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Guilav Junghans:

Herrn Hornemanns Chance

Anton Hornemann pflegte schon seit langer Zeit in ein und demselben kleinen Bigarrengeschäft feinen Rauchbedarf zu decken. Und zwar erschien er an jedem Sonnabendnachmittag und verlangte fünf Zigaretten zu fünf Pfennig und für fünfzig Pfennig Abfalltabat. Die fünf Zigaretten rauchte er am Sonntag. Er rauchte sie zu einer Lasse Kaffee mit soviel umständlicher. Vorbereitung, aus­geflügelter Verschwenderpose und feierlicher Grandezza, daß er selbst der festen Ueberzeugung wurde, er habe ein Kraut zwischen den Lippen, das eines Banderbilt würdig sei. Für die übrige Woche mußte der Abfalltabat reichen, denn Anton Hornemann war in einer fleinen Bibliothek in fleiner Bibliothekar mit noch viel fleinerem Gehalt. Die Bergnügungen, mit denen er seine freie Zeit ausfüllte, hielten sich im Rahmen seines Labatlurus und bestanden vornehm­lich aus Phantafie und Geldmangel

An diese sonnabendlichen Tabakseinfäufe schloß sich regelmäßig ein längeres, nicht aufregendes Gespräch mit Herrn Siedebold, dem Inhaber des Zigarrenladens, der Anton schon seit vielen Jahren kannte und eine große Sympathie für ihn hatte nicht so sehr als prominenten Kunden, was selbstverständlich erscheint wie als netten, bescheidenen und harmlosen Menschen.

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Als Anton eines Sonnabends wieder wie gewöhnlich den kleinen Laden betrat, bemerkte er zu seinem großen Erstaunen hinter dem Ladentisch nicht das gewohnte, ein wenig unrafierte Gesicht Herrn Eiedebolds, sondern das einer hübschen jungen Dame. Anton war enttäuscht, verwirrt und erfreut zugleich.

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Enttäuscht denn er war auf ein würdiges Männergespräch mit Herrn Siebebold vorbereitet; verwirrt denn sein Umgang mit Frauen hatte sich vorzugsweise auf seine schwerhörige Tante Emma beschränkt, und erfreut, nun ich bitte Sie, warum ist ein junger Mann erfreut, wenn er ein hübsches junges Mädchen sieht?! Ist Herr Siedebold nicht da?" fragte er zunächst. Nein, mein Onkel ist im Augenblick nicht da" sagte die junge Dame,., mas wünschen Sie, bitte?"

Ich fann unmöglich, schoß es Anton durch den Kopf, zu diesem wunderhübschen Geschöpf sagen, daß ich für fünfzig Pfennig Abfall­tabak haben will. Das würde einen schauderhaft tläglichen Eindruck machen. Er griff verstohlen nach seinem Schlips, mit dem er stets einen entnerpenden Kleinfrieg führte und der sich auch in der Tat wieder an irgendeiner finnlosen Stelle verborgen hielt.

,, Geben Sie mir, bitte, zehn Sechs- Pfennig- Zigaretten!" fagte er dann leichthin, tonnte aber nicht verhindern, daß ihn hierbei ein leises hochstaplerisches Gefühl überfam.

,, Welche Marte?" fragte sie.

"

Ja... hm...", Anton erklomm mutig einen fleinen Gipfel der Sicherheit ,,, ich nehme immer die Semiramis." Er erhielt

Mario Mohr:

seine Semiramis", legte sein Geld auf den Tisch, grüßte und war wieder draußen, ehe er auch nur den Versuch einer Unterhaltung gemacht hatte. Er ging durch die Straßen, dachte an die junge Dame und verrauchte binnen einer halben Stunde fünf Semiramis", ohne nachher eine Ahnung davon zu haben.

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Am Montag faufte sich Anton einen hervorragend schönen Schlips, band ihn um, suchte den Zigarettenladen auf und erwarb zehn Semiramis", wobei er mit Herrn Siedebolds Nichte zehn Worte wechselte. Er erfuhr hierbei, daß Herr Siedebold auf einige Zeit verreist war. Die Zigaretten und das Erlebnis hielten bei fparfamster Haushaltung zwei Tage vor, dann mußten beide drin­gend erneuert werden Neuer Schlips! Sechs- Pfennig- Zigaretten! man sieht, daß Antons Ausgaben die bedrohlichen Formen eines verschwenderischen Lebenswandels annahmen. Aber er schlug alle Gewiffensregungen mit dem Argument nieder, daß er sich diese kleine Chance oder das, was einmal eine kleine Chance werden konnte, nicht durch einen schlechten Eindruck und falsche Sparsamkeit ver­mauern wollte. am folgenden Sonnabend brachte er es fertig, in ein Gespräch mit ihr zu fommen.

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Endlich

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Was sie so den Tag über treibe, fragte er sie, nachdem er seine zehn Semiramis" verlangt hatte.

Handarbeiten machen in Gesellschaft der Großmutter und des Schäferhundes Nero , flagte sie Es fei schrecklich langweilig, aber ihr Onfel habe ihr streng verboten, auszugehen, sie sei aus einer klein­stadt, und er sei furchtbar besorgt um sie.

,, Dh" fragte Anton teilnehmend ,,, hat denn Ihr Onkel gar keine Bekannten?"

,, Ach, einen befreundeten Herrn nannte er mir, auf den er sehr große Stücke zu halten scheint. Wenn der fäme, sagte Onfel, sollte er mit der Großmutter sprechen, und dann könnte ich mit ihm spazieren gehen, scoft ich wolle."

,, Soso" machte Anton. Eine herzhafte Eifersucht hatte ihn gepact. Leider", fuhr die Kleine fort, ist dieser Herr nicht gekommen. Schade, es soll ein famoser Kerl sein, wissen Sie. Aber Onfel meinte, an diesen Herrn zu schreiben sei nicht notwendig, denn der Herr fäme jeden Sonnabend, den Gott werden ließe, und hole fich fünf Sigaretten und für fünfzig Pfennig Abfalltabaf und er heißt, glaube ich... was ist Ihnen?" unterbrach sie sich.

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,, Oh nichts!" sagte Anton und bemühte sich, gleichgültig aus­zusehen, während er eine temperamentvolle Rede an sich selbst hielt. Dann stürzte er mit einem dumpfgemurmelten Gruß hinaus. Herrn Siedebold, der in diesem Augenblic eintrat, gerade in die Arme...

Insektenleben der Eiszeit

Manchmal wundern wir uns, daß wir so viel aus den ältesten| Zeiten der Erde wiffen; daß die Steine, wenn nicht uns allen, To doch den Gelehrten ein beredtes Zeugnis aus den grauen Vorzeiten der Erbe ablegen. So ein Fund, der uns nichts oder nicht viel sagt, ist für den Wissenschaftler, der nach ihm gräbt und an ihm forscht, eine Quelle vielseitiger Erkenntnisse, aus denen er die Geschichte der Welt in der Vorzeit erkennt, die Tiere und Pflanzen beschreibt, die damals lebten, und von den Uranfängen des Menschengeschlechtes die Schleier zieht. Bas damals auf der Erde lebte, wurde wieder zu Erde ; die Erde verſteinte, und in diese Steine hinein ist das Ge­heimnis ihres einstigen Lebens gewebt. An allen Eden und Enden Der Erde hat man solche Funde, piele nach langem Euchen, die meisten zufällig gemacht und fich so allmählich ein Bild von der Ent midlung der Flora, der Fauna und des Menschen machen tönnen. Man hat das Wadysen seiner Gestalt und seines Geistes, seine Wert­zeuge, seine Waffen, seine primitive Kunstentwicklung erforscht; man meiß in großen Umrissen, weldje Pflanzen und welche Tiere in den

Wahrscheinlich benutzte er Holz­

meitere Platten mit oft bis zu zwanzig, dreißig verschiedenen Laufs und Kriechspuren in Wallertheim aus und schafft sie ins Mainzer Naturkundemuseum, wo sie in oft langer und mühevoller Arbeit bestimmt und gedeutet werden. Diese Wissenschaftler sind wie die Kriminalbeamten. Finden die aus den Fußspuren einen Verbrecher, so finden die Paläontologen aus den Laufspuren die Tiere der Vor­zeit. Dieser Steckbrief verrät sie. Man hat das in Mainz hauptsäch­lich auf eine geradezu raffiniert einfache Beise gemacht. Indem man über frischen, feuchten Lehm die verschiedensten Insekten und Würmer unserer Zeit frieden ließ man derglich die neuen Laufspuren mit den alten und erhielt auf diese Weise Anhaltspunkte über die Insektenwelt dieser Eiszeitperiode

Direktor Schmidtgen erklärte mir auf meine Frage, der Wert dieser Platten sei unschäzbar weil man sie auf der ganzen Welt nicht findet und sicherlich auch kaum in dieser Erhaltung und Anzahl Es sind ihm die kostbarsten Stücke seines jemals finden wird. Museums, und für andere hat man ihm schon Millionenbeträge geboten. Nicht aber dieser angenommene oder tatsächliche Wert macht den Wissenschaftlern so viel Freude an diesen seitenen Insektenspuren, sondern der Umstand, daß man aus ihnen wieder ein ganz neues und nicht geringes Stück Erkenntnis gewinnen kann aus den frühen Tagen unserer alten Welt, aus der Umgebung, in der die ältesten Borfahren unseres Geschlechts lebten.

Waller Appelt:

Was ist ein Mädchen?

Babba, was issn ä Mädchen?

Du willst mich wohl feräbbeln?

Nee. Was issn ä Mädchen?

Das weeßde doch. Das weeßde doch gans genau! Awr du kenndest mirs ruhig mal sagen. Ich frage nämlich aus enn gans besddimmden Grunde.

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Also meindwegen. Ae Mädchen ja, wie soll ichn das fagen? We Mädchen, das iss- nu, ähm ä Mädchen. S Gegen­deil son enn Buhm. Ae Schulmädel.

So, das wollde ich heern. Ae Mädchen, das is also a Schul­mädchen. Unn nu muß ich dich noch was fragen! Da bin ich amr sehr geschpannt off deine Andword: Was issn à junges Mädchen? Wie du bloß off solche tomische Fragen tommst. Ae junges Mädchen, das isf cens, was aus dr Schule iff. Schon halb unn halb a Freilein.

Sifde, das wollde ich ooch heern. Das habb ich nämlich schon gewußt, daß du das sagst.

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Da häddsde mich doch nich erscht zu fragen brauchen. Dia. Das iff nämlich sehr indressant.

Was denn? Da find ich nischt Indressandes drbei. Awr ich. Daß nämlich enne weibliche Bersohn sozusagen immer jinger werd.

Was soll dn das heeßen? Junge, schoreng doch nich mit folchen Schbißfindigkeiden unneedj dein Geist an!

Nu, iewrleg drsch doch mal: Erscht iss ä Mädchen ä Mädchen, bloß so, eefach ä Mädchen, weider nischt. Unn wenn se älder werd, da isse off eemal à junges Mädchen. Das ferschdeh ich nämlich nich. Unn das sollst du mir mal erflärn.

Was gibods denn da zu erklärn? Das iff nu eemal so. Awr das isf doch fr'rickt. Findsde nich ooch? Ae Mädel fann doch nich bleßlich jung sinn, unn forher war ses nich.

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Nadierlich war die erscht ooch schon jung. In Gegendeil, da war se doch sogar noch jinger.

Na also. Da missde das doch grade umgelehrt heeßen. -Da hasde schou recht. Awr ich fanit doch ooch nich drfor, daß das nich so iss.

Ber beschdimmòn das?

Das weeß doch ich nich.

Ich denke, das befchdimmt ihr Großen. Ihr duht doch sonst immer so gescheit in allen.

meist jüngere Tiere zu erlegen. fpeere und allgruben zur Jagh. Allmählich baute man diesen versteinerten Tümpel mit seinen zahlreichen und wertvollen Dokumenten der Borzeit immer mehr ab und gelangte auf die Sohle. Es ist ein seltener Zufall, daß eine Fundstelle so gut erhalten ist. Die einzelnen Bodenschichten des Sumpfes waren, durch feine Naturgemalt verschoben oder zerstört, in ihrem Urzufstand im Laufe der Jahrtausende immer härter und fchließlich zu Stein gemorden, so daß man jetzt die einzelnen Ab­lagerungen in Form großer Platten abheben konnte. diesen Platten fand man, auf der einen vertieft, auf der anderen erhaben, genau ineinander passend wie Gießform und Gußplatte, diese Laufspuren Heiner Eiszeitinjeften und würmer, über deren wär ä Eingeschbändnis, daß du nich mit geifdigen Waffen famfen Existenz man bislang nichts wußte. Immer noch gräbt man zurzeit| fannst

verschiedenen Zeiten lebten, und welche neuen fich aus den alten Heino Landrock:

entwickelten. Bäume sind versteinert; Pflanzen und Fische haben sich zwischen Steinen abgepreßt; aus Knochen, Zähnen, Schädeln hat man die Tiere rekonstruiert, die damals lebten

Aber ist das nicht nur ein ganz einer Ausschnitt, vom Zufall bewahrt, von noch größerem Zufall wieder entdeckt? Wie war es

Und auf

Du, wer nich frech!

Nu, siff doch wahr! Wemmer eich so reden heert...

Daß ich dir nr nich noch baar neinhau!

Das sieht dir schon ähnlich. Amr meeffde, was das war? Das

In der Sprechstunde eines Tierarztes

Ein Mann betritt das Sprechzimmer eines Spezialarztes für

mit den fleinen und fleinsten Tieren? Mit Käfern, Insekten, Bür Hunde und Katzen. Er führt einen fleinen, furchtsam dreinschauenden den Hunde- und Kazenbesitzern über die Patienten berichten läßt.

mern, mit all' dem winzigen Getier, das doch sicherlich auch damals schon freuchte und fleuchte? Darüber mußte und weiß man bis heute so gut wie nichts. Ein Fund, merkwürdig, zufällig und von unschäß barem Wert mird aber bald in dieses Dunkel Licht bringen.

In Rheinhessen , dem engeren Bezirk des geologisch so inter­essanten und an Funden reichen Mainzer Beckens, hat man etmas aus der Tiefe geholt, was bislang auf der ganzen übrigen Welt noch nicht entdeckt worden ist: große Tonplatten mit einer Un Summe deutlich erkennbarer und tadellos erhaltener Laufspuren von vielerlei Injetten und Würmern und Kleintieren der Eiszeit. Ge­

nauer zeitlich bestimmt, da es ja verschiedene Eiszeiten gab: des erften Eisvorstoßes der sogenannten Würm- Eiszeitgruppe, während beren das Mainzer Beden eine große Lössteppe war. Diese Funde,

über die in einiger Zeit zum erstenmal, wissenschaftlich berichtet werden soll, haben eine interessante Geschichte Schon seit Jahren beutet man in Wallertheim eine reiche prähistorische Fundstelle aus. In Ballertheim, einem kleinen Ort am Wiesbach in Rheinhessen in der Nähe liegt am gleichen Wiesbach ein anderer Ort, der durch feinen Wein bekannt geworden ist: Gau- Bickelheim hat man in einer Ziegelei direkt am Bahnhof die ersten Funde gemacht. Die Ziegeleibefizer zeigten sich den Interessen und Wünschen der Forscher zugänglich, und so wird dort nicht nur nach Ton für Ziegel, sondern auch nach den Zeugnissen der Borzeit gegraben. Der Leiter des Mainzer Naturhistorischen Museums, Prof. D. Schmidtgen, der eins der reichsten Heimatmuseen verwaltet, weil dieses die besten und wertvollsten Bestände und viele Unika, die es auf der ganzen Welt faum noch in dieser Erhaltung gibt, direkt vor seiner Türe findet, überwacht diese Ausgrabungen, die einen alten Eiszeitfumpf bloß­gelegt haben, an den die Tiere zur Tränke gingen. Zuerst fand man Ueberreste der verschiedensten Tiere, fand Knochen, Schädel und Zähne von Bisons, Pferden, Hirschen, Renntieren, Nashörnern, Schweinen. Großkazen, Bären, Eisfüchsen, Mammuts, Bühlmäusen und Steppenmurmeltieren. Dann fand man die ersten Knochenstücke, die menschliche Bearbeitung aufwiesen, schließlich auch noch Stein­werkzeuge. Alles deutet darauf hin, daß an diesem Sumpf eine Jagdstelle gewesen ist. Während das Bild zur Tranfe tam, hielt sich der primitive Mensch in der Steppe verborgen und suchte zu TEASTTUTE OF/ 201SHOMOMON

Pinscher an der Leine.

den Hund hinab. Ich möchte den Hund töten lassen" sagt er und sieht dabei auf Warum?"

Ich bin arbeitslos."

Als er geht, fließen ihm Tränen über die Baden.

ihr gelebt hat. Sie geht ins Stift, weil sie ihre Wohnung nicht Eine alte Frau fommt mit einem Kater, der ein Jahrzehnt mit mehr halten kann. Nun muß sie den Kater hergeben, weil im Stift vierbeinige Hausgenossen nicht geduldet werden.

Soll ich ihn töten laffen?" fragt fie, ständig den Kopf schüttelnd. einstweilen im Kazenheim abgeben, vielleicht finde sich ein anderer Herr. ,, Nein, nein, nein, fein anderer." Das Tier von sich streckend, das Gesicht abgewendet, übergibt sie den Kater dem Arzt.

Was soll der Tierarzt sagen? Schließlich meint er, fie folle ihn

Biele Gründe gibt es, die die Menschen zwingen, sich von ihren Begleitern zu trennen. Hunde werden am häufigsten in den Tagen gebracht, in denen die Steuer fällig ist. Wie soll man die Steuer bezahlen tönnen, wenn man selbst kaum fatt zu essen hat!

In der Sprechstunde eines Tierarztes herrscht ein Ion, wie man ihn in den Räumen des Menschenarztes nicht fennt. Da unter­halten sich Besucher miteinander, zwischen denen sonst soziale Schranken ein Gespräch nicht auftommen lassen. Man tauscht Er­fahrungen in der Tierhaltung aus, man erzählt sich Streiche, die Hund und Kaze ausgefressen haben, man verurteilt die herzlosen Menschen, die für ein Tier nichts übrig haben. Der Gesprächsstoff geht niemals aus.

Auch unter den Patienten werden Bekanntschaften geschlossen. Ein Dadel nimmt mit sachtem Gewebel und kritisch zurückgestelltem Kopf die Huldigung eines Schäferhundes entgegen. Ein Schoßhund ftrampelt fo lange auf dem Arm seiner Herrin, bis er sich an der Begrüßung seiner Artgenossen beteiligen fann. Nur zwischen Hund und Katze besteht ewige Feindschaft. Knurrend und doch furchtsam umstehen die Hunde einen Kasten, in dem eine Kaze untergebracht ist. Die Tür zum Sprechzimmer öffnet sich, ein Terrier fommit stürmisch herausgelaufen, der Arzt tritt in die Tür: Bitte, der Nächste."

Der Tierarzt ist ein wohlwollender Mann, der sich zunächst von Dann schreitet er zur Untersuchung.

,, Also die Ohren sind es?" Eine fleine Angorafaße, die schmeichelnd den Kopf an der Hand der Pflegerin reibt, hat auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers Platz genommen.

Der Arzt umwidelt eine Pinzette mit Batte und taucht sie in eine Flüssigkeit. Die Pflegerin hält die Kaze an den Beinen fest. Der Arzt fäubert die Ohren, die Kaze mauzt leise.

,, Ohrenräude" sagt der Arzt. Daran leiden viele Razen, ich habe heute schon mehrere Fälle behandelt. Kommen Sie in vier Tagen noch einmal wieder." Der Batient ist entlassen, der nächste

fann hereingebracht werden.

zwölfjährige Hündin, die aber noch straff und gesund aussieht. Sie Eine Dame erscheint mit einem Boyer. Es ist eine bereits wird auf Typhus behandelt. Ruhig stellt sie sich auf den Tisch, der Arzt mißt die Temperatur und fühlt den Puls. Dann macht er

eine Einsprißung.

,, Wie ist der Appetit?" fragt er.

Immer noch schlecht."

Das Fieber ist aber heruntergegangen, der Höhepunkt der Krankheit ist vorüber." Er gibt noch Anweisungen und entläßt die Patientin mit einem freundlichen Klaps.

Immer neue Leidende kommen. Ein Dackel hat ein gelähmtes Hinterteil, er sieht verstockt und traurig aus. Einem Kanarienvogel wird ein Bein geschient. Ein junger Kater wird kastriert. Es sind Tierschicksale, die hier vorüberziehen, Schicksale, von denen wenig zu sagen ist, weil denen, die sie erleben, versagt blieb, davon zu reden. Der Arzt kann nicht fragen, er muß wissen, studieren. Be­wundernswert ist, wie alle Patienten stillhalten. Wohl weiß das Tier nicht, was mit ihm geschieht. Aber es riecht und steht eine fremde Belt, fremde Menschen berühren es und fügen ihm Schmerzen zu. Und doch hält es still.

Und wenn der Arzt neben das Tier hintritt und hält in der Hand die todbringende Flüssigkeit, auch dann ist es ohne Arg. Es weiß nicht um den Tod, es vertraut dem Menschen, auch wenn er fcin Dasein zerstört.

Möchte der Mensch dieses Vertrauen niemals mißbrauchen.