Bekenntnisse schöner Seelen.
Die Razis und der Landesverrat.
Unter der Heberschrift: Landesverrat, Arbeiterverrat, Rorruption" hatten die Naziblätter im Süden der Provinz Hessen Nassau einen Bahlaufruf" veröffentlicht, der an bös milliger Entstellung das gewohnte Maß weit überschritt. Die Anmürfe waren in der nun auch schon lange nicht mehr originellen Beife in absichtlicher Planlosigkeit teils gegen die Sozialdemokratie, teils gegen die Regierung gerichtet, imm es dem gedankenlosen Nazileser zu überlassen, sie nach eigenem Geschmad auf diesen oder jenen Abreffaten zu beziehen. Wegen des schamlosen Vorwurfes des Landesverrates erließ der Oberpräsident der Brovinz Hessen- Nassau , Haas, ein zehntägiges Verbot der beiden Naziblätter.
Die in Raffel erscheinende Hessische Volkswacht" brachte nun die Mitteilung von diesem Berbot und gleichzeitig auf derfelben 3eitungsseite den Aufruf, dem sie nur die harmlosere Ueberschrift: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen", gab. Da wegen dieser offen tundigen Bronotation des Oberpräsidenten auch ein Verbot der Hessischen Boltswacht" zu erwarten war, baten die Berantwortlichen feierlich um Entschuldigung und veröffentlichten am Donnerstag( 21. April) ein bentwürdige Erflärung, in der es heißt:
Die Unterzeichneten erflären, daß sie dieses Versehen auf das lebhafteste bedauern und mit der Beröffentlichung feineswegs einen Protest gegen den Herrn Oberpräsidenten aussprechen wollten. Der Hauptschriftleiter unserer Zeitung hatte vielmehr die Beröffentlichung dieses Artikels ausdrüdlich untersagt.
Die Unterzeichneten bedauern das Erscheinen eines solchen Artikels auch deshalb, meil sie
es aufs schärfste verurteilen, wenn politisch Andersdenkende des Landesverrats beschuldigt werden. Sie sind vielmehr der Ueberzeugung, daß politifche Meinungsverschiedenheiten unter feinen Umständen dazu führen dürfen, den politisch Andersdenkenden
des Landesverrats zu bezichtigen.
Diese Stellungnahme war für unseren Hauptschriftleiter Beinhauer gerade die Ursache, die Veröffentlichung des Artikels zu verbieten. Nachdem die Unterzeichneten das Bersehen in der Zeitung fest gestellt hatten, haben sie dem Herrn Oberpräsidenten mündlich ihr Bedauern ausgesprochen.
Der Herr Oberpräsident hat nach Abgabe der obigen Erflärung, auf unsere Bitte hin, non einem Berbot unserer Zeitung Abstand genommen.
Raffel, ben 20. April 1932.
Auf für Braun- Severing.
An alle Gewerkschaftsmitglieder!
Die drei Bundesvorstände des gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Allgemeinen freien AngestelltenBundes und des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes erLassen folgenden gemeinsamen Aufruf:
Arbeiter, Angestellte und Beamte!
In fünf Ländern wird am 24. April der Kampf für und wider das System" ausgefochten. In An halt wie in Hamburg , in Württemberg wie in Bayern muß er unter dem Einsatz aller Kräfte der republikanischen Front geführt werden. Aber in feinem Lande ist der Ausgang dieses Kampfes von so schicksalsschwerer Bedeutung für die innen- und außenpolitische Entwicklung Deutschlands wie in Preußen.
Die Deutschnationalen haben es nicht ver wunden, daß seit über einem Jahrzehnt an der Spitze des alten Hohenzollernftaates" ein
fozialistischer Ministerpräsident steht.
Es paßt ihnen nicht in den Kram, daß die Weimarer Koalition gerade in dem klassischen Lande konservativer Vorherrschaft sich in allen Stürmen der wirtschaftlichen und politischen Krise unerschüt tert behauptet hat. Denn in dieser Koalition ver körpert sich das System", dessen Beseitigung seit Jahren ihr unablässiger Kampf gilt.
Das Preußen, in dem Braun und Severing die Führung haben, das getragen ist von allen auf bauenden Kräften der Arbeiter, Angestellten und Beamten, dieses Preußen, in dem es keine Gesinde ordnungen mehr gibt, feine Abstufung der Staatsbürgerrechte nach dem Geldbeutel, keine Koalitions. beschränkungen für Beamte,
dieses neue Preußen, in dem der Geist von Weimar den Geist von Potsdam überwunden
hat, ist das gewaltigste Hindernis für die Rückfehr des alten Obrigkeitsstaates wie für den Anbruch des Dritten Reiches" oder Sowjetdeutschlands.
Arbeiter, Angestellte und Beamte! Ihr habt auf preußischem Boden vor acht Monaten beim Volksentscheid Hitler , Hugenberg und Thäl mann geschlagen, ihr habt im letzten halben Jahre erlebt, wie brüchig die Harzburg- Mostauer Front " System". Was sie beseelt, ist nicht ein aufbauender ist. Was sie verbindet, ist der Haf gegen das politischer Gedanke. Ihre einzige Tricbkraft ist der fanatische Wille, unter allen Umständen an die Macht
zu kommen.
3m Reiche ist ihnen dieser Versuch zweimal mißlungen.
Die Reichspräsidentenwahlen haben gezeigt, daß die politische Vernunft trotz allem noch die Mehrheit hat. Das deutsche Volk will sein Geschick weder auf dem Felde der inneren noch der auswärtigen Politik den Gewaltpolitikern anvertrauen, die in den letzten Jahren zum Unheil unseres Landes gerade genug wirtschaftlichen Kredit und politisches Vertrauen verwirtschaftet haben.
Arbeiter, Angestellte und Beamte! Ihr müßt das eure dazu tun, klare politische Ver hältnisse in Deutschland zu schaffen! Ihr müßt endlich die innerpolitische Krise bereinigen, die die Wirtschaftskrise immer mehr verschärft und die Massenarbeitslosigkeit unabsehbar steigert!
3hr müßt am 24. April Hitler, Hugenberg und Thälmann zum dritten und letzten Male fchlagen.
Schützt das Syftem eurer Freiheiten und Rechte! Darum keine Stimme den Feinden der Weimarer Koalition! Roland Freisler ist Nazianwalt, Naziabgeordneter und Jede Stimme für Braun und Severing festigt das Fundament
gez. Ad. Rittershaußen.
fonft ein lautsprechender Held im Reiche des österreichischbraunschweigischen Messias. Beinhauer ist der Chefredakteur bes Raziblattes, Rittershaußen der Verlags- Berantwortliche. Sie erklären vor der Deffentlichkeit feierlichst, daß es eine infame Sache ist, wenn man Andersdenkende des Landesverrats bezichtigt. Sie geben damit nachträglich eine einwandfreie Begründung des Berbots der beiden anderen Naziblätter, aber darüber hinaus verdammen sie die ganze landläufige Agitation ihrer Partei, die auf dem infamen Vorwurf aufgebaut ist, die Novemberverbrecher, die Träger des Systems" und mie die Ausbrüde fonit lauten mögen, Der rieten das Land an feine wirtschaftlichen und politischen einde! Unter Roland Freislers Führung wird der Hitler Partei damit sozusagen notariell beglaubigt, daß ihre Propaganda auf das fchärffte zu ver teilen ist. Dies Bekenntnis schöner Seelen verdient des halb festgehalten zu werden.
Lügenmeldung über Eisenbahner. Einheitsverband der Esenbahner weift Schwindel zurüd. Gegenüber haltlojen Behauptungen über eine illegale tobilisierung" der Eisenbahner erklärt der Vorstand des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands :
Bie mir heute erfahren, haben einige Rechtsblätter in der Brooing und der Reichshauptstadt Gerüchte verbreitet, nach benen auf Veranlassung der Zentrale unferes Berbandes im ganzen Reiche Besprechungen und Versammlungen ftattgefunden haben, durch die Die Unterführer und Mitglieder des Verbandes mobilisiert werden follten. Die erwähnten Zeitungen knüpfen daran die Vermutung, daß diese Mobilisierung zu Zweden der Vorbereitung illegaler HandLungen( u. a. Sabotageafte) erfolgte.
Hierzu erklären mir folgendes:
Es ist unwahr, daß von Hauptvorstand des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands solche oder ähnliche Unmeifungen ergangen oder geduldet worden sind. Der Berband steht fest auf dem Boden der Reichsverfassung, so daß sich folche oder ähnliche Maßnahmen erübrigen. Zum Schuhe der Reichsverfassung wird der Verband erforderlichenfalls seinen Einfluß in legaler Beife geltend machen. Im übrigen beschränkt sich die Tätig teit des Einheitsverbandes allein auf die Erledigung gemeri schaftlicher Aufgaben. Hieraus ergibt sich, daß die Beteiligung an illegalen Bestrebungen und Bürgerkriegsvorbereitungen außerhalb des Tätigkeitsgebietes bes Berbandes liegt, fo daß eine Beteiligung der Mitglieder des Berbandes für solche Aufgaben maht in Frage tommt.
In einigen Zeitungen wird darauf hingewiesen, daß ein Gemertfchaftsfetretär in Stolp , ber u. a im Fräntischen Kurier" als Reichsgewerkschaftsfefretär" bezeichnet miro, fich in der genannten Mrt geäußert habe. Bir glauben nicht, daß hiermit ein Angestellter unſerer Organisation gemeint ist, da ſolche Aeußerungen den Tatfachen widersprechen würden."
Schmutz im Wahlkampf.
Auch der Zentrumsführer wird verleumdet. Gegen Genoffen Sepering ift eine verleumderische Broschüre non ben Nazis perbreitet morden, die aus der Bac meisterschen Smutzentrale von 1926 ftammi. Auch gegen den Führer des Zentrums, Prälat& a as, ist eine Berleumdungsbroschüre verbreitet worden, die den Titel„ Altoholfönig und Brälat, oder Sprit schiebungen Fluchtkapital und Zentrum" trägt. Zu den Verfassern gehört Herr Bacmeister. Brälat Raas hat eine einstweilige Berfügung bagegen ermirft und Strafantrag gestellt.
Die Vorunterfudung gegen die Brüder Lahusen ist munniehr abgeschloffen. Die Atten find der Staatsanwaltschaft zugeleitet
morben
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Drei Riefenversammlungen. GA- Banden veranstalten blutige Gaalfchlachten.
München , 22. Upril( Eigenbericht).
In drei Riefenversammlungen der Eifernen Front München sprach am Freitagabend der Berliner Bollyeipräsident Genoffe Grsefinsti. 20e drei Säle mußten fchon frühzeitig megen Ueberfüllung polizeilich gesperrt werden. Im Haderbräu und im Söwenbräufeller hatten sich je 200 bis 300 junge Leute der aufgelöften S rechtzeitig Plätze gesichert in der Absicht, die Bersammlungen zu iprengen. Schon beim Eintritt mußten einigen von ihnen Pflastersteine abgenommen werden. Während die Bersammlung in Wagnerbrau, wo Grzesinsti zuerst Sprach, völlig ruhig verlief, flörten die Hitlerbanditen die Hackerbräuversammlung und schon beim Referat des Abgeordneten Seifried fortgefeht derart, daß es schließlich zu einem Tumult und zu einer blutigen Saaljghlacht tam.
Innerhalb von zehn Minuten gelang es dem Reichsbanner mit Hilfe der Polizei, die das Ueberfallkommando herbeigerufen hatte, die Hafenkreuzstrolche aus dem Saal zu werfen. Etwa zwölf Berlehte, darunter auch Relchsbannerleute, mußten Sanitätshilfe in Anspruch nehmen. Jazwischen war Genosse Grzesinski gekommen und konnte unter begeistertem Beifall der Riefenverfammlung in vollkommener Ruhe sprechen.
Die größten Hitler - Rowdy's halten sich aber vor dem Löwenbräufeller verabredet, der felt 7 Uhr abends von einer riesigen Menfchenmenge umlagert war. Ein starkes Polizeiaufgebot hielt die Ordnung aufrecht. Grzesinski fam erst kurz nach 10 Uhr. kaum hatte er zu sprechen begonnen, als das Hakenkreuzgesindel fyftematisch mit Störungsversuchen und Sfint bomben arbeitete, die alle Warnungen des Bersammlungsleiters und des Ordnungsdienstes in den mind schlug. Als einige der rabiatesten Gefellen aus dem Saal entfernt werden mußten, begannen deren Mitverschworene mit Stühlen und Bierkrügen einzuschlagen, so daß im Nu eine blufige Schlägerei im Gange wor.
Hier dauerte es eine Biertelffunde, bis die Hakenkreuzbanden durch das Reichsbanner mit tatkräftiger Unterstützung der Polizei aus dem Saal hinausgeworfen waren und Genoffe Grzesinski unter tobendem Beifall feine Rede um 11 Uhr beenden konnte.
Soviel fich im Augenblid feststellen läßt, gab es hierbei 25 bis 30 Berlegte. Wieder einmal ist in München der Beweis erbracht, daß ohne Reichsbanner eine republikanische Bersammlung nicht durch. geführt werden tann.
Nazis als Bombenleger.
Aufklärung des Frankfurter Bombenattentats.
Frankfurt a. M., 22. April. ( Eigenbericht.) Die beiden Sprengstoffattentate gegen das Frank furter Rogi- Sino, die im Juli vorigen Jahres gelegentlich der Aufführung des Remarque - Films Jm Westen nichts Neues verübt wurden, haben seht ihre Aufklärung gefunden Bier Nationalsozialisten haben nach ihrer Berhaffung ein Geftändnis abgelegt, daß fie die drei mit Sprengstoff gefüllten Bleirohre in einem Nebenraum des Kinos niedergelegt und die Eierr handgranele, die im Borraum des Sinos, ohne leraard zu verletzen, explodierte, geschleudert haben. Die verhafteten Nazis find familich Unterführer der inzwischen aufgelöften Frankfurter SL Sie befunden, von ihren Führern in unbeftimmten Worten zu dem Attentat
aufgefordert worden zu sein. Nachher hätten die Führer allerdings nichts mehr von der Sache wiffen wollen.
Völlig überführt!
Dos Braune aus und die Borheimer Dofumente. Darmstadt , 22. April. ( Eigenbericht)
Auf eine Erklärung des Naziabgeordneten Best, daß der Ent murf zum Begheimer Dokument dem Braunen Hause in München nicht vorgelegen habe, ermibert die hessische Regierung mit einer Erflärung, der mir folgendes entnehmen:
Wenn Dr. Best und die Reichsleitung der NSDAP . nach pie por betonen, daß es sich bei den Borheimer Dokumenten um eine Brinatarbeit Bests handle, so sei daran erinnert, baß sein Schreiben vom 6. September 1931 an die Reichsleitung der NSDAP . am Brieftopf den Bermert trägt: NSDAP. , Gau Heffen, Rechtsabteilung. Darmstadt , Bismardstraße 11"( das ist die Adresse des Darmstädter Braunen Hauses), und zur Kennzeichnung der Unterschrift den Zusatz: Leiter der Rechtsabteilung des Baues Heffen der NSDAP ." Nach dieser ausdrüdlichen Unterstreichung des parteiamtlichen Charakters des Verfassers fann der Brief unmöglich als Brivatarbeit“ Bests angesprochen werden.
"
Uebrigens ist das beschlagnahmte Schriftftüd ein Durchschlag, während sich das Original des Briefes nicht mehr bei ben Parteiaften befand. Hätte Best das Original vernichtet, statt es bestimmungsgemäß abzusenden, warum follte er dann die Ropie aufbewahrt haben?
Die Ausreden Bests fallen aber vollends in sich zusammen durch éin anderes ebenfalls beschlagnahmtes Schriftstüd, das von Dr. Best persönlich unterzeichnet und von seiner Hand an bezeichnenden Stellen mit Aenderungen bzw. Streichungen verfehen worden ist. Es handelt sich um den Entwurf zu Bests Bresse, Dementi" nach Veröffentlichung der Borheimer Dokumente.
In der veröffentlichten Fassung dieser Erklärung heißt es an der fraglichen Stelle: Als von den Dienststellen der NSDAP. keine Weisungen... gegeben wurden..." Ursprünglich stand dagegen im Entwurf: Als von den Dienststellen der NSDAP . troz Anfrage feine Weisungen... zu erhalten waren..." Einige Seilen später hieß es ursprünglich im Mamaftriptentwurf: Da ich fe ft ft ellen(!) nußte, daß für diesen Fall von feiner verant mortlichen Stelle der Bewegung Vorsorge getroffen murde..." Dieser Sazanfang ist von der Hand Bests gestrichen worden.
Warum wohl? Ratürlich aus feinem anderen Grunde als bem, daß Herrn Dr. Beft, bevor er das Manuskript seiner Preffe in Sat gab, noch rechtzeitig einfiel, daß er mit der ursprünglichen Faffung Die Münchener Reichsleitung der NSDAP . vor aller Deffentlichkeit blosstellen würde."
Englischer Exportmord. 3mmer höhere Bölle.. Condon, 22. April.
( Eigenbericht) prmalfas
Die neue englifche Sollverardnung erhöht den für eingeführte Fertigmaren auf 20 Broz nom Wert the beschränkte Anzahl von Gütern wird mit 50 Broz., Lurus. maren mit 25-30 Broz, Ipulettenpräparate, fünftliche Blumen und Jumpelierwaren mit 30 Broz. telaftet. Die neuen Sofäße treten am Montag in Kraft.