ich wohl auch am Mund", seufzt der Angestellte des Vermietungsbüros, der Kolonne um Kolonne durch den Neubau führt und geduldig alle
Viertelstunde von vorn erklärt: Hier sehen Sie ein Muster unserer geräumigen 3weizimmerwohnungen mit Zentralheizung und Warmwasserversorgung. Beachten Sie die einbruchsicheren Korridortüren, die modernen Gasherde in der Küche, die Handwasch becken in den Bädern, die gute Sonnenlage der Zimmer, ihren regel mäßigen Schnitt, die herrliche Aussicht auf die Grünanlagen,
Es ist wahrhaftig alles gut und schön, ebenso wie die achtzig Mart, allmonatlich auf den Tisch gelegt, ein Bazen Geld sind, aber wenn es noch diese achtzig Mark wären, denn das dicke Ende tommt hinterher: Zu der Miete kommt noch ein kleiner Zuschlag für Zentralheizung und Warmwasser in Höhe von fünfzehn Mart", jagt der Erklärer. Dann verfliegt das Lächeln auf den strahlenden Mienen der Wohnungsuchenden und enttäuscht machen die Kolonnen wieder fehrt. Doch viele Wenig machen ein Viel. Wenn von jeder zweiten Kolonne nur ein Begeisterter hängen bleibt, dann sie dies schon fünfundzwanzig entschlossene Mieter, und so kommt es, daß innerhalb kurzer acht Tage ein Neubaublock mit seinen zweihundert Wohnungen anstandslos vermietet wird. Der Andrang zu den Neubauten scheint der Krise direkt ins Gesicht zu spotten.
Aber die ehernen Geseze der Krise fennen feinen Spaß. Wer jetzt durch Wittenau oder Johannisthal oder Friedrichsfelde geht, der sieht die Möbelwagen aneinander vorbeifahren. Die einen ziehen voller Hoffnung ein und die anderen voller Betrübnis aus. Auch Neubauwohnungen sichern teine Immunität gegen das Gespenst der Arbeitslosigkeit. Für die Scheidenden bleibt nur die Erinnerung an ein paar furze Tage des Glücks. Es wird uns immer wieder gesagt, daß wir nur arme Proletarier sind.
Die Heiratsschwindlerin
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und der Mann, der eine gute Partie machen wollte.
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anzeige vom Tode ihres Baters ein. Auf der Rückseite standen einige Zeilen von der Mutter an den Zukünftigen der Tochter:„ Sei gut zu Maust" usw. Herr 3. bezahlte 300 M. für die Trauerkleidung. Jetzt war Frau X. auch Erbin des väterlichen Gutes Grauen. Als Herr 3. sich das Gut ansehen wollte, bekam Frau X. Krampfanfälle; es sei unmöglich, das Gut zu besuchen; es traf auch ein Brief vom Pächter des Gutes ein: man trachte Frau X. nach dem Leben. Und jeden Tag kamen neue Briefe von ,, Mutti", von ,, Ontel Franz". und von„ Onkel Gustav", von der„ Schwägerin Frieda" und von der„ Tante Trude", ein Brief zärtlicher als der andere. Die zu fünftige Verwandtschaft" betrachtete 3. bereits als den Shrigen, weihte ihn in alle Familiensachen ein, dankte ihm, daß er zu ,, Mausi", das heißt zu Frau X., so gut ist. Bald hatte der Onkel Gustav die ihm anvertrauten Gelder unterschlagen, bald hatte sich Onfel Franz im Gefängnis erhängt, und
Heiratsschwindler erlebt man in Moabit oft genug. Eine| waltskosten zu bezahlen. Sie erhielt es. Dann traf die TrauerFrau als Heiratsschwindlerin gehört dagegen zu den Seltenheiten. Vor furzem lernte man aber in der Person der Frau X., einer üppigen Blondine, vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte auch diese Abart von Betrügerin kennen. Heiratsschwindlerin?! Wenn ein Mann eine Frau um ihres Vermögens willen lieb" geminnt, zu ihr in Beziehungen tritt, Vaterfreuden entgegensieht und die Frau, um sich die Liebe des Mannes zu erhalten und ihm Gald aus der Tasche zu ziehen geschieht ja auch sonst - ein Lügengebäude, das sie, einmal aufgerichtet, immer weiter funstvoll ausbaut, ist sie dann eine Heiratsschwindlerin? Allerdings lag der Fall der Frau X, fomplizierter. Ueber ihre Vergangenheit erfuhr man soviel wie gar nichts, wohl aber, daß sie von ihrem Manne, einem Oberingenieur, geschieden wurde, unter anderem, weil fie zwei Jahre lang sein Guthaben plünderte, aus Liebe zum Mann und um seine Wünsche zu erfüllen", oaß fie auch ihrem Rechtsanwalt vorfpiegelte, fie habe große Summen zu erwarten und daß sie das Lügennek monatelang gesponnen hatte. Das Gutachten der Heil- und Pflegeanstalt, in der sie damals, 1922, auf ihren Geisteszustand untersucht worden war, sprach von
pathologischer Lügenhaftigkeit,
Don einer Unfähigkeit, Wirklichkeit und Phantasie voneinander zu trennen. Sie glaube an die Romane, die sie anderen erzählt. So war es auch diesmal.
Frau X. lernte eines schönen Tages den Architekten 3. fennen. Sie führte sich unter dem Namen ihres früheren Mannes ein, obgleich ihr das gerichtlich verboten worden war, erzählte, daß er tot sei und daß fie aus der Berwertung seiner Batente 400.000 m. zu erwarten habe. Sie brauche aber Geld, um die An
immer wieder brauchte Mausi Geld.
Die Mutter lag angeblich sterbenstrant im Sanatorium, die Aerzte rechnung mußte bezahlt und Reisen unternommen werden, bald nach Hamburg , bald nach Magdeburg oder Braunschweig usw. Jedenfalls, wenn Frau I. Geld brauchte, trafen Briefe und in Mengen Telegramme ein, die irgend ein Unglüd oder dergleichen mehr vorTelegramme ein, die irgend ein Unglück oder dergleichen mehr vor täuschten. So hieß es zum Beispiel einmal: Ontel Gustav ist zu fammengebrochen, grünes Kleid anziehen, damit sie abgelenkt wird, Mutter fommt sicher durch. Auch konnte Frau X. äußerst freigiebig sein. Sie telegraphierte ihm eines Tages: Einen dunkelblauen Mercedes , ein Biersizer, habe ich für dich gekauft. Ein anderes Mal: 6000 M. find an die Commerz- und Privatbant überwiesen. Natürlich war alles Humbug und stummten alle Briefe und Telegramme
* Durch Qualität zur Umsatzsteigerung, durch Umsatzsteigerung zur Preissenkung!
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Sonnabend, 28. März 1931
Don Mausi" selbst. Als der Architekt in der Hoffnung auf zukünftigen Vermögenssegen sich seine Liebe bereits etwa 4000 m. hatte tosten lassen, wurde er plötzlich hellhörig. Er forschte nach einer Cousine in Magdeburg , die nie gelebt hatte, stellte Ermittlungen in Braunschweig an und ließ Frau X. verhaften. Das Ge= richt verurteilte die Heiratsschwindlerin zu se chs Monaten Ge fängnis.
Eigentümlicherweise fand die Verhandlung, obgleich Frau X. bereits seit einem Monat in Untersuchungshaft figt, vor dem Schnell gericht statt. Sie hatte auf die Einhaltung der gesetzlichen Frist verzichtet. Man fragte sich aber, ob die Aburteilung solcher Fälle Aufgabe des Schnellgerichts ist und ob es nicht doch richtiger gewesen wäre, einige weitere Feststellungen über Frau X. zu machen. Vielleicht hätte man auch einen psychiatrischen Sach verständigen hören sollen.
Mörder nicht verantwortlich.
Im August 1930 hatte der Weichenwärter Brüggemann, wie erinnerlich sein dürfte, auf einem Laubengelände in Nowa- wes aus Eifersucht zwei Frauen erschossen. Brüggemann wurde dann in die Landesirrenanstalt Görden bei Brandenburg übergeführt und hier auf seinen Geisteszustand untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung liegt jetzt vor. Danach ist Brüggemann für seine Tat nicht verantwortlich zu machen. Es soll jedoch noch ein Obergutachten von dem gerichtlichen Aerzteausschuß für die Provinz Brandenburg in Berlin eingeholt
werden.
2. bis 5. April: Die stille Woche.
Am Donnerstag, 2. April, und Sonnabend, 4. April 1931, dürfen in Theatern, Zirkussen, Lichtspieltheatern, Varietés, Kabaretts und sonstigen Vergnügungslokalen, sowie auf Bergnügungsplägen nur ernste Darbietungen stattfinden. Bom Donnerstag, 2. April, 20 Uhr, bis Sonntag, 5. April einschließlich, find öffentliche Tanzlustbarteiten, am Karfreitag auch alle nichtöffentlichen Tanzluftbarkeiten in öffentlichen Vergnügungslokalen und öffentlichen Versammlungsräumen verboten. Am Karfreitag, 3. April, find Theater, Zirkusse, Lichtspieltheater, Varietés, Kabaretts, Konzert- und sonstige Bergnügungslokale und-pläge grundsätzlich geschlossen zu halten. Nur folgende Ausnahmen sind zulässig: a) die Aufführung von Bühnenwerken religiösen oder legendären Inhalts, b) die Vorführung von Filmen religiösen oder legendären Inhalts, c) die Veranstaltung von Konzerten mit geistlicher Musik.
In Lotalen mit Schantbetrieb jeder Art sind jedoch alle musikalischen Darbietungen verboten.
Ordner der Proletarischen Feierstunden treffen sich zur Jugendweihe Sonntag, 8 Uhr, vor der Volksbühne.
Zirkus Carl Hagenbed bleibt nur noch wenige Tage in Berlin und spielt täglich zweimal, 3½ Uhr nachmittags und 8% Uhr abends. Wesentlich ist, daß nachmittags nicht nur Kinder, sondern auch Er- wachsene auf allen Blägen halbe Preise zahlen.( 50 Pf. bis 4 M.) Die riesige Tierschau, die die seltensten Tiere des Erdballs zeigt, ist täglich von 10 bis 18 Uhr durchgehend geöffnet. Erwachsene 50 Pf., Kinder 30 Pf. Eintritt. Der Zirfus ist sehr gut zu erreichen. Er liegt direkt an der U- Bahnstation Gneisenauftraße. Außerdem halten die Straßenbahnlinien 3 und 141 ebenfalls dicht vor dem Zelt. Der Zirtus ist stets angenehm geheizt.
Spart für die Sommereife! Die gegenwärtige Wirtschaftsnot zwingt piele Menschen, entweder auf ihre Urlaubsreise ganz zu verzichten oder die Ausgaben dafür auf das äußerste einzuschränken. Der Reichsausschuß für sozialistische Bildungs. arbeit bietet die Möglichkeit, das Geld für die Urlaubsreise, die gerade für den Werttätigen besonders notwendig ist, durch geringe Monatsraten zusammenzubringen. Eine Anzahl schöner Reisen führen nach Tirol, in das herrliche Unterinntal und nach Innsbruck . Diese Reifen fosten bei 14tägiger Dauer( je nachdem, wann man anfängt zu sparen) 100 bis 112 Mart.
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Billig Kaufen und billig Fahren ist zweierlei
Die Frage des wahren Gebrauchswertes, die Frage der Wirtschaftlichkeit auf die Dauer steht beim Kauf eines Automobils heute mehr denn je im Vordergrund.
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Wer es sich irgend leisten kann, wählt daher gleich ein richtiges Automobil- von 2 Liter Hubvolumen aufwärts- auch da wieder eine Marke, deren Ruf sichere Garantien bietet. Denn, daß es Unterschiede gibt zwischen„ PS" und" PS", das hat sich allmählich herumgesprochen. Billig kaufen und billig fahren ist zweierlei... Der unentwegte Verkaufserfolg unserer Typen Adler Favorit( 2 Liter), Adler Standard 6( 3 Liter) und Adler Standard 8( 4 Liter) erfüllt uns unter den gegebenen Verhältnissen mit doppelter Freude; ist er doch ein schlüssiger Beweis dafür, daß wir unserem Ziel: Deutschlands leistungsfähigste, zuverlässigste und wirtschaftlichste Gebrauchs- Fahrzeuge zu bauen, so nahe gekommen sind, wie dies nach dem gegenwärtigen Stande der Autotechnik überhaupt möglich ist.
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