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Morgenausgabe vodi

Nr. 311

A 157

48.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenftimme", Technit", Blick in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" u. Stadtbeilage

1919

Vorwärts

Berliner Boltsblatt.

Dienstag

7. Juli 1931

Groß- Berlin 10 Pf.

Auswärts 15 Pf.

Die einspalt. Nonpareillezetle 80 f. Reflamezeile 5,- Rin. Kleine An­zeigen das fettgedrudte Wort 25 Pf. ( zulässig zwei fettgedruckte Morte), jedes weitere Wort 12 Bf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jedes weitere Wort 10 Bf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Bf. Familien. anzeigen Beile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Fernspr.: Dönhoff ( A 7) 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Endlich Einigung!

Aus Washington und Paris gemeldet.

New York , 6. Juli.

..Asociated Pres" meldet aus. Washington , daß end. gültig eine französisch- amerikanische Verständigung zustande gekommen sei. Nähere Meldungen stehen noch aus.

Paris , 6. Juli.

Die französischen und die amerikanischen Unter­händler haben sich über die Anwendung des Hooverschen Planes geeinigt.

Der Inhalt des Abkommens.

Paris , 6. Juli. ( Eigenbericht.)

Die französisch- amerikanischen Verhandlungen über den Hoover schen Vorschlag sind heute abend, furz nach 22% Uhr, auf der Grundlage des von der französischen Regierung vorgeschlagenen und von der amerikanischen Regierung angenommenen Entwurfes ab­geschlossen worden. Ministerpräsident Laval verlas nach der Be­ratung folgendes Kommunique:

,, Die amerikanischen Unterhändler haben bei Wiederaufnahme der Besprechung die Zustimmung ihrer Regierung zu dem fran zöfifchen Abkommensentwurf überbracht. Sie haben mitgeteilt, daß Präsident Hoover erklärt habe, das heute abgeschlossene Ab­

fommen

temme dem Geiffe des amerikanischen Vorschlages entgegen; es bleibe natürlich der Billigung der übrigen interessierten Bar­teien unterworfen, in deren Namen er feine Verpflichtung über­

nehmen könne.

Nach den vorgenommenen Meinungsaustauschen stellt die fran­zöfifche Regierung fest, daß fie mit der Regierung der Bereinigten Vorschlages und über die folgenden Bestimmungen überein Staaten über den wesentlichen Grundsay des Hooverschen stimmt:

1. Die Zahlung der Regierungsschulden wird vom 1. Juli 1931 bis 30. Juni 1932 aufgeschoben. geschütten Annuitäten, aber die französische Regierung erklärt 2. Die Reichsregierung zahlt jedoch den Betrag der un= sich, mas sie betrifft, damit einverstanden, daß die vom Reich ge­leisteten Zahlungen von der B33. in Garantiebonds der Reichseisenbahngesellschaften angelegt werden.

3. Alle aufgeschobenen Zahlungen werden unter den von der amerikanischen Regierung angeregten Bedingungen verzinst und in zehn Jahresraten vom 1. Juli 1933 ab amortifiert.

4. Dieselben Bedingungen werden auf die von der Reichseisenbahngesellschaft ausgegebenen Bonds angewandt. Ueber drei Puntte gibt die franzöfifche Regierung folgende Ertlärungen ab:

a) Eine gemeinsame Aktion der wichtigsten zentralen Notenbanken soll durch Vermittlung der BI3. zugunsten jener europäischen Länder organisiert werden, die durch die vorgeschlagene Aufhebung der Zahlungen besonders in Mitleidenschaft gezogen

werden.

b) Eine vorherige Vereinbarung soll zwischen Frankreich und der BIZ. darüber getroffen werden, daß Frankreich den im Falle

eines Moratoriums des Young- Planes vorgesehenen Garantie fonds nur durch monatliche Zahlungen auffüllt, die den Be­dürfnissen der B33. auf Grund der tatsächlich von Deutschland transferierten Zahlungen entsprechen.

Mellon und Edge haben darauf im Namen des Präsidenten Hoover und in ihrem eigenen Namen ihrer aufrichtigen Dantnischen Maßnahmen, die durch die Anwendung des amerikanischen c) Die Sachlieferungsfrage und die verschiedenen tech­barkeit gegenüber der französischen Regierung für die von ihr Borschlages und des vorliegenden Abkommens notwendig werden, vollbrachte edelmütige Anstrengung zugunsten der wirtschaftlichen sollen von einem Ausschuß von Sachverständigen geprüft Wiederherstellung der Welt Ausdruck gegeben. Ministerpräsident werden, die von den interessierten Regierungen bestimmt werden Laval hat den amerikanischen Unterhändlern für ihre attive Mit- und die die tatsächlichen Notwendigkeiten mit dem Geiste des arbeit und ihren Unternehmungsgeist gedankt, er hat den Wunsch Hooverschen Vorschlages in Einklang bringen müssen. ausgedrückt, daß die Initiative des Präsidenten Hoover die Ziele erreiche, die sie sich gesetzt hat."

Der Tegt des Abkommensentwurfes

lautet folgendermaßen:

Ruhe in München .

Hitler will flogen.- Universität arbeitet wieder.

München , 6. Juli. ( Eigenbericht.)

Seit Montag find vor dem Hitler Palais die Verhältnisse mieder normal. Der Berkehr ist zwar noch etwas lebhafter als sonst, doch scheint Hitler die Demonftrationen feiner jugendlichen Rowdys, die seit fünf Tagen die Bannmeile der Stadt in Unruhe gehalten haben, abgestoppt zu haben. Die uniformierten Boften find verschwunden, dafür patrouilliert auf den Gehsteigen da und dort ein polizeilicher Doppelposten.

In einem Aufruf Hitlers , den er in seinem Organ veröffent­licht, wird mitgeteilt, daß zur Feststellung der Rechts. midrigkeit der polizeilichen Maßnahmen, insbesondere des Bostenstehens auf parteieigenem Grund, eine gerichtliche Ent scheidung grundsätzlicher Art herbeigeführt werden soll. Zu diesem Zweck hat sich Hitler von dem nationalistischen Göttinger Rechtsanwalt Lütgebrune, der 1924 im Hitler- Putschprozeß Luden­dorff verteidigte, ein Gutachten anfertigen lassen. Lütgebrune ist so rasch im Braunen Hause in München eingetroffen, daß er zum Teil noch Zeuge der polizeilichen Aktion gewesen ist.

Einen heiteren Beigeschmad hat die Anzeige von 2.­Führern, die bei der Säuberungsaktion am Sonnabend ver­haftet und für einige Stunden im Polizeipräsidium festgehalten worden sind. Diese haben gegen den Polizeipräsidenten Strafan zeige wegen Freiheitsberaubung gestellt. Präsident Koch scheint sich aber nicht einschüchtern zu lassen, denn er hat neuerdings zwei Bersammlungen Hitlers verboten, die am Mittwoch im Zirkus Krone und in einem Bierfeller stattfinden sollten. Einigen Eindrud scheint es auf die Hafenkreuzheger auch gemacht zu haben, daß einer von den am Sonnabend verhafteten Rowdys von dem Schnellrichter bereits mit 6 Monaten Gefängnis bestraft morden ist.

Frankreich behält sich das Recht vor, von der deutschen Regie­rung die unerläßlichen Zusicherungen bezüglich der Ber­wendung des ihr zur Verfügung gestellten kredits zu ausschließlich wirtschaftlichen Zweden zu verlangen.

ein Ordnungsdienst tätig, dem 30 Studenten und einige Universitäts­beamte angehören. Das Rektorat hat allerdings mit diesem Ord nungsdienst den Bock zum Gärtner gemacht, denn er besteht im wesentlichen aus Nazistudenten undgerade aus jenen, die bei dem Skandal am Dienstag sich als die ärgsten Schreier

hervorgetan haben. Selbst der berüchtigte Führer des Nazistudenten bundes, Reese, tritt nun als Ordnungsmann mit einer gelben Arm­binde auf. Die Borlesungen des Professors Namiaffy verliefen am Montag ungestört. Gegen ihn richtet sich neuerdings cine Inter­pellation der Hakenkreuzfraktion des Landtages, die auch von den Deutschnationalen mit unterschrieben ist.

GG: Reichsführerschule verboten.

Abgefaßt bei verbotswidriger Uebung. München , 6. Juli.

Nach einer Meldung der Münchener Post" wurde auf dem Gelände der ehemaligen Orbis- Film A.-G. in Neu- Grünwald die Reichsführerschule der nationalsozialistischen SS. bei einer ver­botswidrigen Uebung in Uniform von der Gendarmerie feffgeftellt und aufgelöff.

Spaniens Verfassungsentwurf. Völlige Gleichstellung der Frau/ Freier Volksschulunterricht. Madrid , 6. Juli .( Eigenbericht.)

Die neue fpanische Verfassung, deren Entwurf jett fertiggestellt ist, sieht vor: Einheitsstaat mit der Möglichkeit provinzieller Autonomie, Zweifammer- System, Bräsidenten wahl durch das Parlament, Dauer des Präsidentenmandats 6 Jahre, Verantwortlichkeit des Präsidenten der Republik vor dem Kongreß, vollkommene Religions- und Kultusfreiheit, Ab­schaffung der Adelstitel, Gleichstellung der Frau, die mählen und gewählt werden und öffentliche Aemter befleiden fann, obliga torischer und unentgeltlicher Boltsschulunterricht. Möglichkeit der Enteignung von Grund und Boden im Staats­

Auch an der Universität, die am Montag vormittag wieder geöffnet wurde, scheint zunächst Beruhigung eingetreten zu sein. Der Zutritt zur Universität ist nur durch den Haupteingang in der Ludwigstraße gestattet und mur solchen Studenten und Hörern, die fich mit Barten ausmeijen tönnen, Innerhalb des Gebäudes interelle,

Postschedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u.Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemter Str. 65/66.

Stalin lernt um.

Zum Gaudium der fapitalistischen Presse.

Auf einer vor kurzem abgehaltenen Konferenz der sowjets russischen Wirtschaftsführer hat Stalin eine programmatische Rede über die neuen Aufgaben des Wirtschaftsaufbaues in der Buntten neue Methoden der Führung angeordnet. Zum Teil Sowjetunion gehalten, er hat dabei in einer Anzahl von sind diese neuen Methoden schon vorher eingeleitet worden, ihre Zusammenfassung aber wirkt wie eine programmatische Revision des Stalin- Kurses, und zwar deshalb, weil vieles von dem, was bisher die Sowjetpropaganda beherrscht hat, und damit auch die kommunistische Propadanda in Deutsch­streckt sich die Revision auf folgende Punkte: land, zum alten Eisen geworfen wird. Im wesentlichen er=

Einstellung der Hehe gegen die Spezialisten. Abschwächung des Interventionsgeschreis. Umwandlung der Wirtschaftsführer zu tatsächlichen Betriebsleitern.

Abschaffung der Fünftagewoche.

Anerkennung des Prinzips des differenzierten Ar­beitslohns.

Sentung der Selbstkosten der Industrie..

Diese Revision enthält das Eingeständnis, daß mit den bisherigen Methoden der Fünfjahresplan gefährdet ist. Sie ist ein neues Experiment, um das noch größere Experiment des Fünfjahresplans aufrechterhalten zu können. An der grundlegenden Tendenz des Fünfjahresplans, dem Aufbau einer Produktionsmittelindustrie durch die Selbstfinanzierung auf Kosten der Arbeiter und Bauern ändert sich nichts, wohl aber wesentliches an dem, was bisher die Mittel dieses Kurses

maren.

Die Abbremsung der Heze gegen die Spezia braucht man gegenwärtig doppelt bis fünfmal soviel In­listen ist aus der Not geboren. Nach den Worten Stalins genieure, technisches Personal und leitende Kräfte. Man braucht dazu die Intelligenz der alten Bourgeoisie. Da aber der bisherige Kurs Stalins sie als Schädlinge", als, Ber­schwörer", als Interventionisten" gebrandmarkt hat, und dazu den kapitalistischen Interventionsfrieg als afute Gefahr hingestellt hat, muß die Kriegspsychose und die Schädlings­furcht beseitigt werden. Also erklärt Stalin , die Intelligenz der alten Bourgeoisie habe sich inzwischen befehrt, sie habe einen Gesinnungsumschwung gezeigt, und man müsse also das politische Verhalten ihr gegenüber ändern. Er führte aus:

,, Was die Interventionshoffnungen der Intelligenz der Bourgeoisie anbetreffe, müsse man eingestehen, daß sie sich einstweilen als ein auf Sand erbautes Haus erwiesen hätten."

Es wird also einstweilen noch nicht der unmittelbar bevorstehende Interventionskrieg an die Wand gemalt. Es werden einstweilen keine Professoren und Ingenieure mehr mit Krylenkoschen Erfindungen prozessiert und erschossen. Einstweilen das fagt, daß Stalin feinen Frieden mit der alten Intelligenz schließt, es sagt nur, daß er sie braucht.

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Die diktatorische Betriebsleitung entspricht den Methoden, die bereits seit einiger Zeit eingeleitet sind. Die Abschaffung der Fünftage woche gesteht das Fiasko eines tollen Experiments ein, bei dem ausprobiert wurde, wie­weit unter dem Druck eines terroristischen Regimes der Mensch zum reinen Werkzeug erniedrigt werden kann. Die Rückkehr zur Sechstagewoche und zum gemeinsamen Sonntag zeigt, daß eine derartige Vergewaltigung nicht einmal am russischen Arbeiter unter der Knute Stalins möglich ist. Das kommu­nistische Propagandageschrei über diesen Punkt wird wohl nun verstummen.

Der wichtigste Punkt aber ist die Abkehr von der Lohn­gleichheit und die Rückkehr zum differenzierten Arbeitslohn.

,, Der Gleichstellung der Arbeitslosen, der ge= lernten und ungelernten Arbeiter müsse ent= schieden ein Ende bereitet werden. Marg und Lenin hätten gejagt, daß ein Unterschied zwischen gelernter und ungelernter Arbeit jogar beim Sozialismus selbst nach Beseitigung der Klassen bestehen werde und daß nur beim Kommunismus dieser Unterschied verschwinden müsse, und daß angesichts dieser Tatsache der Ar­beitslohn beim Sozialismus nach der Leistung und nicht nach den Bedürfnissen ausgezahlt werden müsse. In jedem Industriezweig und in jedem Betriebe seien führende qualifizierte Arbeitergruppen vorhanden, die an die Produktion nur dadurch gebunden würden, daß sie mit Hilfe von Arbeitsorganisationen, die den Arbeitern die notwendige Qualifi­fation ihaile, in eine höhere Lohnnie aniriden