Zeitungsnotiz.
In den ersten Jahren nach der Revolution war das Vogtland die Hochburg von Mar Hölz und heute hat Hitler dort einen beträchtlichen Anhang.
wenn
In Martineukirchen, dem Zentrum der sächsischen| ten, mar wohl ganz verschwindend gering. Dagegen flog ihm schnell Musikinstrumentenindustrie, haben die städtischen Kollegien in einer der politische Streusand aus proletarischen Kreisen zu und gemeinsamen Sigung. beschlossen, Hitler das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Auf Antrag der Nationalsozialisten wurde ferner beer seine Herrschaft im Schloß zu Falkenstein solange aufrechtschlossen, zu Hitlers Geburtstag das Rathaus zu erhalten fonnte, so hatte er das ausschließlich der Tatsache zu verbeflaggen und im Stadtverordnetenfizungssaal dauernd sein danken, daß weite Teile des Bürgertums seinem Treiben duldend, Bild anzubringen. vielfach sogar zustimmend gegenüberstanden. Fälle, in denen Fa brikanten und Fabrikantensöhne, die nie irgendwelche Verbindung mit dem Proletariat gehabt hatten, offene und versteckte Anhänger von Hölz waren, weil die Sozialdemokraten viel zu schlapp waren" maren nicht selten. Die damals auffallende Erscheinung, daß hinter Mar Hölz immer eine große Anzahl Frauen herzog, läßt sich erklären aus der großen Zahl der in der Zeit des guten Geschäftsgangs in das vogtländische Textilindustriegebiet zugereisten weiblichen Arbeitsfräfte, die nun alle brachlagen und unzufrieden, alleinstehend und fremd waren.
Wie ist das möglich? Die Bogtländer waren in den langen Borkriegs- Jahrzehnten sozialdemokratischen Gedanken viel schwerer zugänglich als die Arbeiter in anderen Industriebezirken Sachsens und des Reichs. Sie famen 1918 aber plöglich mit fliegenden Fahnen zur Sozialdemofratie und brachten ein Bündel voll besonders großer Hoffnun gen mit.
Die vogtländische Stickerei- Industrie, die weit überwiegend weibliche Arbeitskräfte beschäftigte und in der wohl neun Zehn tel der vogtländischen Bevölkerung ihr Brot fand, war fast aus schließlich Export- Industrie, die mit Ausbruch des Krieges sofort brach lag. Es erfolgte wohl auch im Vogtland die Umstellung auf Kriegsindustrie. Aber das war nur in sehr beschränktem Maße möglich. Die überzählige große Masse der arbeitslos gewordenen Arbeiterinnen und der Arbeiter, soweit diese nicht beim Militär waren, nahmen in außervogtländischen Industrien zumeist in Granatenfabriken und chemischen Werken Mitteldeutschlands Arbeit an. Dort verdienten sie zwar verhältnismäßig gut, aber sie waren zumeist in schlechten Baraden und Massenquartieren untergebracht. Es sammelte sich bei diesen Menschen ein ungeheures Maß von Erbitterung an. Besonders die Arbeiterinnen flagten sehr offenherzig über ihre Unzufriedenheit und wünschten sehnsüchtig ein Ende des Krieges herbei. Sie wollten wieder heim ins grüne Vogt land mit seiner sauberen Industrie, mit seinem Stickmaschinen geflapper und seinen frohen Liedern. Nirgendwo ist bekanntlich bei der Arbeit soviel gesungen worden mie im Bogtland.
Diese Sehnsucht quälte die Menschen in den fremden Baracken bis zum November 1918. Da kam endlich die Erlösung und nun sollte plöglich ein großes Bunder geschehen.
Es war Frieden, die Leute waren wieder daheim. Was für politische Forderungen damals gestellt wurden und wer alles glaubte berechtigt zu sein, politische Forderungen zu Stellen sind wohl politische Forderungen mit einem solch hohen Grad von Naivität erhoben worden, wie damals im Vogtland . Die Leute
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das ist vielen von uns noch im Gedächtnis. Selten aber
verlangten stürmisch, daß in der Stickereiindustrie plötzlich wieder Borkriegsverhältnisse eintreten, daß die Stickmaschinen wieder gehen und die frohen Lieder wieder flingen sollten! Und das alles sollte, nach ihrer Meining die Sozialdemokratie aus dem Boden stampfen. Denn sie hatte ja die Macht! Auch die Fabrikanten, die geschworenen Feinde der Sozialdemokratie, setzten ihre ganze Hoff nung auf sie und erwarteten als wäre gar nichts geschehen mit ihrer Hilfe die englischen, amerikanischen und französischen Exportorders.
Als das die Sozialdemokraten micht schaffen fonnten, wie es auch irgendein anderer Mensch nicht hätte schaffen fönnen, da wandten sich die Vogtländer enttäuscht von der Sozialdemokratie ab und gingen zumar ö13, der mit agitatorischem Geschic und mit einer Strupellosigkeit fondergleichen den Leuten den Himmel auf Erden versprach.
Er brachte damals immerhin einen wesentlichen Teil der Bevölkerung hinter sich. Die Zahl seiner Anhänger aber, die ihm etwa aus innerer politischer Anschauung heraus zu folgen vermein
Mar Hölz dachte natürlich gar nicht daran, irgendwelche mirtschaftliche Verbesserungsmaßnahmen für die Textilindustrie zu zeigen oder zu fördern. Er war letzten Endes eben doch nichts
weiter als ein wildgewordener Spießbürger und es mar bedauerlich, die immerhin erhebliche Zahl Menschen zu sehen, die sich von seinem Phrasenschwall verblenden ließ. Es ist weiter bedauerlic) zu sehen, wie die Menschen trotz aller Erfahrungen in dieser Verblendung verharren. Denn es ist dieselbe Verblendung, und es find weitaus dieselben Menschen, die damals im fortgesetzten Ueberschwang ihrer Gefühle hinter Mag Hölz her jubelten und die heute ihre enttäuschten Hoffnungen auf- Hitler übertragen. So wie Hölz in seiner theatralischen Art es verstanden hatte, die Leute immer wieder mit seinem„ ,, kommenden Morgenrot" zu faszinieren, so versteht es heute Hitler in scharlatanhafter Weise, paradiesische Hoffnungen auf sein Drittes Reich zu erwecken. Und die Vogtländer fallen darauf hinein, heute so wie damals. Das Vogtland ist ein Beweis dafür, wie ansteckend politische Phantastereien wirken, wie tief die politische Unreife noch im Volke wurzelt, wie langsam und schwer gesunde politische Erkenntnisse reifen und welche großen Rückschläge es mitunter geben fann zugleich aber auch ein Beweis dafür, daß sozialdemokratische Aufflärungsarbeit nie eifrig, flug und gefchidt genug geleistet werden tann.
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Soll das Vogtland gesunden, sollen seine Arbeiter wieder einmal ruhige Stunden und bessere Seiten sehen, dann muß das liebe Bolk in dem schönen grünen Hügelland seinen Weg von Hölz 311 Hitler verlassen und den Weg einschlagen, der die Menschen allein vorwärts bringen fann: den Weg zur Sozialdemokratie.
E. S..:
herum, überfallen jeden, der etwas besser angezogen ist, und bitten um eine kleine Münze. Sie gehen in die Kaffeehäuser, legen vertraulich die Hände auf die Arme der Gäste und verlangen ein paar Centimos Oft werden sie von ihren Müttern zum Betteln aus geschickt und müssen das jüngste Baby mitnehmen, um mehr Mit leid zu erwecken. Man könnte beinahe meinen, daß diese zähen Bettlerfinder ein System, eine Organisation haben. Aber nicht allein Kinder, sondern auch ungepflegte Frauen, bärtige und verkommen aussehende Männer, Zeitungsjungen alle verlangen fie Geld und erwarten, daß man es ihnen gibt.
Granada das ist die Alhambra, die sich auf dem Cerro| Hause ist. Scharen verwahrloster Kinder treiben sich in den Straßen del Sol im Osten der Stadt erhebt, von allen Seiten isoliert, von den arabischen Herrschern aus dem Geschlechte der Nazariden erbaut. Man gelangt nach ihr auf dem schattigen Wege der Alamada an den Toren der Gerechtigkeit und des Beines vorbei. Granada ist die Alhambra, das maurische Wunderwerk mit dem Löwen und dem Myrthenhof und den herrlichen Sälen der Könige und der Gesandten. Granada sind die Gärten des Generalife, der Sommerrefidenz der Sultane auf dem höchsten Punkte des Cerro del Sol, mit fonnigen Terrassen, schattigen Laubengängen, rieselnden Mässern und dunklen Zypressen. Aber die Alhambra ist mehr als ein Denkmal aus den Zeiten der maurischen Herrschaft in Europa ; sie ist eine Erinnerung an die Zeit, in der Andalusien und Granada wohlhabend waren, die Landwirtschaft, der Handel und die Kunst masse günstiger als der spätere spanische, der räuberischer und verin Blüte standen. Der afrikanische Feudalismus war für die Bolks. ständnisloser vorging und das Land verarmen ließ. So start war der Einfluß jener arabischen Herrschaft in Spanien , daß man im ganzen Süden, auch heute noch troz Republik und Aufklärung, den Eindrud gewinnt, daß man im Orient sei. Und nicht nur der äußere Anblick der Straßen und Gäßchen erweckt diesen Eindruck, sondern, und vor allen Dingen, die soziale Struktur, die eine verzweifelte Aehnlichkeit mit der der nordafrikanischen Stämme aufweist. Hier wie dort die große Masse des ungebildeten Volkes, von dem weit mehr als die Hälfte nicht lesen und schreiben kann, und eine dünne Oberschicht reicher Latifundienbefizer und wohlhabender Kaufleute
Bom Proletariat fann hier nur bei einem geringen Teil der Einwohnerschaft die Rede sein; der überwiegende Prozentsatz
wäre, nach Marg, zum Lumpenproletariat zu zählen. Doch selbst die Alhambra und die Gärten des Generalife verblassen rasch in der Erinnerung bei einem Gange durch die Stadt. Die Kunstgeschichte wird von der Politik abgelöst, ob man will oder nicht, und nur blindwütige Baedeker- Reisende können vor lauter Alhambra die grenzenlose Armut übersehen, die in dieser Stadt zu
Aus den wertvollen Ausführungen von Friedrich Wolf :, auch die sozialen Naturgefeße, denen ihre natürliche Entwicklung ,, Kampf ums Dasein" in Nr. 182 vom 19. April fönnte ein scharfer folgt, durch die ganze Stufenleiter der Lebensformen bis zu den Gegensatz zwischen Charles Darwin und Peter Kra niederen Organismen hinab verfolgt werden. Da stellt sich dann potkin herausgelesen werden, insofern die Meinung sich etwa heraus, daß die sozialen Triebe oder Instinkte schon bei den einbildete, daß erst durch die russischen Forscher Keßler und Krazelligen Protisten vorhanden und auf die Sympathie gleichartiger potkin die gegenseitige Hilfe als ein gefeßmäßiger Borgang in Zellen, auf gesellige Empfindungen und Bedürfnisse von Elementar der Erhaltung alter und Entstehung neuer Arten erkannt wurde. organismen einer und derselben Art zurückzuführen sind. Wahres Demgegenüber muß aber gesagt werden, daß schon Krapotkin selbst Lebensglück, Wohlstand und Zufriedenheit ist nicht in der Pflege des in seinem Werke: ,, Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschen- reinen Egoismus zu finden, sondern in gegenseitiger Hilfe." hilfe" das Gesetz der gegenseitigen Hilfe als eine Fortentwid lung der von Darwin in der Abstammung bes Menschen selbst ausgesprochenen Idee bezeichnete.
In der Abstammung des Menschen schrieb Darwin , mie in zahlreichen Tiergesellschaften der Kampf um die Eristenzmittel zwischen den einzelnen Individuen verschwindet, wie der Kampf ersetzt wird durch Zusammenwirken und wie dieser Ersatz schließlich zu der Ent widlung der geistigen und moralischen Fähigkeiten führt, die der Art die besten Bedingungen des Ueberlebens sichert. So heißt es 3. B. in dem Abschnitt in Darwins Werk über die Abstammung des Menschen, worin er die Herkunft der moralischen Gefühle des Menschen darlegt:„ Liere leisten sich auch noch wichtigere Dienste; so jagen Wölfe und andere Raubtiere in Truppen und helfen einander beim Angriff auf ihre Beute. Pelikane fischen in Gemeinschaft." Und noch eine andere Stelle soll dazu auffordern, das erwähnte Kapitel bei Darwin selbst nachzulesen. Bei denjenigen Tieren", sagt Darwin ,,, welche durch das Leben in enger Gemeinschaft bevor zugt wurden, werden diejenigen Individuen, welche das größte Vergnügen an der Gesellschaft empfanden, am besten verschiedenen Gegnügen an der Gesellschaft empfanden, am besten verschiedenen Ge
fahren entgehen, während diejenigen. welche fich am wenigsten um ihre Kameraden fümmerten und einzeln lebten, in größerer Anzahl umkommen werden." Ich meine, daß Darwin sich hier und an anderen Stellen sehr deutlich über das wichtige Prinzip der gegenseitigen Hilfe ausgesprochen hat. Ich möchte nur noch einen besonders wichtigen Satz aus Darwin hervorheben. Nach Analogie mit der größten Zahl der Quadrumanen zu schließen, ist es wahrscheinlich, daß die frühen affenähnlichen Urerzeuger des Menschen gleichfalls jozial waren. Charakteristischerweise steht dieser Saz in dem Abschnitt mit der Ueberschrift:„ Der Mensch ein soziales Zier."
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Selbstverständlich soll mit allen diesen Hinweisen Kropotkins großes und unbestreitbares Berdienst nicht geschmälert werden nur einen Gegensatz zwischen Darwin und Krapotfin fann ich nicht zugeben. Im Anschluß hieran will ich noch kurz darauf hinweisen, daß auch hädel nicht den Kampf ums Dasein als alleinigen Faktor anerkannt, sondern auch den sozialen Trieben ihre große Rolle im Lebensprozeß der Organismen zugeschrieben hatte. Häckel schrieb: ,, Die Gesellschaftsbildung ist keineswegs ein besonderes Produkt der menschlichen Anpassung, auch nicht bloß auf die höheren Tiere' be schränkt, sondern die niederen Stufen der Gefellung stellen eine all gemeine Lebensfunktion aller Organismen dar. Demnach müssen
In diesem Zusammenhange möchte ich furz auf Heinrich Schmidts tiefdringendes Buch: Harmonie", Verlag von Carl Reißner, Dresden , besonders hinweisen. Von außerordentlicher Bedeutung aber ist es, daß bereits 1865 Friedrich Albert2ange in seinem unsterblichen Werke:„ Die Arbeiterfrage " im unmittelbaren Anschluß an Darwin das Prinzip des Kampfes ums Dasein auf die soziale Belt, auch zum Erklärungsprinzip der Arbeiterfrage übertrug. Auch nach Lange macht sich auf jeder Stufe der menschlichen Entwicklung und unter allen Umständen das Naturgesetz des Kampfes ums Dasein geltend, allein seine Wirkungen werden teils modifiziert, teils geradezu aufgehoben und durch entgegengejezte verdrängt kraft eines anderen Naturgesetzes, welches aus dem sympathischen zu sammenleben der Menschen den Gedanken der Gleichheit und des solidarischen Fortschritts erwachsen läßt. Der Mensch steht in dem gleichmäßig und stetig wirkenden Strom der natürlichen Differenzierung, aber gleichzeitig unter dem Einfluß des Gedankens der Einheit und Gleichheit." Gerade im Anschluß an Darwin hat Lange schon 1865 das Naturgesetz des Kampfes ums Dasein und das der gegenseitigen Hilfe als untrennbar zusammengehörig erkannt und als höheren und menschenwürdigeren Zuständen bedingenden Faktoren die den weiteren Entwicklungsprozeß der Menschheit zu immer
erwiesen.
San.- Rat Dr. Otto Juliusburger.
Bei der Sichtung der Archivbestände der Akademie der Wissen schaften zu Leningrad wurde, wie die Moskauer Abendzeitung ,, Betschernjaja Mostwa" vom 18. April unter Hinmeis auf Darwins 50. Todestag meldet, ein unbekannter Brief Darwins vom 21. Mai 1873 an den russischen Baläontologen Prof. W. Kowalewskij entdeckt, der von wissenschaftlichen Fragen handelt und ven Darwins Anteilnahme an der russischen Forschung zeugt. An gleicher Stelle wurde ferner ein seinerzeit aus Zenfurgründen unveröffent licht gebliebenes 12, engbeschriebene Seiten umfassendes Manuskript des namhaften russischen Zoologen und Pathologen J. J. Metsch nifow aus dem Jahre 1883 gefunden, in dem sich der Gelehrte mit Darwins„ Entstehung der Arten" befaßt und der Darwinschen Theorie eine große Zukunft prophezeit. Beiden Funden wird in den evolutionistisch eingestellten russischen Gelehrtenfreifen grundlegende Bedeutung beigemeffen,
H. R.
Das Betteln ist hier ein Beruf; man sieht nichts Erniedrigendes darin, und man gelangt nur langsam zum Klassenbewußtseinund zu anderen Kampfesmiffeln.
Gemiß hat die Union General de Trabajo( Gewerkschaft) nach der Proflamierung der Republik auch in Granada mehr Anhänger gefunden als früher, aber die äußerste Not der Einwohner bedingt es, daß sie mehr zum Anarchismus neigen, und die Confederation National de Trabajo, die anarchistisch- syndikalistische Organisation, hat hier eine stärkere Anhängerschaft.
Was kann die junge und an Geldmitteln so arme Republit gegen diese schreckliche Not der Volksmassen, besonders in diesem Landesteile, unternehmen? Es gibt kein Mittel, den passiven Widerstand der reichen Latifundienbefizer zu brechen, die gleich den reichen Industriellen Kataloniens das Land verlassen haben, um draußen abzuwarten, wie sich die Revolution weiter entwidel wird. Die Peseta fällt andauernd; die allgemeine Wirtschaftskrise verstärkt noch das Elend, und die Republit muß die Sünden der Monarchie und der Diftatur teuer bezahlen. Radifate Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel eine absolute Enteignung des Bodens, können selbst die Sozialisten in der Regierung nicht beantragen, denn sie haben nicht die genügende Macht, um derartige revolutio näre Maßnahmen durchzusetzen.
So werden dauernd Bersuche gemacht, die Lage der Massen durch Reformen zu lindern. Doch die unmittelbare Not ift allzu groß, und die Streit- und Aufstandsbewegung nimmt, besonders in Andalusien , immer mehr zu.
Als ich nach Granada fam, war gerade ein Streik beendet. Ich sah noch einen Trupp junger Arbeiter singend durch die Straßen ziehen, von zwei Polizisten mit Rarabinern begleitet. Sie fangen, und ich verstand nicht, was sie fangen, aber ich mußte, mas fie meinten. Rhythmus und Melodie waren mir wohlbekannt. Es ist immer dasselbe Lied von Arbeit, Brot und Freiheit.
Eine reizvolle Stadt ist Granada . Gleich einer aufgeschnittenen Apfelsinenschale zerfällt sie in vier Teile um den Cerro del Sol, auf dem die Alhambra steht. Der südliche Teil wächst in die Ebene hinaus; der nördliche, durch den Fluß" Darro von der übrigen Stadt getrennt, breitet sich an den sonnigen Hängen des hügeligen Borgebirges aus. Er wird die Alcazaba Cadima genannt. Hier hat sich die alte maurische Stadt erhoben, in der sich die Araber nach der Uebergabe von Granada an die christlichen Eroberer ansiedelten. Sie wurden zur Zeit Philipps 11. niedergemegelt, angeblich, weil sie sich nicht zum Christentum bekehren wollten, aber mohl eher, weil sie den Anfang eines Bürgertums darstellten, das dem Feudalismus Spaniens gefährlich werden konnte und das man ebenso radikal bekämpfte wie etwa später das jüdische handel treibende Bürgertum und jede freigeistige Bewegung.
Von der Alhambra aus gesehen, bietet dieser Stadtteil mit den zahlreichen Patios, in denen Palmen stehen, den schönsten Anblick dar:
die weißen Würfel der Häuser, halb im Grünen versteckt und terrassenförmig aufsteigend an den sonnigen Hängen der Hügel, versprechen von weitem Märchen aus„ Tausend und einer Nacht ". In Wirklichkeit erstarrt alles in Schmus, vegetiert alles in der größten Armut und jämmerlichsten Primitivität. Höhlen, die von der Alhambra aus zu sehen waren, die aber niemand für Wohnungen gehalten hätte, entpuppen fich als menschliche Behau bekleidung Draußen leuchtet der strahlendste Sonnenschein, und in fungen. Es find Löcher, die in den Berg gegraben find, ohne Fenster, ohne Licht, ohne Rauchabzug, ohne Fußboden und Wand
diesen Höhlen ist es dunkel, feucht und übelriechend. Der Unrat in den engen Gassen türmt sich zu Haufen. Schmuzige Kinder spielen vor den Eingängen zu den Höhlen. Kleine Mädchen versprechen mit laszivem Lächeln einen Tanz. Männer flchen einen um Geld oder auch Zigaretten an.
Diese Leute sind Jigeuner", sagt mon mir verächtlich in der Stadt. Aber diese Zigeuner sind hier ansässig, find sicherlich Spanier geworden, find Menschen.
Granada ist eins der schönsten Fleckchen Erde . Tief unten liegt weiß die Stadt; auf dem grünen Cerro del Sol erhebt sich rötlichgelb die Alhambra ; durch den ausgetrockneten Darro werden schreiende Esel getrieben; im Osten ragen die Schneeberge der Sierra Nevada empor. Es fehlt nichts, außer ein menschliches Dasein für die Menschen, die diesen Fleck Erde bewohnen. Und viel Zeit und Arbeit ist vonnöten, damit es anders wird und die Spuren der feudalen Herrschaft, der Inquisition , der Versklavung der Massen verschwinden. Sophie Kramstyk.